Vom „Venedig Guatemalas“ bis in den Dschungel
Der Grenzübertritt von Belize nach Guatemala ist ähnlich unkompliziert wie schon bei der Einreise von Mexico nach Belize. Wir besorgen uns bei den allgegenwärtigen, „fliegenden“ Geldwechslern an der Grenze die ersten „Quetzales“, wie die guatemaltekische Währung, benannt nach ihrem bunten Wappenvogel dem „Quetzal“, heißt, zu einem zwar natürlich hier an der Grenze schlechten Kurs, aber ich habe gehört, dass man bereits bei der Überquerung der Brücke des Grenzflusses Quetzales benötigt und man, wenn man hier mit US $ bezahlt, sicher übers Ohr gehauen wird.
Es bleibt sich also ziemlich egal wo man ein bisschen draufzahlt und viel wechseln wir ja nicht. Gleich bei der Fahrzeugdesinfektion übernimmt, wie selbstverständlich, ein junger Mann, mit vielleicht 15, 16 Jahren die Führung für uns, lotst uns mit Handzeichen überall durch, weist uns einen Parkplatz zu und begleitet uns dann in die Grenzabfertigungsstation, wo Immigration und Zoll praktischerweise gleich nebeneinander liegen. Natürlich wissen wir, dass die kleinen „Grenzhelfer“ die es an fast jeder Grenze in Zentral- und Südamerika gibt, am Schluss für ihre mehr oder weniger guten Dienste Geld haben wollen und man es an den meisten Grenzen ganz gut auch ohne sie schafft, aber hier ist der junge Mann wirklich ausgesprochen nett und zurückhaltend und erweist sich einfach als hilfreich. Bei der Immigration für uns zwei geht sowieso alles so schnell wie noch nie vorher, wir müssen hier zum ersten Mal nicht einmal ein Einreiseformular ausfüllen und bekommen jeweils einen Stempel in den Pass, der 90 Tage Höchstaufenthalt anzeigt. Guatemala hat, zusammen mit seinen Nachbarstaaten El Salvador, Honduras und Nicaragua, vor einigen Jahren ein „CA-4-Abkommen“ unterzeichnet, das den Freihandel von Waren sowie den Reiseverkehr zwischen diesen Ländern für deren Einwohnern sehr erleichtert, sich für Touristen aber leider echt negativ auswirkt, da die genannten 90 Tage Höchstaufenthalt sich auf alle vier Länder beziehen. Das heißt, es bleiben uns pro Land nur jeweils drei Wochen Zeit oder wir müssen in Honduras oder spätestens Nicaragua versuchen, diese Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Die zweite Möglichkeit wäre, zwischendurch in ein anderes Nachbarland der vier, wie Mexico, Belize oder Costa Rica aus- und gleich wieder einzureisen, was aber durch die Lage der jeweiligen Grenzen eher große Umwege für uns darstellen würde und ob das die Prozedur den Unimog nur dafür jeweils ein- und auszuführen wirklich wert ist…? Wir lassen das ganze erst einmal wie es ist und werden uns gegebenenfalls später darum kümmern, sollte uns die Zeit zu knapp werden. Wir gehen also von der Immigration direkt zum Zoll, wo unser junger Grenzhelfer das Übersetzen der Unimogdaten für den sichtlich der englischen Sprache nicht mächtigen und völlig gelangweilten Grenzbeamten übernimmt und uns vor allem aber im Bezug auf die notwendige Bankeinzahlung von 200 Quetzales = ca. 24 Euro für die temporäre Einfuhrgenehmigung des Unimogs behilflich ist, indem er uns dazu den eineinhalb Kilometer langen Fußweg in der Hitze bis zur nächsten Bank erspart und den für die Ausstellung erforderlichen Einzahlungsbeleg für nur 40 Quetzales = ca. € 2,40 Aufschlag innerhalb von zwei Minuten lachend für uns „herbeizaubert“. Na bitte, das ist doch ein super Service, wer da auch noch knausert, ist halt selber schuld. Am Schluss begleitet er uns dann noch zum Unimog, zeigt uns wo wir die erhaltene Plakette an der Windschutzscheibe anbringen müssen und wir erwarten am Schluss eine entsprechende Forderung für seine Dienste. Aber zu unserer Überraschung meint er nur: “ Wenn Sie möchten, geben Sie mir einfach was Sie wollen“. Ich bin sprachlos und drücke ihm 10 US$ in die Hand – Gar nicht so aus Dankbarkeit, sondern einfach nur weil er so lieb war…!
Unser erstes Ziel, das eher noch zum nördlicheren Teil von Guatemala zählt, ist dann das Städtchen „Santa Elena“, besser bekannt unter dem Namen „Flores“. So benannt ist die wunderschöne Altstadt von Santa Elena, die
auf einer Halbinsel im See „Lago Petén Itza“ liegt und durch einen Damm mit dem Hauptort
verbunden ist. Auf der Fahrt dahin sehen wir wieder einmal, wie auch schon in Mexico, dass Pickups eigentlich zu den völlig unterschätzten Beförderungsmitteln in Europa gehören. Mit einem bisschen guten Willen und jeder Menge Gottvertrauen lassen sich nämlich auf diesen wirklich ohne Problem ein halber Hausstand oder auch die Belegschaft einer mittelgroßen Firma auf einmal transportieren, oder….. ja, es klingt grotesk, aber es kommt auch schon mal vor, dass sogar ein Sarg auf der offenen Ladefläche steht…. . Da wir es vor Einbruch der Dunkelheit zwar noch bis zum See, nicht
aber bis zur Stadt schaffen, schlagen wir unser erstes Übernachtungslager dann, eher zufällig, auf der anderen Seeseite auf, nämlich in „El Remate“, an einem wunderschönen Platz unter ein paar hohen Bäumen, direkt am See und in Nachbarschaft von einigen Geschäften, Restaurants und Bars. Niemand stört sich daran, dass wir plötzlich hier auftauchen und mitten am Seeufer
übernachten, im Gegenteil, alle inkl. der Polizei winken uns nur freundlich zu – Es ist diese unglaubliche Gastlichkeit und Gelassenheit der Menschen, die uns seit Mexico immer wieder, überall wo wir hinkommen, entgegengebracht wird und die uns nach wie vor immer noch erstaunt! Wir fühlen uns dann so wohl hier im entspannten „El Remate“, wo man wunderbar im warmen See schwimmen kann, traumhafte Sonnenuntergänge inklusive, dass wir gleich mal ein paar Nächte bleiben.
Als wir dann Santa Elena erreichen und die übliche Suche nach einem guten Telefon- bzw. Internetanbieter, hier ist es „Claro“, in einem Enkaufszentrum am Stadtrand positiv über die Bühne gebracht haben, machen wir uns auf den Weg in Richtung Altstadt. Vorher stehen wir aber noch zufällig vor einem Elektronikmarkt der Fernseher im Schaufenster hat und was meint ihr, verwenden sie hier, mitten in Guatemala, als „Testbild“? Wir glauben unseren Augen nicht zu trauen, es ist wirklich Hallstatt das uns da aus der Auslage entgegenspringt. Wenn das nicht internationale Werbung ist!
Kurz vor dem Damm, der in die Altstadt führt, steht an der letzten Ampel ein nicht zu übersehendes Schild mit dem Hinweis, dass die Einfahrt nach „Flores“ für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen verboten ist. Ich schlage vor, dass wir uns vielleicht besser einen Platz
außerhalb der Altstadt suchen, aber Karl meint wie immer: „Schau ma mal, des geht schon, die können uns im Höchstfall zurückschicken“. Ja und er hat wie so oft recht, wir überqueren den Damm und erreichen
Flores, ohne dass uns jemand aufhält und finden, nach einigem Warten, sogar einen wunderbaren Parkplatz, innerhalb der wenigen Plätze die direkt neben der Altstadt liegen. Der Unimog sticht zwar an Größe zwischen allen anderen Fahrzeugen hier richtig hervor und man braucht kein Fachmann zu sein um zu bemerken,
dass er „ein bisschen“ über 3,5 Tonnen wiegt, aber unbehelligt und kostenlos stehen wir hier für die nächsten Tage, in denen wir das wunderschöne Flores genießen. Die Altstadt ist voller enger Gassen mit alten Häusern und rundgeschliffenem Steinpflaster und überall gibt es kleine Lokale, Cafés, Kunsthandwerker, versteckte Galerien und natürlich jede Menge Bars. Kleine Boote bringen die Touristen zu nahen Stränden und ein ganz kleines bisschen erinnert Flores auch an Venedig, seit Jahren wird nämlich der „Malecon“, die Straße die früher außen um die ganze Altstadt geführt hat, durch das jährlich immer höher ansteigende Wasser des Sees überflutet und diese ist dadurch stellenweise ganz gesperrt bzw. nur mehr für Fußgänger begehbar.
Von Flores aus machen wir uns dann auf den Weg nach Osten und unser nächstes Ziel ist „Rio Dulce“, eine kleine Stadt, eingebettet zwischen dem gleichnamigen Fluss und dem größten
See von Guatemala, dem „Lago de Izabal“. Rio Dulce war bis vor gar nicht so langer Zeit besser bekannt als „Frontera“ also Grenze, weil es hier früher nur eine Fähre über den Fluss gab und es die letzte Versorgungsmöglichkeit vor einer Reise in den ehemals sehr einsamen Norden des Landes war. Die Zeiten haben sich aber geändert, es wurde eine riesige Brücke gebaut, was aber geblieben ist, ist ein täglicher, nicht endender Verkehrsstau entlang der engen Hauptstraße, die sich wie ein Nadelöhr bis zur Brücke zieht und durch die sich riesige LKWs, Autos, hupende dreirädrige Tuc Tucs, alle Arten von Mopeds und zusätzlich jede Menge ständig im Weg stehende Fußgänger schieben, die ihre Einkäufe in den aneinandergereihten Geschäften entlang der Straße erledigen. Die Geräuschkulisse ist unglaublich und es grenzt wirklich an ein Wunder, dass hier nicht alle paar Minuten jemand überfahren wird. Rio Dulce ist heute vor allem bei Seglern sehr
beliebt, überhaupt seit es von der amerikanischen Küstenwache zu einem der sichersten Zufluchtsorte für Segler während der karibischen Hurricansaison erklärt wurde. Seither entstanden und entstehen hier eine Marina nach der anderen und in einer der kleinen und gemütlichen, nämlich in „Bruno’s Hotel und Marina“ finden wir einen super Übernachtungsplatz für ein paar Tage um umgerechnet € 12,00 pro Nacht. Wir dürfen dafür die sauberen
Duschen und Toiletten benützen, es gibt wlan, einen kleinen Pool, eine Wäscherei und ein total nettes Restaurant mit Bar, direkt am Wasser, wo man von 08.00 Uhr früh bis 22.00 Uhr am Abend fantastisch und günstig essen und trinken kann. Karl ist hier im Paradies. Er, der ja nach unserer Rückkehr so viel wie möglich mit seinem Segelschiff unterwegs sein will, während ich mich noch ein paar Jahre der Arbeit widmen muss, bzw. als echte „Landratte“ mit Segeln sowieso rein gar nichts anfangen kann, nützt jede Möglichkeit um mit anderen Seglern ins Gespräch zu kommen und ist hier ständig unterwegs. Ich sitze derweil gerne auf der offenen Terrasse des Restaurants, direkt neben den Bootsstegen wo den ganzen Tag immer etwas los ist, schreibe bei unglaublicher Aussicht auf die Marina an meinem Blog, lasse mal wieder in Ruhe unsere ganze Kleidung und Bettwäsche waschen und schwimme zwischendurch im Pool. So hat jeder mal wieder ein bisschen Freiraum und wir laufen nicht Gefahr uns auf engem Raum zu sehr auf die Nerven zu gehen, worauf wir jetzt, im Gegensatz zum ersten Teil der Reise, mehr achten und wodurch das Zusammenleben auch viel entspannter läuft. Oh ja – wir haben dazugelernt!
Rio Dulce ist dann auch unser Ausgangspunkt zu einer ca. zweistündigen Bootsfahrt über den gleichnamigen Fluss hinaus an die Karibikküste zum kleinen Ort „Livingston“, der nur per Boot erreichbar ist. Alleine schon die Überfahrt in dem kleinen Boot mit ca. 15 Personen ist
den Ausflug auf alle Fälle wert. Die Fahrt führt teilweise mitten durch den Dschungel, es wurde aufgrund der traumhaften Kulisse hier sogar schon eine der Neuverfilmungen von „Tarzan“ gedreht und unser Kapitän fährt mit uns durch
dichte Mangrovenwälder, vorbei an Seerosenteppichen mit einer fantastischen Blumenpracht und zeigt uns kleine „Hideouts“, also versteckte Mini-Hotels, mitten im Dschungel, mit klingenden Namen wie „Hotelito perdido“ oder „Casa perico“, die nur aus einem Bootssteg, ein paar Holzhütten,
Sonnenliegen und ein paar Kajaks zum Paddeln bestehen, die aber komplett unter dem
Dach des Dschungels verschwinden und nur per Boot erreichbar sind. Ich denke mir, sollte ich jemals ein Burnout haben (was aber ohnedies sehr unwahrscheinlich ist, wenn ich in meinem bisherigen
Leben noch keins hatte,…), hier würden sich wohl Körper und Geist auf jeden Fall schnell wieder erholen. Wir erreichen dann Livingston kurz nach Mittag und nach Ankunft in dem 7.000 Einwohner Ort, kommt man sich gleich einmal vor, als wäre man wieder in Belize. Ganz anders als im übrigen Guatemala besteht nämlich die Bevölkerung hier ebenfalls aus einem Gemisch von Creolen und Garifunas, die hauptsächlich von Einwohnern der vorgelagerten Inseln bzw. von vormals gestrandeten, schiffbrüchigen Sklaven abstammen. Da es nur zweimal am Tag eine Bootsverbindung zwischen Rio Dulce und Livingston gibt und wir uns aber dadurch sicher nicht stressen lassen wollen, haben wir uns dazu entschieden über Nacht zu bleiben, umso mehr als unser Unimog sicher und bewacht in Bruno’s Marina steht. Das Zentrum besteht nur aus ein paar Straßen und Karl will, wie immer, gleich einmal alles erkunden, ich streike aber, weil ich absolut keine Lust habe, in der sengenden Sonne und bei weit über 30 Grad spazieren zu gehen. Wir beschließen dann, uns erst einmal ein Hotel für die eine Nacht zu suchen und mich dort abzusetzen bis die ärgste Hitze vorbei ist. Bedingt durch unser ständig überzogenes Reisebudget haben wir eigentlich an eine Nacht in einem günstigen Hostel gedacht, stehen dann aber plötzlich vor dem Hotel „Villa Caribe“ und
wollen eigentlich wirklich nur mal „kurz reinschauen“. Drinnen sieht man schon von der Reception aus hinunter auf den wunderschönen, riesigen Pool und über die das
Hotel umgebenden Gärten voller Blumen und Palmen hinweg aufs glitzernde Meer. Wir fragen vorsichtig nach, was ein Doppelzimmer kostet und die junge Dame macht uns ein Angebot das wir einfach nicht ausschlagen können. Umgerechnet € 80,00 kostet uns das gesamte Doppelzimmer mit Meerblick
und inkl. Frühstück. Wir überlegen nicht lange, vergessen den Hostel-Plan und schlagen zu. Ich begebe mich im Anschluss sofort zum Pool hinunter und genieße hier beim Schwimmen und im Schatten den Nachmittag bis Karl von seinem Rundgang zurückkommt. Später schlendern wir dann durch die paar Straßen von Livingston, genießen das karibische Flair und essen am Abend wunderbar und spottbillig in einer der Einheimischenküchen. Nach ein paar Absacker-Drinks fallen wir ins ungewohnt riesige Bett nachdem ich das erste Mal seit wirklich langer Zeit, ewig unter der heißen Dusche gestanden bin
(ich habe lange nachgedacht, wann das war, ich denke, die letzte Dusche mit heißem Wasser hatten wir in Las Vegas). Nicht dass wir das wirklich vermissen würden, bei den fast ständig hohen Temperaturen seit Mexico duscht man sowieso lieber kalt bzw oft kommt das Duschwasser ohnedies aus einem am Dach sonnenerwärmten Tank. Ganz ehrlich – Letztendlich ist man sowieso meistens schon froh, wenn bei allem was man so auf der Reise ab Mexico südwärts an Duschen vorfindet, ein halbwegser Wasserstrahl irgendwo aus einem Rohr rauskommt und sich möglichst ansonsten in der Dusche nichts aufhält was sich bewegt,… . Am nächsten Tag gibt es im Hotel Frühstück bis 11.00 Uhr und der check-out ist auch erst um 13.00 Uhr, so faulenzen wir noch am Pool und drehen sogar noch eine Runde im karibischen Meer, bevor wir uns nocheinmal auf einen
letzten Spaziergang durch das kleine, symphatische Livingston begeben. Wir kommen an der öffentlichen Wäscherei vorbei, wo das Waschen noch echte Handarbeit ist und landen schließlich in einer Einheimischenkneipe die Karl am Vortag entdeckt hat. Diese
liegt direkt am Fischerhafen und ist so schön wie aus einer Filmkulisse. Völlig touristenfrei kosten hier DREI guatemaltekische „Gallo“-Bier nur umgerechnet
€ 2,40, die Musik kommt mit voller Lautstärke aus einer Musicbox und trotzdem schläft die Katze,
die aber inzwischen wahrscheinlich sowieso taub ist, friedlich unter dem Lautsprecher auf der Bar. An den Stegen liegen die Fischerboote und riesige Vögel mit langen Schnabeln (Kormorane?, Pelikane?) bevölkern die umliegenden Dächer. Auf den Stegen liegen Fische zum Trocknen, die von den Vögeln wohl nur deswegen nicht angetastet werde, weil diese vorher
eingesalzen wurden. Die
Einheimischen scheinen hier einen großen und sehr lustigen
Stammtisch zu haben, was mich gleich wieder an zu Hause erinnert. Nach vielen Runden Bier stehen alle gleichzeitig vom großen Tisch auf und ich denke, aha, jetzt wartet wohl das Mittagessen zu Hause, aber weit gefehlt – Nix is mit heimgehen, die Wirtin hat ihnen den Fernseher in einer
anderen Ecke der Bar eingeschaltet und alle widmen sich jetzt in bester Laune „König Fußball“. Ja, eben auch wie daheim,…. . Nach diesem echt gemütlichen Abschluss besteigen wir dann am Nachmittag wieder unser Boot und fahren zurück nach Rio Dulce, sind uns aber einig: Livingston war ein wirklich gelungener Ausflug vom Reisealltag!
Zurück in den Bergen oder „Bremsen verboten“
Weiter geht es für uns jetzt wieder einmal „von 0 auf über 2.000“ nämlich Höhenmeter. So hoch und auch um 360 km weiter im Westen liegt nämlich, mitten im „Altiplano“, dem guatemaltekischen Hochland, die Stadt „Chichicastenango“, die als nächstes auf unserem Reiseplan steht. Vorgewarnt von Google, der für diese Strecke über acht Stunden veranschlagt und aufgrund unserer Erfahrungen im mexikanischen Hochland, nehmen wir die Strecke, für die wir natürlich wieder einmal eine alte Landstraße ausgesucht haben, mit viel Geduld in Angriff. Die brauchen wir letztendlich auch, weil es wird uns relativ schnell klar, dass das was wir an Bergstraßen in Mexico erlebt haben, nur ein Klacks dazu war, was uns hier in den Bergen von Guatemala erwartet. Sehr bald nachdem wir den letzten, wunderschönen Blick auf den Lago Izabal geworfen haben, endet auch
der Asphalt und wir finden uns, nach den nächtlichen Gewittern der letzten Tage, mitten im Schlamm, wilden Schlaglöchern und aufgeweichtem Schotter wieder. Was uns auf der Strecke leider auch immer wieder begegnet und was in Guatemala leider wirklich schlimm ist, sind die riesigen Müllhalden, die sich immer wieder am Straßenrand, in Senken wie auch in kleinen Flüssen finden, wo der Müll dann wohl beim nächsten, großen Regen weiter in Richtung Meer gespült wird. Im Umweltbewusstsein hat Guatemala im Vergleich mit Mexico und Belize wirklich
noch riesigen Nachholbedarf. Genau auf so einer dreckigen, engen Bergstraße platzt uns auch mal wieder ein Luftschlauch, wir haben aber Glück und schaffen es gerade noch zu einer zufällig in dem Moment rechts vor uns auftauchenden, winzigen Mopedreparaturwerkstätte, wo Karl den Schaden auf betoniertem Untergrund und wenigstens nicht mitten in der Kurve beheben kann. Leider ist es nun schon der vierte Schlauch mit dem gleichen Durchmesser der geplatzt ist und langsam gehen uns die passenden Druckluftschlauchverbindungsstücke aus, wir müssen demnächst schauen, dass wir solche irgendwo bekommen. Letztendlich brauchen wir für die Strecke nach „Chichi“ wie die Stadt von den Einheimischen genannt wird, zweieinhalb Tage. Wir übernachten dabei mitten in den Bergen, in der Nähe von ein paar Indiohütten, von denen uns die Erwachsenen und die Kinder aus sicherer Entfernung zwar freundlich zuwinken, aber leider nicht zu einem Plausch näherkommen.
Die Indios, die hier ebenfalls, wie in Mexico, Nachfahren der Mayas sind, machen in Guatemala ca. 50 % der ca. 19 Millionen starken Bevölkerung aus, offiziell sind es weniger, da viele Einheimische ihre indigenen Vorfahren lieber verleugnen. Sie werden hier genauso benachteiligt, wie im Nachbarstaat, neben der Amtssprache spanisch werden hier jedoch nach wie vor 22 Mayadialekte gesprochen. Im politisch und wirtschaftlich extrem gebeutelten Guatemala sind nach 36 (!) Jahren durchgehendem Bürgerkrieg der bis 1996 dauerte und der über 200.000 Tote, eine Million Obdachlose und hunderttausende „Verschwundene“
hervorbrachte, 50 % der Bevölkerung unter 25 Jahre alt. Ca. genau so viele Menschen leben hier unter der Armutsgrenze, es ist das erste Land auf unserer Reise, wo wir nicht überall Schilder sehen, dass Personal gesucht wird. Aufgrund des völlig fehlenden sozialen Netzes muss hier einfach jeder irgendetwas arbeiten um zu überleben. Es gibt nur reich und arm, der Mittelstand fehlt komplett in diesem Land, von den Guatemalteken hören wir sogar: Es gibt sieben Familien denen Guatemala „gehört“. Dazu kommt die Bandenkriminalität, die den Tourismus in den letzten Jahrzehntenen und nach wie vor extrem beeinträchtigt, obwohl Reisende so gut wie nie davon betroffen sind und auch wir überhaupt nichts davon mitbekommen.
Ein Großteil der Bevölkerung hat den Glauben an nicht manipulierte Wahlen und eine endlich einmal nicht korrupte Regierung inzwischen völlig aufgegeben und versucht
einfach, sich das karge Leben mit Familie und Freunden so schön wie möglich zu machen, ohne dabei zu große Erwartungen zu haben. Die vielen bis zu 4.000 m hohen Vulkane, zusammen mit dem Zusammentreffen von drei tektonischen Platten in Guatemala haben dem Land außerdem bisher immer wieder verheerende Erdbeben und Vulkanausbrüche mit riesigen Zerstörungen und unzähligen Toten beschert. Trotz dieser Gegebenheiten und – oder vielleicht auch gerade wegen – der wirklich traurigen Geschichte des Landes, die die Bevölkerung endlich hinter sich lassen will, nimmt man uns in Guatemala, ganz egal wo wir hinkommen, überall mit unglaublicher Herzlichkeit und Freundlichkeit auf. Sogar die Indios sind hier weniger verschlossen und abweisend wie in Mexico, selbst diese winken uns überall zu und viele sind sogar zu einem Foto bereit.
So erreichen wir also Chichicastenango, zufällig sogar an einem Samstagabend, mit der Aussicht hier am nächsten Tag einen der
größten und buntesten Märkte von ganz Zentralamerika
erleben zu dürfen. Nach einigen Schwierigkeiten, in den wirklich engen Gassen der Stadt einen Übernachtungsplatz zu finden, schaffen wir es doch noch knapp vor Einbruch der Dunkelheit,
ganz in der Nähe der Altstadt zu parken. Bei hier im Hochland nur nächtlichen 15 Grad schlafen wir nach der Schwüle der Küste wieder einmal selig und starten am nächsten Tag zum Rundgang. Der, obwohl schon ziemlich touristische, Markt erweist sich dann wirklich als
riesig, noch viel größer als alle die wir in Mexico erlebt haben und wir streifen einen halben Tag lang hindurch
und bewundern auch hier wieder die verschiedenen Festtagstrachten der Indios und das bunte Treiben und die Verhandlungen im Marktgeschehen. Wir kaufen Nudeln
aus großen Säcken für unsere Vorräte und meine geliebten „Chicharrónes“, kross gebratene Schweinefleisschstücke mit viel Fett und knuspriger Schwarte, die noch warm am Markt verkauft werden. Karl mag sie auch, aber mehr mit Maß und Ziel, ich aber esse sie, schon seit meinen Urlauben in der Karibik, wo immer ich sie finde und zwar regelmäßig so lange bis mir schlecht ist, was bei dem vielen Fett meistens nicht sehr lange dauert… – aber es schmeckt halt einfach fantastisch und den Rest kriegt eben dann immer einer der dabei sofort überall auftauchenden Straßenhunde, für den das dann Weihnachten und Ostern gleichzeitig bedeutet.
Außerdem gibt es auch hier in „Chichi“ mittendrin eine Kirche, die „Iglesia de San Tomas“, in der, ähnlich wie in „San Juan Chamula“
in Mexico, die Indios für
Zeremonien und Beschwörungen ihrer eigenen Götter zusammenkommen. Die Atmosphäre ist nicht ganz so magisch, aber dafür wird hier auch das Fotografierverbot nicht ganz so scharf überwacht und es gelingen uns ein paar Fotos, die zeigen, wie die Indios und ihre Schamanen vor der Kirche mit viel Rauch an offenen Feuern und in der Kirche mit unzähligen Kerzen ihren Göttern
huldigen. Sie betreten die Kirche ausschließlich auf Knien, auf denen sie dann, vorbei an den
Kerzenopfern, bis nach vorne zum Altar rutschen und auf denen sie am Schluss rückwärts auch die Kirche wieder verlassen. Nicht fehlen in unserem Besuchsprogramm darf dann noch ein Besuch des wirklich beeindruckenden Friedhofs von Chichi der sich auf einem Hügel gleich neben der Altstadt befindet. Was einem als erstes hier ins Auge fällt, sind die bunten Farben mit denen die Grabmäler bemalt sind. Es gibt
große
Gedenkstätten genauso wie kleine, einfache Grabhügel, die meistens zubetoniert und mit Farbe bemalt sind, aber auch sehr viele einfache, nur zu einem Sandhügel aufgeschüttete Gräber. Es scheint eine immense Platznot auf diesem Friedhof zu herrschen und wenn man den schmalen, fast unsichtbaren Wegen hindurch folgt, läuft man ständig Gefahr plötzlich auf einen Grabhügel zu treten. Was uns außerdem auffällt, sind die extrem vielen, aktuellen Sterbedaten, auch von jungen Menschen, die hier zwischen 2019 und 2022 wohl Corona zum Opfer gefallen sind.
Wir verlassen das für unsere Ansprüche dann doch zu touristische Chichicastenango ziemlich schnell nach eineinhalb Tagen und legen dafür noch einen Stopp ein in der völlig touristenfreien Nachbarstadt „Santa Cruz de Chiqué“, wo wir am Vortag bei der Durchfahrt eine damals geschlossene Firma „AluTech“ gesehen haben. Wir suchen nämlich nach unserem „Malheur“ in der Regennacht im Dschungel von Palenque noch immer, und bisher erfolglos, nach einem Ersatz der verbogenen Alu-Haltestange unserer Markise. Leider kann man uns ein Alurohr im selben Durchmesser auch hier nicht anbieten, aber es wäre nicht ein mittelamerikanisches, freundliches Land, wenn die Menschen uns nicht – von hier nach dort und von dort nach da – weiterreichen würde, bis wir am Schluss zwar wirklich nirgends ein passendes Ersatzrohr finden, aber dafür in einer Werkstatt landen, die sich – nur gegen ein Trinkgeld – zutraut, unser komplett verbogenes Rohr mit Hilfe eines Holzstücks vorsichtig so lange auszuklopfen bis es wieder fast gerade ist – Super, passt wieder, alles erledigt!
Am nächsten Tag machen wir uns auf in Richtung des angeblich „schönsten Sees von Guatemala“, des „Lago de Atitlán“, der sich etwas tiefer im Hochland, auf knapp 1.500 m befindet. Über enge Serpentinen und hunderte „Tumolos“, so heißen in Guatemala die über die Straße gemauerten Betonschwellen, die es zu unserem Leidwesen auch hier gibt, überqueren wir die Berge und werden dabei immer wieder, auch in Kurven, in unglaublichem Tempo überholt von den „Chicken-Buses“ – den „Hühner-Bussen“, wie die bunten Verbindungsbusse zwischen den einzelnen Orten hier heißen. Ihr Name kommt daher, dass die Einheimischen auf ihren Fahrten oft, neben jeder Menge Gepäck, auch lebende Tiere, wie
Hühner, Truthähne, etc. mit dabei haben, die sie auf den Märkten gekauft haben oder verkaufen wollen. Diese Busse sind ständig, viel zu schnell und völlig überfüllt, unterwegs und ich bin sicher, dass man in Guatemala nur ein „Chicken-Bus-Fahrer“ werden kann, wenn man mindestens schon dreimal wegen schweren Verkehrsverfehlungen im Gefängnis war…! Aber Spaß beiseite, leider hört und liest man auch, dass mindestens ein- bis zweimal pro Monat ein „Chicken Bus“ irgendwo in einer Schlucht gelandet ist oder beim Überholen in einer Kurve einen Frontalzusammenstoß verursacht hat. Die neuesten, grausigen Bilder in den Zeitungen, die davon zeugen, lassen das Vertrauen in dieses öffentliche Verkehrsmittel nicht gerade steigen. Wir verhalten uns daher immer sehr defensiv gegenüber diesen Bussen, der Unimog, der ja keine Motorbremse hat, fährt hier in den
Bergen wirklich im ersten Gang quasi im Schritttempo bergab, da der zweite Gang für dieses extreme Gefälle schon zu lang ist. Wir haben, wie immer, keine
Eile, entlang der Straße gibt es ja auch immer genug zu sehen, z.B. glückliche Schweine, die hier ein wirklich freies Leben zu führen scheinen oder auch Ziegen, die neben der Straße zum Verkauf angeboten
werden. Natürlich begegnen uns auch überall Menschen, die hier ihrer harten Arbeit nachgehen und z.B riesige Holzbündel nach Hause schleppen, die sie teilweise für ihre eigenen Öfen und Grills verwenden oder deren Verkauf zu ihrem kargen Einkommen beiträgt. Die damit verbundene, stetig steigende Abholzung des Landes, die insbesonders auch von den Indios durch illegale Brandrodungen zum Anlegen neuer Maisfelder betrieben wird, ist hier, wie in ganz Zentral- und Südamerika ein riesiges Problem.
Vulkane, Seen und Kaffee – „Einfach zum Dableiben…“
Wir kommen dann, im Gegensatz zu vielen anderen Travellern, wie wir in deren Reiseberichten lesen, wo sie uns entsetzt vor der Benützung dieser steilen Straße warnen, mit nicht überhitzten Bremsen unten am See an und – im Gegenteil – durch die sehr langsame
Abfahrt genießen wir umso mehr den fantastischen Ausblick auf den See von oben, der uns, mit Ausnahme der ihn überragenden drei Vulkane, sofort an das Salzkammergut erinnert. Nach einer Nacht in „Panajachel“, einer der größten Orte am See, brauchen wir
am nächsten Tag nocheinmal fast drei Stunden für 11 km Luftlinie (!), um wieder über die Berge und über eine noch engere Bergstraße mit noch extremerem Gefälle, das in Europa niemals zulässig wäre, auf die andere Seeseite nach „San Pedro
La Laguna“ zu kommen, dem wirklich bezaubernden, kleinen Ort, der auf einem Felsen mit traumhaftem Blick über den See liegt. Während der Fahrt sehen wir, dass wir uns hier, obwohl mitten in den Bergen, im landwirtschaftlichen Herzen von Guatemala befinden. Überall auf über 2.000
m Höhe wird Gemüse auf dafür angelegten Terrassen angebaut, auch Obstplantagen mit Apfel- und Orangenbäumen sind keine Seltenheit. Jeder Quadratmeter Bergland wird dafür genützt. In „San Pedro“ angekommen, tasten wir uns durch engste Straßen des am Hang auf einer Felsenhalbinsel
liegenden Städtchens, bevölkert, wie überall in Guatemala, von LKWs, Bussen und hunderten dreirädrigen „Tuc Tuc“-Taxis. Das wirklich Schöne ist: Niemand hier regt sich auf wenn wir mit dem Unimog durch die wirklich engen Gassen fahren. Es gibt hier kein böses Wort wenn jemand schnell sein Moped oder Auto umparkt damit wir passieren können, es werden lachend und winkend Markisen für uns eingefahren und alle Menschen sind
unglaublich freundlich und grüßen uns von weitem. Wir schaffen es wieder einmal bis zum Rande der Altstadt, wo wir tatsächlich ein Café mit angeschlossener Caférösterei finden, auf dessen Parkplatz wir für ein paar Tage übernachten
dürfen. Wir bleiben dann ein paar Tage im wunderschönen „San Pedro La Laguna“, genießen das Flair d
ieses gemütlichen Städtchens, mit seinen engen, schattigen Gassen und bewundern die grandiose Aussicht
über den See. Die Lokale und Bars sind hier voll von jungen Menschen, von denen viele wegen der hier angebotenen, günstigen Spanischkurse herkommen, was ich mir auf jeden Fall für die Zukunft merken werde. Zudem bekommen wir auch noch von dem symphatischen Bilson ein äußerst interessantes „Café-Röst-Seminar“ direkt neben unserem Standplatz, wobei wir von ihm unter anderem erfahren, dass hier rund um den
„Lago de Atitlán“ auf 1.
500 m nur „Arabica-Café“ wächst, hingegen die „Robusta“-Sorten nur tiefer liegend angebaut werden
können. Bilson startet für uns extra
seinen Röstvorgang und Karl, der guten Espresso noch viel mehr schätzt als ich und der sich seit Jahrzehnten für Caférösterei interessiert, ist hier in seinem Element und fachsimpelt
mit ihm die ganze Zeit, während mich Bilson’s entzückende zwei Wirbelwind-Kinder voll in Beschlag nehmen. Dass wir uns hier in Guatemala im Herzen des Caféanbaus befinden haben wir ja gleich von Beginn an festgestellt, egal wo auch immer wir unseren Espresso trinken, er schmeckt einfach wunderbar. Insgesamt stellt sich „San Pedro La Laguna“ als ein unglaublich liebenswerter Platz heraus, an dem wir es ganz sicher noch viel länger ausgehalten hätten.
„Schwarzer Sand von Paredón“ und „Antigua die Perle“
Aber leider, es nützt ja nix, das ist halt das „schwere Los“ von uns Travellern, wir müssen nach ein paar Tagen doch weiter und es lockt uns nach der Zeit im Hochland nun wieder der Pazifik und die angeblich unendlichen
Strände an der Westseite des Landes. Vorbei an vielen, kleinen Caféplantagen, die fast unsichtbar eingebettet sind in die Berge und Wälder des Hochlandes und die man meistens nur dadurch erahnt, weil an der Straße große Jutesäcke mit geerntetem Café auf den Weitertransport warten und durch kleine Dörfer in denen riesige Berge von Kokosnüssen direkt neben der Straße auf Käufer warten, geht es die Serpentinen hinunter, bis wir wieder die Ebene der Zuckerrohrfelder erreichen und dann im versteckten Surferdörfchen „El Paredón“ eintreffen. Wir fühlen uns sofort wie im mexikanischen „La Punta“, wo wir unsere einmonatige Pause verbracht haben – allerdings hier um 30 Jahre zurückversetzt. Keine amerikanischen Touristenmassen haben dieses
kleine Dörfchen bisher „verschluckt“, es gibt eine kleine, lustige, junge Surfercommunity, an der einzigen geschotterten Hauptstraße
liegen noch echte Einheimischenlokale, es gibt einen winzigen Supermarkt, ansonsten nur lokale Gemüse-, Fleisch und sonstiges
Händler ein paar kleine Cafés und Kneipen und natürlich den endlosen, unverbauten Strand, an den, sehr zum Vergnügen der Surfer, die riesigen Wellen des Pazifiks tosen und der, aufgrund der nahen Vulkane, hier aus schwarz gefärbtem Sand besteht. Die erste Nacht verbringen wir, weil es bei unserer Ankunft schon
dunkel ist, direkt mitten im Dorf, am nächsten Tag wandern wir dann zu Fuß den Strand entlang und finden, gleich außerhalb des Orts, in fünf Gehminuten Entfernung vom Zentrum, einen unverbauten Strandzugang. Hier zahlt es sich wieder einmal richtig aus dass wir einen Unimog haben, der sich problemlos seinen Weg durch den tiefen Sand gräbt. Am Schluss haben wir einen richtigen
Traumplatz ganz für uns alleine und genießen diesen auch während der nächsten Tage. Gott sei Dank funktioniert unsere Markise
wieder, denn es hat hier schon am späten Vormittag knapp 30 Grad im Schatten und das steigert sich bis zum Nachmittag noch gewaltig. Schon um zehn Uhr vormittags ist es unmöglich ohne Schuhe auch nur ein paar Schritte über den schwarzen Sand zu gehen, ohne dass man sich dabei die Fußsohlen verbrennt. Jeden Tag erleben wir hier aber auch einen grandiosen Sonnenuntergang und es fällt wieder einmal sehr, sehr schwer, diesen Traumplatz nach ein paar Tagen zu verlassen.
Aber wir wollen ja noch einen zweiten Ort an der Küste besuchen, dieser liegt ca. 70 km weiter südlich und so brechen wir unsere Zelte in El Paredón schweren Herzens ab und machen uns auf dorthin wo angeblich die „Reichen und Schönen“ aus
der Hauptstadt Guatemala-City ihre Party-Wochenenden verbringen, nach „Monterrico“. Die Fahrt dorthin zieht sich endlos über eine löchrige, enge Straße, vorbei an riesigen Viehweiden, die im Gegensatz zum übrigen, bisher überall grünen Guatemala, durch die Hitze hier an der Küste so vertrocknet sind, dass man sich fragt, wovon die Tiere hier wohl leben. Dort angekommen, erwartet uns eine ähnlich freundliche Atmosphäre wie schon in „El Paredon“, nur ist „Monterrico“ um einiges größer und es gibt außerhalb
sogar ein paar große, abgeschirmte Hotelanlagen und hinter hohen Mauern versteckte Privatvillen. Das Zentrum selbst ist uns aber sofort sehr symphatisch, umsomehr als sich hier, praktisch mittendrinnen, ein Zugang zum öffentlichen Strand befindet, den wir sofort nützen,
um uns mit dem Unimog durch den tiefen Sand wieder fast bis ans Wasser zu stellen. So haben wir hier wirklich alles – nach vorne den Ausblick aufs Meer, ringsherum nichts als Sand und gleich hinter uns das Zentrum mit seinen kleinen Geschäften und noch sehr untouristischen Lokalen. Wir finden hier am Abend genau das was wir lieben, nämlich kleine Straßenstände mit Holzkohlengrills, wo man uns „Tortas con carne asado“, Weißbrotwecken gefüllt mit dünnen, gegrillten und scharf
gewürzten Rindfleischschnitten, Sauce und Salat, genauso serviert wie „Gringas“, die ich erst hier in Guatemala entdeckt habe, das sind dünne Tortillas aber
nicht aus Maismehl dessen Geschmack wir gar nicht mögen, sondern aus normalem Mehl gemacht und ebenfalls gefüllt mit was man eben will, wie Fleisch, Fisch, Shrimps oder Käse und die dann nach dem Füllen noch auf den Grill gelegt werden. Das alles kostet umgerechnet nur ein paar Euros und schmeckt wirklich köstlich, man lebt hier in Guatemala – wenn man will – noch um einiges günstiger als in Mexico. Auch hier genießen wir nocheinmal das Strandleben für ein paar Tage und haben am Schluss, durch den hier am Meer immer vorhandenen Wind, den feinen, schwarzen Sand wirklich in allen Ritzen, vom Bett bis zum dadurch streikenden Reißverschluss unserer Markise, den Karl noch schnell mit einem Spray behandeln muss, damit er sich wieder bewegt. Wir brechen unsere Zelte am Pazifik endgültig ab und ganz langsam neigt sich auch unsere Guatemala-Zeit dem Ende zu.
Als Abschluss unseres Aufenthalts haben wir uns aber noch etwas Besonderes aufgehoben, nämlich „die Perle von Guatemala“, die Kolonialstadt „Antigua“, die bereits seit 1979 zum UNESCO-Welterbe zählt. Dazu fahren wir noch ein
letztes Mal hinauf ins Hochland auf 1.500 m. Auf der Fahrt geraten wir in einen riesigen Stau und staunen wieder einmal über die Geschäftstüchtigkeit der Einheimischen.
Sofort spricht sich herum, dass hier Autokolonnen in beiden Richtungen stehen und umgehend
erscheinen fliegende Händler, die Obst, Getränke usw. verkaufen. Außerdem tanken wir wieder einmal voll, um etwas mehr als umgerechnet einen Euro pro Liter Diesel, womit wir ganz zufrieden sind. „Passieren“ kann uns dabei wohl auch nichts, denn wie die meisten Tankstellen wird auch diese hier vor Räubern bewacht und der junge Mann mit seiner Pumpgun scheint seinen Job sehr ernst zu nehmen,… .
Wir erreichen dann Antigua und treffen hier, auf einem kostenlosen Stellplatz den die Touristenpolizei Travellern auf einem wunderbaren Grundstück mit hohen, alten Bäumen, mitten in der Stadt anbietet, seit echt langer Zeit wieder einmal auf andere Overlander (ja, dort wo’s nix kostet da sind wir halt alle dabei,…). Wir treffen hier neben vielen anderen die symphatische, kanadische Familie mit ihren zwei kleinen Töchtern, denen wir schon in Kalifornien mehrmals begegnet sind und sogar ein junges Paar aus Österreich, die ziemlich gleichzeitig mit uns in Halifax angekommen sind. Es tut echt gut, bei ein paar Bier wieder mal auf österreichisch zu quatschen, leider haben es die zwei aber etwas eilig, denn ihre einjährige Auszeit wird schon Mitte März in Panama enden, von wo sie nach Europa zurückschiffen werden.
Wir haben Gott sei Dank keine Eile und genießen für ein paar Tage das wunderschöne Antigua, das sogar für über 200 Jahre
die Hauptstadt von
Guatemala war, bis es durch ein verheerendes Erdbeben im Jahr 1773 fast völlig zerstört wurde und daraufhin Guatemala City als Hauptstadt eingesetzt wurde. Wir wandern
auf den kleinen Aussichtshügel „Cerro de la Cruz“, von dem man einen wunderbaren Blick über die Stadt und die teils qualmenden
Vulkane „Fuego“, „Acatenango“ und „Pacaya“ hat, obwohl die Stadt von unten um einiges hübscher
ist.
Bedingt durch die mehrmaligen Zerstörungen durch Erdbeben, haben fast alle Gebäude hier jeweils nur mehr ein Erdgeschoß, dafür aber meistens
riesige, wunderbar begrünte Innenhöfe. Aufgrund der wohl scharfen UNESCO-Auflagen müssen sogar Ketten wie Starbucks oder Mc Donalds auf ihre Neonlogos verzichten und sich hinter den alten Holztüren mehr oder
weniger verstecken, was einen großen Teil zum wunderschönen Flair der Altstadt beiträgt, die wir in den nächsten Tagen zu Fuß durchstreifen und dabei am Tag riesige Eisbecher und am Abend das umfangreiche Angebot an Bars und anderen Lokalen genießen. Ich schreibe in den kleinen Cafés an meinem Blog und bin tatsächlich, zum ersten Mal seit wir unterwegs sind, richtig aktuell. Antigua entpuppt sich, je länger wir da sind und je öfter wir hinter die Fassaden blicken, wirklich als echte Perle. Man könnte hier ohne weiteres zwei Wochen bleiben und würde jeden Tag etwas Neues entdecken.
Doch auch von diesem wunderschönen Ort, wie auch von unseren Traveller-Bekanntschaften müssn wir uns wieder verabschieden, wir begeben uns auf unsere letzten 150 Guatemala-Kilometer, die wir in längstens drei Stunden schaffen sollten und weshalb wir noch einen letzten Vormittag in Antigua verbummeln. Die Fahrt führt wieder einmal ein Stück entlang des „Panamerican Highways“, auf den wir, bedingt durch unsere Vorliebe für alte Landstraßen, eher selten treffen, leider leiten uns aber dann diverse Umleitungen und Staus scheinbar endlos durch winzige Straßen im Umfeld der Hauptstadt Guatemala-City, sodass wir noch eine zusätzliche Übernachtung einlegen müssen. Dadurch haben wir aber wenigstens genug Zeit, unser Resümmé zu unserer Zeit in Guatemala zu ziehen und wir sind uns einig, dass dies ein wirklich
wunderbares, faszinierendes Land ist, wozu nicht nur die großartige, grüne Landschaft mit ihrer unglaublichen Vielfalt aus Hügeln, Seen, Vulkanen und schwarzen Stränden beiträgt, sondern natürlich auch oder vor allem die Gastlichkeit, die Herzlichkeit und die Freundlichkeit der Menschen, die uns immer und überall mit einem Lächeln und offenen Armen aufgenommen haben. Jederzeit haben wir uns sicher gefühlt, ganz egal ob i
n der Stadt oder ganz einsam am Strand. Guatemala, das steht fest, kommt unbedingt auf meine „Bucket-List“. Sollte ich es wirklich schaffen, was ich mir für meine Zeit nach unserer Reise vorgenommen habe, nämlich im Sommer immer sehr viel zu arbeiten und dafür im Winter mindestens zwei, besser drei Monate irgendwo auf der Welt unterwegs zu sein, dann steht dafür Guatemala schon einmal ganz oben auf der Liste! Vorerst brechen wir aber jetzt erst einmal auf zu neuen Ufern und – im Gegensatz dazu was wir von anderen Overlandern schon wieder hören, die die nächsten drei Länder Mittelamerikas nur möglichst schnell hinter sich bringen wollen – haben wir beide dazu keinerlei Bedenken, sondern ganz im Gegenteil, wir sind schon mega gespannt auf unser nächstes Ziel. Wir erreichen nämlich morgen ein kleine Land mit klingendem Namen und sagen: „Buenos Dias El Salvadór“!