„Wer spricht hier von Grenzchaos?“ und „Bauer sucht Overlander“
Grenzübergang „Las Manos“ zwischen Honduras und El Salvador begrüßt uns schon viele Kilometer vorher mit einer endlosen Kolonne von unzähligen, abgestellten LKWs, die dicht aneinandergereiht links und rechts neben der Zufahrtsstraße wohl hier auf ihre Abfertigung warten. Es bleibt somit nur eine Spur in der Mitte für die An- und Abfahrt frei und natürlich kommen uns auch hier noch ständig LKWs und PKWs entgegen, irgendwie funktioniert es aber trotzdem immer wieder aneinander vorbeizukommen und wir parken schließlich kurz vor dem Grenzbalken ein. Wie immer habe ich mich vorher im Internet über die anstehenden Grenzformalitäten informiert und das aber gleich darauf schon fast wieder bereut, denn die Foren sind voll mit Horrorgeschichten über den angeblich „chaotischsten Grenzübergang in ganz Mittelamerika“. Von einem Zeitaufwand von vier bis fünf Stunden liest man ständig, von langen Menschenschlangen vor den Schaltern und von nervigen, peniblen Durchsuchungen der Fahrzeuge inclusive Zuhilfenahme eines Scanners. Wir sind also für alles gerüstet, haben unsere Früchte und das Gemüse aufgegessen, Wurst und Käse gut versteckt und die diversen anderen „Dinge“ aus Metall, die vielleicht für Aufregung sorgen könnten, in Einzelteile zerlegt und in den verschiedenen Werkzeugkisten verteilt. Auf eine klimatisierte Halle wo sich alles abspielt, wie an der letzten Grenze zu Honduras, müssen wir hier verzichten, man stellt sich im Freien an den jeweiligen Schaltern an. Wir bringen die Ausreiseprozedur aus Honduras ziemlich rasch, das heißt innerhalb ca. einer Viertelstunde, hinter uns, fahren dann nur ein paar Meter weiter, unter dem sich für für uns öffnenden Grenzbalken hindurch auf die nicaraguanische Seite und parken gleich danach wieder ein. Resolut wehren wir dabei sämtliche sich anpirschenden Grenzhelfer ab (diesmal nicht, meine Herren,…!) und wenden uns dann gleich als erstes an einen jungen Mann der zwischen den parkenden Fahrzeugen herumgeht und diese mit einem sich umgehängten Gerät, das ein bisschen wie ein Laubsauger ausschaut, mehr oder weniger effizient desinfiziert. Das Ganze dauert nur wenige Sekunden, man bezahlt dafür ein paar US-Dollar und somit ist die erste Station schon erledigt. Man schickt uns dann zu einer Art Vorstufe des Zolls, wo man unsere Pässe und die Fahrzeugpapiere kontrolliert, uns ein
Dokument ausstellt und uns damit zum Anfertigen einer Kopie zu „Pipo“ in den Copy-Shop auf der anderen Straßenseite verweist, wozu man zwar wieder zurück nach Honduras muss, aber so eng sieht man das hier nicht… . Wir geben die erhaltene Kopie dort ab und werden zum nächsten Schalter, der Immigration, weitergereicht, wo es – oh Wunder – keine Spur von einer langen Menschenschlange gibt, dafür aber einen übellaunigen Beamten hinter einer Glasscheibe, der sich gleich mal aufregt, weil wir angeblich vor dem Grenzübertritt hätten irgendwas im Internet ausfüllen müssen. Wir reden uns mit mangelnden Sprachkenntnissen heraus, er seufzt laut hörbar über die dummen Touristen und übergibt uns dann ein Fenster weiter an seine junge, überaus freundliche Kollegin, die dann die Ehre hat, das fehlende Dokument mit uns zusammen auszufüllen, weil diese Arbeit für ihn wahrscheinlich unter seiner Würde wäre. Vorher versucht er aber schon noch, uns pro Person 30 US$ für die Einreisegebühr abzuknöpfen, was ihm aber zum Glück nicht gelingt, weil genau in dem Moment sein (wahrscheinlich) Vorgesetzter zufällig hinter ihm auftaucht, der auf meine nochmalige Nachfrage nach der Höhe des Betrages laut und deutlich 13 US$ pro Person zu uns herüberruft, was dem schlechtgelaunten Beamten sichtlich und endgültig den Tag verdirbt. Zurück gehts dann zum ersten Schalter, von wo aus man Karl zusammen mit einem gestressten aber sehr netten Beamten, den man dafür wohl extra von seinem Job am nebenan lauernden Scanner abgezogen hat, zur manuellen Unimog-Durchsuchung schickt. Diese ist dann in nur wenigen Minuten absolviert, er schaut kurz in unsere Schubladen, fragt ob wir eine Drohne dabei haben, was wir zwar haben, aber ihm natürlich nicht auf die Nase binden. Angeblich, das habe ich bereits vorher im Internet gelesen, darf man keine Drohne über die Grenze mitnehmen, sodass diejenigen Overlander die eine auf der Reise dabeihaben, diese meistens per Kurierdienst von Honduras aus an eine Adresse in Nicaragua schicken, um sie anschließend dann dort wieder abzuholen (warum diesen Weg der Zoll dann anscheinend doch wieder erlaubt – Keine
Ahnung,…). Bei uns ist aber alles gut, wir müssen auch nicht durch den Scanner fahren, sondern nur mehr zu einem letzten Schalter, an dem auch nur eine einzige Person vor uns ansteht, um dort die Papiere für den Unimog zu bekommen. Das dauert zwar einige Zeit, die junge Dame dahinter hat wohl ziemliche Probleme damit, sich in unserem Zulassungsschein zurechtzufinden und, obwohl wir alle ihre Fragen geduldig beantworten, steht am Schluss an drei Stellen „Australia“ anstatt „Austria“ im Dokument. Bis wir das sehen, hat sie natürlich schon den nächsten „Kunden“ in Arbeit und wieder einmal nichts gespeichert. Auf unsere Intervention hin bespricht sie sich dann mit einer Kollegin und sie kommen zusammen zu dem Schluss, dass das „eh nicht so wichtig“ sei,… – Na, hoffentlich sehen die Kollegen bei der Ausreise das dann auch so,… . Wir sind in Rekordzeit, nämlich nach nur unglaublichen eineinhalb Stunden, schon fertig, wechseln noch schnell unsere ersten Córdoba“ und das einzige was uns dann noch fehlt ist die in Nicaragua vorgeschriebene Fahrzeugversicherung, die wir nur ein paar Meter weiter unter einem Gartenzelt für 12 US$ erwerben und die 30 Tage gültig ist. In Guatemala, El Salvador und Honduras war keine Versicherung Pflicht und wir sind in allen drei Ländern „ohne“ gefahren. Das war zwar eigentlich nicht so geplant, aber irgendwie haben wir zwar zwischendurch immer wieder mal kurz daran gedacht, dass wir vielleicht doch eine kaufen sollten, aber es hat sich dann halt nie ergeben. Inwieweit uns diese 12 Dollar-Versicherung hier in Nicaragua dann im Ernstfall überhaupt helfen würde, wissen wir sowieso nicht, aber es ist halt Vorschrift und man hat als „sicherheitsgeprägter Europäer“ irgendwie auch ein besseres Gefühl. Dass in der Versicherungsbestätigung dann ebenfalls „Australia“ steht, regt uns schon gar nicht mehr auf, was soll’s, so passen die Dokumente bei einer eventuellen Kontrolle wenigstens zusammen… .
Wie fast immer nach unseren Grenzübertritten fahren wir dann nicht mehr sehr weit „ins neue Land“ hinein, sondern suchen uns ein kleines Städtchen zum Akklimatisieren. „Ocotal“ mit seinen symphatischen Geschäften und Lokalen kommt
uns da gerade recht. Wir kaufen wie immer Internet, finden ein kleines, gemütliches, kubanisches Café mit großartigen Sandwiches und wundern uns dabei, dass dieses in der „Avenida Wiesbaden“ liegt. Die Erklärung erhalten wir gleich daneben. Wiesbaden ist eine Partnerstadt von Ocotal und ihr zu Ehren hat man die Straße gleich mal nach der deutschen Stadt benannt. Was uns zusätzlich noch total positiv auffällt, sind gleich zwei Dinge: Erstens ist es hier überall und zwar schon seit der Grenze, gleich um einiges sauberer, es liegt viel weniger Müll am Straßenrand als noch kurz vorher in Honduras und auch im Städtchen Ocotal wir überall gekehrt und geputzt und zweitens, die Preise hier in Nicaragua sind sicher die niedrigsten seit wir unterwegs sind. Der Liter Bier kostet hier umgerechnet € 2,10, das ist ziemlich genau die Hälfte davon was zu Hause, wie wir mit Schrecken hören, im Moment ein Seiterl kostet,… . Essen, trinken, Internet, einfach alles scheint in diesem Land wirklich günstig zu sein – Wir freuen uns echt schon auf mehr davon!
Los geht’s dann mit der Erkundung von Nicaragua logischerweise im Norden, wo wir ja auch einreisen und gleich zu Anfang möchten wir etwas probieren, was wir in Österreich noch nie gemacht haben, nämlich „Canyoning“, wobei man zu Fuß, sowie schwimmend und von Felsen springend, einem Flusslauf abwärts folgt, der durch einen Canyon fließt. Dafür angeblich wunderbar geeignet ist der „Somoto Canyon“, eine mehrere Kilometer lange, bis zu 200 m hohe und oft nur 10 m breite Schlucht, die der „Rio Coco“, der längste Fluss Zentralamerikas, der bis zum karibischen Meer fließt, hier an seinem Beginn, bildet. Die Schlucht wurde unter Naturschutz gestellt und man kann sie mit einem Führer erkunden. Führer gibt es klarerweise hier genug, fast jeder der Einheimischen die rund um den Canyon leben, stellt sich gerne gegen Entgelt dafür zur Verfügung. Besonders symphatisch finde ich bei meiner Suche im Internet dabei aber die Beschreibung von „Fausto Ramon“, dessen Bauernhof wir daher als erstes ansteuern. Ein paar Kinder zeigen uns die richtige Einfahrt und schon landen wir mitten im wunderbaren Trubel von Faustos Familie, die hier in ein paar Häusern in enger Nachbarschaft zueinander wohnt. Sofort wird uns mitten im Hof ein möglichst ebener Standplatz für den Unimog zur Verfügung gestellt bzw.
werden gleich noch ein paar Ziegelsteine als Unterlage herbeigeschleppt, damit wir komfortabel und gerade stehen.
Fausto’s Schwester sagt uns dann, dass dieser sich zwar leider gerade heute in der Hauptstadt Managua befinde, er aber am nächsten Vormittag wieder zurück sein werde und wir natürlich dann mit ihm eine Canyontour machen können. Bis dahin sollen wir uns einfach mit allem was wir brauchen jederzeit an sie oder ihre Familie wenden. Wir stehen praktisch mitten im Bauernhof, es gibt Toiletten und Duschen für Gäste (alles sehr „rustikal“, aber das sind wir ja inzwischen gewöhnt,…). Rund um den Unimog stolzieren die Hähne mit ihren Hennen, Katzen und Hunde liegen bald im Schatten unter unserem Auto, ein Esel wird, nachdem er mit seiner riesigen Last nach Hause gekommen ist, einfach freigelassen und erst wieder angebunden als er sich verbotenerweise über die Zuckerrohrstangen vor der Haustüre hermacht. Eine Horde Kinder aller Altersgruppen spielt direkt neben uns (wir kommen dann drauf, dass wir leider so halb in ihrem kleinen Fußballfeld stehen, was wir aber durch die Verteilung von Lutschern wieder mehr als wettmachen…..) und mittendrin sitzen wir zwei und genießen das nicaraguanische Bauernhofleben rund um uns in vollen
Zügen. Das Unglaublichste daran ist, dass die Familie keinen Cent für diesen Stellplatz verlangt, egal ob man eine Tour mit Fausto macht oder nicht. Am nächsten Tag ist von Ausschlafen mal keine Rede, Hähne, Hunde und Kinder sind Frühaufsteher und dann trifft auch Fausto ein, er ist uns gleich von Anfang an extrem symphatisch mit seiner ruhigen Art, die Verständigung klappt, trotz meiner nach wie vor nicht sooo tollen Spanisch-Kenntnisse (ja, ich sollte halt echt mehr Vokabeln lernen…) wunderbar und wir
vereinbaren, mit ihm gemeinsam die Vier-Stunden-Tour durch den Canyon zu machen. Dafür verlangt er 15 US$ pro Person, um bis zu zehn Dollar weniger als seine Kollegen rundherum und davon bezahlt er auch noch für uns den Eintritt in den Nationalpark und eine Gebühr für den Bootsführer, der uns nach der Tour
das letzte Stück flussabwärts bringen wird. Dann geht’s los, Fausto schultert als einziger von uns eine Art Rucksack, ein „Dry bag“, in dem wir dann im Fluss auch unsere Handys trocken und sicher verstauen können, auch unsere große Flasche Wasser wandert dort hinein, er besteht darauf, neben seiner eigenen Schwimmweste auch noch unsere zwei zu tragen und wir verlassen zu Fuß den Bauernhof und wandern gemütlich Richtung oberem Ende des „Somoto-Canyons“. Dabei versorgt uns Fausto in langsamem, gut verständlichem Spanisch laufend mit Wissenswertem über die Landschaft und den Canyon, den er wie er sagt, in- und auswendig kennt. Immer wieder findet er besondere Steine und Kristalle neben dem Weg, die er mir schenkt, weist uns auf spezielle Pflanzen und Tiere hin, wie z.B. auf die winzigen Vögel, eine Kolibriart von nur wenigen Zentimetern, die den Wald mit dem lauten Surren ihrer Flügelschläge füllen. Auch ein bisschen über sein Leben mit seiner Familie hier in Nicaragua erzählt er uns und dabei natürlich auch über die großen Probleme, wie die politischen Unruhen in 2018, die den Tourismus, seine Haupteinnahmequelle, völlig zum Erliegen gebracht haben und – als sich das Land davon Ende 2019 gerade ganz langsam zu erholen begann und die ersten Touristen zurückkamen, schwappte Anfang 2020 die Corona-Welle, wie überall auf der Welt, auch über Nicaragua und der Tourismus war von heute auf morgen wieder völlig am Boden. Daher freuen sich
er und seine Familie wirklich über jeden einzelnen Gast und das merkt man auch sofort wenn man bei ihnen ankommt. Fausto hat sogar eine eigene Fotogalerie auf seinem Handy angelegt, wo er Fotos von allen Overlander-Fahrzeugen
gespeichert hat, die jemals bei ihm am Hof waren – und da ist wirklich alles dabei – und jetzt zu seiner und unserer Freude auch der erste Unimog! Dann erreichen wir den Canyon, wir legen die Schwimmwesten an und los gehts ins bei der Hitze erfrischend kühle Nass. Am Anfang ist das Wasser noch nicht so tief, reicht abwechselnd bis zu den Knien bzw. bis zu den Oberschenkeln, aber man muss sich auch erst einmal an das Gehen bzw. Klettern über die rutschigen Steine und Felsen unter Wasser und das Balancieren durch die Strömung des Flusses gewöhnen. Mit der Zeit bekommt man aber immer mehr Sicherheit dabei und spätestens wenn man dann, nach dem ersten Sprung von einem Felsen, durch das klare Wasser „floatet“ und am Rücken liegend die engen Felswände hinaufschaut, die links und rechts neben einem aufragen, fängt man an das Ganze so richtig zu genießen. Es ist wirklich eine beeindruckende Kulisse, die einem der „Somoto Canyon“ aus dieser Perspektive liefert. Diese Schwimmstrecken wechseln sich dann mit Klettern und Springen ab, Fausto passt dabei extrem gut auf uns und unsere Sachen auf, wir sind an diesem Tag fast ganz alleine im Canyon und erleben daher diese Tour und die Natur um uns herum in ihrer
ganzen Schönheit und weit ab von Massentourismus. Na ja, „ganz alleine“ stimmt dann doch nicht, denn als wir am unteren Ende des Canyons aus dem Wasser steigen, um noch über ein paar hohe Felsen zu den dahinter liegenden Ruderbooten zu klettern, tauchen dort plötzlich Leute mit großen Kameras und Mikrofonen auf, die uns sofort umringen. Es sind Kamera-Teams von verschiedenen, nicaraguanischen TV-Stationen und sie lassen mir keine Chance zur Flucht, im Gegenteil, sofort bekomme ich ein Mikrophon umgehängt und, obwohl ich beteuere, dass ich dafür viel zu wenig spanisch spreche, werde ich über unsere Eindrücke von Nicaragua im Allgemeinen und den „Somoto Canyon“ im
Speziellen interviewt und dabei gefilmt. Tropfnass und mit Schwimmweste, wahrscheinlich ein Bild für Götter! Neben mir Karl, der wenigstens einen englischsprechenden Reporter erwischt hat. Kaum ist das eine Team fertig, drängt sich schon das nächste heran – Die müssen mein Kauderwelsch sicher später synchronisieren…. . Dann wird auch Fausto noch interviewt was uns sehr freut, vielleicht bringt es ihm ja zusätzliche Kunden. Für das letzte Stück auf dem „Rio Coco“ dürfen wir dann ein kleines Ruderboot besteigen, das uns weiter flussabwärts bringt, bevor es dann zu Fuß wieder bis zu Fausto’s
Bauernhof zurückgeht. Es waren echt spannende vier Stunden und ganz sicher für uns ein weiteres cooles Erlebnis das wir niemals vergessen werden. Wir überlegen dann, noch am gleichen Tag zu unserem nächsten Ziel weiterzufahren, es ist dann aber so gemütlich auf Fausto’s Hof, dass wir beschließen, noch eine Nacht anzuhängen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit gibt’s dann noch eine Überraschung: Zwei Overlander-Fahrzeuge fahren auf F
austo’s Hof und heraus steigen ein deutsches und ein österreichisches Paar, die uns gleich als erstes völlig genervt von ihrer über vierstündigen Odysse an der honduranisch-nicaraguanischen Grenze incl. Scannen der Fahrzeuge erzählen. Karl und ich schauen uns an und denken mal wieder: „Ob`s wohl am Unimog liegt oder haben wir einfach nur einmal mehr Glück gehabt… ?“ Der Abend endet dann jedenfalls in einer netten Runde bei ein paar Bier, leider haben die vier aber keine Lust auf Fausto’s großartige Tour, was mir persönlich für beide Seiten echt leid tut und am nächsten Morgen trennen sich, wie immer nach solchen Treffen, unsere Wege wieder und jeder verfolgt das Abenteuer seiner Träume weiter in die eigene Richtung.
Von den Zigarren über den Kaffee in die Werkstatt oder „Für Bratwurst tu ich alles…!“
Unsere Richtung zeigt dabei weiterhin nach Süden, wir nehmen Claudia, Fausto’s Schwester, zu Ihrer Begeisterung noch mit in den nächsten Ort wo sie einkaufen will und steuern dann unser nächstes Ziel an, nämlich die Zigarrenmetropole von Nicaragua, die kleine Stadt „Estelí“. Hier im Norden von Nicaragua werden vor allem die „Puros“ hergestellt, das sind Zigarren aus dunklen, stark aromatischen Tabakblättern. Für Sorten die zusätzlich mit leichteren Blättern mit einem weicheren Aroma kombiniert werden sollen, müssen die Blätter aus Ecuador importiert werden, da es für deren Anbau im nicaraguanischen Norden zu kalt ist. In und um Estelí gibt es viele Fabriken, die pro Tag zwischen 5.000 und 15.000 Zigarren herstellen und – so schreibt mein Reiseführer – die man mit Führungen besuchen kann. Das Problem daran ist, dass ich, obwohl ich bei meinen Länder-Recherchen wirklich auch viel im Internet unterwegs bin, bei Reiseführern die gebundene Buchvariante bevorzuge, da ich beim Studieren und Ausarbeiten unserer Route ständig zwischen Text und Landkarten hin und her blättern muss und das bei den online-Ausgaben echt nervig ist. Bei unserer Abreise im April 2022 gab es nach zwei Jahren Corona aber logischerweise leider keine wirklich aktuellen Ausgaben und so schlage ich mich jetzt oft mit veralteten Informationen herum. So auch hier in Estelí, wir fahren von einer Zigarrenfabrik zur nächsten, überall werden wir aber bereits am Tor abgewiesen, denn seit Corona sind Besichtigungen nirgends mehr möglich. Alle Fabriken haben nämlich riesige Angst, dass durch den Besuch von Touristen vielleicht das Virus wieder eingeschleppt und der Betrieb erneut stillgelegt würde – Verständlich aber für uns trotzdem enttäuschend, zu gern hätten wir bzw. besonders Karl, der ein großer Zigarrenkenner und -liebhaber ist, die Poduktion live miterlebt. Wir übernachten dann trotzdem in dem symphatischen Städtchen und beschließen am nächsten Tag, uns wenigstens noch einen größeren Zigarren-Shop zu suchen, um ein bisschen darin zu stöbern. Als wir schon auf dem Weg aus der Stadt hinaus sind, bemerkt Karl neben der Hauptstraße das Schild einer Zigarrenfirma und es schaut so aus als hätten sie auch
einen Shop dabei. Wir parken ein und finden nach einigem Suchen das Büro, wo uns aber leider gesagt wird, dass das hier zwar eine kleine, feine Zigarrenfabrikation sei, aber eigentlich vorort normalerweise kein Direktverkauf stattfände. Eigentlich? Ich frage den freundlichen Mitarbeiter ob es nicht doch möglich wäre, ein paar Zigarren zu kaufen und tatsächlich geht er nach nebenan und holt uns zwei verschiedene Pakete zur Auswahl. Dabei scheint er uns voll zu vertrauen, denn als wir kommen, ist er gerade beim Geldzählen und er lässt seine
Geldstapel mitten vor uns auf dem Schreibtisch liegen. Ich frage ihn dann
auch noch, ob denn die Produktion direkt hier im Haus sei. Als er das bestätigt, meine ich…. na ja….., ich weiß ja dass es nicht mehr erlaubt ist, …. aber könnten wir vielleicht trotzdem kurz einen Blick hinein werfen…? Er überlegt kurz und stimmt dann zu unserer großen Freude zu. So kommen
wir, ganz zufällig, nun doch noch zu unserer Zigarrenführung und können sehen, was für ein Riesenaufwand es ist, bis eine Zigarre fertig zum Konsum ist. Schon das Pflücken der notwendigen drei Blattsorten, die deren charakteristischen Geschmack ergeben, erfordert bis zu acht Pflückvorgänge. Anschließend werden sie 40-65 Tage in Schuppen zum Trocknen aufgelegt und dann zum Fermentieren mit Jutesäcken abgedeckt und am Schluss noch sortiert, wobei nur die beste Qualität für Zigarren verwendet wird, der Rest kommt in Zigarillos und Zigaretten
. Zuletzt treten dann die echten Künstler in Aktion, die „Torcedores“, die Zigarrenroller, wobei diese Arbeit fast ausschließlich von Frauen durchgeführt wird (klar, wir haben halt das notwendige Gefühl für
solche Dinge…). Die „Umblätter“ werden mit der gewünschten Tabakblättermischung gefüllt,
kunstvoll zusammengefaltet, mit dem Umblatt umhüllt und in Form gerollt, wobei jede Zigarrenmarke ihre eigene Form hat, von denen viele sogar patentiert sind. Dann wird noch das passende Deckblatt ausgesucht und um die Zigarre gerollt. Nach einer Lagerung von ca. drei Monaten im Kühlraum bekommt jede Zigarre noch ihre „Bauchbinde“ und ist somit fertig für den Verkauf bzw. für den Export in die Länder wo sie nach wie vor für „Luxus, Stil und Lebensfreude“steht. Wir bedanken uns bei dem netten Herrn viemals für die Führung und freuen uns sehr, dass es somit doch noch geklappt hat mit unserem Ausflug in die Welt der Zigarren.
Nun geht es für uns weiter hinauf bzw. hinein in den „Nebelwald“ von Nicaragua, wo es im Gegensatz zum übrigen, um diese Zeit extrem heißen Land, immer um einiges kühler ist und wo es auch regelmäßig Regen gibt, also die besten Voraussetzungen zum Anbau von Kaffee. Wir steuern die auf 1.200 m gelegene Finca „Selva Negra“ an, von der ich eigentlich nur weiß, dass sie sich seit Generationen in deutschem Besitz befindet (der Name bedeutet etwas frei übersetzt „Schwarzwald“), dass man dort Kaffee-Führungen machen kann und … dass es dort deutsche Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelsalat gibt. Wobei der dritte Grund für mich im Moment sicher nicht der unwichtigste für unseren
Besuch ist, denn gute Wurst ist neben Brot eines der Dinge, die man in den bisherigen Ländern Zentralamerikas einfach so gut wie nirgends kaufen kann. Was andere Traveller im Internet über die Finca schreiben gefällt mir allerdings wesentlich weniger, es heißt nämlich, dass Overlander dort nicht im Auto übernachten dürfen, sondern ein teures Zimmer buchen müssen, was wir natürlich keinesfalls vorhaben. Karl regt das im Gegensatz zu mir schon mal gar nicht auf, er meint wie immer „Schauma mal“ und so erreichen wir gegen Abend, nach einer bereits extrem schönen Anfahrt, die durch dichten, hohen, dschungelartigen Wald mit tropischen Pflanzen führt, die unglaublich schöne, unverkennbar im „Schwarzwaldstil“ erbaute Finca, die wie ein Anwesen aus einem Märchen, versteckt mitten im hohen Nebelwald liegt. Wir parken auf
einem der großen Parkplätze und unser erster Weg führt uns natürlich gleich mal ins riesige, offene
Restaurant, wo die laut schnatternden Gänse frei durchs Lokal laufen und von wo man einen traumhaften Blick auf den direkt anschließenden Teich hat. Die Bratwürste sind dann zwar sauteuer aber echt ein Gedicht und wir schwelgen in heimatlichen
Genüssen. Ja, das muss man ganz ehrlich zugeben, Wurst machen können sie die Deutschen! Wir buchen dann anschließend an der Reception des Hotels eine Kaffeeführung für den nächsten Tag, fragen aber vorsichtshalber gar nicht erst, ob wir draußen auf dem Parkplatz übernachten dürfen, sondern bleiben einfach mal dort stehen.. Ich habe kein sehr gutes Gefühl dabei und erwarte eigentlich ständig, dass irgendjemand bei uns klopft und uns zum Wegfahren auffordert, was im Dunkeln echt blöd wäre, es kommt aber dann genauso wie es Karl vorausgesagt hat, keinen Menschen scheint unser Unimog hier zu stören. „Wer lang fragt geht lang irr“ hat sich damit wieder einmal bestätigt. Am
nächsten Vormittag startet dann die Tour mit unserem Führer „José“ über die 600 ha große Finca, die Ende des 19. Jahrhunderts von einem Hamburger Kaufmann gegründet und bis 1975 rein als Kaffeefarm geführt wurde. Die jetzigen, ebenfalls deutschen Besitzer, haben den riesigen Besitz in dem
Jahr erworben und um das Hotel erweitert, sowie stetig ausgebaut. Obwohl im Moment keine Erntezeit von Kaffee ist (diese ist von November bis Februar), sondern die Pflanzen gerade in weißer Farbe blühen, erfahren wir auf unserer Tour wirklich alles was man über die Kaffeeproduktion wissen möchte. Die Kaffeepflanzen wachsen unter Bananenstauden, Mangobäumen und anderen schattenspendenden Pflanzen und Sträuchern und halten durch den streng biologischen Anbau bis zu neun Jahre, das ist um
bis zu sechs Jahre länger als bei Verwendung von Chemie. Über 50.000 auf der Finca selbst herangezogene Pflanzen sind ständig zum Nachsetzen vorhanden. Unter anderem werden z.B. auch Zitronenbäume zwischen die Kaffeepflanzen gesetzt und dadurch verändert sich nach ein paar Jahren der Boden und somit auch der Geschmack des Kaffees – Wirklich faszinierend! Die Finca ist ein riesiger, eigenständiger Betrieb mit ständig anwesenden 250 Mitarbeitern, die großteils in einem eigenen Dorf innerhalb der Finca mit ihren
Familien leben. Dies ergibt dann ca. 400 Personen, die hier kostenlos in den ihnen zur Verfügung gestellten, hübschen, kleinen Häusern wohnen. Sie zahlen keinerlei Nebenkosten, es gibt eine eigene Krankenstation die eine gratis
Gesundheitsversorgung darstellt und eine Grundschule die im Moment von 54 Kindern kostenlos besucht wird. Die älteren Kinder werden täglich mit dem Schulbus in die nächste Stadt, nach Matagalpa, gebracht und, sofern sie dann im Anschluss noch die High-School besuchen möchten, auch weiter in die Hauptstadt Managua. Das alles zahlt die Finca für ihre ständigen Mitarbeiter, die dann zur Erntezeit von weiteren 250 Saisonarbeitern zum Kaffeepflücken verstärkt werden, die ebenfalls
für diese 4 Monate in Quartieren beherbergt und komplett versorgt werden, wobei z.B. in der Cafeteria im Mitarbeiterdorf täglich über 2.000 Tortillas fabriziert und konsumiert werden. Wir bekommen gezeigt, wo und wie der Kaffee nach der Ernte gewaschen
und getrocknet wird und dürfen den Damen beim Aussortieren der Rohkaffeebohnen über die Schulter schauen, was an
einem Fließband passiert und acht Stunden pro Tag höchste Konzentration erfordert, da die
strenge Qualitätskontrolle auch schon mal ein paar Säcke mit denen sie nicht zufrieden ist, zurück aufs Fließband kippt. Hauptsächlich weibliche Mitarbeiterinnen machen deshalb diesen verantwortungsvollen Job erzählt uns José, weil sie mit Männern dabei so schlechte Erfahrungen
gemacht hätten, da diese unzuverlässig seien und viel zu oft betrunken oder gar nicht zum Dienst erschienen wären. Die Jutesäcke in denen der Kaffee dann verpackt wird, werden ebenfalls von Hand mit verschiedenen Schablonen bedruckt und wenn die junge Dame dabei einen Fehler macht, kann es auch schon mal vorkommen, dass ein paar hundert falsch bedruckte Säcke vom Käufer an die Finca zurückgeschickt werden und das Ganze neu gemacht werden muss. Wir besichtigen auch die kleine Rösterei, es werden jedoch nur 5 % von den mehr als 100.000 Tonnen im Jahr erzeugten Kaffee vor allem für den Eigenverbrauch geröstet, der ganze Rest wird als Rohkaffee
verkauft, wobei die Reihenfolge der Hauptabnehmer USA, lustigerweise an zweiter Stelle Tschechien, Mexico und Australien sind. Hier in der Rösterei erhalten wir auch eine Kaffee-Kostprobe, die uns Espressotrinker aber nicht gerade vom Hocker haut, hier ist man nämlich der Meinung. dass Kaffee nur ganz mild geröstet, aufgebrüht und lauwarm getrunken schmecken
kann und dass z.B. die Italiener mit ihrer Verwendung von dunkel gerösteten Bohnen zum Espressotrinken – zumindestens in den Augen der hier anwesenden Finca-Mitarbeiter – echte „Kaffee-Banausen“ seien – Ok,
wir nehmen das zur Kenntnis, einverstanden müssen wir damit ja nicht sein, hier gilt einfach „Andere Länder, andere Sitten“. José fährt uns dann weiter über die riesige Finca. Es gibt einen großen Bauernhof mit Rindern von deren Milch auch vielerlei Sorten Käse in der
eigenen Käserei gemacht werden, natürlich jede Menge Hühner, eine große Schweinezucht (Bratwürstel!), alle Arten von Obstbäumen wachsen zwischen tropischen Pflanzen, es wird eigener Kompost zum Nachsetzen der Jungpflanzen hergestellt und sogar der Bambus aus dem die Körbe für die Kaffeepflücker gemacht werden, wächst hier vorort. Das Ganze funktioniert als riesiger, eigenständiger Kosmos, der sogar während
der Corona-Pandemie problemlos funktioniert hat, wie uns José erzählt, die Produktion ging ohne Unterbrechung weiter und der Betrieb wurde nicht einen Tag geschlossen. Wir genießen diese Tour wirklich und haben eine riesige Hochachtung vor der Betreiber-Familie, denn diesen riesigen Besitz so sozial und ökologisch zu verwalten ist sicher eine Mega-Aufgabe. Wir gönnen uns dann noch ein weiteres Essen im Restaurant, bevor wir Abschied nehmen von Selva Negra und dem wunderbar kühlen Nebelwald im Hochland von Nicaragua.
Was dann folgt kann man nur als typisches „Navi-Versagen“ (das Navi bin ich…) bezeichnen, wir wollten im Anschluss am angeblich wunderschönen Wasserfall „Santa Emilia“ übernachten, doch durch eine Namensgleichheit landen wir mitten in der Einöde, weit weg vom angesteuerten Ort, nix is mit Plantschen im Becken beim Wasserfall… . Wir dürfen schließlich bei Einbruch der Dunkelheit in einem kleinen Ort direkt neben einem eher heruntergekommen aussehenden Sanitätshaus die Nacht verbringen, wo uns der Wachmann sehr freundlich einlädt, dass wir gerne die Toiletten und die Dusche dort benützen dürfen. Ich verweigere dankend, Karl versucht am nächsten Tag in der Früh das WC, meint aber bei seiner Rückkehr, dass man hier wirklich nicht krank werden möchte. Die ganze Krankenstation macht einen total schmuddeligen Eindruck, mit dem Gesundheitssystem am Land scheint es hier in Nicaragua nach wie vor nicht zum Besten zu stehen.
Unseren nächsten Stopp haben wir uns ebenfalls nicht wirklich ausgesucht, bzw. ist er mehr der „Zufriedenheit“ unseres Unimogs geschuldet. Wir brauchen eine Werkstatt die uns einen Schutzbügel für die Frontseite des Kabinendachs anfertigen kann, weil wir zu Hause, warum auch immer (?), einen solchen nur an den beiden Seiten des Dachs montiert haben und es uns bei unserem Dschungelabenteuer in Honduras einen dicken Ast von vorne unter die Solarpanele geschoben hat, wobei es diese dabei sogar leicht ausgehoben hat. Gott sei Dank wurden dadurch aber die offen
darunterliegenden Kabel
wie durch ein Wunder nicht beschädigt. Wir wollen das aber keinesfalls ein zweites Mal riskieren und außerdem bei der Gelegenheit auch gleich Öl wechseln. Das könnte Karl natürlich auch selbst erledigen, aber es stellt sich halt dann immer die Frage: Wo findet man einen halbwegsen Platz dafür und wohin dann mit dem alten Öl, also lassen wir das Ganze in der Werkstatt gleich miterledigen. Auf dem Weg dorthin haben wir dann die erste Polizeikontrolle seit Kanada (!). Polizisten gibt es hier in Nicaragua wie Sand am Meer, bis jetzt haben sie sich aber noch nie für uns interessiert und auch die eifrige Polizistin die uns hier stoppt, ist dann nach kurzem Vorweisen von Karl’s Führerschein, der Autoversicherung und der
Einreisepapiere des Unimogs gleich zufrieden und lässt uns weiterfahren. Dass auf dem Führerschein
„Austria“ und in den Papieren „Australia“ steht, ist ihr offensichtlich nicht einmal aufgefallen – Gut so! Die Autowerkstatt „Taller Amadeus“ die wir ansteuern, liegt in der Hauptstadt Managua und ich habe gelesen, dass der Besitzer deutsch spricht. Bei unserer Ankunft erfahren wir dann aber, dass Oliver gerade in Deutschland ist (genau wie damals bei „Unimog-Hans“ in Kanada, wir haben halt immer das Glück,…). Sein Team ist aber super nett, alle sprechen zwar nur spanisch, aber irgendwie und wie immer klappt dann die Verständigung doch und, da das Material für den Schutzbügel erst einen Tag später kommt, dürfen wir sogar kostenlos direkt im Werkstatthof übernachten, gleich unter dem großen Mangobaum, von dem uns die Früchte buchstäblich zum Genuss in die Hände fallen. Für den Preis den wir dann für alles zusammen bezahlen, nimmt in Österreich ein Mechaniker noch nicht einmal sein Werkzeug in die Hand – Das ist halt schon ein riesiger Vorteil überall hier in Mittelamerika.
Flucht vor „Semana Santa“, Kolonialstädte zum Verlieben und „Das Reifen-Special“
Nach so vielen Erfahrungen in Sachen Zigarren und Kaffee sowie dem Werkstatt-Besuch haben wir uns aber jetzt ganz sicher eine Strand-Auszeit verdient. Wir verlassen die überaus hässliche Hauptstadt Managua in Richtung der nahegelegenen
Pazifikstrände und werden nicht enttäuscht. Im Dorf „Las Penitas“ finden wir bei Italiener
Andrea einen wunderbaren Stellplatz für wenig Geld, direkt neben seiner Strandbar, wo es wlan, super Essen, gemütliche Hängematten und kalte Getränke gibt. Er erzählt uns, dass er zehn Jahre zwischen Arbeit in Italien und Urlaub in Nicaragua gependelt hat, bis er sich jetzt diese Strandbar kaufen konnte, die er erst im
Februar eröffnet hat. Er freut sich über jeden Overlander der bei ihm übernachtet und sehr gerne machen auch wir weitere Werbung für diesen gemütlichen Platz in den verschiedenen Foren. Karl hat gleich einen Stein bei ihm i
m Brett weil er ihn mit dem ersten Espresso seit drei Monaten versorgt, eine Maschine dafür hat er nämlich noch nicht. Drei Tage genießen wir die Gastfreundschaft von Andrea und den wunderschönen Strand von
„Las Penitas“, mit seinen riesigen Wellen und einladenden Strandlokalen, dann naht „Semana Santa“. Die Karwoche bedeutet in Lateinamerika absoluten Ausnahmezustand an allen Stränden, Seen,
Flüssen. Nahezu alle Menschen, mit Ausnahme denen die im Tourismus arbeiten, haben in dieser Woche frei und täglich werden riesige Kühltaschen mit Essen und Getränken eingepackt, Plastiktische und Stühle auf den Dächern von Pickups befestigt, hinein bzw. hinten auf die Ladefläche drängen sich pro Auto 10 bis 15 Verwandte und Freunde und so macht man sich auf den Weg zu den Stränden, wo dann Tag und Nacht gefeiert und hemmungslos getrunken wird. Musik dröhnt überall aus riesigen Boxen, zurück bleiben hohe Berge von Plastik und so manche Alkoleiche. Wir beschließen also, uns während dieser Woche von den Stränden fernzuhalten und uns stattdessen im Landesinneren dem Besuch der schönen Kolonialstädte zu widmen.
Los geht der Kulturtrip dann in „Leon“, Nicaraguas Stadt der Künstler und Dichter, wo vor einer
der
schönsten Kathedralen die wir bisher gesehen haben (und glaubt mir, es waren viele,…!) zur Freude der Kinder die Tauben präsent sind wie in Venedig und
die bei unserem Besuch gerade für eine Hochzeit dekoriert wird. Es gibt bunte Kunsthandwerksmärkte und eine Altstadt die uns mit ihrer Pracht und ihren nicht zu touristischen Lokalen gleich mal drei Tage festhält. Am Abend, wenn die Stadt im Anschluss an die Hitze des Tages zum Leben erwacht, essen wir an den Straßenständen der
Einheimischen und genießen das entspannte
Treiben rund um uns.
Weiter geht’s dann nach „Masaya“, der Stadt der Folklore und überall erleben wir bestens erhaltene Kolonialarchitektur und zudem farbenprächtige Osterprozessionen
während denen die Schutzheiligen der einzelnen Städte
von Kirche zu Kirche getragen werden,. Alleine Leon hat 16 Kirchen und eine Kathedrale! Wie immer besuchen wir die bunten Märkte, füllen dort unsere Gewürzvorräte auf und stärken uns mit frisch gepressten Säften, die wir hier zum ersten Mal abgefüllt in Plastiksackerl mit Strohhalm verkauft bekommen – Auch eine neue Erfahrung!
Einen Zwischenstopp abseits der heißen Städte (seit vielen Wochen vergeht kein Tag unter 35 Grad) machen wir dann an der „Laguna de Apoyo“, einem in allen Blautönen schimmernden Kratersee. Bei einer Vulkanexplosion vor 23.000 Jahren entstand ein Loch von 6,5 km Durchmesser und seither speisen unterirdische, warme Quellen die Lagune mit mineralhaltigem, leicht salzigem Wasser, dem sogar Heilkraft nachgesagt wird. Mit seiner Tiefe von ca. 200 m liegt der Kratersee 70 m unter dem Meeresspiegel und gilt somit als tiefste Stelle von ganz Zentralamerika. Die Lagune ist eigentlich Naturschutzgebiet, zwei Bezirke streiten sich aber um die Zuständigkeit und das Ergebnis ist ein ziemlicher Wildwuchs von Lokalen und Hostals, mit denen jeder Meter entlang der winzigen Straße, die aber Gott sei Dank nur um einen kleinen Teil der Lagune führt, zugebaut wurde. Wir begeben uns entlang der engen Schotterstraße auf die Suche nach einem Stellplatz, aber jeder den wir ins Auge fassen, ist entweder dermaßen uneben oder aber bereits von Einheimischen zugeparkt, denn schließlich ist ja „Semana Santa“ und auch hier sind die Ufer voll mit feiernden „Nicas“, wie sich die Nicaraguaner selbst gerne bezeichnen. Sie bezahlen den Strand-Lokalen eine Pauschale und dürfen damit ihr eigenes Essen und Getränke mitbringen. Für die Restaurants fällt aber zusätzlich trotzdem noch genug ab, sie engagieren für diese Zeit sogar extra DJs, die ihren Strandabschnitt von morgens bis abends mit möglichst lauter Musik beschallen, um so viele Besucher wie möglich anzulocken. Trotzdem ist die Lagune ein wunderschöner Ort, wo eigentlich jeder noch einen Platz für sich findet, nur mit einem Stellplatz für uns schaut es halt im Moment nicht gut aus. Karl ist dann wieder einmal derjenige, der den Mega-Platz entdeckt, indem er aussteigt und zu Fuß
die Lokale entlanggeht. Dabei findet er oberhalb des Fahrwegs eine riesige, völlig ebene und sogar gepflasterte Terrasse, zu der eine so steile Schotterauffahrt hinaufführt, dass diese mit einem normalen PKW nicht zu meistern ist. Er fragt im gegenüberliegenden Lokal nach und erhält dort vom Chef tatsächlich die Zusage dass wir dort für umgerechnet 3 Euro pro Nacht stehen und auch deren Strandzugang und die Toiletten (wie so oft Spülung mit Wasser das man aus einer davorstehenden Tonne schöpft…) benützen dürfen. Für den Unimog ist die Auffahrt ein Kinderspiel und so thronen wir hier schon bald ganz alleine über dem allgemeinen Trubel, neben Palmen und Blumen und mit einer grandiosen Aussicht über die Lagune. Wir sind echt froh, nach der lang andauernden Suche nun diesen genialen Platz gefunden zu haben, zahlen gleich einmal für zwei Nächte und ich hole gerade unsere Campingstühle zum Genuss eines Ankunftsbiers aus dem Auto, da höre ich Karl auf seinem Kontrollgang rund ums Auto sagen: „Na geh, des derf aber jetzt nit wahr sein,…!“ Ja, leider, es ist
wahr, in unserem rechten Hinterreifen steckt tief und fest ein Hunderternagel und als wir etwas Wasser daraufträufeln, sehen wir gleich rundherum die Luftbläschen aufsteigen. Ok, ändern können wir’s eh nicht, es wird schon dunkel und Karl beschließt
die Reparatur auf morgen zu verschieben. Er holt das „Reifen-Reparatur-Set“ aus der Ersatzteilkste und studiert im Internet nocheinmal die Videos dazu. Scheint ja alles nicht so schwer zu sein, oder….? Dann am nächsten Vormittag, nachdem der Unimog mit dem Wagenheber gesichert wurde, geht’s los. Karl müht sich wirklich lange und intensiv ab und das Reparatursystem mag ja auch bestimmt bei einem Nagel im PKW-Reifen echt super sein, bei unseren Michelin XZL Reifen ist aber hiervon keine Hilfe zu erwarten. Wir probieren es mit allen möglichen Tricks, aber vergebens. Also wird der Reifen schließlich doch abmontiert und, mit Hilfe eines zum Restaurant gehörenden Parkwächters,vorsichtig die steile Zufahrt hinuntergerollt.
Man ruft ein Taxi, woraufhin irgendwann eine mittelgroße Toyota-Limousine erscheint und die Männer zu dritt den 130 kg schweren Reifen in den Kofferraum wuchten, wo dieser Riese natürlich nur zu einem kleinen Teil hineinpasst. Bei uns unmöglich so auch nur wenige Meter zu fahren, davon einmal abgesehen, dass ich nicht wissen möchte was einem ein Taxler bei uns zur Antwort
geben würde wenn man ihn darum bittet mitzuhelfen einen 130 kg Reifen in seinen dafür zu kleinen Kofferraum zu heben,…. . Hier ist das aber überhaupt kein Problem, der Reifen wird mit zwei dünnen Schnüren am offenen Kofferraumdeckel (!) festgebunden und schon geht die Fahrt für Karl los zur nächsten „Vulkanisadora“. Alles ohne große Aufregung, als wäre es das Normalste auf der Welt, weil sowas halt einfach passiert.
Diese Gelassenheit, die man überall hier in Mittelamerika findet, ist einfach sensationell, daran könnte man sich echt gewöhnen. Die erste Werkstatt die aber mehr auf Mopeds spezialisiert ist, traut sich die Reparatur dann nicht zu, aber der Taxifahrer hat sofort eine zweite Adresse parat und bringt Karl zu einer anderen, wo, trotz „Semana Santa“ voll gearbeitet wird und ständig auch Busse und LKWs zur Reifenreparatur ankommen. Der extrem erfahrene und schnelle Mechaniker
, dem man gleich ansieht, dass er ständig mit allen Arten von Reifen arbeitet, versucht es dann zuerst auch von außen mit einem ähnlichen Reparatursystem wie wir, muss aber ebenfalls schnell
aufgeben und so kommt der Reifen im Anschluss von der Felge und wird von innen repariert und wieder aufgezogen. Zurück gehts mit dem gleichen Taxi zur Lagune, wo ich mich inzwischen vom Stress des Tages im lauwarmen Wasser erholt habe (Ja, was…?… Reifenreparatur ist ja wohl Männersache…). Zu dritt rollen wir dann den Reifen wieder die steile Zufahrt hinauf zum Unimog und dieser wird von Karl montiert. Hoffen wir, dass wir keine Probleme mehr damit bekommen. Wir bleiben dann noch einen Tag länger als geplant an diesem großartigen Platz, genießen das klare Wasser der Lagune und frischen Fisch in den umliegenden Lokalen.
Nach diesem Abstecher folgt die dritte Stadt auf unserer Tour während der Karwoche und um „die Perle von Nicaragua“ nämlich „Granada“ zu erreichen, folgen wir der „Ruta de Pueblos Blancos“, durch die weißen Dörfer, die im Kernland der Ureinwohner, der „Chorotegas“ liegen. Ursprünglich waren die Häuser einmal alle weiß gekalkt, einerseits um sie kühler zu halten, andererseits um den Schimmel von den Wänden fernzuhalten, davon ist ihnen aber nur der Name geblieben, heute sind alle
bunt gestrichen. Was aber nach wie vor erhalten blieb, ist, dass jedes einzelne Dorf seine eigenen Bräuche hat und sich auf verschiedenes Kunsthandwerk spezialisiert hat. In dem einen gibt es spezielle Töpferwaren, in dem nächsten Korbmöbel, eines
ist voll von bunten Gärtnereien in denen alle Arten von Blumen gezüchtet werden, eines ist bekannt für seine Süßigkeiten und ein anderes für die Anfertigung von Hängematten. Da wir uns sowieso schon länger eine Hängematte zulegen wollen, nützen wir hier die Gelegenheit, sie direkt vom Erzeuger zu kaufen und, weil wir uns mal wieder nicht auf eine Farbe einigen können, werden es am Schluss eben zwei. Sie sind, wie so vieles in Nicaragua, hier so günstig, dass uns die Entscheidung dazu wirklich nicht schwerfällt.
Nach weiteren, kurzen Zwischenstopps in ein paar der anderen Dörfer, erreichen wir schließlich am Gründonnerstag Granada, stellen uns für die erste Nacht gleich einmal neben „La Merced“,
eine der ältesten Kirchen und stürzen uns ins Gewühl der in- und ausländischen Touristen, die die Stadt in der Karwoche bevölkern. Granada
reiht sich dann nahtlos ein in die inzwischen wirklich vielen, wunderschönen Kolonialstädte die wir auf unserer Reise besucht haben. 1524 wurde sie gegründet und nach mehreren komplettenen Zerstörungen durch Piraten, bei denen auch die Kathedrale und die meisten Kirchen bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurden, lieferte sie sich jahrzehntelang ein Match mit León um den Titel der Hauptstadt, bis dieser dann letztendlich endgültig an den lachenden Dritten, nämlich an Managua, ging.
Granada hat eine wirklich großartige Lage direkt am Nicaragua-See, dem mit 8.000 km2 größten Binnengewässers Mittelamerikas. Dieser riesige See, in Kombination mit dem Fluss „Rio San Juan“ der ihn mit der Karibik verbindet, brachte bereits im 16. Jahrhundert, lange vor der Entstehung des Panamakanals, die Spanier auf die Idee, hier an der engsten Stelle von Zentralamerika (auf die Landmasse bezogen) einen Kanal zum Pazifik zu bauen. Leider war die spanische Königin Isabella aber zu der Zeit gerade anderweitig beschäftigt und sie lehnte den Bau ab. Das zweite Mal wurde darüber, diesmal bereits von der Regierung von Nicaragua, dann während des amerikanischen Goldrauschs Ende des 18. Jahrhunderts nachgedacht, da die kürzeste Strecke zwischen New York an der Ostküste und SanFrancisco an der Westküste nicht über den beschwerlichen Landweg war, sondern per Schiff wieder über den Rio San Juan bis in den Nicaragua-See, von dem aus es nur mehr einer kurzen Kutschenfahrt bedurfte um an die Westküste zu gelangen und dort mit dem Schiff hinauf nach San Francisco. Inzwischen hatten die Amerikaner aber, gemeinsam mit Panama, den dortigen Kanal geplant und speisten Nicaragua mit der Zahlung von drei Millionen Dollar ab, womit sie sich für ein lange Zeit die alleinigen Rechte für den (Nicht)-Bau eines Nicaragua-Kanals sicherten, um unliebsame Konkurrenz zu verhindern. Dieser Vetrag lief schließlich irgendwann aus und inzwischen ist die Idee für den Bau des Kanals wieder aktuell geworden. Aber nicht, wie man meinen würde, etwa von Nicaragua – nein – wer wohl hat sich 2013, die Rechte dafür gesichert? Natürlich sind es die Chinesen, die den Plan für den 278 km langen und 530 m breiten Kanal inzwischen fertiggestellt haben. Dass dieser Deal nicht zuletzt durch riesige Schmiergeldzahlungen zustandegekommen ist, ist ein offenes Geheimnis. Für Nicaragua selbst bzw. seine Bevölkerung wäre der Bau nachweislich erst nach über 100 Jahren halbwegs rentabel, noch viel schlimmer aber ist, dass für die Trasse riesige Flächen vom letzten Regenwald abgeholzt und Unmengen von indigenen Ureinwohnern umgesiedelt werden müssten, wofür die Chinesen laut Vertrag keinerlei Haftung übernehmen würden. Mit der Rodung der Trasse wurde bereits begonnen, nur die anscheinend doch noch nicht ganz gesicherte Finanzierung und die riesigen, weltweiten Proteste von Umweltschutzorganisationen haben den Baufortschritt bisher verzögert. Die Frage ist aber nur: Wie lange noch?
Wir durchstreifen dann die wirklich charmante Altstadt von „Granada“ in allen Richtungen, genießen die unglaubliche Aussicht vom Turm der alten Kirche neben der wir parken und landen
beim Spaziergang am nächsten Vormittag zufällig in einer sehr gemütlichen Kneipe eines Kanadiers mit dem wir gleich sehr nett ins Gespräch kommen und woraufhin wir unseren Unimog-Standort
direkt nach nebenan verlegen. Hier ist es, obwohl nur ein paar Schritte vom Zentrum entfernt, doch um einiges ruhiger,
besonders in der Nacht und Sean der kanadische Wirt bietet uns außerdem an, dass wir gratis den kleinen Pool seines 11 Zimmer-Hotels zu dem die Kneipe gehört
benutzen dürfen. Bei der Hitze ein echtes Geschenk, das wir gleich ausgiebig nützen und an den folgenden Abenden in seinem gemütlichem „Hog Breath Saloon“ zusätzlich die eine oder andere Flasche „Flor de Canas“, des ausgezeichneten, nicaraguanischen Rums leeren,…. . Wir beschließen, die Karwoche hier ausklingen zu lassen, bevor wir uns am Montag
dann wieder in Richtung der uns noch lockenden Strände in den Südwesten von Nicaragua begeben, wo wir die letzte Woche bis zum leider bereits mit Riesenschritten näherkommenden Endes unseres Visums verbringen wollen.
Durch Farm- und Ranchland, mit immer wieder nicaraguanischen Cowboys am Straßenrand, führt uns die Fahrt als erstes zum fast komplett einsamen „Playa Amarillo“, wo wir außer ein paar gelegentlichen Fischern und ein paar freilaufenden Schw
einen niemanden treffen,
was nach den vielen Touristen in den Städten eine echte Wohltat ist. Als uns dann nach ein paar Tagen wieder nach Gesellschaft ist, wechseln wir einige Kilometer weiter südlich an den „Playa Maderas“, einem ebenfalls perfekten Strand mit drei Bars, der vor allem von jungem, knackigem Surferpublikum frequentiert
wird
(da gibt’s für jeden was zum Schauen…..!) und wo wir uns zur Abwechslung wieder einmal ein paar „Nica Libre“ als perfekte „Sundowner“ genehmigen (bestelle niemals Cuba libre in Nicaragua,…!). Der letzte Ort vor der Grenze nach Costa Rica ist dann das Touristenstädtchen „San Juan del Sur“, das wir uns aus Erzählungen aber schöner vorgestellt
haben als er dann wirklich ist. Es scheint das Winter- bzw. Rentendomizil von unzähligen Amerikanern und Kanadiern zu sein, auf die sich der sicher
früher einmal symphatische Ort vollständig eingestellt zu haben scheint. Nicht nur dass die Lokale großteils, nach nordamerikanischem Vorbild ausgestattet sind, man ist auch überall umringt von Touristen aus diesen Gefilden, was sicherlich auch der Hauptgrund dafür ist, dass die Preise hier in San Juan gleich mal doppelt so hoch sind wie im übrigen, bisher so günstigen Nicaragua. Der eigentlich wunderschöne, sichelförmige Strand ist höchstens noch schön zum Spazierengehen, das Wasser ist schmutzig durch die vielen Boote die in der Bucht
ankern und durch die stinkenden Abwassergräben die von den
Strandlokalen direkt zum Meer verlaufen. Wir parken trotzdem zwei Nächte an der schönen Pomenade
mit Blick auf die Christus Statue „Cristo de La Misericordia“, die hoch über der Bucht thront und versuchen dabei dem Städtchen doch noch etwas schönes abzugewinnen. Das Beste bleiben aber am Schluss ein paar wirklich authentische, bayerische Brezen die wir in einer deutschen Bäckerei finden.
Wir verabschieden uns leichten Herzens aus „San Juan del Sur“ und fahren weiter Richtung Süden um uns für die letzten zwei Nächte vor Ablauf unseres Visums noch einen wirklich schönen Strand zu suchen. Diesen finden wir dann am
völlig touristenfreien „Playa El Ostional“, bei dem wir wieder einmal direkt bis auf den Strand hinausfahren um dort zu campen, auch wenn Karl ein bisschen
skeptisch ist, ob das Wasser uns wohl nicht in der Nacht zu nahe kommen wird. Es passiert aber zwei Tage lang nichts, es bleiben meistens ein paar Meter Raum zwischen uns und dem Meer und wir genießen, insbesonders nach dem „Kanadier-Trubel“ in San Juan unsere Ruhe. Karl, der sowieso nie lange sitzen kann, kann es leider nicht lassen, sich wieder einmal Arbeit zu suchen. Vor einiger
Zeit hat ein plötzlicher, extrem starker Windstoß das Fliegengitter auf einer Seite aus einem unserer Fenster gerissen und seither bleibt es beim Auf- und Zuschieben immer hängen und hat dadurch auch schon einen Riss, was bei den oftmaligen Moskito-Überfällen denen man in diesen Breiten immer wieder ausgesetzt ist, halt gar nicht so gut ist. Er hat sich ein Video zur Reparatur von der Fensterfirma schicken lassen, aber es ist natürlich wie immer, im Video sieht alles viel einfacher aus als es ist und so kämpft er viele Stunden lang mit dem Fenster, baut es einige Male ein und
wieder aus, bis dann sowohl die Verdunkelung als auch das Fliegengitter wieder perfekt laufen. Ich bin ihm dabei leider keine große Hilfe, helfe beim Kleben des kaputten Netzes aber ansonsten schlägt er sich wie immer tapfer und alleine bei der Reparatur. Ich bin immer wieder aufs Neue verwundert und riesig stolz auf ihn, wenn ich sehe, was er alles repariert und wenn er sich dazu auch noch so tief in etwas Neues und Unbekanntes hineindenken und hineinlesen muss oder etwas endlos oft und auf viele Arten
probieren muss, bis er es am Schluss dann doch fast immer wieder zu 100% hinkriegt. Hier am Strand lassen wir dann auch bei der einen oder anderen Flasche Wein unter unserer Markise, wie auch in einer kleinen Einheimischen-Bar, das erste Jahr unserer Reise revuepassieren. Einfach unglaublich was wir seit der Abreise in Bad Ischl
am 14. April 2022 alles erlebt haben, so vollgefüllt war dieses Jahr mit Eindrücken, Abenteuern,
Bekanntschaften und dem Besuch so endlos vieler, großteils wunderschöner Plätze, bis wir nun in der Halbzeit
unserer Reise hier in Nicaragua Zwischenbilanz ziehen dürfen. Wir wünschen uns eigentlich nichts anderes, als dass es auch im zweiten Jahr genauso weitergehen möge! Am dritten und letztenTag auf unserem einsamen Strandplatz wird dann gegen Mittag das Meeresrauschen immer lauter und letztendlich steht uns das Wasser zwar noch nicht bis zum Hals, aber die Wellen schlagen schon bis unter den Unimog hindurch. Wir packen daher alles zusammen, es ist ohnedies unser geplanter Abreisetag und wir machen uns auf den Weg zur Grenze.
„Last minute ins Grenzchaos“ und „Das Militär nervt manchmal sehr“
Der Abschied vom großartigen Nicaragua fällt uns wirklich schwer, sehr gerne wären wir noch länger in diesem liebenswerten und gastfreundlichen Land geblieben. Aber der Aufwand, das Visum insbesonders für den Unimog zu verlängern, ist uns dann doch zu hoch und schließlich wartet als nächstes ja auch schon wieder ein sicher spannendes Land, nämlich Costa Rica auf uns. Wir wollen, wie schon bei der problemlos verlaufenen Einreise, erst am Nachmittag an der Grenze sein, da wir immer das Gefühl haben, dass die Beamten sich, insbesonders bei den Fahrzeugdurchsuchungen, in der Hitze eher damit beeilen als am frühen Morgen oder am Abend wenn es schön kühl ist. Google Maps zeigt eine kleine Straße an, die von unserem Strand aus direkt und über eine Strecke von nur zwanzig Kilometern bis zur Grenze führt, ohne dass wir den Umweg zurück über „San Juan del Sur“ und von dort zur Hauptstraße machen müssen. Nach ein paar Kilometern stoppt uns auf dieser Schotterstraße allerdings ein Seil das über die Straße gespannt ist und das wir, weil es so dünn und so braun wie der Sand ist, erst im letzten Moment sehen. Ebenfalls in Staub getaucht und daher fast nicht wahrnehmbar, taucht rechts daneben ein winziger, hölzerner Unterstand auf, aus dem ein in Tarnfleck gekleideter, junger Soldat samt Gewehr herauskommt. Ok, denken wir, Militärkontrolle, zwar die erste in Nicaragua und das am letzten Tag, aber hier in Grenznähe ja nichts ungewöhnliches. Wir geben dem jungen Mann unsere Pässe, er bringt sie seinem Vorgesetzten, der aus einer etwas höhergelegenen Hütte auf uns herunterschaut, der studiert sie kurz, geht damit in die Hütte wo sich anscheinend dann der höchste Chef befindet und kommt dann wieder – ohne Pässe – heraus und zu uns herunter. Er geht zur Fahrerseite und sagt zu Karl, er solle ihm hinten die Kabine öffnen, er müsse das Fahrzeug durchsuchen. Natürlich „verstehen wir beide kein Wort spanisch oder englisch“, was den ganzen Vorgang verzögert aber leider diesmal nicht abwendet. Wahrscheinlich ist den dreien hier mitten im staubigen, einsamen Grenzgebiet einfach langweilig, jedenfalls durchsucht Vizechef Nr.2 geschlagene zwei Stunden lang akribisch unseren gesamten Unimog, während Soldat Nr. 3 uns mit seinem Gewehr im Auge behält und Hauptchef Nr. 1 nur sporadisch seine Hütte verlässt und sich zu uns in die sengende Hitze begibt. Nr. 2 zieht dabei brav vor dem Betreten der Kabine seine Militärstiefel aus, wozu er von Karl aufgefordert wird, durchsucht aber drinnen alles wirklich einzeln inklusive Schmutzwäsche. Findet er etwas was er nicht kennt (und das ist vieles, Nr. 2 scheint nicht gerade eine Intelligenzbestie zu sein,…), muss Karl mit Händen und Füßen erklären was es ist und manches wird dann von ihm noch gegoogelt damit er es auch versteht…, . Nachdem er in der Kabine nichts Verbotenes findet kommt als nächstes das Dach dran. Er steigt von hinten über die Leiter hinauf und will über das Dach der Kabine zum Führerhaus gehen,
wird aber dabei von Nr. 1 zur äußersten Vorsicht gerufen, bei dem Karl lautstark interveniert, dass niemand auf die Solarpanele steigen darf. Er durchsucht dann die Dachbox, in der sich eigentlich nur ungenützte Kleidung und alte Reiseführer befinden, aber dort macht er endlich einen Fund. Ganz unten befindet sich nämlich – von uns längst vergessen – eine kleine Dose Pfefferspray die, seit wir uns in Kanada einen richtigen Bärenspray gekauft hatten, dort oben lagert. Er präsentiert sie stolz Nr. 1 der sie sofort als in Nicaragua unzulässig befindet und – natürlich umgehend einsteckt… . Die Durchsuchung geht dann ewig so weiter, beide Stauklappen müssen geöffnet werden, den dort ganz vorne befindlichen Bärenspray kann Karl erfolgreich abdecken und so wird auch hier nichts verwertbares gefunden. Zwischendurch kommt Nr. 1 ein paar Mal zu mir und fragt mich, ob wir wirklich Touristen seien, denn Touristen in so einem Fahrzeug hätte er noch niemals gesehen. Da ich aber natürlich „kein Wort spanisch“ spreche und jedesmal nur mit „Si, si, Turistas, Nicaragua muy bien“ antworte, gibt er auch das schließlich auf. Wir dürfen alles wieder zumachen und die drei ziehen sich in ihren Unterstand zurück, wo sie im Schatten palavern. Ich sitze nach wie vor im heißen Auto, Karl hat sich ebenfalls in den Schatten neben dem Unterstand verzogen. Nach einer weiteren halben Stunde, sie machen keine Anstalten uns weiterfahren zu lassen und sie haben immer noch unsere Pässe, mache ich mir langsam Sorgen wegen unseres Grenzübertritts. Ich weiß nicht wie lange die Grenze geöffnet ist und wenn wir heute nicht ausreisen, kriegen wir auf jeden Fall Probleme wegen des um Mitternacht ablaufenden Visums. Ich steige aus und gehe zu Karl hinüber um das mit ihm zu besprechen. Da dreht sich Nr. 1 um und sagt auf englisch es tue ihm leid für die Verzögerung, wir könnten auf dieser Straße nicht weiterfahren, es gäbe hier im Anschluss noch drei Kontrollpunkte und wir müssten umdrehen. Das ist uns in dem Moment herzlich egal, wir sind heilfroh endlich von hier wegzukommen, bekommen unsere Pässe zurück und verlassen den Kontrollpunkt und die drei Beamten, für die wir höchstwahrscheinlich nichts anderes waren als eine erwünschte Abwechslung in ihrer täglichen Langeweile und ein erfolgreicher Kontrolleintrag in ihrem Tagesbericht, denn schließlich haben sie uns ja eine Dose gefährlichen Pfeffersprays abgenommen – ….wobei ich aber ziemlich sicher bin, dass Nr. 1 diesen ohnedies für sich selbst behalten hat…!
So, jetzt also nichts als ab zur Grenze, ich gebe diese wieder als Ziel in Google Maps ein und es erscheint eine neue Routenführung die wieder nicht zurück bis „San Juan del Sur“ führt, sondern eine Straße anzeigt, die nur um einige Kilometer länger ist als die, die uns gerade verweigert wurde. Super, denken wir, wir sind ja eh schon spät dran und dann sind wir doch noch vor Einbruch der Dunkelheit an der Grenze. Wir biegen ab und folgen dem schmalen Schotterweg, der jedoch nach jedem erkämpften Kilometer immer noch schmaler und steiniger wird, ein paar Mal durch ausgetrocknete Flüsse führt und am Schluss, nach ca. einer halben Stunde Fahrzeit, so eng wird, dass er nur noch mit einem Motorrad oder höchstens einem Quad befahrbar ist. Es hilft alles nichts, wir müssen wieder umdrehen und die ganze Strecke zurückfahren. Wieder eine Stunde verloren – Wenn es sich schon spießt dann halt immer gleich richtig!
Letztendlich bleibt uns nichts anderes übrig als den großen Umweg einzuschlagen und wir erreichen die Grenze bei Einbruch der Dunkelheit. Siegessicher, nach den so überraschend problemlos bewältigten Formalitäten bei der Einreise, machen wir uns an die Ausreiseprozedur, die in der ersten Phase, die uns als Personen betrifft, auch super schnell vorangeht. Keine Schlangen an den Schaltern am Abend, wir bezahlen die Ausreisegebühr, bekommen zwei Stempel in die Pässe – Perfekt. Doch dann geht es um die Abmeldung des Unimogs und wir landen mitten im Grenzchaos. Der Inspektor der das Auto inspizieren soll ist nicht aufzufinden. Irgendjemand schickt uns dann nach langer, erfolgloser Suche mit dem Auto auf die andere Seite des Gebäudes, wo normalerweise die von Costa Rica einreisenden inspiziert werden. Dort finden wir dann wirklich einen verfügbaren Inspektor, der wirft einen kurzen Blick in die Fahrzeugkabine, wir bekommen einen Stempel und er schickt uns wieder zurück zum Ausgangspunkt, wohin wir nach einigem hin und her in dem riesigen Gelände auch wieder finden. Die Damen an dem Schalter zur Ausreise werfen einen Blick auf das Formular mit dem Stempel und fragen uns, warum wir nicht beim Scanner waren. Scanner? Kein Mensch hat was davon gesagt,…. . Also wieder zurück auf die andere Seite, immer zwischen Kolonnen von riesigen LKWs hindurch. Beim besten Willen – wir finden den Scanner für Touristenfahrzeuge einfach nicht. Es ist inzwischen völlig dunkel und endlich hilft uns jemand weiter, indem er uns Lücken zur Durchfahrt durch die vor den gewerblichen Scannern wartenden LKW-Kolonnen verschafft, damit wir es zum dahinter liegenden, richtigen Scanner schaffen. Auch dort wartet eine lange Schlange an Fahrzeugen vor uns, als wir endlich drankommen, muss ich aussteigen, die Handtasche muss im Auto bleiben, das Fahrzeug wird gescannt, ich darf wieder einsteigen und wir kämpfen uns zurück zur anderen Seite. Wieder bei den Damen am Schalter angelangt, fehlt denen aber wieder ein Stempel auf dem nun schon ziemlich ramponierten Ausreisedokument. Wir müssten zuerst noch zu einem anderen Schalter und dort das Ergebnis des Scanners abholen. Man zeigt uns netterweise den Weg dorthin und wieder heißt es ewig warten bis die Ergebnisse des Scanners dort eintreffen (per Fahrrad, nicht etwa per Computer,…). Ein Beamter ruft Karl’s Namen und begleitet ihn zum Unimog. Ja, jetzt kommt nämlich noch eine Durchsuchung, weil der Scanner hat tatsächlich etwas gefunden. In unseren Köpfen rattert es, was das denn wohl sein könnte… . Der Beamte steigt in die Kabine hinauf, blickt auf das Scanner-Ergebnis und deutet zielsicher auf die Gegend der Kühlbox. Als Karl diese für ihn öffnet, bricht er in lautes Lachen aus und nimmt zwei der Bierdosen heraus, die ich in der Früh genau übereinander in die Kühlbox hineingestapelt hatte und zeigt sie seinem draußen wartenden Kollegen. Das Muster das sich aus den exakt übereinander gestapelten Dosen ergeben hat hielt der Scanner für Sprengstoff,… ! Aber der Herr Beamte ist noch nicht fertig. Auch rechts hinten muss noch die Stauklappe geöffnet werden. Karl hat schon Angst, dass er alle Staukisten herausräumen müsse, aber der Beamte hat schon gefunden was er sucht, nämlich ein Paket mit Raketen und Feuerwerkskörpern, die uns noch von Silvester in Mexico übriggeblieben sind und die wir für Karl’s „runden“ Geburtstag im Juli aufgehoben haben. Er nimmt sie ganz vorsichtig heraus und hält sie dann am weit von sich gestreckten Arm fest, als würden sie im nächsten Moment explodieren. Er fragt genau nach was das denn sei und Gott sei Dank wird neben uns gerade das Autos eines jungen kanadisch/schweizerischen Pärchens kontrolliert, wobei der junge Mann perfekt spanisch spricht und dem Beamten erklärt, dass es sich hierbei nicht um Sprengstoff im eigentlichen Sinn, sondern nur um Silvesterknaller handelt. Wir rechnen schon fix damit, dass die Raketen konfisziert werden, was uns aber, bei allem was sonst noch so im Auto ist, nicht wirklich groß stören würde, da gibt sie uns der Beamte zurück und meint, wir sollen sie halt irgendwo ganz hinten im Laderaum deponieren – Das ist doch wirklich zur Abwechslung des Tages mal echt nett und wir bedanken uns vielmals bei ihm, was er sichtlich genießt. Beim Zumachen der Klappe stolpert er dann doch tatsächlich noch
blöderweise über den Bärenspray, als Karl ihm aber dazu gestenreich den Angriff eines Bären demonstriert und wir ihm glaubhaft machen können, dass wir den Spray seit Kanada nur mehr hinten im Stauraum mitführen, weil es ja auch in Mittelamerika keine Bären gäbe, legt er die Dose kopfschüttelnd wieder zurück und haut uns den letzten noch fehlenden Stempel auf das Formular. Wie das am Schluss dann aussieht, seht ihr hier am Foto mit Seltenheitswert. Zum vierten und letzten Mal erscheinen wir dann damit bei den uns nun schon bekannten Damen am Ausreiseschalter und dürfen daraufhin Nicaragua offiziell verlassen. Um „Austria“ oder „Australia“ hat sich hier übrigens kein Mensch geschert, das hätte uns jetzt auch gerade noch gefehlt. Der „Unimog“-Bonus hat diesmal auch nix geholfen, wir reihen uns ein in die Menge aus Travellern die die nicaraguanischen Grenzformalitäten nur noch mit ungläubigem Kopfschütteln kommentieren. Ja, bitte nicht zu vergessen – bei der gesamten, soeben beschriebenen fast vierstündigen Prozedur handelt es sich um die „Ausreise“ aus Nicaragua, warum die hier darum so ein Theater machen, ist uns echt unerklärlich….. .
Ausgenommen diese chaotische Ausreise wird uns aber Nicaragua in allerbester Erinnerung bleiben. Es ist ein wirklich cooles, einfach zu bereisendes, wunderschönes Land, reich an wunderbaren Stränden und besuchenswerten Städten, bewohnt von einem außerordentlich freundlichen und lebenslustigen Menschenschlag, Keine Spur wieder einmal von Kriminalität vor der wir im Vorfeld wieder von „Alleswissern“ eindringlich gewarnt wurden, überall ist man uns zuvorkommend und falls nötig hilfreich entgegengekommen, nicht ein einziges Mal waren wir in einer beängstigenden Situation. Auf meiner persönlichen „Muss ich nocheinmal hin“-Liste kommt Nicaragua auf jeden Fall ganz nach oben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, hier, auch bedingt durch die wirklich niedrigen Preise, in Zukunft einen Teil der Wintermonate zu verbringen, sollte beruflich alles so klappen wie ich es mir wünsche. Jetzt wartet aber erst einmal das vorletzte Land Mittelamerikas auf uns zwei und wir freuen uns schon riesig auf weitere Reiseerlebnisse demnächst in Costa Rica.