„Baja California“ – Das wilde Mexico oder „Wer fürchtet sich vorm fremden Land?“
Endlich sind wir hier, mit dem Unimog auf der Baja California, auf der zweitgrößten Halbinsel der Welt, die direkt im Anschluss an Kalifornien beginnt und sich im Westen über 1.200 km an Mexico entlangzieht. Auf einer Seite begrenzt von einer meistens steilen Küstenlinie zum wilden Pazifik hin, befindet sich innen zwischen Halbinsel und Festland der ruhige und warme Golf von Kalifornien. Auf „die Baja“, wie sie von allen nur genannt wird, hat sich vor allem Karl schon lange gefreut. Das sich über die ganze Halbinsel ziehende Gebirge und die Wüste im Landesinneren bieten kleine, einsame Bergstraßen, menschenleere Landstriche und somit alles was das Herz eines Unimogfahrers begehrt. Ich dagegen begehre davon gerade gar nix, ich bin nämlich krank. Am Tag des Grenzübertritts nach Mexico bin ich mit Fieber und extremen Kopfschmerzen aufgewacht, keine Ahnung ob mich eine Grippe oder Corona erwischt hat, jedenfalls geht es mit so schlecht wie in den letzten 15 Jahren nicht. Ich habe mich vor der Grenze mit Medikamenten vollgepumpt, um ja nicht unangenehm aufzufallen, hänge während der Fahrt trostlos in meinem Beifahrersitz, spüre die Hitze mindestens doppelt, jede Bodenwelle stechend in meinem Kopf und bin einfach nur fertig mit der Welt.
Trotzdem, es muss natürlich weitergehen, ich will mich auch nicht tagsüber ins Bett legen, so folgen wir der „Mex 1“ nach Süden, die hier im nördlichen Teil auch gleichzeitig „Ruta del vino“ genannt wird, da es auf der Baja wunderbare Weinanbaugebiete gibt, deren Produkte oft schon ohne weiteres mit denen aus dem bekannten, amerikanischen „Napa Valley“ mithalten können, aber preislich oft noch weit darunter liegen und daher vor allem bei den Amerikanern sehr beliebt sind. Überhaupt scheint die Baja der Spielplatz aller amerikanischen off-road-Fahrer zu sein, die hier ausleben können was sie zu Hause nicht dürfen und es gibt auch jede Menge Amerikaner und Kanadier, die hier auf der Halbinsel überwintern. Es ist aber dafür noch ziemlich früh im Jahr und so sind die Strände menschenleer und was uns am meisten wundert ist, dass wir nicht einen einzigen Overlander hier treffen oder auch nur sehen. Mit ein Grund dafür könnte natürlich sein, dass die Baja momentan einen sehr schlechten Ruf in der Overlander-Szene hat, was deren Sicherheit betrifft. Unzählige Male wurden wir von Menschen verschiedenster Nationalitäten im Vorfeld eindringlich davor gewarnt, über die Baja in Mexico einzureisen. Schießereien zwischen Drogenkartellen, Entführungen von Touristen, etc. seien an der Tagesordnung, im August wurde angeblich sogar die Grenze für ein paar Tage gesperrt, da es in Tijuana, dem Grenzort der sowieso schon als einer der gefährlichsten der Welt gilt, wiederholt zu Schießereien gekommen sein soll, bis das Militär von beiden Seiten anrückte und einer der großen Drogenbosse verhaftet wurde. Wir haben aber nicht deswegen Tecate, ein kleines Stück östlich von Tijuana, als Grenzübergang gewählt, sondern weil er viel kleiner ist und als „einfach“ gilt, was
sich uns ja auch wirklich bestätigt hat. Wir sind aber sowieso grundsätzlich beide der Meinung, dass man nicht so viel auf das Gerede der Leute, besonders nicht auf das der Ausländer, in diesen Dingen hören soll, sondern sich dazu seine eigene Meinung bilden muss. Wenn schon, dann hört man hierzu natürlich vor allem auf den Rat von Einheimischen. Alle Mexikaner die wir auf der Baja darauf ansprechen, schütteln dazu nur den Kopf und meinen sehr richtig, hier sei es nicht im Mindesten gefährlicher als in anderen Ländern, so lange man seinen Hausverstand nicht ausschalte. Wir glauben das auch und wenn man Angst vor solchen Schauergeschichten hat, darf man so eine Reise wie die unsere sowieso nicht machen. Wirklich schlecht ist diese ganze, miese Publicity mal wieder nur für die wunderbaren Einheimischen auf der Baja, denen dadurch die Gäste wegbleiben, was wiederum deren ohnedies oft karges Leben noch schwerer macht und wodurch dann die Kriminalität erst recht angestachelt wird und sich so die Endlosspirale wieder weiterdreht.
Wir versorgen uns also erst einmal mit mexikanischem Internet (25,00 Euro für 6 GB – auch kein Geschenk und natürlich mal wieder völlig ungeeignet um meine Blog-Fotos hochzuladen… – Leute, es tut mir echt leid, es dauert einfach…,). Wir verlassen dann, gleich nachdem wir die letzten größeren Orte passiert haben, die Mex 1, die einzige Hauptstraße die ganz nach Süden führt und fahren durch die Berge Richtung Westen, zur Pazifikküste. Alle Straßen abseits der Hauptstraße
bestehen natürlich nur aus Schotter, diese hier ist zudem ziemlich ruppig und mein Kopf freut sich, als wir schließlich am wunderschönen, einsamen Strand von „La Punta China“ ankommen, wo der Sand fest genug ist, dass wir fast bis ans Meer hinausfahren können und auch gleich dort übernachten. Karl hat in einem Geschäft eine Art Straßenatlas der Baja California geschenkt bekommen, in dem auch noch die winzigsten Bergstraßen eingezeichnet sind, natürlich ohne dass man deren derzeitigen Zustand erkennt, aber immerhin. Er tüftelt jeden Tag über einer Route durch die Berge, mir gehts nach drei Tagen noch immer nicht viel besser, aber wenigstens habe ich kein Fieber mehr und es ist mir in meinem Zustand gerade ganz recht dass ich mich um nichts kümmern muss.
Die „Bergstraße“ bzw. der schmale Schotterweg nach „Punta San Jóse“, dessen für Ortsunkundige völlig unsichtbare Einmündung wir nur mit Hilfe eines Bauern finden, der uns mit seinem Traktor bis dorthin vorausfährt, entpuppt sich aber dann für mich als einziger Albtraum. Der Weg wird anscheinend nur sehr selten benützt, er ist gerade mal eben so breit wie der Unimog und er führt völlig einsam mitten durch die Berge, immer wieder an tiefen Schluchten vorbei, wobei der
Wegrand oft teilweise weggebrochen ist, sodass ein Passieren dieser Stellen oft Zentimeterarbeit bedeutet. Vielleicht liegt es zusätzlich an meinem schlechten Zustand oder einfach daran, dass ich sowieso in solchen Situationen gerne mal die Nerven wegschmeisse, jedenfalls bin ich an diesem Tag sicher nicht die Beifahrerin die man sich als Fahrer hierfür wünscht. Ich kann gar nicht hinschauen, wenn Karl vorsichtig die schwierigen Passagen bewältigt. Zweimal steige ich sogar aus und passiere die Engstellen zu Fuß. Endlich, nach für mich gefühlt endlosen Stunden, ist es geschafft, wir müssen noch ein paar Tore öffnen um riesige Viehweiden zu durchqueren und dann taucht vor uns die Steilküste von „Punta San Jóse“ auf.
„Fremde sind natürlich Freunde“ – oder „Langusten bis zum Abwinken“
Es gibt dort nur einen Leuchtturm und drei, vier Häuser, weit unten in der Bucht liegen ein paar Fischerboote, das war’s. Ich nehme das Ganze gar nicht so richtig wahr, möchte eigentlich nur noch schlafen, daher steigt Karl alleine aus und schaut sich zwischen den
Häusern um. Er kommt nach einiger Zeit zurück und erzählt mir, dass hier total symphatische Langustenfischer wohnen, die ihm gleich alles gezeigt haben, unter anderem wie sie ihre Fangkörbe mit speziellen Muscheln als Köder präparieren. Karl wirft dann, wie immer irgendwann am Nachmittag, seine Espressomaschine an und genießt gerade seinen Café, als ein junger Mann in Arbeitskleidung um die Ecke des Unimogs biegt und sich mir als „Martin“ vorstellt. Karl hat ihn vorher schon kennengelernt, es
ist der Sohn der Fischerfamilie, 28 Jahre alt und spricht ein bisschen englisch, was uns, zusammen mit meinem bisschen spanisch, eine gute Verständigung ermöglicht. Karl bietet ihm einen Espresso an, er nimmt gerne an und ist dann aber ganz verwundert, als er stilvoll die kleine Glastasse auf dem Unterteller mit einem Kekserl als Beigabe serviert bekommt. Er bittet uns darum, das Ganze mitnehmen zu dürfen, er müsse es unbedingt seinem Vater zeigen, außerdem müsse er sich waschen und umziehen und würde dann gleich wieder zurückkommen. Einige Zeit später ist er dann wieder da, im Schlepptau seinen Vater und noch einen weiteren Herrn und alle drei werden von Karl noch einmal mit Espresso versorgt, den sie sichtlich genießen. Martin fragt uns daraufhin ob wir gerne Langusten essen würden. „Ja schon, natürlich“ antworten wir, „aber wir haben ja gar keinen so großen Topf dabei, in dem wir die zubereiten könnten“. „Nein, nein“, lacht Martin, wir seien natürlich in sein Haus eingeladen und er und seine ganze Familie würden für uns kochen. Er würde sich nur
wünschen, dass wir den Unimog genau vor sein Haus stellen, damit er Fotos davon machen könne, um sie dann allen seinen Freunden zu zeigen. Genau so machen wir’s dann auch, ich werfe noch eine Grippe- und eine Kopfschmerztablette mehr ein, denn so eine Einladung können wir natürlich nicht ausschlagen. Wir fahren den Unimog die paar Meter vor Martins Haus und werden dort sofort von seiner Familie, Freunden, Nachbarn auf der gemütlichen
Veranda in Beschlag genommen. Entweder diese Familie bekommt jeden Tag Besuch oder sie haben einfach nur riesige Vorräte in dieser Einsamkeit, denn was hier für uns bzw. für alle die gerade sonst noch vorbeikommen aufgetischt wird ist
unglaublich. Wir haben Gott sei Dank noch eine Flasche Rotwein die wir als Gastgeschenk überreichen und worüber sie sich sehr freuen, die sie dann aber sofort öffnen und wieder mit uns teilen wollen. Riesige Kühlboxen voller Eiswürfel werden immer wieder mit Bier nachgefüllt und wir werden ständig ermahnt, uns daraus zu bedienen. Wir bekommen Gläser voll mit einem wunderbaren Sangria-/Tequila Mix serviert und natürlich macht auch die Tequilaflasche selbst für ein paar Shots zwischendurch ständig die Runde. Wir revanchieren uns zum großen Vergnügen der Mexikaner mit Marillenschnaps und Rum aus unseren Vorräten und ich denke irgendwann nur: „Entweder bin ich morgen tot oder gesund… „! Strom gibt es hier in der Einsamkeit keinen, der
Generator schnurrt die ganze Zeit vor sich hin, die Eiswürfel, erzählt uns Martin, bringt er jeden zweiten Tag mit, wenn er seine Frau und seine vier Kinder besucht, die ca. eine Stunde von der Küste auf seiner eigenen, kleinen „Rancho“ mit vielen Tieren leben. Während der Fangsaison für die Langusten, die gerade beginnt, pendelt er zwischen Küste und Rancho. Ganz stolz ist der junge Familienvater als er uns von
seiner Familie erzählt und auch als er uns sein kleines Haus hier
an der Steilküste zeigt, das er, wie auch seine Rancho, selbst gebaut hat und das, so lange wir da sind, voll zur unserer Verfügung steht. „Mi casa es su casa“ ist hier wirklich nicht nur ein Spruch. Dann kocht das Wasser in dem riesigen Topf auf einem Gasofen Marke „mexikanischer Eigenbau“, der auf der Terrasse steht und es folgt der für mich etwas schwierige Teil, die Langusten werden nämlich aus einem Sack geholt und lebendig ins kochende Wasser geworfen – Aber so ist das halt, was soll man machen. Eine nach der anderen verschwindet im Topf, wird nach einiger Zeit mit
der typisch roten Farbe wieder herausgeholt und zum Abkühlen abgelegt. Es
scheint einen schier unerschöpflichen Nachschub zu geben, obwohl Martin uns erzählt, dass während der Saison jeden Tag ein Kühlwagen kommt und ihnen die Langusten für gutes Geld, nämlich 35,00 US$ pro Stück, abkauft. Diese werden dann tiefgefroren und großteils nach China weiterverkauft. Wir bekommen natürlich hier die frischeste
Ware direkt aus dem Meer präsentiert und Martin bringt sie uns fertig ausgelöst nur mit etwas Limette beträufelt, sie schmecken einfach fantastisch! Aber das Festmahl ist noch nicht beendet, immer neue Langusten wandern in den Kochtopf und der zweite Teil wird uns dann, gegrillt mit etwas Knoblauch und Butter, serviert, was ebenfalls großartig schmeckt. Wir platzen schon fast, da werden wir ins Haus geführt, wo in der Küche vier verschiedene Kuchen und Torten auf uns warten – Und natürlich müssen wir alle probieren, erst dann ist die Familie zufrieden.
Die Party geht dann so weiter, immer wieder kommen Nachbarn und Freunde, denen wir stolz vorgestellt werden und die Fotos mit uns und dem Unimog machen wollen. Am späten Abend, ich bin eigentlich echt längst reif fürs Bett, nehmen uns dann alle noch wie selbstverständlich mit zu einem Nachbarn, wo sie uns noch ein highlight
präsentieren. Ein Lammfleischeintopf wurde am Nachmittag in einen Ofen eingemauert, der jetzt mit Hammer und Maissel wieder aufgeschlagen und der Topf mit dem fertig gegarten Fleisch herausgenommen wird. Der Nachbar hat dazu nur den Ofen zur Verfügung gestellt, das Fleisch wird mitgenommen und kaum sind wir zurück auf der Terrasse von Martin’s Haus, werden schon
frische Tortillas für alle zubereitet in denen der Lammeintopf dann serviert wird. Wir sind
eigentlich keine großen Fans von Tacos und dergleichen, aber das Fleisch, die Sauce und die frischen Tortillas sind wirklich ein Genuss. Es wird dann spät, sehr spät, bis wir ins Bett kommen, obwohl die Fischer ganz früh raus müssen und wir verschlafen so ziemlich den ganzen nächsten Vormittag. Es geht mir nach dem Aufwachen weder besser noch schlechter als am Vortag, was entweder für die Medikamente oder für die gute Qualität des Alkohols spricht… . Als wir aus dem Unimog steigen, sind die Fischer noch nicht wieder zurück, wir wollen aber unbedingt auf Martin warten, um uns zu verabschieden. Kaum tauchen wir auf der Terrasse des Hauses auf, geht das
Verwöhnprogramm seiner Familie schon wieder los. Auch als wir ein Frühstück dankend ablehnen, bekommen wir umgehend Getränke in die Hand gedrückt und später Hot Dogs serviert, die Torten sollen wir doch bitte auch aufessen, usw., usw. Am frühen Nachmittag kommen dann die Fischerboote
herein und wir können uns bei Martin und seiner Familie nur ganz herzlich bedanken für deren unglaubliche Gastfreundschaft. Zum Abschied haben sie dann noch eine riesige Überraschung für uns: Die Fischerfamilie schenkt uns eine große, wunderschöne, glattpolierte Muschel, fast die gleiche, die wir am Vortag in Martin’s Haus an der Wand so bewundert haben. Wir sind wirklich überwältigt! Wahnsinnig gerne hätte ich noch den wachsamen aber unglaublich lieben und lustigen
Familienhund „Nova“ geklaut, der echt gut zwischen uns zwei in den Unimog gepasst hätte, aber wahrscheinlich ist sie hier eh viel glücklicher,… . Und vielleicht ist sie es gewohnt nur Langusten zu fressen, das wäre dann teuer geworden…. . Also bleibt „Nova“ hier und alle wünschen uns eine weiterhin sichere Fahrt und winken uns noch hinterher, als wir uns wieder auf die staubige Straße Richtung Berge begeben.
„Licht und Schatten einer Reise“ oder „Warum is eigentlich immer irgendwas kaputt…?!!“
So vergehen die nächsten Tage mit Fahrten durch die Einsamkeit der Baja. Wir übernachten an wunderbaren Plätzen, wie z.B. an der Steilküste bei „Ejido Erendira“, leider hängt jedoch untertags fast immer Hochnebel über der Westküste, während im Landesinneren und im Osten die Sonne strahlt. Wir beschließen daher, langsam nach Süden weiterzufahren und begeben uns zurück in die ohnedies sparsam vorhandene „Zivilisation“. Der erste Stopp im Städtchen „San Vicente“ führt uns dann gleich einmal zu einem Autoelektriker, es funktioniert nämlich von jetzt auf gleich unser Tacho nicht mehr. Die Welle, die zu Hause schon ab und zu lästige Geräusche verursacht
hat, wurde vor unserer Abreise getauscht, Karl hofft daher, dass sie eigentlich nicht kaputt sein kann, sondern es sich nur um ein kleineres Problem handelt. Leider ist das dann aber nicht so, der nette Autoelektriker, in seiner winzigen Werkstatt im Hinterhof seines Hauses, bestätigt uns, dass die Welle tatsächlich gebrochen ist. Ersatz gibt es hier im kleinen San Vicente auf die Schnelle natürlich keinen. Wir kontaktieren
dann „Unimog Hans“ in Kanada und fragen ihn, ob er eine Welle lagernd hat und uns die eventuell schicken kann. Er meldet sich auch gleich und meint, ja, kein Problem, die Welle koste bei ihm aber über 700,00 CAN$ ohne Versand nach Mexico. Das ist Karl aber viel zu teuer, er ruft Unimog-Schüssler in Deutschland an, dort kostet die Welle etwas mehr als 200,00 Euro, sie wird an unsere Freunde Andi und Gabi nach Ebensee geschickt, die wir im November im Süden von Mexico treffen werden und die sich netterweise gleich bereit erklären, uns das Teil dorthin mitzubringen. Wir müssen halt ab jetzt die gefahrenen Kilometer selbst mitrechnen, was mit dem Navi kein großes Problem ist. Um die Geschwindigkeit des Unimogs zu wissen, braucht Karl sowieso keinen Tacho, das hat er längst im Gehör und im Gefühl.
Es steht eine Entscheidung an, wohin unsere Reise über die Baja jetzt weitergehen soll. Karl möchte noch einmal zurück in die wilde Berglandschaft der Westküste, ich habe aber irgendwie genug von zu engen Bergstraßen und vor allem stört mich der ständige Hochnebel, der dort dauernd die Sonne verdeckt und die ohnedies kahle Landschaft für mich noch trostloser macht. Ich bin zwar inzwischen bis auf einen nicht endenwollenden Husten wieder gesund, aber im Gegensatz zu Karl bisher eher enttäuscht von der Landschaft der Baja California, alles erinnert mich irgendwie an die kahlen Wüsten- und Berggegenden von Marokko und Tunesien. Ich hatte mich auf Palmen und nach dem kalten Wasser der Strände in Oregon und Kalifornien endlich wieder aufs Schwimmen im warmenMeer gefreut, nichts davon habe ich bisher hier gefunden. Wir beschließen also der Mex 1 weiter nach Süden zu folgen und als nächstes die Strände im Osten anzusteuern. Wir finden einen großen Supermarkt und machen den ersten Großeinkauf in Mexico, was uns beim Bezahlen ein echtes Lächeln ins Gesicht zaubert. Um weniger als die Hälfte Geld wie in Kanada und den USA haben wir hier unsere Vorräte komplett, inkl. einem für heute Abend geplanten Grillabend, aufgefüllt. Beim Wechsel von der West- an die Ostküste durchqueren wir die riesige Halbwüste, das „Desierto Central“, die sich in der Mitte über fast die ganze Halbinsel hinunterzieht. Schöne, einsame Übernachtungsplätze sind hier natürlich leicht zu finden, man fährt einfach von der Hauptstraße ab, durch die mit niedrigen Büschen und Kakteen bewachsene Wüste bis zu einem Platz der einem gefällt und dort übernachtet man. Genau das machen wir, wir sind schon richtig hungrig, finden eine wunderbare Stelle, öffnen die Kabinentüre des Unimogs – Und hören drinnen irgendetwas zischen und brodeln,…. . Die Ursache ist rasch gefunden. Unsere beiden Batterien von der Kabinenstromversorgung, die sowohl mit Solar als auch mit der Lichtmaschine geladen werden können,
kochen! Also – Grillabend abgesagt, Karl packt mal wieder sein Werkzeug aus. Dies ist eigentlich sein Albtraum, weil elektrische Probleme sind so gar nicht seine Welt. Trotzdem überprüft er in mühevoller Kleinstarbeit, so gut es geht, alle Verbindungen rund um die Batterien, die aus Platzgründen natürlich inkl. der ganzen dazugehörigen Technik auf engstem Raum unter einem unserer beiden Sitzplätze verbaut sind, was das Ganze für ihn nicht gerade einfacher macht. Tatsächlich findet er am Ende eine lockere Verbindung, die sich wohl bei unseren Fahrten über Stock und Stein gelöst hat, schätzt aber die Wahrscheinlichkeit dass das die Ursache des ganzen Problems sein kann, als äußerst gering ein. Egal, mehr können wir im Moment sowieso nicht machen. Statt Grillfleisch gibts
am Abend, als er dann endlich fertig ist, nur mehr Käsebrot – Auch gut – weil draußen haben sich nach Sonnenuntergang sowieso Millionen von winzigen Mücken versammelt, die uns das Grillen bestimmt verleidet hätten.
Wir sind halt doch mitten in der Wüste und den wunderschönen Sonnenuntergang genießen wir halt eben diesmal von drinnen. Am nächsten Tag starten wir den Unimog mit etwas flauem Gefühl im Magen und halten regelmäßig an, um die Batterien zu kontrollieren. Sie fangen Gott sei Dank aber nicht mehr an zu kochen, Karl’s Reparatur muss also tatsächlich erfolgreich gewesen sein. Trotzdem werden sie wärmer als zuvor und wir lassen die Abdeckung jetzt beim Fahren meistens offen, damit sie noch mehr Luft als gewöhnlich bekommen. Wenn wir keine größeren Probleme mehr damit bekommen, hoffen wir, so bis ganz in den Süden der Baja zu kommen, bevor wir uns dann in der Hauptstadt des Südteils, in La Paz, intensiver darum kümmern müssen.
Vorerst geht es aber weiter durchs Landesinnere,
wir fahren endlose Kilometer durchs „Valle de Cirios“, das Tal der Kerzen, dessen Name von den unendlich vielen, riesigen Kakteen stammt, die „kerzengerade“ die Halbwüste verschönern. Wir verlassen dann die Hauptstraße diesmal nach Osten und erreichen endlich
die wunderschöne „Bahia Los Angeles“. Schon als wir von der hochgelegenen Straße zur riesigen Bucht hinunterfahren, weiß ich, dass sich hier meine Lebensgeister wieder komplett erholen werden. Wir fahren durch den kleinen Ort, wo es nur ein paar kleine Geschäfte für Lebensmittel, Wasser,
etc. und ein paar kleine „Comedores“ gibt, was übersetzt eigentlich „Esszimmer“ heißt und womit in Mexico, kleine Lokale, mit oft
nur wenigen Platiktischen und -sesseln bezeichnet werden, wo man vor allem mit landestypischer Küche, wie Tacos, Burritos, Guacamole, etc. bekocht wird. Weit dahinter finden wir dann einen einsamen Platz, stellen den Unimog direkt ans Wasser und schlagen hier für die nächsten Tage unser Lager auf. Wir sehen keinen Menschen, baden im lauwarmen, ruhigen Wasser des Golfs von Kalifornien, grillen, bewundern am Abend den aufgehenden Vollmond der sich im Wasser spiegelt, schlafen viel und genießen das Leben. Dass es hier wieder einmal kein Telefonnetz und somit natürlich auch kein Internet gibt fällt mir fast schon gar nicht mehr auf, das ist ja hier auf der Baja, abgesehen von größeren Ortschaften, sowieso völlig normal.
Schweren Herzens – für mich – verlassen wir diesen Traumplatz nach ein paar Tagen und schweren Herzens – für Karl – entscheiden wir uns gegen eine weitere Fahrt durch die Berge der Ostküste, in Richtung der nächsten Traumbucht, der „Bahia Conception“, da die ohnedies nur mehr selten genutzte Bergstraße laut Auskunft der Einheimischen bei einem riesigen Unwetter vor ca. einem Monat schwer beschädigt worden ist und diese uns von einer Benützung mit dem Unimog ganz dringend abraten. Da wir dadurch ein paar wirklich schöne, einsame Strände versäumen, die nur über diese Straße erreicht werden können, bin ich diesmal auch ein bisschen enttäuscht, aber andererseits auch wieder froh, dass mir ein weiteres Bergstraßenabenteuer – vorerst – erspart bleibt… .
Wir fahren also zurück auf die Hauptstraße, durchqueren einige, winzige Dörfer mit klingenden Namen, wie z.B. „Jesus Maria“ und unser nächster Halt erfolgt dann bei der „Mision San Ignacio“, einer der ältesten
Kirchen auf der Baja. Die Mission, eine der wenigen,
die heute noch in Betrieb ist, liegt an einem Fluss und inmitten eines riesigen Palmenhains. Nach den letzten Tagen in den Bergen und der Wüste glaubt man hier wirklich seinen Augen nicht zu trauen, so grün ist hier plötzlich alles. Ja, das waren halt auch keine Deppen füher, die Spanier,… . Dieser Platz war aber ganz früher auch schon für die Indios heilig und sie nannten ihn „Kadakaaman“. Der winzige Ort „San Ignacio“, dessen Zentrum nur aus ein paar Häusern, zwei kleinen Bar/Restaurants und zwei, drei Geschäften besteht, die sich vor der Kirche um einen kleinen Park gruppieren, gefällt uns sofort unheimlich gut und wir beschließen spontan, hier zu übernachten. Wir parken neben einer Gruppe von sehr lustigen, mexikanischen Harley-Fahrern und, wie in Mexico üblich,
stört sich kein Mensch daran, dass hier plötzlich ein Unimog auf der einen Seite des Kirchplatzes steht, im Gegenteil,
die Polizei, die in regelmäßigen Abständen hier patrouilliert, grüßt uns jedesmal beim Vorbeifahren sehr freundlich. Wir besichtigen natürlich als Erstes die alte, wunderschöne Kirche, erbaut von den Jesuiten 1728, geweiht dem heiligen Ignatius von Loyola. Ich besuche gerne überall wo wir hinkommen Kirchen und Tempel jeglicher Konfessionen, weil ich die Ruhe, die Atmosphäre und den Duft darin mag. Am liebsten habe ich kleine, alte Steinkirchen mit schlichter Ausstattung und echten Kerzen. Ich suche mir dann immer die Statue oder ein Bild vom heiligen Antonius von Padua, der immer mit einem Kind auf dem Arm abgebildet ist und den es
in fast jeder katholischen Kirche zu finden gibt. Er ist ja, was die wenigsten wissen, neben seiner Hilfe die er im Bezug auf das Wiederfinden verlorener Dinge leisten soll und was ich somit sowieso ständig in Anspruch nehme, auch der Schutzpatron der Reisenden. Bei ihm sitze ich dann am liebsten, zünde gelegentlich auch eine Kerze an und genieße vor allem die Ruhe. Aus den pompösen, vor Gold und Prunk strotzenden Kirchen, wie z.B. Mariazell, mit Spendenboxen an allen Ecken, flüchte ich aber meistens bereits nach wenigen Minuten. Zur Kirche als Institution selbst, insbesonders zur katholischen, habe ich als waschechte „lutherische Gosingerin“ ein eher zwiespältiges Verhältnis. Auch hier in Mexiko haben ja besonders die Spanier die Indios in kürzester Zeit hinweggemetzelt und die katholische Kirche im Allgemeinen sowie die beim „katholisch machen“ als besonders gnadenlos berüchtigten Jesuiten im Besonderen, haben hierzu einen großen Teil beigetragen. Wir haben einige Mexikaner getroffen, die sich lieber eine Hand abhacken würden, bevor sie auch nur ein einziges Mal in ihrem Leben nach Spanien auf Urlaub fahren würden. Die kleine Missionskirche in San Ignacio gehört hier sofort zu meinen Lieblingen, in der offenen Sakristei findet bei
unserem Besuch gerade ein Gebet statt und der Singsang, zusammen mit der leisen Musik in der Kirche, erzeugt eine ganz mystische Stimmung. Karl wirft dann am Schluss noch einen Blick in die Sakristei und findet dort, praktischerweise gleich vor dem Wandkreuz platziert, ein großes, aber bis auf zwei Flaschen bereits geleertes Weinregal für den Messwein vor. Der Nachschub ist aber bereits rechtzeitig in davor aufgestapelten Kartons eingetroffen, ja klar, beten und singen macht halt auch durstig! Wir essen dann
in einem der beiden Lokale, haben hier seit langer Zeit wieder einmal wlan und leider erreicht uns dadurch genau in diesem Moment eine sehr traurige Nachricht. Unser lieber Freund Adi, den wir im Mai noch in Kanada bei seiner Familie besucht hatten, ist mit 84 Jahren verstorben. Wir haben zwar gewusst, dass es ihm in letzter Zeit schlechter ging, aber trotzdem trifft mich diese Nachricht wirklich schwer. Adi hatte, als langjähriger Freund meiner Mutter, von Kindheit an zu meinem Leben gehört, er war der einzige Mensch den ich als Kind jemals Papa genannt hatte, auch wenn wir nicht blutsverwandt waren. Während seiner langen Jahre, die er in der Karibik gelebt hat, habe ich ihn mehrmals besucht und die wunderbarsten Urlaube bei ihm verbracht. Selbst als er dann längst seine zweite, kanadische Familie hatte, blieb ich einfach sein ganzes Leben lang ganz selbstverständlich „sein Dirndl“. Es zieht mich daher am nächsten Tag nocheinmal in die kleine, schlichte Missionskirche von San Ignacio und ich sitze lange ganz alleine nur dort und erinnere mich an die vielen, gemeinsamen Erlebnisse mit Adi.
Wir setzen dann unseren Weg fort, tanken Wasser und kaufen ein und fahren weiter in Richtung Süden. Nach einer
weiteren Übernachtung erreichen wir die „Bahia Conception“, die aus vielen, aneinander gereihten Traumbuchten besteht, von denen eine schöner ist als die andere. Überall stehen mit Palmblättern gedeckte „Palapas“ am Strand, das sind eine Art einfache Unterstände, nach vorne zum Meer hin offen, die vor der Sonne schützen. Daneben ist Platz für mindestens ein Fahrzeug
und das Ganze kostet pro Nacht nicht einmal 10,00 Euro. An dem Strand den wir uns ausgesucht haben,
gibt es außerdem noch zwei Restaurants und ich hoffe wieder einmal, dort vielleicht wlan für meinen Blog vorzufinden, weil Telefonnetz ist wie üblich keines vorhanden. Die Hoffnung erfüllt sich nicht, somit gibt es auch wieder einmal nichts zu schreiben für mich und wir machen es uns unter unserer „Palapa“ einfach nur gemütlich und essen am Abend wunderbaren Fisch und Riesengarnelen in einem der Restaurants, die vorher von den hiesigen Fischern frisch angeliefert wurden.
Am frühen Nachmittag des zweiten Tages an der „Bahia Concepcion“ reißt mich eine freundliches, wiederholtes „Excuse me“ aus meinem tiefen Mittagsschläfchen im Schatten unter der Palapa und vor mir stehen zwei schwitzende, schlammbedeckte, junge Männer, von denen einer sich mir als Rafael vorstellt und mir erzählt, sein sehr zerknirscht dreinblickender Freund neben ihm wäre mit seinen Eltern auf dem Weg zu den gleich in der Nähe unseres Strandes liegenden, heißen Quellen gewesen, als er dabei auf dem,
bedingt durch diese Quellen, unstabilen Boden mit dem Auto eingebrochen wäre. Er, als sein Freund, wäre ihm zu Hilfe gekommen und hänge jetzt selbst dort fest. Er hätte unseren Unimog hier stehen gesehen und auch die Winde bemerkt und jetzt würde er uns um Hilfe bitten, ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien. Das Ganze ist den beiden sichtlich peinlich und sie bieten uns im gleichen Satz auch Bezahlung für unsere Hilfe an. Ich weiß aber natürlich, dass ich Karl nicht erst fragen muss, sondern dass es für uns ganz selbstverständlich
ist, jemandem in dieser Lage zu helfen und Geld würden wir dafür sowieso nie nehmen, wer weiß wie schnell wir selbst einmal auf Hilfe angewiesen sein werden. Wir starten also den Unimog und folgen den beiden zum nahen Unglücksort. Der Pickup von Rafael hängt wirklich mit beiden Rädern der linken Seite tief im Dreck, keine Chance ihn ohne Winde herauszubekommen. Er hat zur vorher schon gelungenen Bergung des Autos seines Freundes vorsichtshalber noch zwei weitere Kumpels mitgebracht und so machen sich alle
jetzt an die Arbeit, ziehen das Windenseil aus, hängen es an einen Gurt an Rafaels Pickup und los geht’s. Alles schaut super aus, die Winde zieht den Pickup langsam aus dem Schlamm in Richtung Unimog, alle freuen sich schon auf ein paar Bier nach einer schnellen Bergeaktion, als es plötzlich einen Riesenrumpler macht, der bisher trockene Boden unter unserem Unimog einbricht und dieser fast bis über die Räder ebenfalls in
tiefem Schlamm versinkt. So, Bergeaktion des Pickups vorerst abgebrochen, die Winde wird eingezogen, wir steigen aus, versinken gleich mal ebenfalls bis zu den Knien im Schlamm, begutachten das Malheur rundum und beratschlagen zusammen mit den Burschen, denen das Ganze jetzt erst recht richtig peinlich ist, das weitere Vorgehen.
Karl versucht erfolglos einige Male rückwärts aus dem Schlammloch zu kommen, kann dabei aber nicht sehr weit zum Schwung holen nach vorne fahren, weil dort der erst halb geborgene Pickup von Rafael im Weg steht und gräbt sich bei den Versuchen nur noch tiefer in den Schlamm. Es hilft alles nichts, es werden alle verfügbaren Schaufeln zusammengesucht, die Sandbleche werden vom Unimog abmontiert, alle (außer mir, weil irgendwer muss das Ganze ja schließlich für die Nachwelt festhalten…) graben schwitzend bei weit über dreißig Grad Schlamm unter den Rädern weg, schleppen Steine als
Unterlage herbei, legen Sandbleche ein usw. Aber es folgen nun erst einmal viele erfolglose Versuche in den nächsten Stunden, die alle darauf hinzielen,
den Unimog so weit nach hinten zu bewegen, damit vorne genug Platz entsteht um Rafaels Pickup mit der Winde fertig zu bergen, um ihn dann als Gegenzug für den Unimog zu benützen, was letztendlich dann auch nach einer ziemlichen Schufterei endlich gelingt. Ein Pickup reicht aber natürlich nicht als Gegengewicht für den Unimog, so werden anschließend alle zwei Pickups der Freunde mit Gurten zusammengehängt, fahren als Gegenzug zur Winde nach vorne und endlich schafft es dadurch auch der Unimog wieder aus dem Schlamm. Riesige Erleichterung mischt sich mit lautem Jubel, als nun endlich alle Fahrzeuge wieder auf dem Trockenen stehen. Sämtliche, in den diversen Kühlboxen noch vorhandenen Biere, die nicht aus Frust bereits während der Bergung geleert wurden, werden h
ervorgeholt
und es wird ein ums andere Mal angestoßen – Man glaubt kaum, welche Menge Bier in mexikanischen Pickups Platz hat,… ! Anschließend wird alles an Gurten, Schaufeln, Sandblechen, etc. aus dem Schlamm geborgen und vorsichtig verlassen wir gemeinsam das unstabile Gelände. An unserem Strand springen erst einmal alle mit voller Kleidung ins Meer um sich den ärgsten Dreck abzuwaschen, die Sonne ist inzwischen untergegangen, es folgen noch mehr Bier und der wiederholte Dank unserer neuen, mexikanischen Freunde. Gemeinsame Fotos werden gemacht, einer der Burschen zaubert einen österreichischen Hut hervor, den er einmal von einem Grazer
geschenkt bekommen hat, ich setze meinen Mexikanerhut dazu auf, der Unimog wird sogar geküsst und die Stimmung ist bestens. Wir verabreden uns dann noch für den nächsten Vormittag
zum gemeinsamen Autowaschen und die Truppe verlässt uns in Richtung des nahen
Städtchens Mulegé. Dorthin fahren wir dann ebenfalls am nächsten Tag und treffen uns noch einmal mit den Jungs, die bereits eine „Autowaschanlage“ (natürlich wie überall in Mexico von Hand betrieben) ausfindig gemacht haben, bei der die Einfahrt (gerade mal) hoch genug ist, damit auch der Unimog durchpasst. Die Wartezeit verkürzen sie uns mit dem wunderbarsten Ceviche das wir jemals gegessen haben
und mit exzellenten, von „Tio Lucas“, einem der Freunde, selbst geräuchertem Fisch. All das besorgen sie extra für uns und natürlich – wie könnte
es anders sein – sind
die Kühlboxen auf den Pickups schon wieder randvoll mit Bier gefüllt,… . Für die Unimogwäsche lassen sie uns ebenfalls, trotz unseres wiederholten Protests, nichts bezahlen. Anschließend beweisen sie auch noch Reiseführerqualitäten und zeigen uns die schöne, alte
Missionskirche von Mulegé. Alle sind fest verwurzelt hier auf der Baja, man merkt in jedem Satz, dass sie alle sehr stolz auf ihre schöne Heimat sind und sich
extrem freuen, dass auch uns Mexico so gut gefällt. Rafael, der mit Leib und Seele Ranchero ist, gibt uns dann noch den Tipp, dass im Hochland von Mexico, in Zacatecas, das sowieso auf unserem Weg liegt, derzeit ein ganzes Monat lang „Charreadas“ stattfinden. Das ist der Name für eine Art mexikanisches Rodeo bzw. Reiterspiele, die ursprünglich von den „Vaqueros“, den mexikanischen Cowboys ausgehen. In Zacatecas findet dazu in diesem Jahr die nationale Meisterschaft statt und das werden wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Letztendlich fühlen wir uns so wohl bei unseren neuen Freunden, dass wir noch einmal eine Nacht länger an der wunderschönen Bahia Concepcion bleiben.
Schweren Herzens müssen wir uns aber am nächsten Tag verabschieden und für uns geht die Reise weiter Richtung La Paz, der Hauptstadt der „Baja California Sur“, also des Südteils der Halbinsel, von wo uns eine Fähre nach Mazatlan aufs mexikanische Festland bringen soll. Immer wieder werden wir auf dem Weg dorthin an checkpoints vom mexikanischen Militär kontrolliert, jedesmal sind die Kontrollen aber sehr freundlich, alle wollen nur unsere Pässe und das „Banjercito“ für den Unimog sehen und sind immer sehr erstaunt, wenn wir ihnen erzählen, dass wir schon in Alaska waren und bis Chile fahren wollen. Sie freuen sich immer wenn wir ihnen sagen, wie wunderschön Mexico ist und meistens kommt am Schluss dann noch die Frage nach – nein, nicht ein einziges Mal nach Geld – sie möchten „Sodas“, also alkoholfreie Getränke, oder auch „Café“, denn der ist in Mexico, wie viele andere Dinge, in den letzten zwei Jahren richtig teuer geworden. Meistens haben wir ein paar Dosen Cola für sie übrig, wenn nicht, ist das aber auch nie ein Problem. Bier, das wir ihnen immer wieder anbieten, lehnen sie stets rigoros ab, da scheinen sie richtig streng kontrolliert zu werden.
In La Paz angekommen, führt uns der erste Weg zu einer Firma die Batterien verkauft und einbaut. Karl lässt unsere Kabinenbatterien durchmessen und es stellt sich
heraus, dass sie beide kaum noch Leistung bringen und dadurch auch so warm werden. Die versprochene Haltbarkeit von zehn Jahren haben sie noch nicht einmal zur Hälfte erreicht, aber was hilft uns das hier und jetzt – Genau gar nix. Man macht uns ein Angebot für zwei neue Batterien, die aber kleiner sind, da es so große wie die unseren in Mexico nicht gibt. Karl hält telefonisch noch Rücksprache mit einem Spezialisten in Österreich, der ihm ebenfalls zum Austausch rät, da es nicht ungefährlich wäre, die nicht mehr voll funktionsfähigen Batterien weiter zu verwenden. Also vereinbaren wir mit der Firma den Austausch für nächsten Vormittag und machen uns dann noch auf dem Weg zum nahegelegenen Supermarkt. Nach dem Einkauf sehe ich, wie in vielen Supermärkten üblich, dort auch noch einen Bankomaten der Santander Bank und wir beschließen, gleich noch etwas Geld abzuheben. Wie schon viele Male vorher starte ich den Vorgang, längst kenne ich die manchmal englischen, manchmal spanischen Anweisungen dazu, alles läuft normal, auf dem Bildschirm erscheint „Karte entnehmen“, es knirscht laut im Automaten, aber die Karte kommt nicht mehr aus dem Schlitz. Am Bildschirm erscheint der Hinweis, dass die Karte dringend zu entnehmen sei, da sie sonst einbehalten werde, ich schlage und trete gegen den Automaten, der weiterhin laute
Geräusche von sich gibt, es hilft nichts, die Karte scheint festzuhängen. Letztendlich erscheint ein letzter Hinweis, dass die Karte nun einbehalten werde und natürlich kommt auch kein Geld aus dem Automaten. Super! Wir wenden uns an die Mitarbeiter des Supermarktes, wohl wissend, dass die uns nur achselzuckend an die Bank verweisen werden, dann fotografiere ich noch die Nummer des Automaten auf dem Bildschirm und wir gehen zurück zum Unimog. Mir fällt ein, dass ich auf der Fahrt zur Batteriefirma nur ca. einen halben Kilometer vom Supermarkt entfernt, eine Santander Bankfiliale gesehen habe und wir beschließen, am nächsten Tag dorthin zu gehen, damit wir unsere Karte zurückbekommen. Ich habe irgendwie ein schlechtes Gefühl bei der Sache, aber Karl meint: „Wo soll das Problem liegen? Die werden Deinen Reisepass kopieren, schicken jemanden zum Supermarkt, der die Karte holt und das war’s“ – Na, dann,… .
Am nächsten Tag gehe ich dann alleine zur Santander Bank, Karl muss sich um den Einbau der Batterien kümmern. Jeder der schon einmal in einer Bank in Lateinamerika oder in der Karibik, etc. war, weiß, wie es dort zugeht. Gefragt ist vor allem einmal Geduld. Meistens wartet schon eine Menschenschlange die bis vor die Tür reicht. Ist man erst mal drinnen, nimmt man auf Stühlen Platz und wartet dort weiter. Irgendwann kommt eine Mitarbeiterin, die nach den jeweiligen Wünschen fragt und dann wird man bestenfalls einem Menschen hinter einem Schalter oder hinter einem Schreibtisch zugeteilt. So weit kommt es bei mir aber erstmal gar nicht. Ich schildere der jungen Dame mein Problem in Gott sei Dank vorher gut geübtem Spanisch, denn, wie sie mir gleich einmal mitteilt, spricht niemand in der Bank englisch. Sie hört sich alles an, nickt verständnisvoll und bittet mich um meinen Reisepass, um sich eine Kopie davon zu machen. Ich denke nur: Super, läuft ja einfacher als gedacht. Dann kommt sie zurück, gibt mir meinen Pass und fragt, aus welchem Land ich komme. Australien? Nein, Österreich. OK Australia, neeeeiiiin Austria. Sie schaut mich nur verständnislos an und meint: „Dann ist wohl die Karte nicht von der Santander Bank?“ „Nein, natürlich nicht“, antworte ich, „es ist eine Karte von einer österreichischen Bank“. Ab diesem Moment ist für sie der Fall abgeschlossen. Sie sagt mir, sie könne mir nicht helfen, sie hätten jetzt plötzlich mit dem im Supermarkt aufgestellten Bankomaten gar nichts zu tun und ich soll mich an meine Bank in „Australia“ wenden. So schnell will ich aber ganz sicher nicht aufgeben, dazu ist mir die Karte echt zu wichtig. Ich erkläre ihr, das könne nicht sein, zeige ihr ein Foto von dem Bankomaten auf dem groß und deutlich „Santander Bank“ steht und versuche ihr zu erklären, dass wir die Karte ganz dringend brauchen, da wir zwei Jahre unterwegs sind usw. Das kümmert sie nicht im Geringsten und langsam werde ich echt sauer. Blöderweise gehen mir aber inzwischen meine spanischen Vokabeln aus und ich sage ihr, es müsse in so einer großen Bank jemanden geben, der englisch spräche und dass ich hier so lange sitzen bleiben würde, bis mir jemand mit meinem Problem helfen könnte. Das macht sie dann doch etwas unsicher und als sie sieht, dass ich mich wirklich nicht von der Stelle rühre, bespricht sie sich mit einer Kollegin hinter einem Schreibtisch. Nach weiteren zwanzig Minuten winkt mich diese dann zu sich und drückt mir wortlos einen Telefonhörer in die Hand. Am anderen Ende der Leitung befindet sich ein weiterer, äußerst hilfreicher Mitarbeiter der Santander Bank, der auf meine, ihm jetzt in englisch geschilderte Geschichte immer nur „It’s not possible, we can not help you, call your bank“ wiederholt, wahrscheinlich das einzige, was er in englisch überhaupt sagen kann. Irgendwann reicht es mir, ich muss auch einsehen, dass das Ganze hier nichts bringt, ich schmeisse den Telefonhörer der Mitarbeiterin auf den Schreibtisch, grabe sämtliche, jemals in mexikanischen Netflix-Serien gelernten, spanischen Schimpfwörter aus, mit denen ich die überraschten Santander-Mitarbeiter noch bedenke und stürme nach mehr als zwei sinnlosen Stunden erfolglos aus
der Bank. Als ich bei der Batteriefirma ankomme, ist meine Wut noch immer nicht verraucht und auch Karl kann erst einmal gar nicht glauben, was in der Bank passiert ist. Es hilft aber alles nichts, wir kriegen die Karte nicht zurück, also muss eine andere Lösung
her. Ich kontaktiere die Raiffeisenbank in Bad Ischl, wo uns umgehend Hilfe zugesagt wird und wieder sind unsere Freunde Andi und Gabi die rettenden Engel, die uns jetzt neben der Tachowelle auch noch eine neue Bankomatkarte für unser Reisekonto nach Mexico mitbringen werden. Wenigstens der Einbau der neuen Batterien ist erfolgreich verlaufen, da sie aber kleiner als die alten sind, müssen unsere Solarpanele darauf eingestellt werden und Karl packt sämtliche Handbücher dazu aus und widmet sich, großteils am Boden liegend und mit unglaublicher Geduld und Akribie dieser Aufgabe. Schnell stellt sich heraus, dass wir noch immer mehr als genug Strom für unseren Bedarf haben und wir hoffen, dass wir wenigstens in den verbleibenden eineinhalb Jahren unserer Reise keine Probleme mehr damit haben werden.
Am Abend belohnen wir uns für die stressreichen,
letzten Tage mit einem schönen Abendessen und finden zum Sonnenuntergang am
wunderbaren Malecon von La Paz ein sehr gemütliches Restaurant. Erst nachdem wir die erste Flasche Wein bestellt haben, verrät mir Karl, dass wir heute zwei großartige Ereignisse zu feiern haben. Das erste ist, dass wir hier in La Paz
auf inzwischen 30.000 gefahrene Kilometer anstoßen können, viel, viel schöner ist aber der zweite Grund: Während ich heute in der Bank war, hat Karl mit seinem Sohn telefoniert und der hat ihm verraten, dass er im April zum ersten Mal Opa wird! Ich bin sicher, dass ich ihn in den letzten zwanzig Jahren noch nie gleichzeitig so glücklich und so sprachlos erlebt habe, als er mir das erzählt. Wir freuen uns natürlich beide und stoßen immer wieder an auf die zukünftigen Eltern und natürlich auf den jugendlichen „Demnächst-Opa“!
Da es leider nicht möglich war, die Tickets für die Fähre von La Paz nach Mazatlan aufs mexikanische Festland online zu erwerben, fahren wir am nächsten Tag direkt zum Fährhafen in „Pichilingue“, etwas außerhalb von La Paz und kaufen zwei Tickets für den Nachmittag des Folgetages. Die Überfahrt dauert 12 Stunden und wir leisten uns eine wirklich nicht teure Kabine. Überhaupt sind wir eher überrascht über den insgesamt relativ günstigen Preis und verbringen den Rest des Tages und die Nacht dann an der wunderschönen Küste, an einem einsamen Strand gleich in der Nähe des Fährhafens. Zum Einchecken sind wir dann einen Tag später rechtzeitig am kleinen aber ziemlich unorganisierten Hafen, durchfahren die Kontrollen und werden dann plötzlich mit
einem handgeschriebenen Zettel auf dem die Maße und das Gewicht unseres Unimogs stehen, zum Ticketschalter zurückgeschickt, offiziell dazu, um unsere Kabinentickets dort abzuholen. Am Schalter informiert uns dann die junge Dame dahinter, zufällig die gleiche, bei der wir am Vortag die Tickets gekauft haben, dass sie am Vortag anstatt des „Wohnmobils“ als das der Unimog ja klassifiziert ist, nur einen PKW berechnet hätte und sich dadurch jetzt der Preis ändern würde. Einem der Mitarbeiter bei der Abfertigung ist der Fehler wohl aufgefallen und daher hat er uns zum Schalter zurückgeschickt. Wir erwarten zwar eine Preiserhöhung, aber was jetzt folgt, lässt uns echt schlucken: Die Passage kostet uns nun fast das Doppelte von dem was wir am Vortag bezahlt haben und ist damit jetzt weit weg von günstig. Karl schäumt, versucht zu argumentieren, dass der Unimog ja nur 6 m lang ist und daher nicht mehr Platz braucht wie ein PKW, die junge Dame versucht daraufhin sogar noch mit einem Foto des Unimogs bei ihrem Vorgesetzten zu intervenieren, letztendlich aber vergebens, wir müssen den Rest aufzahlen. Mich ärgert das Ganze zwar auch, aber Dinge die sich nicht ändern lassen nehme ich von Haus aus eher gelassen hin.
Karl beruhigt sich aber auch zurück im Unimog nicht, gräbt im Internet irgendwelche Reiseberichte aus, von Leuten die mit einer anderen Fähre viel billiger gefahren sind, was ich natürlich sofort in den falschen Hals kriege und gleich wieder mal als Vorwurf gegen mich verstehe. Das lasse ich natürlich schon mal gar nicht auf mir sitzen, sage ihm, wenn er immer alles besser wüsste, könne
er sich gerne in Zukunft selbst um den ganzen Sch… kümmern und in kürzester Zeit entlädt sich mal wieder, wie in letzter Zeit immer öfter, die Spannung, die nach so langer Zeit des Zusammenlebens auf engstem Raum unweigerlich entsteht, in einem bösen Streit. Es wird wirklich Zeit, dass wir in Mexico eine längere Pause vom Reisen machen und dabei auch
Freunde von zu Hause treffen und etwas Abstand voneinander bekommen. Wie aber
ebenfalls meistens, beruhigen wir uns wieder ziemlich schnell, ich genieße den Luxus der größten, schönsten und saubersten Kabine, die wir jemals auf einer Fähre erlebt haben und Karl widmet sich nach langer Zeit wieder einmal dem Schreiben seiner Ansichtskarten. Zu unserer Überraschung sind dann sogar ein sehr gutes Abendessen, mexikanische Live-Musik und Frühstück auf der Überfahrt im Preis inklusive. Wir erreichen Mazatlan und somit das mexikanische Festland um ca. 03.00 Uhr früh und übernachten mitten in der Stadt auf einem Supermarktparkplatz. Die hier zum ersten Mal feuchte Hitze hängt über der Stadt, kein Windhauch ist zu spüren und wir machen fast kein Auge zu.
„Durchs mexikanische Hochland“ oder „Tequila für geliebte Tote“
Am nächsten Vormittag, bei bereits wieder weit über 30 Grad, versorgen wir uns noch mit Lebensmitteln und Wasser und flüchten aus der drückenden Hitze der Stadt in Richtung der Berge. Wir ver
weigern wieder einmal, wie so oft, die Autobahn und folgen der alten Landstraße. Wir wollen über den fast 2.800 m hohen Pass „El Espinazo del Diablo“, „Das Rückgrat des Teufels“ mitten hinein ins mexikanische Hochland. Wir passieren dabei winzige Bergdörfer von oft nur wenigen Häusern, die sich einsam mitten im Wald und den Bergen befinden und die so weit abgelegen sind, dass man sich fragt, wo die Kinder hier zur Schule gehen und wovon die Menschen hier oben leben. Wir queren Steilhänge die neben uns hunderte Meter in die Tiefe führen und Engstellen, kaum breiter als der Unimog. Immer wieder erinnern Kreuze und
Kapellen am Straßenrand an hier abgestürzte Personen. Überall winken uns die Menschen freundlich entgegen und knapp über 2.000 m übernachten wir dann ganz einsam auf einer Waldlichtung neben einem Dorf, bei kühlen 20 Grad,
was uns einen wunderbaren Schlaf beschert und wo wir nur in der Früh kurz von ein paar Kühen und einem Muli besucht werden,
die wohl hier irgendwo dazugehören. So geht es weiter, über den Pass und tagelang weiter hinein in wunderbare Hochland, wir bleiben aber für die nächsten Wochen immer auf über 2.000 m. Unser nächstes Ziel ist Zacatecas und als wir wieder einmal auf „Google Maps“ die Route für den nächsten Tag eingeben, spuckt das Internet gleichzeitig eine Hurricanwarnung genau für das Gebiet aus, durch das unsere Route führt. „Roslyn“ wurde
gerade von Stärke 3 auf 4 hinaufgestuft und soll noch in der Nacht, knapp unterhalb von Mazatlan, auf Land treffen. Wir scheinen eine der letzten Fähren erwischt zu haben, bevor der Betrieb für einige Tage eingestellt wurde. Da wir in Barbados schon einmal einen Tropensturm „live“ erlebt haben, nach dem es dann tagelang keinen Strom und somit auch kein Benzin gab, tanken wir vorsichtshalber noch einmal voll und stellen uns dann für die Nacht in unbebautes, baumloses Gebiet, in die Nähe der Hauptstraße, um im Notfall rasch weiterfahren zu können.
Gott sei Dank passiert dann außer Regen und mäßig starkem Wind gar nichts, der Hurrican schwächt sich über Land sofort ab und wir erreichen unbeschadet Zacatecas. In der „Silberstadt“, wie sie früher auch genannt wurde, lebte ursprünglich das Volk der „Chichimeken“, der Ort war immer schon reich an Vorkommen von Gold, Eisen, Zink, vor allem aber Silber. Die Spanier gründeten hier eine Siedlung und die Indios wurden zur Schwerstarbeit in den Minen gezwungen. Im 18. Jahrhundert stammten 20 % (!) des gesamten in „Neu Spanien“ geförderten Silbers aus den Minen von Zacatecas. Heute ist der Bergbau längst eingestellt, Besucher werden noch durch Schauminen geführt und die „Mina Eden“ bebt jedes Wochenende sogar
von heißen DJ-Rhythmen, wenn sie als „Dance Club“ genützt wird, was wir sehr gerne live miterlebt hätten, leider passten diesmal aber die Wochentage nicht zum Wunsch. Wir machen einen ersten Spaziergang durch die wunderschöne Altstadt, die durch die doch eher abgelegene Lage von Zacatecas, bisher von Touristenmassen verschont bleibt, besuchen die
eindrucksvolle Kathedrale, von der man sagt, als Musterbeispiel des mexikanischen Barocks sei sie die schönste von ganz Mexico, beobachten die Tänzer auf einem der Plätze wo sich nach Sonnenuntergang die Jugend von Zacatecas trifft, bummeln durch die Gassen und durch die Handwerksläden, in denen Silberschmuck und hochwertige Lederwaren verkauft werden und landen durch Zufall in
einer uralten Cantina, wo nur ein paar Einheimische an der Bar stehen. Hier fühlen wir uns sofort wohl und, wie immer in Mexico, dauert es nicht lange, bis wir angesprochen werden. Man lädt uns ein, erst zu Erdnüssen, dann zu Bier und dann zu Tequila, wir revanchieren uns mit den jeweiligen Runden und es kommt wieder einmal wie es kommen muss:
Der Abend endet feuchtfröhlich, inklusive einem Tequilasminar für uns, abgehalten von den Gästen an der Bar, wir wissen jetzt genau, was die Einheimischen trinken, was den Touristen serviert wird usw. José, ein Unikat von Barman, der fast so alt aussieht wie seine Bar schon ist, umsorgt uns wie seine Familie, gibt zwischendurch Geschichten zum Besten, z.B. wie hier in der Cantina früher die „Mineros“ die Bergarbeiter mit den „Campesinos“ den Bauern zusammengetroffen wären, wie gefeiert, gerauft und anschließend weitergetrunken wurde.
Er unterstreicht seine Erzählungen zum besseren Verständnis für uns mit eindrucksvoller Pantomime, singt lautstark für uns zu Mariachi-Musik und am Schluss des weit fortgeschrittenen Abends müssen alle natürlich noch auf ein gemeinsames Erinnerungsfoto. Wir sind sehr froh,
dass wir unseren Unimog mal wieder mitten in der Altstadt geparkt haben und es daher nicht weit nach Hause haben. Am nächsten Tag besteigen wir das Wahrzeichen der Stadt den „Cerro de la Bufa“ und schwitzen dabei den letzten Rest vom Tequila heraus. Der Weg hinauf
ist nicht sehr weit aber steil, etwa so wie auf den Siriuskogel in Bad Ischl, aber wieder einmal hat uns der frühe Vogel nicht geweckt und die Hitze lässt mich ein paar Mal
sehnsuchtsvoll zur über uns fahrenden Seilbahn blicken. Der Ausblick lässt dann wie immer alle Strapazen
vergessen und wir bewundern dort außerdem die wirklich eindrucksvollen Statuen der berühmtesten, mexikanischen Freiheitskämpfer. Wieder zurück in der Altstadt, machen wir vorsichtshalber einen großen Bogen um José’s Cantina, ich setze mich noch zwei Stunden ins nächste Starbucks Cafe, nütze deren high-speed-wlan zum Hochladen von ein paar meiner Blog-Fotos und dann machen wir uns auf den Weg ins nur ca. 60 km entfernte Nachbarstädtchen Jerez, das uns von den Einheimischen als unbedingt sehenswert beschrieben wurde.
Sehenswert ist Jerez das eigentlich „Jerez de García Salinas“ heißt, dann ohne Zweifel. Als wir am Abend dort ankommen, ist es im Zentrum zwar schon ziemlich ruhig, wir parken den Unimog entlang der engen Straße in der Nähe des Hauptplatzes, nur durch einen schmalen Gehsteig vor einem mit einem Rolltor verschlossenen Laden getrennt und finden dann gerade mal noch ein offenes Lokal um etwas zu essen. Kaum bricht aber der Tag an in Jerez, erwacht das symphatische Kolonialstädtchen zu unglaublichem Leben und verkörpert Mexico wie aus dem Bilderbuch. Erst einmal hören wir aber dass das Rolltor des Geschäftes vor dem wir parken hochgeschoben wird. Ich wage einen ersten Blick nach draußen und sehe dass es sich um ein kleines Souvenirgeschäft handelt. Eine junge Dame versucht gerade ihre Markise davor auszufahren, was ihr aber nur ein sehr kleines Stück gelingt, weil der Unimog so nahe vor ihrem Laden steht. Einige Zeit später klopft es an unserer Tür. Karl schaut durchs Fenster und wir erwarten eine dringende Aufforderung, uns von hier zu entfernen. Die junge Dame draußen lacht aber nur, entschuldigt sich für die Störung und meint nur, sie wäre neugierig gewesen, ob da drinnen wirklich jemand wohnt. Als wir dann aussteigen, bieten wir ihr nocheinmal an ein bisschen
weiter nach hinten zu fahren, weil ihr kleiner Laden ja hinter dem Unimog komplett unsichtbar ist, aber sie meint nur, dass das überhaupt kein Problem sei, fragt uns noch über unsere Reise aus und wünscht uns einen schönen Tag in Jerez. Ja, das ist eben Mexico… ! Wir spazieren dann ins historische Stadtzentrum, dort befindet sich der Hauptplatz, der sich, wie so oft in mexikanischen Städten, um eine Kirche und einen kleinen Park zieht und der bei Tag voll mit Verkaufsständen, Gauklern, Luftballonverkäufern usw. ist.
Überall, auch in den Bars rund um den Hauptplatz, spielen Mariachi-Bands, ihre Klänge liegen über dem ganzen Stadtzentrum. In den kleinen Gassen findet man kleine Geschäfte und Handwerker. Bekannt ist Jerez vor allem für seine vielen Sattlereien und überall findet man ihre Geschäfte, in denen echte mexikanische Rancheros mit großen Hüten und Schnauzbärten neue Sättel, bunte Satteldecken und silberbeschlagenes Zaumzeug für ihre Pferde kaufen. Winzige Lokale mit
einheimischer Küche locken überall, aus einem riecht es besonders gut, es werden dort anscheinend spezielle Tacos angeboten, mit Füllungen deren Namen ich noch nie gehört habe. Wir setzen uns an einen der Plastiktische, bestellen zwei gemischte Teller von den Tacos und während wir darauf warten, gebe ich die mir unbekannten Namen der Füllungen, die ich von einer großen Wandtafel ablese, in die
Übersetzungs-App meines Handys ein. Diese ist aber, wie immer ohne Internet, etwas langsam und bis die Übersetzung fertig ist, habe ich schon zwei Tacos gegessen, deren Geschmack ich zwar nicht zuordnen kann, aber schlecht sind sie nicht. Leider werfe ich dann doch noch einen Blick aufs Handy und der nächste Bissen bleibt mir fast im Hals stecken. Das Lokal ist spezialisiert auf Tacos mit Innereien aller Art. Von Lunge bis zu Hirn scheint alles vertreten zu sein, was ein Tier innen so hergibt. Aus, erledigt, mein Mittagessen ist beendet. Karl isst noch tapfer weiter, macht dann aber den Fehler, eine der Füllungen näher zu untersuchen, die voll
mit
knorpeligem Inhalt ist und gibt dann ebenfalls auf. Na ja, wenigstens wissen wir jetzt um welche Taco-Buden wir in Zukunft einen großen Bogen machen werden. Wir spülen den Geschmack dann in einer der Bars am Hauptplatz mit Bier und Tequila
hinunter, genießen die Musik der wechselnden Mariachi-Bands, lassen uns von ihnen gerne für ein paar persönliche Ständchen einige Pesos aus der Tasche ziehen und verlassen dann das gastfreundliche Jerez schweren Herzens am Nachmittag. Hier hätten wir es ohne weiteres noch ein paar Tage ausgehalten, aber unser momentan etwas enger Zeitplan lässt das leider nicht zu.
Einen wichtigen Fixpunkt haben wir hier aber noch: Wir fahren zurück nach Zacatecas und parken beim „Monumental Lienzo Charro de Zacatecas“, einem großen Veranstaltungsgelände mit riesiger, überdachter Arena, mitten in der Stadt, wo von 7. bis 30. Oktober 2022 die nationalen Meisterschaften der „Charreadas“ stattfinden. Rund um die Arena findet man
Verkaufsstände mit allem was ein Reiter in diesem Land auch nur im entferntesten benötigt, Dazu wunderschöne Kleider und Umhänge, welche die Reiterinnen (ja, auch Damen sind dabei) bei ihren Vorführungen tragen, riesige Hüte und silberne Gürtelschnallen für die
Herren und vieles mehr. An den Essensständen sieht man ganze Familien, denen man schon von weitem ansieht, dass sie stolze Besitzer großer Ranchos sind, Eltern und Kinder, alle tragen wunderschöne, mexikanische Tracht, alle sind in Festtagsstimmung, es ist ein großartiges, buntes Treiben. Wir kaufen uns zwei Tageskarten und suchen uns einen guten Platz in der Arena. Es treten bei dieser
Meisterschaft Teams von Ranchos aus ganz Mexico in
Ausscheidungskämpfen gegeneinander an, die jeweils vor ihrem Auftritt auf einer großen Leinwand vorgestellt werden.. Es ist die letzte Woche vor dem Finale und somit sehen wir heute eine Auswahl der wirklich besten Teams. Den Auftakt des Nachmittages bilden die Damenmannschaften, die im Damensitz in speziellen Westernsätteln
reiten, mit langen, farbenfrohen Kleidern und Umhängen und die als Achtergruppen möglichst
formvollendet ihre Choreografien dem Publkum und den Richtern präsentieren. Dann folgen die Herren und es ist wirklich alles dabei was man sich von einem Rodeo erwartet. Es muss in vollem Galopp so spät wie möglich an einem bestimmten Punkt gestoppt werden, es wird auf
Bullen geritten, wie auch auf wilden Pferden ganz ohne Sattel und Zaumzeug, Kälber werden mit dem Lasso gefangen, Jungpferde werden in vollem Tempo von drei Reitern um die Arena gejagt, wobei ein am Boden s
tehender
Mann mit einem Lasso das vorbeirasende Pferd in vollem Lauf
erwischen muss. Dabei gilt ein Versuch nur dann als erfolgreich, wenn sich das Lasso um eines der beiden Vorderbeine des Jungpferdes wickelt, was dann natürlich in einem wilden Sturz des gefangenen Tieres endet, das sich dabei meistens mehrmals überschlägt. Dafür hat jedes Team drei Versuche, klappt es bei keinem, müssen sie aufgeben.
Die Zeit läuft ebenfalls immer mit und schafft es ein Team schon beim ersten Versuch, tobt die Zuschauermenge in der Arena, alle springen auf, schreien, applaudieren und – werfen ihre Hüte und teilweise sogar Stiefel als Anerkennung für ihre Helden in die Arena. Helfer
der Teams sind dann einige Zeit damit beschäftigt, alle Utensilien wieder in Richtung ihrer Besitzer zurückzuwerfen. Es ist ein echtes Spektakel, wir sind total begeistert und bleiben den ganzen Nachmittag und Abend dabei. Zu zart besaitet sollte man bei diesen Spielen als Zuschauer jedoch nicht sein, Stiere die nicht mehr aufstehen wollen, werden mit Elektroschockern bearbeitet, ein Jungpferd fällt beim Sturz so unglücklich, dass es sich wahrscheinlich das Genick bricht und per Traktor aus der Arena gezogen wird. Aber das Ganze ist auch nicht als Touristenspektakel gedacht, es sind die Reiterspiele der Mexicaner, wir haben weit und breit keine Touristen außer uns dort gesehen und wer damit nicht einverstanden ist, der braucht ja nicht hinzugehen.
Für uns geht es nächsten Tag weiter und wir machen einen zweitägigen Stopp in der Kolonialstadt „San Miguel de Allende“,
die zwar eine wunderschön erhaltene Altstadt hat, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, wo sich allerdings bewahrheitet wovor mein Reiseführer schon gewarnt hat. Die Stadt ist nicht nur von Touristen übervölkert, sondern zusätzlich haben sie die Amerikaner schon vor Jahren für sich entdeckt. Teilweise überwintern sie dort,
oft haben sie sich für den Ruhestand sogar Häuser oder Wohnungen dort gekauft und die Altstadt besteht fast nur aus Souvenirläden und Cafés mit Frühstückskarten in englischer Sprache, bevölkert von älteren, amerikanischen Ladies, samt ihren Schoßhündchen. Nein, das ist nicht das Mexico das wir erleben wollen. Das einzige was wir hier sehr wohl bekommen, ist ein Vorgeschmack auf den nahenden „Dia de muertos“, von dem ich hier noch näher berichten werde.
Als nächstes steht die auf über 2.200 m gelegene Hauptstadt Mexico City auf unserem Programm. Wir haben die Altstadt bereits bei unserer Mexico-Reise im Winter 2021 besucht und daher keine besondere Lust, uns mit dem Unimog in den für seine Überfälle, Diebstähle und Einbrüche aller Art bekannten Moloch von ca. 10 Millionen Menschen zu stürzen. Aber Mexico City liegt genau auf unserer Strecke zu unserem nächsten Ziel Oaxaca und gleich außerhalb der Stadt befinden sich die Ruinen der Pyramiden von Teotihuacan, die wir uns anschauen werden, aber eigentlich nur weil wir sowieso irgendwo übernachten müssen. Wir sind ja beide keine besonderen Freunde von Ruinen, Ausgrabungen, etc., aber etwas Kultur zwischendurch schadet ja auch nicht. Wir benützen ausnahmsweise die Autobahn für die nächsten 800 km und werden dafür, insbesonders rund um Mexico City richtig abgezockt. Gefühlt alle 20 km folgt eine Mautstelle der anderen. In Teotihuacan gibt es fast direkt mitten in Zentrum einen winzigen Campingplatz, auf dem wir seit langer Zeit wieder einmal einen Schweizer mit seinem zum Wohnmobil umgebauten MAN treffen. Hier auf dem
Campingplatz kann man sein Fahrzeug auch für längere Zeit unterstellen, was viele Overlander nützen, die ihre Reisen auf dem amerikanischen Kontinent in Etappen durchführen. Die Besichtigung der Ruinen stellt sich dann am nächsten Tag genau als das heraus was ich schon befürchtet hatte. Eine ewige Hatscherei in der Gluthitze, ein Haufen alter Steine, ja klar, die beiden riesigen Pyramiden sind schon sehr beeindruckend, aber hinaufsteigen darf man wohl seit Corona auch nicht mehr, nichts ist irgendwo beschrieben oder erklärt, es gibt auch keinen Plan vom Gelände, so dass man keine Vorstellung hat, was in den Gebäuden früher mal los war. Ins Museum dürfen wir auch nicht weil wir keine Masken dabei haben (noch nie wurden wir bisher in Mexico nach einer Maske gefragt,…) und es gibt zwar rund um das Museum endlos viele Souvenirverkäufer, aber Masken verkauft hier keiner. Somit bleibt der Eindruck der ganzen Besichtigung eher
bescheiden, einzige Abwechslung zwischen dem Grau
in Grau des Geländes ist eine junge Dame, die in einem wunderschönen Kostüm die antike Kulisse als willkommenen Hintergrund für die Fotos nützt, die ihr Freund von ihr macht. Wir löschen nach der Rückkehr ins Zentrum erst einmal
unseren Durst in einer kleinen Kneipe gegenüber unseres Campingplatzes. Dort wird gerade für den Abend ein DJ-Pult aufgebaut, es ist Samstag, 30. Oktober und man rüstet sich hier zur Halloween-Party. Das kommt uns natürlich gerade recht und wir mischen uns am Abend unters Party-Volk. Leider ist die Feier dann nur mässig besucht, aber einige treue Stammgäste sind doch gekommen, die Stimmung ist super, es wird getanzt, die beiden DJs geben Vollgas und wie immer dauert es nicht lange, bis die jungen Mexicaner auch uns in ihre Tequila-Runden einbeziehen und uns mit auf die Tanzfläche schleppen, alleine sitzenbleiben gibt’s in diesem Land ganz einfach nicht.
Hier auf dem winzigen Campingplatz in Teotihuacan, der direkt an das Haus der Besitzer grenzt, sehen wir dann zum ersten Mal einen richtigen Altar der in Mexico Ende Oktober für liebe Verstorbene bzw. für das große Fest „Dia de muertos“ zu Allerheiligen aufgestellt wird. Geschmückt mit den traditionellen, orangen Marigold-Blumen, die um diese Zeit an tausenden Verkaufsständen entlang der Straßen verkauft werden. Dekoriert mit Bildern des oder der Verstorbenen und mit Sachen die er oder sie im Leben gerne hatten und gerne gegessen und getrunken haben. Man findet darauf Süßigkeiten genauso wie Früchte, Coca Cola, Zigaretten, Bier, Tequila, etc. Die Menschen verbringen viele Wochen vor dem 1. November damit, die Altäre für ihre lieben Verstorbenen entsprechend zu schmücken.
„Dia de muertos“, der Tag der Toten, von 31. Oktober bis 2. November, ist in Mexico keine Trauerveranstaltung wie Allerheiligen bei uns, sondern ein riesiges,
buntes Volksfest zu Ehren der Toten. Nach dem Volksglauben kehren die Seelen der Verstorbenen an diesen Tagen zurück, um die Familien zu besuchen.
Schon Tage zuvor wird überall das „Pan de muertos“, ein speziell gebackenes, süßes Brot verkauft, wie auch kleine Totenschädel aus Zuckerguss und Schokolade. Alle Häuser, Geschäfte, Straßen und Lokale sind mit bunten Skeletten und Girlanden und mit den orangen Blumen geschmückt, große, bunte Bilder aus Sand werden in mühevoller Kleinarbeit auf den Plätzen der Städte angefertigt, das ganze Land putzt sich heraus in freudiger Erwartung auf die Festtage. Ich habe herausgefunden, dass es in „Oaxaca“, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates,
zu dem auch Puerto Escondido gehört, wo wir uns mit
unseren österreichischen Freunden treffen wollen, eine der größten und authentischsten Feiern rund um den „Dia de muertos“ geben soll und daher ist das für die nächsten Tage unser Ziel. Natürlich sind wir nicht die einzigen, die hier mitfeiern wollen und das Stadtzentrum rund um den historischen „Zócalo“, einem Park und gleichzeitigem Hauptplatz, ist voll mit Touristen aus Mexico und der ganzen Welt. Überall herrscht buntes Treiben, wir quälen uns mit dem Unimog im Schritttempo durch das Getümel, immer auf der Suche nach einem Parkplatz in Zentrumsnähe, was am Anfang gar nicht gut ausschaut. Dann haben wir Riesenglück, gleich um die Ecke des „Zócalo“ wird ein Platz frei, der groß genug für uns ist. Sobald wir stehen, werden
wir zwar hinten und vorne komplett zugeparkt, aber wir wollen ja ohnedies hier übernachten, also egal. Wir mischen uns unter das Gewühl der Leute und erkunden die wunderschöne Altstadt von Oaxaca. An fast allen Türen der Lokale stehen bunt geschmückte Skelettfiguren, die sogenannten „La Catrinas“, die mit dem großen, blumengeschmückten Hut als Symbol für den „Dia de muertos“ gelten und von denen ich nicht genug Fotos machen kann. Entlang der Mauer des Parks warten Make up Artists auf Kunden, um ihnen verschiedenste „Dia de muertos“-Gesichter für den Abend zu schminken und überall wird der dazugehörige Haarschmuck mit echten oder künstlichen Marigold-Blumen verkauft.
Wir kaufen uns natürlich gleich ebenfalls ein großes Skelettfiguren-Paar und dekorieren unseren Unimog damit, leider wird unser aber dann die „Dame“ schon gleich am ersten Tag geklaut. Am Abend des 31. Oktobers ziehen dann spezielle Musikgruppen durch die Stadt, immer begleitet von tanzenden, verkleideten und geschminkten Menschen
, dazu kommen die Kinder, die ebenfalls verkleidet schon mittanzen und dann mit kleinen Plastikkürbissen die Leute um Süßigkeiten bitten. Hier mischt sich wohl an diesem Tag auch ein bisschen Halloween dazu. Die Stimmung dieser „Muerteada“ steigert sich mit dem Fortschritt des Abends, die geschminkten Fantasiegestalten samt der Musik treffen sich auf einer großen Bühne mitten im Park und tanzen sich dort nahezu in Trance. Zusammen mit den vielen, ebenfalls geschminkten Besuchern ergibt das ganze ein wirklich mystisches Bild. Wir spazieren ganz lange herum, setzen uns zwischendurch in die kleinen Terrassencafés und lassen diese Stimmung einfach auf uns wirken. Die Feier dauert lautstark die ganze Nacht zum 1. November, bei Sonnenaufgang gibt es eine kleine Pause, als wir gegen Mittag wieder nebenan aus dem Unimog steigen, ist der Platz bereits wieder voll mit Menschen, die sich für den nächsten Abend zur Party rüsten.
Wir haben aber für den zweiten Abend einen anderen Plan. Ich habe gehört, dass im nur wenige Kilometer von Oaxaca entfernten „San Augustin Tetla“, einem winzigen Ort, jedes Jahr eine der wildesten „Muerteadas“ stattfindet. Wir verbringen also den Nachmittag noch im bunten Treiben von Oaxaca und dann lasse ich mich von Karl überreden, mich
für den Abend schminken zu lassen. Ich hatte vorher hin und her überlegt, ob ich das machen soll, weil bei manchen Touristen das ganze so idiotisch ausgeschaut hat, dass man sich schon fast ein bisschen fremdgeschämt hat. Aber ich finde dann doch unter den Vorlagenfotos der Makeup Artists ein Gesicht das mit wirklich gefällt und Carmen, meine Künstlerin, legt los. Da während des Schminkens immer wieder Leute vor uns stehenbleiben und zustimmend
nicken bzw. mir den Daumen hoch zeigen, denke ich mir, das Ganze wird dann ja wohl nicht so schlecht geworden sein, aber als ich dann am Schluss den Spiegel vorgehalten bekomme, kann ich es selbst fast nicht glauben, so groß ist die plötzliche Veränderung. Ich finde das Ergebnis dann aber echt super und Karl gefällt’s auch. Schnell noch den dazugehörigen, natürlich echten Blumenschmuck für die Haare gekauft und los geht’s Richtung San Augustin. Hineinfahren können wir ins Zentrum des kleinen Ortes diesmal nicht, es herrscht als wir dort ankommen bereits
totales Verkehrschaos und das Zentrum ist wohlweislich komplett für Fahrzeuge gesperrt. Wir finden dann ca. 1 km außerhalb einen wunderbaren Parkplatz für die Nacht, bei findigen Mexikanern, die dort wohnen und ob des Ansturms sofort ihre privaten Parkplätze vermieten. Wir zahlen gerne umgerechnet 5,00 Euro für die Nacht und stehen komfortabel und bewacht. Zu Fuß machen wir uns dann auf ins Zentrum, wo sich vor der bunt beleuchteten Kirche bereits eine riesige Menschenmasse an Besuchern versammelt hat. Rundherum sind Verkaufsstände mit Speisen und Getränken aufgebaut und die Menge erwartet die „Muerteada“ in gespannter Erwartung. Inzwischen gehen die verkleideten Gestalten und die Musik in kleineren Gruppen im ganzen Ort traditionell von Haus zu Haus, wo sie für die Einheimischen musizieren und tanzen. Es
dauert dann doch einige Bier lang bis die wilde Meute
schließlich auf den Kirchplatz stürmt, fast ein bisschen ähnlich wie bei uns bei einem Krampuslauf, nur dass diese Gestalten, so wild und unterschiedlich sie auch aussehen, völlig friedlich sind. Sie mischen sich unter die zahlreichen Besucher und lassen erst einmal in der nächsten Stunde endlose Fotowünsche ganz gelassen über sich ergehen. Unterdessen findet direkt vor der Kirche eine Art Schauspiel statt, von dem wir zwar den Text in schnellem Spanisch nicht verstehen, aber es geht irgendwie um einen Verstorbenen, seine weinende Frau, und eine Diskussion darüber zwischen dem Tod, dem Teufel und Gott und irgendwie erinnert mich das Ganze ein bisschen an den Jedermann von Salzburg. Auf jeden Fall geht es gut aus, der Verstorbene
steht wieder auf und entkommt dem Tod und dem
Teufel, was die Mexicaner mit tosendem Applaus und Jubelrufen quittieren. Dann steigen die Musiker auf die Bühne, die Maskierten mischen sich weiter ins Publikum und die ganze Menge tanzt sich in den nächsten Stunden rhythmisch in Ekstase. Zwischendurch ziehen dann alle hinter der Musik wieder durch das Dorf, so geht das die ganze Nacht bis zum Sonnenaufgang. Ganz so lange bleiben wir dann doch nicht, aber wir hören auf unserem Standplatz die ganze Nacht die Musik und sehen auch bis in den Morgen immer wieder einzelne immer noch tanzende Gruppen am Unimog vorbeiziehen. Wir sind uns einig: „Dia de muertos“ im mexikanischen Hochland ganz aus der Nähe zu erleben, war ein wirklich einmaliges Erlebnis, das wir ganz sicher niemals vergessen werden!
„Reisen ist kein Urlaub – oder „Wohlverdiente Pause“
Jetzt wird es aber Zeit für uns, dass wir uns in Richtung Küste begeben. Am 4. November landen unsere Freunde Gabi und Andi in Puerto Escondido und wir haben ihnen zwar gesagt, dass wir erst ein paar Tage später kommen, aber wir wollen sie als Überraschung mit dem Unimog vom Flughafen abholen. Wir haben uns für unsere dringend benötigte Auszeit vom Reisen für vier Wochen ein kleines Appartement gemietet, das wir etwas günstiger bekommen haben, weil die Eigentümer gerade einen Pool dort bauen und uns wegen des zu erwartenden Lärms 20 % Rabatt gegeben haben. Wir kennen Puerto Escondido vom letzten Jahr, als wir Anfang Jänner für vier Wochen dorthin geflogen sind. Dann wurde in Österreich Corona immer wieder verlängert, wir durften unser Hotel in Bad Ischl nicht aufsperren, hier in Mexico war es warm und sonnig, Corona spielte hier am Strand fast überhaupt keine Rolle und so verlängerten wir unseren Aufenthalt letztendlich immer wieder auf insgesamt drei Monate. Natürlich haben wir in dieser langen Zeit die ganze Umgebung wirklich gut kennen- und vor allem lieben gelernt und so haben wir Puerto Escondido auch unseren Freunden als Urlaubsziel weiterempfohlen und ausgemacht, dass wir uns, wenn möglich, auf unserer Reise hier mit ihnen treffen. Wir freuen uns sehr, dass das jetzt wirklich klappt und dass in den vier Wochen die wir bleiben, neben den beiden auch noch weitere Freunde folgen werden.
Von Oaxaca sind es eigentlich nur mehr 260 km nach Puerto Escondido, da Google Maps dafür aber schon fast sieben Stunden veranschlagt, ist uns klar, dass die Straße, die mitten durch die Berge führt, entsprechend anspruchsvoll sein wird. Wir legen noch einen kurzen Halt im kleinen Ort „Santo Tomas Jalieza“ ein, das für seine handgewebten Textilien und Teppiche bekannt ist. Wir brauchen nämlich einen neuen Teppich für den Unimog, weil ich den alten in Las Vegas in gutem Glauben in die Waschmaschine gesteckt habe, woraufhin er aber leider nur mehr in
einzelnen, komplett aufgelösten Teilen herausgekommen ist. Nach einiger Suche finden wir einen der von den Maßen her halbwegs passt und übernachten dann nocheinmal 150 km vor Puerto Escondido. Irgendwie verlieren wir dabei die relativ gute Straße auf der wir uns bisher befinden und das Navi leitet uns daraufhin, wahrscheinlich als „kürzeste Strecke“, auf engsten Schotterwegen direkt hinein in die Berge des
Hochlandes, vorbei an blau leuchtenden Agavenfeldern, die uns endgültig zeigen, dass wir im Land des „Mezcals“, des in diesem Teil von Mexico beheimateten Agavenschnapses angekommen sind. Die „Straße“ führt uns durch winzige Dörfer, durch Bäche und endet dann
plötzlich auch noch mitten in einer riesigen Baustelle, es wird nämlich hier anscheinend eine große, neue Straße durch die Berge gebaut – aber eben erst gebaut.
Wir stehen etwas ratlos zwischen den Baustellenfahrzeugen und haben keine Ahnung wo es weitergehen soll. Karl’s „Garmin“ zeigt nach rechts, mein „Google maps“ hat schon seit zwei Stunden „kein Netz“, eine junge Dame mit Helm und einer Kelle in der Hand zeigt nach links auf einen winzigen Fahrweg, der gar nicht gut aussieht. Ich frage sie nach dem Weg nach Puerto Escondido und sie nickt und zeigt wieder auf den schmalen Weg. Karl will lieber seinem Navi nach rechts folgen und meint, das Mädel würde uns einfach nur irgendwohin schicken. Ich frage sie noch einmal ob sie
sich auch wirklich sicher ist und sie nickt wieder und zeigt weiterhin nach links. Schließlich folgt Karl widerstrebend der winzigen Fahrspur die uns in kürzester Zeit in ständigem auf und ab immer
tiefer in die völlige Einsamkeit der Berge leitet. Bei Karl’s Navi werden die angezeigten Kilometer zum Ziel immer mehr und es folgt alle paar Minuten eine Anweisung zum Umdrehen, wozu wir aber
sowieso nicht einmal eine Möglichkeit hätten. Ich sehe aber auf der auch ohne Netz funktionierenden Karte von Google maps dass wir, wenn auch mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 20 kmH in die richtige Richtung unterwegs sind und es kommt darüber wieder einmal zu heissen Diskussionen
zwischen uns. Ich hoffe nur inständig, dass uns hier kein anderes Fahrzeug entgegenkommt, denn Ausweichen ist oft kilometerweit
nicht möglich. Irgendwann sehen wir aber dann, zwar noch von ziemlich weit oben, eine Asphaltstraße in der Ferne auftauchen. Wir bewältigen die letzten beschwerlichen Kilometer und sind beide dann so froh wie lange nicht mehr, eine befestigte Straße für die verbleibende Strecke vorzufinden, auch wenn diese kurzfristig noch von einer Ziegenherde blockiert wird. Irgendwann taucht dann am Horizont die Küste auf und wir wissen, dass wir es jetzt gleich geschafft haben. Na gut, so haben wir eben anstatt sieben Stunden fast zwei Tage nach Puerto Escondido gebraucht, ein Erlebnis war’s wieder einmal allemal – Und wir sind trotzdem pünktlich zur Ankunft unserer Freunde da und genießen bereits am Abend den ersten Sonnenuntergang auf der Terrasse unseres Appartements.
Die beiden fallen natürlich dann am nächsten Tag aus allen Wolken, als wir plötzlich überraschend am Flughafen vor ihnen stehen und freuen sich extrem über das „Unimog-Taxi“ vom Flughafen zum Hotel. Hat man ja auch nicht alle Tage. Und wir zwei freuen uns jetzt wirklich auf vier entspannte Wochen in Puerto Econdido, bevor unsere Reise Anfang Dezember wieder weitergeht.