Ottawa und „Wohnen wie im Sternehotel“

Vom Augenblick unserer Ankunft an verwöhnen uns Ann und Adi von vorne bis hinten. Ihr Sohn David und seine Freundin Sarah, die eigentlich schon seit einiger Zeit ein Appartement in Ottawa bewohnen, sind vorübergehend auch hier im ca. eine Stunde von der Hauptstadt entfernten Arnprior zu Gast, weil sie, nach einem gewaltigen Sturm der vor ein paar Tagen über Ontario gefegt ist, keinen Strom bei sich zu Hause haben. Trotzdem bestehen sie darauf, dass wir das riesige Appartement im Untergeschoß bekommen, das David früher bewohnt hat. Wir werden rundherum bekocht, können unsere Wäsche waschen und Ann und ich leeren so manche Flasche Wein und Prosecco in diesen Tagen und haben sehr viel Spaß dabei. David kümmert sich in wirklich vielen Telefonaten mit der Telefonfirma „Bell“ darum, dass ich endlich für die Zeit in Kanada und den USA vernünftiges Internet bekomme, das auch in unserem Router funktioniert. Das ist nur möglich, weil die Familie per Kreditkarte für uns bürgt,…, „prepaid“ geht weiterhin gar nicht, ich hoffe, das geht in Mittelamerika nicht so weiter, weil ständig das Handy als Hotspot zu benützen ist echt nervig. Von Preisen wie bei uns zu Hause, z.B. € 19,00 pro Monat für unlimitierte Datennutzung kann man hier nur träumen, man muss sich bedanken, wenn man den „Special-Deal“ von 50 GB für CAN$ 125,00 pro Monat kaufen darf.

Ich komme endlich dazu, an meinem Blog weiterzuschreiben, Karl erledigt inzwischen vor der Haustüre einen Wechsel der Achsöle beim Unimog. So ganz aus dem Kopf hat er die Sache mit den Ölspuren an den Rädern doch noch nicht. Er ist aber zufrieden, dass das Öl sauber ist und sich keine Spuren von Metall, etc. darin befinden. So ziemlich alle Nachbarn aus der ganzen Straße besuchen ihn dabei und freuen sich, dass endlich mal was los ist hier im Viertel.

Was wir in Ottawa mit David’s Hilfe auch endlich finden, ist eine passende Gasflasche für unsere Outdoor-Küche. Wir hatten natürlich zu Hause und auf unseren bisherigen Reisen bereits immer eine Gasflasche dabei und da wir, wenn möglich, kein Gas in der Kabine haben wollten, haben wir dafür extra außen am Unimog einen passenden Staukasten anfertigen lassen. Nun war aber bei der Überfahrt mit dem Schiff von Antwerpen nach Halifax nur eine leere Gasflasche erlaubt und sogar dafür hätten wir, laut unserer Verschiffungsagentur, ein extra „Gas-Zertifikat“ benötigt, das uns € 500,00 gekostet hätte, was uns zu teuer war. Wir haben daher beschlossen, unsere Flasche zu Hause zu lassen und uns in Kanada eine neue zu kaufen. Das hat sich dann aber als nicht so einfach herausgestellt, weil die Gasflaschen die von den Kanadiern meistens benützt werden, um einiges größer sind als unsere. Kleine Flaschen mit ca. 5 kg gibt es nicht überall – wenn man die hinter jedem kanadischen Haus stehenden, riesigen Barbecue-Grills anschaut, weiß man auch warum. Blöderweise sind auch die kleinen um ein paar cm zu groß für unseren Staukasten (nebenbei ist anzumerken, dass der sowieso mit diversen, anderen Dingen komplett voll ist,…). Somit „wohnt“ die neue Gasflasche jetzt in unserem Badezimmer, was bei der sowieso schon bescheidenen Größe unseres Wellnessbereichs zwar gewöhnungsbedürftig ist, aber eben auch nicht zu ändern. Im Nachhinein ärgern wir uns, dass wir unsere Flasche von zu Hause nicht einfach mitgenommen haben, kein Mensch hat beim Verschiffen danach gefragt und niemand hätte in den Staukasten hineingeschaut – Aber hinterher ist man halt immer gescheiter!

Ähnliches gilt für die KFZ-Versicherung für den Unimog für Kanada und USA. Was wird darum für ein Theater in diversen Reiseforen gemacht, wie schwer es denn wäre, überhaupt eine Versicherung von Europa aus zu bekommen, wie teuer die alle wären und wie absolut wichtig, dass man eine habe, sonst bekäme man das Auto in Halifax gar nicht aus dem Zollhafen heraus,… . Wir wurden weder beim Zoll, noch bei unseren Grenzübertritten jemals nach einer KFZ-Versicherung gefragt. Einzig der Polizist auf dem highway wollte sie einmal sehen und es ist ja auch ganz klar dass man nicht ohne Versicherung fährt, aber ohne weiteres könnte man sie auch nach der Ankunft hier in Kanada noch abschließen. Natürlich sollte man im Vorfeld die Preise vergleichen, es gibt Versicherungen, die verlangen für sechs Monate schon mal über US$ 4.000,00, aber eine zu bekommen war wirklich einfach und sie abzuschließen hat online keine 10 Minuten gedauert (danke mein Sohn, dass ich jetzt groß reden kann, denn, wie so oft, hast Du das für mich gemacht…). Wir haben bei „Seguro Gringo“ – nicht lachen – das ist kein Fake, die heißen wirklich so – für die Haftpflichtversicherung für 6 Monate Kanada, USA und 6 Monate Mexico alles zusammen ca. US$ 1.300,00 bezahlt. Für uns ist das ok, entscheiden muss natürlich jeder letztendlich selbst.

David und Sarah laden uns dann ein, mit ihnen eine Radtour durch Ottawa zu machen, da man die wirklich schöne und sehr grüne Hauptstadt von Kanada auf diese Weise am besten kennenlernen kann. Sie begrüßen uns mit frischen Donuts zum Frühstück in ihrem Appartement und dann verbringen wir, wieder mal bei strahlendem Wetter, einen sehr lustigen Tag mit den beiden. Wie viele wissen, bin ich ja nicht grade der mega sportliche Typ, im Gegenteil, ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal mit einem Fahrrad gefahren bin – aber anscheinend verlernt man das wirklich nicht und ich hab mich, glaube ich, nicht blamiert… . .

Die zwei zeigen uns alle wichtigen Sehenswürdigkeiten, unter anderem auch den Regierungssitz von Ministerpräsident Justin Trudeau, mitten im Herzen der Stadt, der aussieht wie ein Märchenschloss – es gibt wahrlich schlechtere Plätze zum Regieren. Wir fahren durch das Diplomatenviertel, wo auch der Papst eine Villa hat, falls er mal nach Ottawa kommen sollte, es war aber, so hören wir, bisher noch nie einer der Päpste zum Übernachten da – Hier sollte man vielleicht Hausmeister sein, das wäre doch ein ruhiger Job! Berührt hat uns die Geschichte zum Denkmal für Terry Fox: Der junge Mann hatte durch Knochenkrebs ein Bein verloren und lief 1980 als 18jähriger trotz seiner Beinprothese täglich eine Marathonetappe von 42 km entlang des Trans Canadian Highways, um anderen Krebskranken Mut zu machen und um Spenden für die Forschung zu sammeln. Nach 143 Tagen und 5.373 km musste er kurz vor Thunder Bay leider aufgeben, er wurde nur 22 Jahre alt. Es kamen während dieser Zeit über 24 Millionen $ an Spenden zusammen und zurecht halten die Kanadier seinen Namen in Ehren und haben, neben dem Denkmal in Ottawa, auch noch einen Berggipfel in den Rocky Mountains und einen Abschnitt des TCH nach ihm benannt. Wir futtern natürlich Burger, Ribs und Chicken in einem typisch kanadischen Lokal und genießen Eis beim besten Italiener der Stadt. Am nächsten Tag sind auch Adi und Ann mit uns unterwegs und zeigen uns ihren Heimatort Arnprior und die wunderschöne Umgebung.

Nach einigen Tagen „Verwöhnurlaub“ zieht es uns aber wieder weiter, schließlich liegen bis zu den Rocky Mountains noch ca. 3.500 km vor uns und von dort geht es dann noch über 4.000 km nach Norden, bis hinauf nach Alaska – alles gerechnet auf highways, ohne unsere geplanten und die vielen ungeplanten Umwege… .

Zum Abschied überraschen Adi und Ann mich dann noch mit einem riesigen, nachträglichen Geburtstagsgeschenk in Form von vielen Tankgutscheinen. Ich freue mich wahnsinnig, das ist genau das richtige Geschenk, denn dass Diesel auf dem amerikanischen Kontinent viel billiger ist als bei uns, hat sich leider nicht bestätigt. Als ich Anfang des Jahres mal im Internet geschaut habe, war der Diesel in Kanada so bei umgerechnet € 1,05 und in den USA bei € 0,85 pro Liter. Das bestätigt man uns auch hier, aber, wie auch bei uns, haben sich seit Februar 2022 die Treibstoffpreise nahezu verdoppelt. Die Leute sind darüber natürlich sehr verärgert und viele auch in ihrer Existenz bedroht. Auf unsere Nachfrage, was man ihnen denn als Grund dafür nenne, sagen sie, dass auch hier der Krieg in der Ukraine als Sündenbock herhalten müsse, was in Amerika ja noch unglaubwürdiger klingt als der gleiche Spruch bei uns in Europa. Speziell die Kanadier geben aber auch ihrem vielerorts, speziell bei der Landbevölkerung, unbeliebten Ministerpräsidenten Trudeau die Schuld, der – so die uns oft zugetragene Meinung – viel zu viel Geld für soziale und „grüne“ Projekte ausgebe, aber für die echten Sorgen der kanadischen Menschen nicht viel übrig hätte. Den Ukrainekrieg würde er daher als willkommene Ausrede für die Teuerung im Land, die auch Lebensmittel und vor allem Alkohol (warum das denn!?) betrifft, benützen.  Wir haben ganz im Osten, in den maritimen Provinzen rund um Halifax fast € 2,00 pro l Diesel bezahlt, je weiter wir nach Westen kommen, wird es Gott sei Dank immer günstiger, momentan zahlen wir so € 1,70 pro l, haben aber auch schon Tankstellen mit € 1,45 pro l entdeckt und natürlich gleich ausgenützt. Der Verbrauch unseres Unimogs liegt im Moment bei ca. 20 l pro 100 km, was völlig ok ist, unsere Reisegeschwindigkeit beträgt, wie geplant, nicht mehr als durchschnittlich 85-90 km/h und wir genießen es, dadurch unsere Umgebung wirklich wahrnehmen zu können.

„Der lange Weg nach Westen“ oder – Wenn das so weitergeht, sind wir in zwei Jahren noch immer in Kanada…

Wir folgen wieder einmal dem TCH, dem Trans Canadian Highway und versuchen wirklich zwischendurch mal „Kilometer zu machen“. Er führt uns noch immer durch die Provinz Ontario mit ihren unzähligen Seen, durch eine unglaublich schöne und abwechslungsreiche Landschaft. Zu abwechslungsreich für uns, denn man weiß beim besten Willen nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Ab Ste. Sault Marie am wunderschönen Lake Superior wechseln bewaldete Abschnitte mit kleinen Seen und am liebsten würde man jede zweite Ausfahrt nehmen und die Gegend dahinter näher erkunden. Schweren Herzens bleiben wir aber auf dem TCH, der mal zweispurig, mal vierspurig nach Westen führt. Gott sei Dank gibt es in diesem Land aber keine widerlichen Lärmschutzwände, die einem den Blick in die Landschaft verwehren, sodass wir das Panorama das sich uns bietet, auch vom highway aus genießen können. Ein weiterer, großer Vorteil ist, finden wir, dass hier die LKWs gleich schnell fahren dürfen wie die PKWs und sich daher keine LKW-Kolonnen wie bei uns ansammeln. Wir haben nach wie vor unglaubliches Wetterglück, während unserer gesamten Ost-West-Durchquerung von Kanada vergeht kein Tag ohne Sonnenschein. Die Temperaturen sind meistens sommerlich, nur einmal erleben wir ganz kurz für ein paar Stunden einen Wettersturz mit 5 Grad C. Wir überqueren die arktische Wetterscheide, ab hier fließen alle Ströme nach Norden, in den arktischen Ozean. Die Uhrzeit ändert sich mal wieder um eine Stunde, der Unterschied zu Österreich beträgt mittlerweile schon -7 Stunden, was sich bis Calgary noch um eine weitere Stunde erhöhen wird. Die Sonne geht erst gegen 22.00 Uhr komplett unter, was uns wunderbar lange Tage beschert. Und – was sich zusätzlich auch noch ändert, sind die Tiere auf den Verkehrszeichen neben dem highway… .

Von Adi und Ann haben wir den Tip bekommen, dass es in Pembroke, das direkt auf unserem Weg liegt, ein Geschäft mit Metzgerei deutschen Ursprungs gibt, wo es jeden Dienstag frischen Leberkäse und auch sonst noch viele, wunderbare Spezialitäten „von daheim“ gibt. Viele werden jetzt zu Hause lachen, wo es doch in dieser homepage eine Bemerkung von mir gibt, dass wir am liebsten in jedem Land das essen was auch die Einheimischen essen. Das stimmt hundertprozentig, aber irgendwie gibt es halt nichts wirklich „kanadisches“ oder „amerikanisches“. Burger von Mac Donald’s, die Hühnerflügel von KFC, Barbecue-Ribs und Pommes, das geht eine Zeit lang, aber ziemlich schnell hängt Dir das Zeug echt beim Hals raus.  Wir haben einmal versucht, Brot in einer kleinen, kanadischen Bäckerei zu kaufen – Ein Desaster. Angepriesen als „Oliven-Käse-Brot“ entpuppt sich das Ding als klebrige, schwammartige und völlig geschmacksneutrale Pampe, über die sich gerade noch die Enten im nächsten See gefreut haben. Also, die gleiche Erfahrung wie beim Wein: Kauf Dein Brot nur im großen Supermarkt, dort hast Du vielleicht eine Chance auf ein französisches Baguette, Schwarzbrot kannst Du sowieso vergessen, wir haben bis jetzt noch nirgends eines gesehen. Zurück zum Metzger – Heute ist Dienstag, wir stoppen bei „Ullrich’s“ und landen mitten im Wurstparadies. Alles packen wir ein, Leberkäse, Knacker, Bratwürste,…, gut dass wir kein Tiefkühlfach haben, sonst wäre das schlimm ausgegangen! In den darauffolgenden Tagen wechseln sich in unserem Speiseplan österreichische Essigwurst mit Kernöl,  kanadischer Räucherlachs und Leberkäse mit Spiegelei ab – Und wir sind glücklich!

Etwas Kultur darf natürlich zwischendurch nicht fehlen und wir besuchen Fort William in Thunder Bay. Dieser einstige, westliche Hauptsitz der Nort-West-Company war Treffpunkt, Umschlagplatz und Winterquartier für die Pelztierjäger. Wir sind begeistert von einem der größten „Living Museum“ in Kanada. In diesem nach Plänen von 1803 originalgetreu nachgebauten Fort leben und arbeiten das ganze Jahr über Menschen, die die Zeit der Händler, Siedler und Pelztierjäger in historischen Kostümen zeigen.

Natürlich muss ich dann auch noch bei der „Winnie the Pooh“ Statue in White River vorbeischauen. Dort ist die Heimat des Bären, den Disney später entdeckt und bekannt gemacht hat und der schon mich und dann später auch noch meinen Sohn durch die Kindheit begleitet hat.

 

Großteils aber Schuld daran, dass wir einfach nicht weiterkommen, sind einfach diese unglaublich liebenswerten Menschen hier in Kanada. Nicht dass wir nach wie vor, kaum dass wir irgendwo anhalten, von freundlichen Leuten belagert werden, wir erhalten auch ständig Einladungen, die wir kaum ausschlagen können und eigentlich auch gar nicht wollen. Wir haben beschlossen, wirklich nur mehr einmal am Tag vom highway abzufahren, um an einem besonders schönen Platz eine längere Pause zu machen.  Einmal sehen wir eine kleine Bucht mit vielen Booten, fahren hinunter und stellen uns mit dem Unimog dort direkt ans Wasser. Ich sitze gerade mit einem Bier gemütlich in der Sonne, als ein freundlich grüßendes Paar mit ihrem Pickup kommt und ihr Boot vom Trailer gekonnt neben uns zu Wasser lässt. Ich beobachte neugierig das Manöver und wünsche den beiden dann noch viel Spass bei ihrem Bootstrip an diesem  wunderbaren Nachmittag. Sie fahren hinaus, kommen aber schon kurz darauf zurück, um uns einfach mal so zu einer Bootstour auf dem „Lake of the Woods“ einzuladen. Wir nehmen natürlich begeistert an und so lernen wir Dave und Diana kennen, ein absolut liebenswertes Paar. Sie schippern mit uns durch die unzähligen Buchten und zeigen uns dabei die Villen hoch über dem See, teilweise mit Aufzügen, die zu den riesigen Bootshäusern hinunterführen und erzählen uns, dass diese Häuser hier schon mal bis zu 20 Millionen Dollar kosten. Der Lake of the Woods ist einer der größten Seen in Kanada und hat 14.600 Inseln, auf denen teilweise ebenfalls private Feriencottages stehen. Zu diesen gelangen die betuchten Besitzer im Sommer nur mit dem Boot, im Winter friert der See aber zu und die Leute kommen dann zum Eisfischen und können während dieser Zeit dann mit ihren Autos bis zu den Inseln und zu ihren Häusern fahren. Wir genießen den wunderbaren Nachmittag mit den beiden und wieder einmal sind wir überascht und begeistert von der Spontanität und der wirklich von Herzen kommenden Freundlichkeit der Kanadier. Ich stelle mit lebhaft vor, was passieren würde, wenn mitten im Segelclub am Attersee plötzlich ein Truck mit ausländischen Kennzeichen direkt am Wasser parkt. Ziemlich sicher würde anstatt einer Einladung zu einer Bootsfahrt wohl ein sofortiger Platzverweis folgen… .

Ein anderes Mal stehen wir gerade an einer Tankstelle, als uns ein Mann in einem Auto mit der Aufschrift „Sioux Valley Safety Officer“ anspricht. Nein, Sioux Valley ist kein Einkaufszentrum, sondern ein richtiger Ort und hier wohnen echte Nachfahren der „Dakota“, denen das Land ihrer Groß- und Urgroßväter einst von den weißen Siedlern weggenommen wurde. Sie bekamen ein Reservat zugeteilt, aber sie kämpfen nach wie vor, heute eben nicht mehr mit Waffen, sondern vor Gericht, um die Rückgabe vieler dieser Grundstücke, in letzter Zeit öfter auch wieder mit Erfolg. Das alles erfahren wir von Travis – oder Mazawasicuna – wie sein Dakota-Name lautet. Er ist in dem Gebiet für die Sicherheit zuständig, seine Frau leitet die Tankstelle an der wir uns zufällig getroffen haben. Er lädt uns spontan ein, mit ihm in seinem Auto nach Sioux-Valley zu fahren und als erstes lerne ich dabei, dass man das nicht wie im Winnetou-Film „Siux“- sondern „Su“-Valley ausspricht – Vielen Dank auch Karl May! Sofort lassen wir den Unimog stehen und er zeigt uns, wo er mit seiner Familie wohnt und einen Teil seiner 22 (!) Pferde, denen, neben seiner Familie, seine Liebe und sein ganzer Stolz gilt. Er demonstriert uns, wie er, alleine dadurch, dass er seine Handfläche ganz nahe an den Kopf des Pferdes hält, eine Verbindung zu ihm herstellt – Bei uns würde man ihn wohl einen „Pferdeflüsterer“ nennen.  Das Wichtigste aber, das er uns unbedingt zeigen will, sind: Die weißen Büffel. Gleich acht der extrem seltenen weißen Tiere, die von den amerikanischen Ureinwohnern seit jeher als heilig bzw. spirituell sehr bedeutsam angesehen wurden, leben hier innerhalb einer großen Bisonherde. In den USA soll es noch drei weitere Exemplare geben und das war’s dann, so sagt er uns. Die Tiere gehören den in diesem Gebiet lebenden ca. 1.700 Dakota gemeinsam und werden nicht verkauft, sondern nur für Feste und Zeremonien geschlachtet und dann gemeinsam gegessen (mit Ausnahme der weißen natürlich,…). Er erzählt uns, dass er viel unterwegs ist, um auf die Geschichte seines Volkes aufmerksam zu machen, unter anderem ist er mit einer Gruppe Dakota auf Pferden bis nach New York geritten um dort vor den Vereinten Nationen zu sprechen. Es gibt Bilder davon im Internet (ich hab’s gegoogelt,….), aber völlig egal, auf jeden Fall werden wir von der Aura dieses Mannes total eingenommen. Er zeigt uns Fotos von seinem sechsjähriger Sohn, der auch schon ein sehr guter Reiter ist und der zwar die kanadische Schule besucht, aber ansonsten nach den Traditionen der Dakota aufwächst und für den Englisch eigentlich eine Fremdsprache ist. Wir bitten ihn, bei einem shop zu halten, wo die Dakota ihre Produkte verkaufen und können dort einer wunderschönen Decke in traumhaften Farben einfach nicht widerstehen. Travis erzählt der netten Frau von dem Geschäft woher wir kommen und auch über unsere Reise und daraufhin läuft sie uns noch bis zum Auto hinterher und schenkt uns eine handgemachte Kerze und Natur-Seife aus ihrem shop. Das nächste Geschenk folgt dann gleich von Travis, wir bekommen „Bison Jerky“, hauchdünn geschnittenes, nur durch Salz und Rauch konserviertes und nach Dakota-Art luftgetrocknetes Bisonfleisch und zusätzlich sogar noch Büffel-Burgerpatties von ihm. Als wir dafür bezahlen wollen, meint er nur: „Das ist selbstverständlich ein Geschenk, um alles was ich Euch bitte ist, habt beim Essen guten Gedanken oder auch ein Gebet für mein Volk“.  Man braucht weder religiös noch spirituell besonders angehaucht zu sein, damit einen das wieder einmal sprachlos macht,… . Ja, um solche Menschen zu treffen, dafür machen wir doch unsere Reise – und die heute wieder einmal nicht gefahrenen Kilometer sind doch sowas von egal… !

Karl ist indessen noch immer nicht zufrieden mit dem Zustand des Achsöls im Unimog. Er überprüft  ja immer, gleich wenn wir stehenbleiben, die Temperatur an den Rädern und diese kommt ihm nach wie vor zu hoch vor. Außerdem finden sich an der Vorderachse immer noch Spuren von Öl, was wir früher, auch bei hoher Beanspruchung des Unimogs und hohen Außentemperaturen, wie z.B. in der Sahara, nie hatten. Ich sehe, dass ihn das beschäftigt, er tüftelt und grübelt und studiert seine Unimog-Handbücher und  kommt dann zu dem Schluss, dass man uns bereits zu Hause das falsche, nämlich ein zu dickflüssiges Öl eingefüllt und mitgegeben haben muss. Wir suchen uns daher wieder eine LKW-Werkstatt und landen bei „Webb Truck Repair“ in Dryden, direkt neben dem TCH. Karl bespricht dort mit dem Chef das Problem. Der hat kanadisches Öl mit der richtigen Nummer lagernd und wir bekommen gleich für nächsten Tag in der Früh einen Termin zum neuerlichen Ölwechsel. Unser Unimog ist weitaus der Kleinste in der Werkstatt und ich beobachte von meinem Logenplatz fasziniert, die riesigen Trucks samt Anhängern, die in der kleinen Werkstatt ständig kommen und gehen. Das Öl ist dann schnell gewechselt, wir hoffen, dass damit das leidige Problem nun endlich beseitigt ist.

Inzwischen durchfahren wir schon die Provinz Manitoba. Ab hier trägt der TCH die Nr. 1 und behält diese bis zu seinem Ende auf Vancouver Island. Vorbei sind die abwechslungsreichen Gebiete der Seenplatte, wir erreichen die „Great plains“. Die Leute hier sagen: Wenn Du Deinen Hund verlierst, brauchst Du ihn nicht gleich zu suchen, Du siehst auch nach zwei Tagen noch wo er läuft“. Es ist so, als würdest Du von der Steiermark kommend plötzlich im Marchfeld landen, links und rechts sehen wir stundenlang nur mehr riesige Getreidefelder und die Straße zieht sich bis zum Horizont, schnurgerade, wie mit einem Lineal gezogen. Hinweisschilder mit Ortsnamen wie „Steinbach“, „Waldeck“ oder „Herbert“ zeugen von den einstigen, deutschsprachigen Gründern dieser Siedlungen.

Aber schon sorgt die nächste Begegnung für Abwechslung. Auf dem einzigen Campingplatz den wir entlang des ganzen TCH anfahren (man muss ja auch mal Wäsche waschen,…), kurz hinter Winnipeg, treffen wir auf Kerstin und Andreas, zwei Kärntner, die mit ihren BMW-Motorrädern annähernd die gleiche Reise wie wir machen. Auch sie haben ca. zwei Jahre Zeit und sind jetzt ebenfalls auf dem Weg nach Calgary, wo sie neue Reifen übernehmen werden und dann geht’s auch für sie hinauf nach Alaska, bevor sie von dort die Panamericana hinunter bis Feuerland in Angriff nehmen. Alle freuen sich, wieder einmal auf österreichisch quatschen zu können, wir tauschen bisherige Erlebnisse und natürlich Telefonnummern aus und wir hoffen sehr, dass uns die zwei symphatischen Kärntner noch oft über den Weg „fahren“ werden. Ich schwinge mich dann noch kurz in den Sattel von Kerstin’s BMW, im Hinblick auf die Aussicht auf Schlafen im Zelt und auf die Vorstellung, die nächsten zwei Jahre bei jedem Wetter auf dem Motorrad zu verbringen, wechsle ich dann aber doch sehr gerne wieder in den Unimog. Das sollen ruhig die Jungen machen – Jeder lebt und liebt sein eigenes Abenteuer – Das ist ja auch das wirklich Großartige daran, oder?

Wir erreichen Saskatchewan und endlich sinkt die Kilometeranzeige bis Calgary auf unter 1.000. Die Gegend wird schlagartig wieder interessanter und hügeliger. Endlose Viehweiden mit riesigen Rinderherden links und rechts des highways erinnern uns an unsere Fahrt mit der Harley Davidson durch Wyoming, das wir auf dem Weg zum Harley-Davidson-Treffen in Sturgis vor ein paar Jahren durchquert haben. Wir finden, wie eigentlich die ganze Zeit die wir nun schon entlang des TCH fahren, immer wieder wirklich großartige Übernachtungsplätze, fernab von Campingplätzen. Meistens sind es Picknick-Grounds, die ich über Google Maps ausfindig mache. Viele tragen klingende Namen, wie „Katherine Cove“ oder „Silver Harbor“, liegen wunderschön an Flüssen, kleinen Seen oder unter schattigen Bäumen und überall gibt es Picknicktische.  Zwar darf man offiziell auf vielen dieser Picknickplätze nicht übernachten, aber nicht ein einziges Mal haben wir deswegen ein Problem. Im Gegenteil, überall werden wir freundlich gegrüßt und immer öfter fragen uns die Leute nach unseren Kontaktdaten, weil sie unsere Reise mitverfolgen möchten – Jetzt bin ich doch froh, dass wir so viele Visitenkarten haben drucken lassen, denn die gehen weg wie warme Semmeln!

Natürlich ist aber nicht jeder Übernachtungsplatz ein Volltreffer. Zwei Nächte hintereinander schlafen wir auf Parkplätzen direkt neben dem highway und werden in der ersten Nacht vom Lärm einer Nachtbaustelle, die genau neben uns aufgebaut wird, wachgehalten. In der zweiten Nacht, wir sind durch das Treffen mit Travis von den Dakota nicht grade weit gekommen, hoffen wir daher auf mehr Ruhe. Leider entpuppt sich die Baustelle der vorigen Nacht als Wanderbaustelle und holt uns pünktlich um Mitternacht wieder ein. Karl schläft tief und fest, doch mich hält das nervtötende Gepiepse der rückwärtsfahrenden LKW’s und das nicht enden wollende Geräusch des Asphaltschneiders noch stundenlang wach. Ein anderes Mal finden wir einen wunderbaren Platz als einziges Fahrzeug weit und breit, direkt neben einer großen Wiese, auf der Rückseite eines Hotels. Wir fragen, ob wir hier übernachten dürfen, bekommen die Erlaubnis und landen natürlich im Anschluss an der Bar des Hotels, was mal wieder eine schöne Abwechslung ist, zusätzlich servieren sie hier köstliches Essen. Leider ist nicht Freitag, da wäre nämlich Lady’s night und da hätte jeder high-ball nur CAN$ 2,50 gekostet – Ich glaube, irgendwie ist Karl aber froh, dass Dienstag ist, es hat dann auch so gereicht,… ! Aber nicht einmal unser Bierkonsum im Hotel genügt dann zum Durchschlafen. Es weckt uns alle paar Stunden das unvorstellbar laute Hupen der kilometerlangen Güterzüge, die knapp hinter dem Hotel vorbeifahren und die durch ihr Hupen die unbeschrankten Bahnübergänge in dieser Gegend absichern. Es müssen wirklich viele Übergänge sein, denn das ohrenbetäubende Hupen dauert jedesmal gute fünf Minuten. Ich frage mich, wie man hier ein Hotel betreiben kann, aber umsonst war wahrscheinlich nicht der Parkpatz komplett leer, mit Stammgästen wird das hier wohl nix. – Ja, so ist das halt mit den Übernachtungsplätzen, jeden Tag eine neue Überraschung.

Inzwischen häufen sich schon wieder die Nachfragen, wann denn mein Blog endlich mal weitergehen würde. Ich hätte ja wohl wirklich genug Zeit zum Schreiben. Genug Zeit?! – Ihr habt ja keine Ahnung! So ein Trucker-Camperleben ist kein Urlaub. Irgendwie ist man ständig mit irgendwas beschäftigt: Was essen wir heute, müssen wir was einkaufen, ist noch genug Bier da, müssen wir Wasser tanken, muss die Toilette ausgeleert werden, sollte mal wieder das Bad geputzt werden, habe ich schon den Reiseführer für die nächsten Etappen gelesen, gibt es was zu reparieren (irgendwas ist immer irgendwo locker oder kaputt), geht der Schmutzwäschesack über, wo übernachten wir heute, warum hab‘ ich schon wieder kein Internet,… – und eines der Dauerthemen lautet „Weißt Du wo ist…“ . Nachdem wir unser Hab und Gut in den diversen Schubladen in der Kabine, aber auch noch unter dem Bett, in den Staukästen außen und hinten und in der Kiste über der Fahrerkabine verteilt haben, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern bis wir genau wissen, wo sich was befindet. Karl ist davon oft genervt, er ist mehr der Ordnungsfanatiker, ich lebe gerne im Chaos und habe damit meistens kein Problem.  Aber all das Suchen kostet natürlich auch Zeit. Und dann  – ganz ehrlich – Wer denkt schon ans Schreiben, wenn man am späten Nachmittag irgendwo an einem tiefblauen See landet, in einer Landschaft die so schön ist, dass man das nicht auf ein Foto oder Video bringt. Nein, dann muss man den Augenblick genießen und nicht irgendwas in den Laptop tippen – Denn dazu sind wir schließlich unterwegs!

Wir sind nun in der Provinz Alberta, also fast am Ziel unserer Kanada-Ost-West-Durchquerung. Im Geiste sehen wir uns schon gemütlich liegend in den heißen Quellen im Nationalpark von Banff, da sehen wir plötzlich in der Früh etwas ganz anderes: Links vorne ist in der Nacht ölige Flüssigkeit auf den Boden getropft – Ich denke nur „Nein, bitte nicht schon wieder Öl“. Karl tippt auf einen undichten Hydrauliköl-Schlauch von der Lenkung. Es ist zwar jetzt kein akut gravierendes Problem, aber im Hinblick darauf, dass wir uns demnächst auf dem Weg nach Alaska befinden werden, sollten wir uns doch gleich darum kümmern, so lange wir noch genügend Werkstätten entlang des TCH’s vorfinden. Zusätzlich ist heute Freitag, also besser ich schaue gleich mal nach der Adresse einer Werkstatt. Die nächstgelegene ist dann aber doch noch gute 200 km entfernt und irgendwie läuft uns auf dem Weg dorthin noch ein großes Harley-Davidson-Geschäft über den Weg, wo wir auch noch Zeit verbummeln (ja, so sind wir halt,…) und somit erreichen wir die Werkstatt erst am Nachmittag. Der Chef dort hört sich unser Problem kurz an, sagt aber gleich, dass er wirklich beim besten Willen keine Zeit für uns habe und schickt uns weiter zum Nachbarn. Dort treffen wir, wieder einmal, auf einen unglaublich freundlichen, jungen Mann, der sich gleich dem Unimog widmet und sehr schnell feststellt: Es ist nicht der Hydraulikölschlauch – der Kühler ist undicht – Sch…… !!! Er kann das leider nicht reparieren, es gibt in der Umgebung nur eine Werkstatt, die das vielleicht kann, diese ist Gott sei Dank nur 15 Minuten entfernt, er schreibt uns die Adresse auf, aber ob man dort so kurzfristig am Freitag Nachmittag für uns Zeit haben werde – Das kann er uns natürlich auch nicht sagen. Wir erreichen also „Nelson’s Radiator Service“ in Redcliff – und wieder einmal haben wir echtes Glück. Wir treffen hier nämlich auf Allan. Er schaut sich unser Problem an und meint nur: Ja, der Kühler habe einen Riss, er muss ausgebaut werden und dann muss man schauen, ob man ihn reparieren kann, aber eigentlich stecke er ja grade mitten in einer Arbeit,….. und, na ja, eher doch vielleicht erst am Montag,… ?. Karl meint, wir verstehen das natürlich, aber wir wollen doch nach Alaska und wir sind irgendwie schon ein bisschen spät dran… und wir haben dort ein Schiff gebucht, das wir erreichen müssen,… . Letztendlich tun wir Allan dann doch leid, er schmeißt seine Arbeit hin und widmet sich voll unserem Kühler. Er ist unser „Hero of the day“ was ich ihm auch mehrmals sage und dass er einen Ehrenplatz in unserer Reisehomepage bekommen wird,… . Allan ist wirklich ein Schatz und dazu noch richtig kompetent. 38 Jahre mache er den Job schon, sagt er uns. Er repariert den Kühler, das geht ziemlich flott, allerdings spießt es sich dann noch gewaltig beim Wiedereinbau. Er und Karl kämpfen zusammen gegen widerborstige Schrauben und das Ganze dauert über den Nachmittag hinaus. „Um 17.00 Uhr zusperren“, daraus wird für Allan heute somit nichts, was seiner guten Laune aber keinen Abbruch tut. Gegen 18.30 Uhr ist dann alles fertig, wir sind ihm unendlich dankbar für seine Hilfe, revanchieren uns natürlich mit einem entsprechenden Trinkgeld, weil nur das zu bezahlen, was er für die Reparatur verlangt, dafür würden wir uns echt schämen. Er wünscht uns dann noch mehrmals eine „safe journey“ und wir können unsere Fahrt nun doch noch vor dem Wochenende fortsetzen.

Als Draufgabe zur gelungenen Kühlerreparatur finden wir dann ein paar Kilometer weiter auch noch die bisher günstigste Tankstelle seit wir in Kanada sind und füllen Diesel für umgerechnet  € 1,40 pro Liter in beide Tanks und für Alaska vorsichtshalber auch gleich in alle unsere vier Reservekanister.

Am nächsten Tag erreichen wir das auf knapp über 1.000 m Höhe gelegene Calgary am Fuße der Rocky Mountains und von nun an gilt als Fahrtrichtung für die nächste Zeit nur mehr „Norden“. Durch einige der schönsten, kanadischen Nationalparks geht’s hinauf bis nach Alaska, wir sind schon sehr gespannt darauf was uns erwartet!

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