Über die Blumenroute auf den Vulkan – oder „Kilos contra Kondi“

„El Salvador“ – Ein Name wie eine Fanfare. Schon im Gedanken an dieses Land tauchen vor meinem geistigen Auge schwerbewaffnete Pistoleros mit umgehängtem Patronengurt und grimmigen Gesichtern auf. Vielleicht habe ich als Kind aber einfach nur zu viele Western geschaut, auch möglich. Zwar habe ich vor dem Befahren dieses Landes genausowenig Angst wie vor den bisherigen, aber vielleicht ist da dann doch irgendwo ein bisschen mehr Respekt vor dem Ungewissen wie sonst, in etwa so, als wie wir vor ein paar Jahren nach Tunesien gefahren sind, obwohl uns alle davon abgeraten haben und was dann von A-Z eine absolut großartige Reise war. Was uns dann als Allererstes erwartet als wir Guatemala verlassen und die Brücke zum Grenzübergang nach El Salvador überquert haben, ist das breite Lächeln des ersten Grenzbeamten der uns anhält und uns mit einem donnernden „Bienvenidos a El Salvador“ begrüßt. Wir stellen den Unimog neben einer Art Partyzelt ab, wie wir sie zu Hause für Gartenfeste verwenden. Darunter stehen ein paar Plastikstühle und ein winziger Tisch mit einem Bürostuhl unter dem ein paar Hunde schlafen. Na, das hier wird ja wohl nicht wirklich Zoll und Immigration sein? Ja, ist es tatsächlich! Man bittet uns höflich um unsere Pässe und die Papiere für das Fahrzeug und ein Grenzbeamter verschwindet damit hinter einer an das Zelt grenzenden Tür, die in eine Gartenhütte – Pardon – die wohl zu seinem Büro führt. Alle möglichen Menschen in Uniform wie auch in Zivil sitzen unter und neben dem Zelt herum, keiner scheint hier wirklich was zu tun zu haben, es herrscht eine total entspannte Atmosphäre, die irgendwie überhaupt nichts mit einer Grenzstation zu tun hat. OK, es ist einer der kleineren Übergänge zwischen Guatemala und El Salvador und es herrscht auch nur ganz wenig Verkehr, aber so etwas haben wir trotzdem noch nie erlebt. Irgendwann, wir haben uns inzwischen ungefragt auch inmitten der Beamten auf den Plastikstühlen unter dem Zelt niedergelassen was niemanden hier zu stören scheint, kommt der Beamte zurück und zeigt uns das Zolldokument, das er für den Unimog ausgestellt hat und das Karl kontrollieren und dann bitte unterschreiben soll. Leider finden sich einige Fehler darin und wir wissen, dass es dadurch bei der Ausreise Probleme geben kann, wenn die Daten zwischen Dokument und Originalpapieren nicht zusammenstimmen, die dann meistens großzügiger Trinkgelder bedürfen um aus der Welt geschafft zu werden,… . Da wir unser Geld lieber für anderes ausgeben, machen wir ihn höflich darauf aufmerksam und er verschwindet daraufhin wieder in seinem Büro. Anscheinend dürfte er nur leider das Dokument nicht gespeichert haben, denn es dauert mindestens so lang wie beim ersten Versuch, bis er wieder erscheint, währenddessen wir weiterhin ganz entspannt warten dürfen und dabei von den Anwesenden über unsere Reise ausgefragt werden. Beim zweiten Anlauf ist dann alles ok, Karl kann unterschreiben, das Dokument wird noch gestempelt und schon sind wir fertig. Ungläubig frage ich, ob wir nicht noch mit unseren Pässen zur Immigration müssten, aber sie schütteln alle nur den Kopf und wünschen uns eine gute Fahrt und einen schönen Aufenthalt in El Salvador – OK, kein Anstellen, keine Gebühren, wieder mal keine Spur von einer Fahrzeugüberprüfung, nettes Geplauder  – Somit ist das hier mal auf jeden Fall unser neuer Lieblingsgrenzübergang, so entspannt, freundlich und lustig war’s wirklich noch nirgends.

Das erste was uns dann nach der Grenze auffällt, als wir uns wieder auf die Straße begeben, ist genau deren Zustand. Ja, seit Wochen haben wir keine so schöne Straße mehr erlebt. Der Asphalt ist neu und glatt und es gibt kein einziges Schlagloch. Im Gegensatz zu dem was man in Guatemala „Straße“ nennt, eine echte Wohltat. Wir folgen der „Ruta de las Flores“, der „Straße der Blumen“ am ersten Tag noch bis zu einem kleinen Ort namens Ataco, auf 1.250 m Höhe. Es ist Wochenende, Ataco liegt an einer der wenigen Strecken in El Salvador, die auch jene Touristen befahren, die das Land nur schnell in wenigen Stunden oder maximal ein bis zwei Tagen durchqueren, was sich sofort an den hohen Preisen und an dem touristischen Äußeren des an sich sehr hübschen Orts bemerkbar macht. Wir übernachten wieder einmal direkt am „Parque Central“ und gönnen uns einen ersten Kaffee in einem der gleich daneben liegenden Lokalen. Geldwechseln bleibt uns hier erspart, in El Salvador gilt seit 2001 der US$ als offizielle Währung, vorher war es der Colón, der aber nur mehr auf Bildern existiert, was das Land leider komplett abhängig macht vom „großen Bruder USA“. Es kommen also auch US$ aus den Bankomaten und irgendwie scheint dadurch hier alles gleich wieder ein bisschen teurer zu sein als vorher in Guatemala. Wir schlendern durch die Gassen von Ataco, vorbei an den üblichen Souvenirständen, trinken in einem der kleinen Lokale unser erstes „Pilsener“, das salvadorianische Bier, beobachten die Einheimischen beim nachmittäglichen Plaudern auf dem Gehsteig und die Verkehrspolizistinnen beim konsequenten „Wer sich zuerst bewegt verliert“.  Sehr lustig finden wir die hier durch den Ort kurvenden, bunten „Open-Top-Busse“ bzw. auch Personen-Anhänger die einfach an Pick Ups angehängt werden und worin vor allem salvadorianische Touristen bei lauter Partymusik durch den Ort kutschiert werden. Getränke jeglicher Art dürfen dazu offenbar mitgebracht werden, was die Stimmung in diesen Gefährten bei fortschreitendem Abend auf ein Maximum anhebt. Die Auswahl an Restaurants ist hier riesig, wir landen dann aber, wie so oft, in einer der Straßenküchen im Park, wo wir das erste Mal seit wirklich langer Zeit richtig schlechtes und viel zu teures Essen vorgesetzt bekommen. Eine nette Bar für einen Schlummertrunk scheint es hier dann am Abend leider auch nicht zu geben, wir sind eher enttäuscht von dieser ersten, ziemlich touristischen Seite von El Salvador und verabschieden uns dann am nächsten Tag ziemlich rasch aus Ataco.

Wir verlassen kurz die Blumenroute, denn ich habe gelesen, dass es hier ganz in der Nähe, nur „ein paar“ Höhenmeter weiter oben, einen wunderschönen, kleinen See geben soll, der in einem ehemaligen Vulkankrater liegt. Karl, der, wie meistens, solchen eher vagen Richtungsangaben von mir ruhig folgt, biegt von der Hauptstraße in einen fast nicht zu erkennenden Nebenweg ein, der schon auf den ersten 100 Metern so eng wird, dass mir bereits hier das Herz in die Hose rutscht. „Was bin ich nur für ein Trottel mit meinen Ideen“ denke ich mir zum wiederholten Mal, als der enge, völlig zugewachsene  Weg in endlosen Kurven immer höher durch den Wald mit tiefhängenden Ästen ansteigt und wir einige Male echte Mühe haben, dem Gott sei Dank spärlichen Gegenverkehr auszuweichen, wobei man sagen muss, dass bei unserem Anblick auf diesem schmalen Weg eh meistens die anderen freiwillig auf die Bremse springen und ausweichen bzw. zurückfahren. Umkehren, was ich mir zwischendurch brennend wünsche, ist hier sowieso keine Option und irgendwann erreichen wir dann wirklich das Ziel und vor uns liegt die wunderschöne „Laguna verde“. Trotz der steilen Anreise verbringen einige Einheimische wohl den Sonntagnachmittag hier und wir finden nur mit Mühe einen Parkplatz für den Unimog, da die meisten Plätze unter den für uns viel zu niedrigen Bäumen liegen. Ich gehe zu Fuß voraus und finde ganz hinten einen einzigen, ziemlich ebenen Platz, der sich gut zum Übernachten direkt am See eignet. Karl tastet sich im Schritttempo unter den tiefhängenden Zweigen der Bäume hindurch, es ist wirklich teilweise Zentimeterarbeit, aber dann ist es geschafft. Er ist sehr skeptisch, dass wir hier in dieser einsamen Idylle wirklich übernachten dürfen und wir marschieren also erst einmal zurück zum Einfahrtsbereich, der mit einer Schranke gesichert ist und wo sich auch einige Polizisten aufhalten. Ich frage einen davon ob wir dort ganz hinten übernachten dürfen und er meint sehr freundlich das sei überhaupt kein Problem. Wir umrunden dann noch den See auf einem Wanderweg der uns inklusive seiner Kulisse fast ein bisschen an eine Mini-Ausgabe des Schwarzensees erinnert und, nachdem sich später außer uns alle Besucher auf den Heimweg gemacht haben, verbringen wir noch einen ruhigen Abend ganz alleine an diesem wunderschönen Platz. So um 21.00  Uhr herum hält dann plötzlich ein Auto im Dunkeln direkt neben uns und jemand steigt aus und leuchtet mit einer Taschenlampe rund um den Unimog. Als wir aus dem Fenster schauen, hören wir gleich: „No te preocupes, somos la policia!“ „Keine Angst, wir sind die Polizei!“ Sie fragen, ob eh alles ok bei uns ist und wünschen uns  eine gute Nacht – Ja, liebe Leute, so schaut’s nämlich aus hier in El Salvador, so gut passen sie hier auf ihre Touristen auf – Wirklich kein Grund zum Angst haben! Wir verbringen die ruhigste Nacht seit langem hier in der Abgeschiedenheit der „Laguna verde“ und freuen uns, dass wir den Abstecher hierher gemacht haben.

Als nächstes steht etwas an, was wir uns schon seit Guatemala wünschen, wir wollen nämlich einen Vulkan besteigen. Irgendwie hat es sich in Guatemala nicht ergeben, aber hier in El Salvador steht es ganz oben auf unserer Liste. Wir suchen uns den knapp 2.400 m hohen Vulkan „Ilamatepec“ aus, weil dieser praktisch auf unserer Route liegt (wobei man anmerken muss, dass im winzigen El Salvador sozusagen alles auf der Route liegt,…). Wir durchqueren noch einige Bilderbuchdörfer an der Ruta de las Flores, verlassen diese aber dann gerne und beziehen Quartier in der „Casa Cristal“, einem Campingplatz der einfachsten Sorte, der für 7,50 US$ pro Nacht rein gar nichts außer riesigen Wiesenflächen bietet, wo man sich dafür aber seinen Stellplatz wirklich aussuchen kann. Außer uns gibt es auf dem großen Grundstück aber sowieso nur noch drei andere Campingfahrzeuge, von denen zwei Franzosen gehören, die wir am öftesten auch in Ländern oder an Plätzen treffen, die als eher unsicher gelten. Die „Grand Nacion“, das muss man ihr lassen,  scheint da noch am wenigsten ängstlich zu sein und meistens haben die Familien sogar kleine Kinder auf ihrer Reise dabei. Wir schlagen also hier unser Lager auf, der für den Platz zuständige Herr zeigt uns noch die Richtung wo angeblich gleich nebenan der Weg auf den Vulkan beginnt und wir starten am nächsten Morgen (na ja, halt so am späteren Morgen,…) zu unserer Tour auf den direkt vor uns aufragenden Gipfel des „Ilamatepec“. Karl nimmt als Gentleman den Rucksack mit zwei großen Flaschen Wasser, Frühstück halte ich, wie immer, sowieso für überflüssig und wir starten bei bester Laune in Richtung des Eingangs zum Nationalpark, der wirklich nur zehn Gehminuten von unserem Übernachtungsplatz entfernt liegt. Dort haben sich bereits einige Wanderer versammelt und auch die Guides stehen bereit. Wir wissen bereits, dass eigentlich die Tour nur mit einem Guide möglich ist, dass es dabei aber eher mehr ums Geld als um die Sicherheit geht, da der Weg sehr gut markiert ist, sodass man eigentlich keinen Guide braucht. Als erstes bezahlen wir aber einmal den Eintritt in den Nationalpark bzw.: Wir bezahlen ihn nicht! Karl besitzt nämlich wirklich die Frechheit, dem Mann an der Kassa klarzumachen, dass wir beide bereits über 60 Jahre alt sind – und obwohl ich direkt daneben stehe, glaubt der das auch noch,…. also echt, …. ich bin sprachlos! Der junge Mann der dann die Tickets vor Beginn des Wegs kontrolliert, mustert mich zwar mit einem seeehr skeptischen Blick, aber was soll ich jetzt noch machen, jetzt muss ich schon mitspielen. So sparen wir zwölf US$, Karl ist zufrieden und findet’s wirklich witzig und letztendlich ist es mir dann auch wieder egal. Einer der Guides nimmt uns dann für zusammen sechs US$ theoretisch in seine bereits volle Gruppe auf, was sich sowieso als völlig sinnlos herausstellt, denn die Gruppen sind so bunt zusammengewürfelt, dass ganz langsame Geher mit Top-Sportlern zusammen sind und sich so die Gruppen gleich am Beginn des Wegs so weit auseinanderziehen, dass man sowieso bereits nach kurzer Zeit völlig allein unterwegs ist. Karl befindet sich recht schnell weit vor mir, was mir anfangs gar nichts ausmacht, ich gehe auf solchen Touren sowieso am liebsten alleine und mein eigenes Tempo. Der Weg führt allerdings von Anfang an ziemlich steil bergauf, zuerst noch im Schutz des schattigen Bergwalds. Doch nach dem ersten Drittel endet der Wald und der Weg wird immer steiniger. Die Sonne brennt erbarmungslos herunter, natürlich ist der Hut wieder einmal im Unimog geblieben, weil es mich nervt dass ich darunter so schwitze und zudem verfluche ich, laut vor mich hinschimpfend, jedes einzelne Kilo Übergewicht, das sich einerseits durch das eine oder andere vielleicht zu viel getrunkene Bier bzw. ganz sicher durch die großteils völlig fehlende Bewegung auf der Reise angesammelt hat. Bei der Hälfte des Wegs macht mein Kreislauf dann zum ersten Mal völlig schlapp und ich wünsche mir, dass ich nicht zu faul gewesen wäre, einen eigenen Rucksack mit Wasser mitzunehmen. Ich überlege ein paar Mal umzukehren, aber letztendlich siegt dann doch wieder einmal der Wille über den inneren Schweinehund. Vor dem letzten Drittel bis zum  Gipfel wartet dann Karl auf mich und ich lege eine längere Pause ein und trinke Wasser wie ein Kamel. Jetzt wo der Gipfel wenigstens schon in Sichtweite ist, bringt mich nichts mehr zum Umkehren und ich schleppe mich, allerdings im Schneckentempo, tatsächlich bis hinauf. Oben am Kraterrand angekommen, aber noch immer völlig ausgepumpt, denke ich: „Das muss eine Halluzination sein“, ich sehe tatsächlich einen jungen Mann, der neben einer riesigen Kühlbox sitzt und daraus Eis verkauft. Echt – ihr könnt mir glauben – ich stehe da und mache ein paar Mal nur die Augen zu und wieder auf, um jedesmal zu schauen ob er tatsächlich noch da ist. Er bleibt da und ich kaufe ihm, wie die meisten Wanderer, um einen US$ ein Eis ab. Ich glaube, dass das in diesem Land ein gutes Geschäft für ihn ist, aber wenn ich mir denke, dass er jeden Tag in der Früh diese große Eisbox hier herauftragen muss, gönne ich ihm von Herzen jeden einzelnen Cent! Den Geschmack –  Pistazie – werde ich mein Leben lang nie vergessen. Der Zucker bringt mich wieder auf Touren und nach ein paar Minuten genieße ich mit Karl zusammen den unglaublichen Ausblick nach allen Seiten und tief hinunter in den Krater auf den türkis leuchtenden See, der blubbert, dampft und nach Schwefel riecht. Karl hat der Aufstieg weitaus weniger angestrengt als mich, er ist halt auch, egal wo wir sind, immer so viel wie möglich zu Fuß unterwegs und nicht so ein „Couchpotatoe“ wie ich. Mich freut das ganz besonders, denn es zeigt mir, dass er nach seiner Krankheit, die ihm in Mexico wirklich übel zugesetzt hat, inzwischen wieder fast der Alte ist. Auch hier oben und entlang des Wegs werden wir wieder von Polizisten bewacht, die mich alle inkl. ihrem Hund beim Aufstieg überholt haben. Zumindestens der Hund stellt sich oben als mindestens so schlecht trainiert heraus wie ich, er streckt nämlich im Schatten des erstbesten Felsens auf dem Gipfel alle viere von sich und schaut dabei ähnlich erledigt aus wie ich… . Die eigentlich überflüssigen Guides werden dann oben am Gipfel wenigstens noch zu geschätzten Fotographen, bevor wir uns langsam wieder an den Abstieg machen. Nachdem ich beim Aufstieg nicht viel von meiner Umwelt wahrgenommen habe, genieße ich beim Abstieg umso mehr die faszinierenden Ausblicke auf die umliegenden Vulkane und Seen. Beim Unimog angekommen, falle ich aber umgehend in den erstbesten Campingstuhl und lagere meine Beine auf einen Hocker hoch. Ich verschiebe alle meine guten Vorsätze zwecks mehr Kondition auf mindestens morgen… – Und das Zischen der ersten, eiskalten  Bierdose ist dann fast so schön wie das Eis am Gipfel des „Ilamatepec“… ! Schmerzen hin oder her  – Es war ein unglaublich großartiger Valentinstag 2023!

Natürlich bleiben wir noch eine zweite Nacht auf dem Gelände der „Casa Cristal“, schließlich muss ich meine geschundenen Glieder pflegen, aber am nächsten Tag geht’s dann weiter in Richtung der größeren Stadt „Santa Ana“, wir müssen nämlich dringend Wasser tanken und dabei sieht Karl auf der anderen Straßenseite eine Werkstatt mit Auto- bzw. LKW-Zubehör und er fragt dort mittels einem Muster nach den Druckluftverbindungen, von denen wir nicht mehr viele haben. Das Geschäft selbst hat diese nicht, aber einer der Mitarbeiter glaubt zu wissen wo es diese gibt, er schwingt sich also kurzerhand aufs Moped und macht sich auf den Weg in die Stadt um das Richtige für uns zu finden. Wieder einmal können wir diesen Service nicht fassen – wo bitte gibt’s denn das noch bei uns…? Eine gute halbe Stunde und zwei Anrufe später, bei denen er seine Kollegen nochmal um Fotos der Schläuche bittet, kommt er tatsächlich mit den richtigen Verbindungsstücken zurück und will außer einem Trinkgeld nichts annehmen, außer was er selbst für die Teile bezahlt hat. Wir bleiben dann über Nacht in Santa Ana, das endlich wieder einmal nichts von einer Touristenstadt hat. Die riesige Kathedrale, eine der größten von ganz Zentralamerika, wird leider gerade renoviert und ist daher geschlossen. Die Häuser sind hier alle wieder, weithin sichtbar, sehr gut vor Einbrüchen geschützt und so lassen wir lieber auch den Unimog in einem Hof hinter hohen Mauern und Stacheldrahtrollen verschwinden. Der Parkplatz gehört zu einem Hostel und wird von einem lustigen jungen Mann namens Alex „gemanagt“, den ich überrede, dass er uns den Unimog für eine Nacht in die Mitte seines bei unserer Ankunft voll besetzten Parkplatzes stellen lässt. Wir sind somit nur 100 m vom Zentrum von Santa Ana entfernt und können uns die Innenstadt, die über wirklich schöne Kolonialbauten verfügt, bei einem Spaziergang näher ansehen. Natürlich landen wir dabei früher oder später in der einen oder anderen Bar und wundern uns bereits vor dem Hineingehen, dass draußen überall „Bar open“ steht, aber die Türen jedesmal abgeschlossen sind. Es gibt einen Türsteher bzw. Kellner der einem aufsperrt und hinter einem sofort wieder abschließt. Wir fragen einen Kellner nach dem Grund, ob sie etwa Angst vor Überfällen hätten, er sagt uns zwar es wäre nur eine Maßnahme um die Betrunkenen draußen zu halten, aber so ganz glauben wir ihm das nicht, wahrscheinlich ist das nur die Antwort für Touristen. Alles in diesem Land ist wirklich auffällig gut bewacht. Nicht nur, wie sonst in Mittelamerika, Banken und öffentliche Gebäude, sondern auch vor ganz normalen Geschäften oder wie heute vor der Autowerkstatt steht fast überall ein Security-Mann, bewaffnet mit meistens einer Pumpgun. Angst vor Überfällen dürfte also doch am ehesten der Grund für diese Sicherheitseinrichtungen sein.

Unser Weg führt uns weiter, jetzt schon eine Zeit lang abseits der touristischen Route, was sich leider sofort daran zeigt, dass an den Straßenrändern überall Müllhalden auftauchen. Als wir am Vorabend sicher zwei Stunden lang auf einer Bank am Park Central von Santa Ana gesessen sind und dabei das abendliche Treiben rundherum beobachtet haben, haben wir darüber philosophiert, was denn jetzt, speziell hier in Zentralamerika, passieren würde, wenn es auf der Stelle kein Plastik mehr gäbe.  Die gesamte Bevölkerung, bzw. der überwiegend ärmere Teil davon, egal ob in Mexico, Guatemala, El Salvador isst und trinkt einfach alles aus Plastik, verkauft an den Straßenständen alles in Plastik, von den Tellern über das Besteck bis hin zur Verpackung – Einfach alles ist Plastik. Ungefragt wird jeder noch so kleine Einkauf in ein Plastiksackerl verpackt, sofern man sich nicht schnell genug mit Händen und Füßen dagegen wehrt. Die Mülleimer, sofern es welche gibt, was oft gar nicht so einfach ist, quellen alle über von Plastik, die Straßenränder sind von Plastik übersät – Wenn es auf den Tag plötzlich keines mehr gäbe, würde hier wohl das tägliche Leben völlig zusammenbrechen.

El Salvador’s Elite ist einst reich geworden duch den Kaffeeanbau, der zu Ende des 19. Jahrhunderts rasant an Bedeutung gewonnen hat. Das Land wurde den Indios von einer Handvoll reicher Leute weggenommen und diese verdienten sich am Kaffee eine goldene Nase, ohne dass ihre Gewinne besteuert wurden bzw. ohne gerechte Löhne an die Arbeiter zu bezahlen. Dies führte naturgemäß immer wieder zu Aufständen, die durch die jeweilige, von den Kaffeegroßgrundbesitzern jederzeit „gut angefütterte“, Regierung immer wieder blutig niedergeschlagen wurden.  Letztendlich kam es, wie beim Nachbarn Guatemala, ebenfalls zu einem hier zwölfjährigen Bürgerkrieg zwischen 1980 und 1992, der, bedingt durch den Geldentzug durch die US-Regierung unter Jimmy Carter, schon nach kürzester Zeit beendet worden wäre, dann aber, nach der Wahl von Ronald Reagan, von diesem durch die Wiederaufnahme der Zahlungen an die Salvadorianische Regierung um Jahre künstlich verlängert wurde (die Amis in ihrer Angst vor jeglichem Aufkommen sozialer Tendenzen rund um die USA waren doch immer schon die gleichen Deppen,…). Das kleinste Land Zentralamerikas mit nur ca. 21.000 km2 und ca. 6,5 Mill. Einwohnern kämpft auch heute noch nach wie vor gegen sein schlechtes Image als gefährlichstes Land der Welt (ausgenommen aktuelle Kriegsgebiete), wobei es sich diesen fraglichen Titel abwechselnd mit seinem Nachbarn Honduras teilt, je nachdem wer gerade die höhere Mordrate hat. Dass sich das Ganze meistens im Bandenmillieu abspielt und Touristen davon zu 99% nicht einmal etwas mitbekommen, scheint hierbei keine Rolle zu spielen bzw. fehlt dem Land hier wohl einfach eine gute Imagekampagne. In und nach den Kriegsjahren haben rund zwei Millionen Salvadorianer das Land mehr oder weniger freiwillig Richtung USA verlassen und ihre Geldsendungen nach Hause machen inzwischen fast 20% des BIP von El Salvador aus. Es gibt ein riesiges Gefälle zwischen reich und arm und speziell am Land leben über 35 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Trotzdem ist das Land immer noch deutlich wohlhabender als seine Nachbarn Honduras und Nicaragua und uns begegnet man hier überall mit großer Neugier und wieder einmal, egal wohin wir auch kommen, mit offenen Armen und immer schon von weitem mit einem Lächeln und einem Winken.

Mitten durchs Landesinnere geht es für uns dann weiter, entlang kleiner Landstraßen, durch winzige Ortschaften, vorbei an Friedhöfen bei deren Anblick man denkt, dort hätte gestern gerade eine Party stattgefunden, so glitzernd und bunt sind die Gräber mit Plastikblumen und Flitterzeug geschmückt. Immer und überall leuchten uns am Straßenrand riesige Sträucher von Bougainvillea in allen erdenklichen Farben entgegen. Noch in keinem Land unserer Reise haben wir bisher so viele dieser hier überall üppig blühenden Blumen gesehen, oder vielleicht ist jetzt auch deren Hauptblütezeit? Auf jeden Fall wird mir El Salvador auf ewig als das Land der Bougainvillea in Erinnerung bleiben.

Von Fahrern, Partys und Robinson’s Spuren

Was jetzt hier an dieser Stelle außerdem einmal dringend einer Erwähnung bedarf, ist, wie unglaublich sicher und mit welch immer gleichbleibender Konzentration Karl die endlosen Fahrten über die engen, kurvigen Lanstraßen meistert, die ich immer für uns aussuche. Ständig seine Aufmerksamkeit nach allen Seiten richtend und immer darauf gefasst, dass von irgendwoher irgendetwas ungebetenes auftaucht. Sei es ein Fahrzeug ohne Bremslichter (kommt übrigens auch bei Polizei und Militär ständig vor), das plötzlich vor uns zum Stehen kommt oder ein verrückter Busfahrer der mitten in der Kurve auf unserer Spur auftaucht, ein Mopedfahrer der uns im Ort noch schnell rechts überholt und dann direkt vor uns zum Linksabbiegen hereinschneidet, Pferde mitten auf der Fahrbahn oder einer der lebensmüden Straßenhunde, die überall im Schneckentempo über die Straße trödeln und denen oft wirklich nur unsere laute Hupe im letzten Moment das Leben rettet – Er ist immer „100% on duty“, neben sich eine oft redefaule, dösende oder auch schon mal schlafende Beifahrerin, die sich dann höchstens noch aufregt, wenn er (was echt ganz selten vorkommt) mal einen  im Schatten völlig unsichtbaren „Tope“ übersieht und es uns beide samt Unimog unsanft rauf- und wieder runterkatapultiert und im Führerhaus alles durcheinanderfliegt. Ja, er ist wirklich ein echter Top-Fahrer mein Karl, und das muss hier endlich auch einmal gesagt werden!

Unser vorerst letzter Stopp im Hochland ist dann der wirklich idyllische Ort „Suchitoto“, mit einer besonders schönen Kirche, bevor es uns wieder einmal dringend an den Strand zieht. Der kürzeste Weg dahin führt uns direkt durch die Hauptstadt „San Salvador“, die wir aber nur kurz für einen Besuch am Bankomaten nützen, da es diese in den kleinen Orten am Pazifik angeblich selten bis gar nicht gibt und wir füllen unsere Vorräte in einem großen Supermarkt auf, wo wir an der Kassa staunend auf einem Schild lesen, dass man hier auch mit „Bitcoins“ bezahlen kann…?! Wir finden das total witzig, nämlich dass wir das genau hier, mitten in El Salvador, im tiefsten Mittelamerika, zum ersten Mal überhaupt sehen. Da soll noch einmal jemand sagen, die sind hier rückständig in diesem Land!

Das erste Ziel am Strand, das gleichzeitig aber auch nur ca. eine halbe Stunde Fahrzeit von der Hauptstadt entfernt liegt,  ist dann „El Tunco“, angeblich benannt nach einer Felsformation gleich vor der Küste, die (unserer Meinung nach nur mit sehr viel Fantasie) ein auf dem Rücken liegendes Schwein zeigt. Das Surfermekka und die gleichzeitig heißeste Wochenend-Partymeile der Salvadenos dürfen wir uns natürlich keinesfalls entgehen lassen. Wir haben Glück, es ist genau ein Freitag an dem wir in dem winzigen Ort mit seinen engen Straßen ankommen und mit Müh und Not mittendrinnen einen Parkplatz zum Übernachten ergattern. Zufällig findet an diesem Wochenende hier nämlich auch noch die „Boards&Art“ statt, eine Veranstaltung bei der junge Künstler ihre auf unterschiedlichste Weise verzierten Surfboards ausstellen. Wir erwarten zwar einiges an abendlicher Feierstimmung, aber was sich dann hier am Abend in den Beach-Clubs und Bars abspielt ist einfach unglaublich. Überall gibt es entweder Live-Musik oder DJs die für frenetische Stimmung sorgen, in den Lokalen genau so wie auf öffentlichen Plätzen, alles ist voll mit überwiegend jungem, feierwütigem Publikum. Das Ganze steigert sich dann noch einmal am Samstag, das kleine „El Tunco“ bebt die ganze Nacht im Rhythmus der Bässe der unzähligen open-Air-Partys, erst am Sonntag wird es dann wieder etwas ruhiger, obwohl viele der Gäste aus San Salvador diesen anscheinend noch zum Ausspannen nützen und erst am Abend in die nahe Hauptstadt zurückfahren. Ich gönne mir hier, zwischen den heißen Partys, am Tag wieder einmal eine „Rundumerneuerung“, sprich Strähnen und Nägel und bin somit auch „rundum“ zufrieden mit diesem Wochenende!

Entspannung brauchen wir zwei nach diesem Partywochenende dann auch, wir suchen etwas mehr Einsamkeit und fahren ein Stück weiter nach Osten bis zur „Bahia de Jiquilisco“, einem riesigen Schutzgebiet mit Mangrovenwäldern und angeblich kilometerlangen, einsamen und unverbauten Sandstränden. Eine nähere Beschreibung des Gebietes habe ich nirgends gefunden und sogar Google gibt hier auf und beantwortet meine Suchanfragen nur jeweils mit „Keine Route gefunden“. Gott sei Dank stamme ich aber noch aus einem Zeitalter wo Atlas und Landkarte noch keine Fremdwörter waren und meine Straßenkarte von El Salvador zeigt immerhin einige strichlierte Linien, also gibt es wenigstens theoretisch unbefestigte Straßen in diesem Gebiet. Wir folgen dann einer gar nicht mal so schlechten Straße, die uns fünfzig Kilometer lang, durch Farm- und Ranchland bis zu dem winzigen Fischerort „Corral de Mulas“ führt, dessen wenige Häuser aber so weit auseinander im Buschland und in Palmenhainen versteckt liegen, dass wir es gar nicht richtig wahrnehmen, bis auf die Tatsache, dass hier plötzlich auch die Straße endet. Wir kurven eine Zeit lang auf Feldwegen herum, sehen das Meer aber immer nur von weitem, durch die vielen Viehweiden ist aber fast überall keine Zufahrt mglich. Wir wechseln dann die Richtung zur anderen Seite der Halbinsel, folgen einem engen Schotterweg, der zwischen zwei Viehweiden schnurgerade in die Richtung führt, in der wir hinter einer Reihe von hohen Palmen das Meer vermuten. Es ist nur eine winzige Erhebung, die uns fast bis zum Schluss die Sicht nimmt und genau als wir diese erreichen, endet der Schotterweg auch schon mitten auf dem Sandstrand. Der Blick der sich uns hier bietet ist einfach atemberaubend schön und fast nicht zu beschreiben. Direkt vor uns der breite, auch hier durch die umliegenden Vulkane dunkelsandige  Strand, der sich so weit man nach links und nach rechts schauen kann, kilometerlang einsam dahinzieht. Das Meer glitzert vor uns in allen Farben und wenn man sich umdreht und landeinwärts schaut, steht eine Reihe hoher, schlanker Palmen vor dem Panorama der dahinter aufragenden Vulkane. Dank unseres Unimogs fahren wir durch den feinen Sand bis fast ganz ans Meer, natürlich mit entsprechendem Sicherheitsabstand um erst einmal Ebbe und Flut zu beobachten und schlagen hier unser Lager für die nächsten Tage auf. Der leichte Wind lässt uns die unglaubliche Hitze von über 40 Grad besser aushalten als in den Tagen zuvor mitten in „El Tunco“, wo es in der Nacht im Unimog sicher zwischen 25 und 30 Grad hatte. Wir versuchen sogar kurz unsere Markise auszuziehen, allerdings nimmt der Wind dann so stark zu, dass wir diese lieber gleich wieder einrollen, um sie nicht wieder zu beschädigen. Unser Unimog ist ohnehin so hoch, dass er, egal wie die Sonne steht, immer auf irgendeine Seite genug Schatten wirft. So verbringen wir die nächsten Tage hier auf den Spuren von Robinson Crusoe, baden im warmen Pazifik, grillen (mit leichten, windbedingten Schwierigkeiten,…) und sitzen bis spätabends mit einer Flasche Wein draußen. Aus der kleinen Bose-Box klingt Bob Marley dank der Musik-App „Spotify premium“, die übrigens eine meiner besten Investitionen ever ist – Danke mein Sohn dass Du mir das eingeredet hast und wir dadurch jetzt auch noch an den entlegensten Plätzen und ohne Internet die Musik hören können nach der uns gerade ist. Wir staunen über einen der unglaublichsten Sonnenuntergänge die wir jemals erlebt haben – der Himmel scheint zu brennen – und ich schwöre, diese Bilder sind nicht bearbeitet! – Später sitzen wir nur nebeneinander und schauen abwechselnd aufs dunkle Meer und hinauf in den unendlichen Sternenhimmel. In der Früh weckt uns nichts außer dem Rauschen des Meeres und die einzigen Menschen die wir während der ganzen Zeit zu Gesicht bekommen, sind ein paar Jungs vom Straßenbau, die den Schotterweg auf dem wir gekommen sind begutachten, bzw. später für den Neubau einer Straße vermessen, da dieser anscheinend während der Regenzeit fast immer unpassierbar ist. Sie sind, wie bisher alle Salvadorianer, sehr freundlich und neugierig, fragen uns über unsere Reise aus und freuen sich sehr, dass wir ihnen vorschwärmen, wie wohl und sicher wir uns in ihrem Land fühlen. Abgesehen von diesem netten Besuch sehen wir während der ganzen Zeit nur täglich ein paar Fischer, die wohl hier schon in der Nacht oder am ganz frühen Morgen ihre Netze auslegen, diese dann am Vormittag gut gefüllt einholen und anschließend mit dem Pferdewagen über den Strand abtransportieren. Frischeren Fisch und Garnelen sozusagen frei Haus kann man sich wirklich nicht wünschen. Wenn wir solche Bilder nach Hause schicken werden wir oft gefragt:“Ist denn das nicht langweilig, so ganz alleine an so einsamen Plätzen?“ – „Neeeiiin, im Gegenteil“, es ist doch gerade das Schöne am Reisen auf diese Art, dass wir uns nach einigen Tagen  Stadtleben, Party und Essen im Restaurant anschließend mit gut gefüllten Vorräten in die Einsamkeit solch wunderbarer Plätze zurückziehen können.

Aber auch das gemütlichste Strandleben muss natürlich einmal ein Ende haben. Nach ein paar Tagen fahren wir weiter die einsame Ostküste entlang und treffen dabei noch auf viele weitere Stände und kleine Fischerdörfer, die ebenfalls in keinem Reiseführer zu finden sind. Sie alle einzeln zu beschreiben würde hier bei weitem den Rahmen sprengen, jedenfalls genießen wir überall frischen Fisch, kühles Bier und schattige Palapas mit Hängematten. Unser Leben scheint hier manchmal fast wie in Zeitlupe abzulaufen, es ist einer jener Teile von Mittelamerika, den man am liebsten noch lange nicht verlassen würde.

 

„Die dunkle Seite von Macht und Geld“ und „Ein Wahnsinn – Er ist da!“

Wir müssen uns aber natürlich trotzdem wieder auf den Weg machen. Bevor es über die Grenze im Norden ins Nachbarland Honduras weitergeht, möchten wir uns aber nocheinmal der dunkleren Seite von El Salvador widmen. Hoch oben auf 1.700 m, ganz versteckt in den Bergen, liegt das „Museo de la Revolucion“.  Wir erreichen es am frühen Abend, gerade bei Einbruch der Dunkelheit und der wieder einmal unglaublich freundliche Nachtwächter öffnet extra für uns nocheinmal  das hohe Tor und wir dürfen, nur für ein freiwlliges Trinkgeld, hier direkt vor dem Museum übernachten. Er gesellt sich dann später sogar noch auf ein Bier zu uns, wir genießen die kühle Bergluft nach der Hitze der Küste und schlafen anschließend, bestens bewacht von ihm und einigen der wohl hier ansässigen Hunde, friedlich bis zum nächsten Morgen. Schon früh um 08.00 Uhr öffnet das Museum, wir bekommen die Ankunft der ersten Besucher durch unsere geöffneten Fenster mit und lauschen deren erstaunten Gesprächen über unseren Unimog. Als ich dann etwas später die Tür öffne und hinausklettere, bin ich sofort umringt von jeder Menge neugieriger Salvadorianer, einigen Amerikanern und sogar ein paar Holländer sind dabei, die alles über uns, den Unimog und unsere Reise wissen wollen. So viele Leute, Unimog-Bewunderer und jede Menge Fragen in drei Sprachen auf einmal – Ich komme mir ein bisschen vor wie ein Filmstar inmitten seiner Fans…. – obwohl – der echte Star ist natürlich, wie immer, unser Unimog.

Dann starten wir unsere Tour durch das Museum. Es liegt im kleinen Ort „Perquin“, nur acht Kilometer von der honduranischen Grenze entfernt, mitten im dichten Kiefernwald. Hier und rundherum haben sich im Bürgerkrieg zwölf Jahre lang die Widerstandskämpfer so erfolgreich vor dem salvadorianischen Militär versteckt und ihre Angriffe auf Guerilla-Art so punktuell und erfolgreich vorgenommen, dass es den Regierungstruppen unmöglich war, sie zu finden, geschweige denn zu besiegen. Erst als sich die USA auf die Seite der Regierung stellte, brach, insbesonders nach dem Fallen der ersten amerikanischen Bomben, das Elend des Bürgerkrieges in vollem Maße aus und verlängerte diesen um Jahre. Unendliches Leid, vor allem unter der unschuldigen Zivilbevölkerung, folgte. Tausende Bauern wurden etwa auf ihrer Flucht nach Honduras von der dortigen Armee zurückgetrieben und anschließend ermordet. Einen schrecklichen Höhepunkt bildete das Massaker im kleinen Nachbarort „El Mozote“, wo die Regierungstruppen aus Frust über den nicht endenwollenden Widerstand der Guerillas, die die Unterstützung des einfachen Volkes hatten, am 11. Dezember 1981 978 Menschen, darunter 131 Kinder, bestialisch umbrachten. Erst viele Jahre später wurde dieses schreckliche Ereignis aufgearbeitet und es folgte 2011  eine offizielle Entschuldigung der Regierung. Ob sich die USA auch jemals bei irgendwem entschuldigt hat? – Wohl kaum! Es ist schwer zu glauben, dass hier Jugendliche, fast noch Kinder, in den Krieg gezogen sind, nicht irgendwann in für mich „grauer Vorzeit“,  des ersten oder zweiten Weltkrieges, wo ich noch gar nicht geboren war, sondern in den Achtziger- und Neunzigerjahren, wo es bei uns in Europa überall nur aufwärts ging und wo wir fernab von jeglicher Kriegsgefahr so sorglos aufwachsen konnten. Wen kümmerte es schon was im fernen El Salvador passierte,…? Wir verbringen einige Zeit in dem Museum in dem es sogar überraschenderweise einige Informationen auf deutsch gibt und durchstreifen im Anschluss noch das teilweise wieder aufgebaute, ehemalige Guerilla-Lager im Wald, wo es über wackelige Hängebrücken geht und man in Erdbunker hinuntersteigen kann. Alles in allem doch ein Abschluss unserer Reise durch dieses wunderbare Land, der uns nachdenklich zurücklässt, den wir aber keinesfalls missen möchten.

Da Honduras hier in den Bergen so nahe ist, lassen wir uns extra viel Zeit im Museum und wollen die nur acht km entfernte Grenze dann aber noch am selben Tag überqueren. Hier werden wir aber enttäuscht, da sich herausstellt, dass es an diesem kleinen Grenzübergang mitten in den Bergen leider keine Möglichkeit gibt, die salvadorianischen Papiere für den Unimog zu entwerten bzw. die neuen für Honduras zu bekommen. Man würde uns schon einreisen lassen, aber ohne Papiere hätten wir bei Kontrollen im Land bzw. bei der Ausreise von Honduras nach Nicaragua dann wohl große Probleme. Ich lese von „Strafen“ an der Grenze von 500 US$ und mehr  für Traveller die es totzdem gewagt haben – und das muss ja nun wirklich nicht sein. Wir fahren also die kurvige, steile Bergstraße wieder hinunter und wenden uns dem ca. 90 km weiter südlich gelegenen Grenzübergang zu. Da sich die Überquerung nun am gleichen Tag aber nicht mehr ausgeht, übernachten wir nocheinmal in der grenznahen Kleinstadt „Santa Rosa de Lima“, die noch vor gar nicht langer Zeit öfter durch die Machenschaften des „Santa Rosa de Lima Drogen-Kartells“ unliebsam in die Schlagzeilen geriet. Es ist eine typische Grenzstadt, hässlich, geschäftig, ohne irgendwelche Sehenswürdigkeiten und da man uns irgendwie auf keinem bewachten Parkplatz über Nacht haben will, stellen wir uns letztendlich einfach mitten in der Stadt an den Straßenrand. Wir verriegeln den Unimog mit sämtlichen Zusatzschlössern und finden nur unter Mithilfe eines sehr netten wenn auch, wie sich herausstellt, bereits ziemlich angeheiterten Einheimischen, eine Bar auf der Dachterrasse eines Hostels, die wir alleine niemals gefunden hätten. Wir laden unseren „Führer“ dort natürlich auf ein Bier ein, es gesellen sich aber dann nach und nach noch ein paar andere Typen hinzu und das Ganze wird uns zu anstrengend. Wir verlassen die illustre Runde, holen uns nebenan noch eine „Pizza to go“, gehen zurück zum Unimog und dort ziemlich bald ins Bett. Es ist drückend heiß in dieser Nacht, wir haben alle Fenster und die Dachluke weit geöffnet und als ich mitten in der Nacht ein paar Mal aufwache, sehe ich immer wieder, wie Autofahrer an uns langsam vorbeifahren bzw. oft sogar stehenbleiben und sich dabei wohl überlegen, was das wohl für Verrückte sind, die in einer Grenzstadt in der sich alle hinter hohen Mauern und Stacheldraht verbarrikadieren, mitten in der Stadt, bei offenen Fenstern übernachten. Vielleicht denken sie aber ja auch, dass wir ganz sicher schwer bewaffnet sein müssen um uns das zu trauen, keine Ahnung. Jedenfalls kommt uns niemand zu nahe und mit Ausnahme der Hitze verbringen wir eine wirklich angenehme Nacht.

Am nächsten Morgen dann noch eine riesige Überraschung: Ich checke, wie immer noch vor dem Aufstehen, was sich auf whatsApp tut (eigentlich unsere einzige Verbindung zur Außenwelt, denn jegliche Nachrichten, egal ob aus Österreich oder der Welt, hören oder lesen wir schon seit unserer Abreise nicht mehr und leben sehr gut damit) und erhalte dabei die wunderbare Nachricht, dass Karl’s Enkel ein paar Stunden zuvor zur Welt gekommen ist. Zwar ein paar Wochen zu früh, aber Mutter und Kind geht es gut. Ich wecke Karl, schaue ihn genau an und sage ihm, er schaue seit dem Vortag irgendwie älter aus. Er hat natürlich keine Ahnung was ich meine und ich rücke schließlich mit der freudigen Nachricht heraus. Wir schauen gemeinsam die ersten Fotos und Videos vom kleinen Julian an, die ihm sein Sohn inzwischen aufs Handy geschickt hat und er zerdrückt sogar die eine oder andere Träne, was ja nur verständlich ist. Dann stoßen wir, noch vor dem Zähneputzen – man muss schließlich Prioritäten setzen -, mit 18 Jahre altem Rum auf das Wohl des kleinen Erdenbürgers und das seiner glücklichen Eltern an und machen uns dann bei bester Laune endgültig auf zur honduranischen Grenze.

Als Resümmé über unsere Zeit in El Salvador können und möchten wir allen Lesern dieses Blogs, zu denen mittlerweile neben unseren Freunden zu Hause, auch ein paar Overlander zählen, folgendes ans Herz legen: Vergesst alles Schlechte was ihr bisher über dieses Land gehört habt, fahrt selbst hin und lasst Euch darauf ein. Es ist ein unglaublich liebenswertes Fleckchen Erde mit wahnsinnig freundlichen Menschen. El Salvador braucht und verdient unbedingt ein neues, viel besseres Image. Dass man hier, genauso wie in allen anderen Ländern, Vorsicht walten lässt und vor allem auf den Hausverstand und das Bauchgefühl hört, ist selbstverständlich notwendig und braucht eigentlich nicht extra erwähnt zu werden. Das schließt aber nicht aus, die wunderschönen Seiten dieses Landes kennenzulernen und seinen Menschen das Gefühl zu geben, dass man am Ende des Besuchs viel mehr über sie weiß als das was man in den Schlagzeilen über Bürgerkrieg und Bandenkriminalität gehört hat. Wenn das viel mehr Menschen wagen, wird El Salvador aufblühen – Und das ist genau das was wir diesem großartigen Land von ganzen Herzen wünschen!

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