Das lange Warten auf Südamerika und „Happy Birthday mit Familienanschluss“
Jetzt sind wir also endlich in Südamerika angekommen, aber, nach den Abenteuern in Nord- und Mittelamerika, trennt uns nun noch immer ein riesiger Teil des amerikanischen Kontinents von seinem südlichen Ende. Die Länder haben
hier, im Gegensatz zu Zentralamerika, wieder gewaltige Ausdehnungen, z.B. hat Kolumbien eine Fläche von ca. 1.100.000 km2, Panama, von wo wir gerade kommen, dagegen nur ca. 75.500 km2. Erst einmal, nach dem grandiosen Segeltörn, beziehen wir aber hier in der Hafenstadt Cartagena,
zusammen mit unseren Freunden Klaus und Sonja, ein wirklich gemütliches Appartement mit Blick auf die bis heute erhaltene, riesige Festungsmauer, welche die gesamte Altstadt umschließt und Cartagena in früherer Zeit vor den allgegenwärtigen Angriffen seiner Feinde schützen sollte, was nicht immer gelang. Von der damals berühmtesten Hafenstadt „Spanisch Amerikas“ wurden die riesigen Gold-, Silber- und Edelsteinschätze, welche die Spanier in Peru, Ecuador und Kolumbien den Indios tagtäglich raubten, zusammengetragen und anschließend nach Europa verschifft. Die Lagerhallen waren dadurch jederzeit zum Bersten gefüllt
und nicht nur einmal wurde Cartagena von Piraten überfallen, ausgeraubt und in Schutt und Asche gelegt. Die Hitze hier, vor der uns bereits die Crew unseres Segelschiffs gewarnt hatte, ist tatsächlich extrem. Wir (außer Karl, dem das wie immer nichts ausmacht) erkunden das unglaublich schöne Zentrum vorwiegend
in den frühen Morgenstunden bzw. wieder ab dem späten Nachmittag, denn dazwischen ist es so heiß, dass sogar ein Gang zum nahen Supermarkt in schweißgebadeter Erschöpfung endet und wir umgehend zurück in die gekühlte Wohnung flüchten. Nur einmal machen wir eine Ausnahme: Am 20. Juli feiert man in Kolumbien den Unabhängigkeitstag (das Land war v
on 1542 bis
1810 spanische Kolonie) mit riesigen Umzügen im ganzen Land und natürlich auch hier in Cartagena. Stundenlang schiebt sich der nicht endenwollende, bunte Festzug mit unzähligen Akteuren und Musikgruppen durch die mit Fahnen und Blumen in den kolumbianischen Nationalfarben festlich geschmückte Stadt und wird überall von den Menschen bejubelt. Cartagena zu beschreiben ist für mich recht einfach: Ich
habe auf unserer Reise ziemlich sicher noch nie eine schönere und faszinierendere Stadt gesehen. Ich habe dazu eine Beschreibung gefunden, die so passend ist, dass ich sie Euch hier nicht vorenthalten möchte: „Die fünftgrößte Metropole von Kolumbien ist älter und schöner als alle ihre Schwestern, sie ist stets heiss, sinnlich, romantisch, geheimnisvoll, schminkt sich in kräftigen Farben, liebt das ausgelassene Feiern ebenso wie den Atem des Meeres an dem sie liegt
und die Stille karibischer Nächte. Sie weiß was sie will (sie wußte es schon immer): Geld, Luxus, Glamour, Schönheit, Macht und Freiheit“. Damit ist eigentlich alles gesagt. Nicht umsonst gilt Cartagena als „Perle der Karibik“
und ist UNESCO Weltkulturerbe seit 1984. Hier finden internationale Gipfeltreffen statt, hier rauchen Staatspräsidenten ihre Zigarren, hier kaufen sich Millionäre ihre Appartements. An den Mauern der alten
Kirchen klebt der Schimmel, in den unendlichen, verschlungenen Altstadtgassen riecht es nach einheimischem Essen, am Abend klappern die Pferdekutschen mit den Touristen durch sie hindurch, auf den Festungsmauern wachen Soldaten, tuscheln Liebespaare und zählen Gauner ihre Tageseinnahmen. Die Nächte werden zum Tag gemacht, gefeiert wird in den unzähligen Lokalen täglich bis vier Uhr früh. Wir bummeln also Tag für Tag durch diese faszinierende, bunte Metropole und machen uns eine gute Zeit. Weniger gut sind die Nachrichten der Reederei, die uns mitteilt, dass das Schiff mit unseren Fahrzeugen anstatt am 12. Juli nun erst am 19. Juli startet und wenige Tage später folgt die Mitteilung der nächsten Verschiebung. Irgendwann ergeben wir uns dann einfach in unser Schicksal, schlucken den Ärger über die täglich steigenden Kosten für die zusätzliche Wartezeit hinunter und genießen die Stadt in vollen Zügen.
Wir haben schließlich hier in Cartagena noch ein sehr wichtiges Ereignis zu zelebrieren. Karl feiert am 23. Juli einen runden Geburtstag. Seit vielen Wochen versuche ich, eine entsprechende Feier für ihn zu organisieren, durch die ständige Ungewissenheit, bedingt durch die Verschiebungen der Reederei, war das aber bisher schier unmöglich. Seit langem bin ich mit seinem Sohn Marco und seinem Bruder Walter in Kontakt, die ihn beide zum Geburtstag mit einem Besuch überraschen wollen. Letztendlich gelingt es uns, dies bis zum Schluss wirklich geheim zu halten, ich organisiere unseren Umzug in eine größere Wohnung mit drei Schlafzimmern, die ich gegenüber Karl als „Schnäppchen“ argumentiere, Klaus und Sonja verlassen ebenfalls unsere bisherige WG und machen sich derweil per Bus und Rucksack auf, um bis zur Ankunft der Fahrzeuge noch ein bisschen die Gegend zu erkunden. Karl und ich lernen inzwischen die Altstadt immer besser kennen, essen am Abend bei den extrem günstigen Einheimischenständen unter anderem“Papas rellenas“ das sind köstlich gefüllte und im heißen
Fett gebackene Knödel aus Kartoffelpürée und „Arepas con queso“ gegrillte Maismehllaibchen gefüllt mit Käse, die fast wie unsere Kaspressknödel aussehen,
trinken Bier für umgerechnet 0,40 Cent die Flasche in den Kneipen der Cartagenos und konsumieren unsere Drinks in den Seitengassen der Altstadt, wo jeden Abend unzählige, mobile Stände aufgebaut und um die Wette Cocktails gemixt werden. „No-good-no-pay“ ist z.B. der Spruch von Manuel, einem immer lustigen, jungen
Mann, der uns damit fast immer auf seine Plastikstühle samt Salsamusik-Beschallung lockt und wo wir für vier liebevoll dekorierte Cocktails wie Cuba libre, Mojito, Caipirinha, etc. umgerechnet nicht einmal ganz vier Euros (für alle vier natürlich) zahlen. Das ist eben der Vorteil, wenn man länger am gleichen Ort ist, man lernt, die günstigen Plätze für Essen und Trinken zu finden und zu schätzen. Ich kaufe dafür zähneknirschend neuen Champagner für den Geburtstag (ich habe bereits einige Flaschen im Unimog – aber der ist ja noch immer nicht da…). Auch meine Abendgarderobe hat es natürlich nicht nach Cartagena geschafft, was hätte ich auch damit auf dem Segelschiff anfangen
sollen… . So versuche ich, noch in letzter Minute ein Kleid und Schuhe für den großen Tag zu finden, gebe aber irgendwann auf, denn auf den Märkten und in den normalen Geschäften gibt es nur chinesische Fetzen und in den Shopping-Centern der oberen Zehntausend ist alles so extrem teuer, dass ich fassungslos vor den Schaufenstern der Markengeschäfte die endlosen Nullen auf den Preisschildern (z.B. 10.000.000 Kolumbianische Pesos = ca. 2.200,00 Euros für ein Kleid) zähle und daraufhin endgültig und genervt die Lust am Shoppen verliere. Letztendlich muss ein mit Würde getragenes Strandkleid aus
dem Rucksack anstatt des „Kleinen Schwarzen“ eben reichen, High Heals wären auf dem allgegenwärtigen Kopfsteinpflaster der Altstadt sowieso tödlich – Und es hat sich keiner beschwert! Auch Karl verliert im Gewühl der Gassen etwas, nämlich seine Bankomatkarte bzw. sie kommt ihm eben irgendwie abhanden, es werden noch vor der Sperre zweimal 48,00 Euro abgebucht (unter 50,00
braucht man keine PIN…), aber diese werden ihm dann nach einigem hin und her von der Bank ersetzt. Ein bzw.
zwei Tage vor dem Geburtstagstermin treffen wirklich Karl’s Sohn Marco und sein Bruder Walter mit seiner Freundin Claudia bei uns ein und das Geburtstagskind ist darüber ebenso völlig überrascht wie natürlich überglücklich. Drei Tage kann Marco bleiben, er ist in seinem Job als Pilot bei der Lufthansa in der Hauptsaison natürlich ziemlich gefordert, umso höher ist es ihm anzurechnen, dass er zwischen zwei Langstreckenflügen auch noch diesen Besuch bei uns hineingequetscht hat. Falls ihr Euch wundert, ich habe ihn hier im Bericht nicht bei den Fotos vielleicht vergessen, er möchte einfach nicht, dass Fotos von ihm im Internet landen, was ich selbstverständlich respektiere. Walter und Claudia können zehn Tage bleiben und wir freuen uns sehr darauf, diese mit ihnen
gemeinsam verbringen zu können. Karl’s runder Geburtstag wird dann natürlich zwei Tage lang zum Hauptthema. Wir dekorieren die Wohnung mit von Walter und Claudia mitgebrachten Girlanden und Luftballons, feiern am ersten Tag in der Altstadt bis vier Uhr früh in
den Geburtstag hinein, wobei natürlich nebenbei auch die eine oder andere edle Zigarre genossen wird und legen am zweiten Tag nocheinmal, ausgehend von einem Champagnerfrühstück in unserer Wohnung,
wieder bis zwei Uhr früh nach.
Besonders gerührt sind wir, als wir dabei natürlich auch „No-good-no-pay“-Manuel besuchen und dieser nicht nur hinter seinem Straßenstand plötzlich eine Geburtstagstorte für Karl hervorzaubert, sondern spontan auch noch, zusammen mit dem gesamten, rund um den Stand anwesenden Partypublikum, „Happy birthday“ für ihn singt. Dann müssen wir etwas zurückschalten denn unsere Gäste befinden sich zusätzlich im Jetlag und auch wir haben nun etwas Schlaf nötig und so verbringen wir den dritten Tag mit gemütlichem Altstadtbummel.
Dann muss Marco auch schon wieder zurückfliegen und wir erhalten die wunderbare Nachricht, dass das Schiff mit unserem Unimog genau an Karl’s Geburtstag im Hafen von Cartagena eingetroffen ist. Auch Klaus und Sonja sind von ihrem Ausflug zurück und gemeinsam erledigen wir, auf Anweisung des dafür unerlässlichen Agenten, in unserem Fall einer Agentin namens Ana, die entgegen der Angaben der Reederei leider nur spanisch spricht, die einzelnen Formalitäten zur Auslöse der Fahrzeuge. Das passiert teilweise online, teilweise indem wir uns zur Leistung diverser Unterschriften in der Stadt treffen, aber alles geht eigentlich weit zügiger voran als erwartet. Drei Tage nach Ankunft des Schiffs ist es dann endlich soweit, wir werden in Ana’s Büro gebeten, müssen dort natürlich noch die Gebühren für Agentur und Hafen bezahlen, schlucken dabei zweimal, denn anstatt der angekündigten ca. 700,00 US$ betragen die Nebenkosten jetzt plötzlich fast 900,00 US$, das ist halt so meint die Agentin lächelnd, erklären kann es uns keiner und so greifen wir mal wieder tiefer als gedacht in die Tasche. Diese insgesamt ca. 6.000 US$ (!) für den kurzen, eintägigen Fahrzeugtransport von Panama nach Kolumbien sind einfach nur Wucher, aber es gibt halt für die Reederei keinerlei Konkurrenz und durch den fehlenden Landweg können sie die Preise erhöhen wie sie wollen, was sie auch laufend tun. Gerade habe ich in einem Bericht von zwei Overlandern aus dem Jahr 2009 gelesen, dass diese damals für ein ähnliches Fahrzeug noch 1.300 US$ bezahlt haben. Egal, es ist wie es ist, im Anschluss fährt uns ein Wagen der Agentur hinaus zum Hafen, der ca. 40 Minuten außerhalb von Cartagena liegt. Sonja und ich werden kurz vor dem Ziel an einer Tankstelle abgesetzt, nur unsere Männer, beide bei fast 40 Grad in langen Hosen, langärmligen Hemden, wie es für das Betreten des Hafengeländes vorgeschrieben ist und in von der Agentur zur Verfügung gestellten Sicherheitsschuhen, begeben sich zur Abholung der Fahrzeuge und natürlich ist unser Jubel dann groß, als sie nach ca. zwei
Stunden zu uns auf die Tankstelle rollen. Der Unimog und das Wohnmobil sind unbeschädigt, nichts wurde gestohlen, was ja wirklich nicht bei allen Overlandern so glatt geht, im Gegenteil, man hört ständig von aufgebrochenen, beschädigten und ausgeräumten Fahrzeugen auf den Frachtschiffen. Endlich, nach drei Wochen Wartezeit, freuen wir uns mega darauf, heute Abend wieder in unser eigenes Bett zu steigen und die Reise fortsetzen zu können. Von Klaus und Sonja müssen wir uns hier leider verabschieden, sie haben es nach den ganzen Verspätungen jetzt umso eiliger, denn sie werden ihren „Walter“, so heißt ihr betagtes aber noch immer fittes Wohnmobil, Ende August in Lima, der Hauptstadt von Peru, einlagern und von dort einen bereits fix gebuchten Flug nach Hause in die Steiermark antreten. Sie haben ihren Töchtern versprochen, immer über Weihnachten zu Hause zu sein, außerdem werden sie im September zum zweiten Mal Großeltern und so unterbrechen sie ihre Reise gerne wieder einmal für vier Monate. Der Abschied fällt uns nicht leicht, wir haben uns in der letzten Zeit so gut kennengelernt und sind mit den beiden einfach auf der gleichen Welle. Wiedersehen werden wir uns wohl so schnell nicht, denn wenn sie Anfang Jänner nach Peru zurückkommen, sollten wir, wenn alles weiterhin gut geht, bereits in der Nähe von Feuerland in Chile sein. Aber dass wir in Kontakt bleiben und uns irgendwann, egal wo auf dieser Welt, wiedersehen, das steht für uns vier ganz sicher fest!
Auf nach „Tierra libre“ und „Was Karl unbedingt noch lernen wollte…“
Während wir unseren Unimog aus dem Hafen abgeholt haben, haben sich Walter und Claudia einen Mietwagen besorgt, unser Gepäck aus dem Appartement geholt und wir treffen uns nun im Lokal eines Bayern „Leon de Baviera“, um bei Weißbier und Fleischlaiberl Abschied zu nehmen vom herrlichen, einzigartigen Cartagena. Es zieht uns nach den Wochen in der Stadt nun hinauf in den einsamen Norden, ins Grenzland zu Venezuela, wo angeblich wunderschöne, einsame Strände auf uns warten. Die zwei werden uns in den ersten Tagen auf unserer Reise dorthin begleiten, um unseren Reisealltag und noch dazu ein leider nur ganz kleines Stück von Kolumbien kennenzulernen. Der erste Weg führt uns aber an eine Tankstelle und der Besuch dort treibt uns ein echtes Grinsen ins Gesicht. Diesel kostet in Kolumbien durchschnittlich umgerechnet 0,50 Euro pro Liter. Das ist nocheinmal um 20 Cent billiger als in Panama und das freut die stets angespannte Reisekassa. Weiter fahren wir die Küste hinauf und unseren ersten Halt legen wir am „Playa Puerto Valero“ ein,
wo es zwar viele, riesige Palapas aber
an diesem Tag außer uns fast keine anderen Gäste gibt. Wir haben den ganzen wunderschönen Sandstrand für uns alleine und springen
gleich einmal ins Wasser. Es wird uns frisch gefangener, gegrillter Fisch und kaltes Bier serviert und am Abend findet sich für Claudia und Walter ein Zimmer in einem von außen etwas desolat aussehenden Haus von Einheimischen, das zwar erst einmal vom Staub der
letzten Monate befreit werden muss, das Bett hängt ziemlich durch, aber immerhin verfügt das Zimmer über Klimaanlage und Badezimmer und ist für umgerechnet ca. 11,00 Euro ein echtes Schnäppchen – Das finden jedenfalls lachend Karl und ich! Wir zwei haben aber auch gut reden, wir haben unseren Unimog wieder und steigen zufrieden in unser eigenes Bett. Da es aber hier in der Nähe sowieso keine Alternativen gibt und es auch schon dunkel wird, beißen die zwei dann die Zähne zusammen und sind am nächsten Morgen zwar schon vor uns wieder am Strand, wirken etwas unausgeschlafen, aber sonst ganz zufrieden mit der Erfahrung einer Nacht im ländlichen Kolumbien. Weiter geht’s dann Richtung der Küstenstadt „Santa Marta“ die unser nächstes Ziel ist. Vorbei ist es auf der Fahrt dorthin mit Wohlstand und Sauberkeit, wir fahren durch riesige Sumpflandschaften und passieren immer öfter Armenviertel, wo sich Müllberge zwischen Wellblechhütten türmen. Die ohnedies immer schon prekäre Situation für die armen Menschen hier im Grenzgebiet hat sich durch tausende Flüchtlinge
die nun bereits seit Jahren aus dem tief in der Krise steckenden Venezuela ins Land drängen, natürlich noch zusätzlich zugespitzt. In der wunderschönen Altstadt von Santa Marta merkt man dann davon wieder fast nichts, außer dass es auch dort natürlich sehr
viele Bettler gibt, die man unmöglich alle zufriedenstellen kann. Wir verbringen hier einen gemütlichen Nachmittag und Abend, erkunden die Innenstadt und sitzen in den Lokalen am gepflegten Yachthafen. Walter und Claudia kriegen hier wieder ein richtiges Hotelzimmer und diesmal erwischt es uns mit einer unruhigen Nacht, denn als wir spätabends zum Unimog zurückkehren, den wir mal wieder mitten im Zentrum abgestellt haben, hat man gleich daneben eine Freiluftdisco aufgebaut und aus den riesigen Boxen dröhnt bis 03.00 früh so laute Discomusik, dass unser Bett von den Bässen vibriert. Mir ist sowas relativ egal, wenn ich müde bin (und ein paar Gin Tonics hatte) drehe ich mich um und schlafe überall und bei jeder Lautstärke, Karl liegt aber
bis zum Musik-Aus mehr oder weniger wach. Gott sei Dank ist unser Ziel am nächsten Tag nicht sehr weit entfernt, wir wollen unsere Gäste zum Abschluss auch noch in die Berge Kolumbiens mitnehmen und fahren hinauf ins winzige Bergdorf „Minca“. Dieses ist uns schon auf den ersten Blick total
symphatisch, auch wenn wir uns mit dem Unimog
erst durch die winzigen Gassen quälen müssen, um letztendlich am Ende des Dorfes auf einem umfunktionierten Fussballplatz übernachten zu dürfen. Der Ort ist nicht zu überlaufen, er wird hauptsächlich nur von Rucksacktouristen frequentiert, die von hier aus, in Begleitung von Guides, in einem sechstägigen Marsch zur „Ciudad perdida“ der „Verlorenen Stadt des Volkes der Tairona“ aufbrechen, die sogar älter sein soll als das bekannte „Machu Picchu“ in Peru. Die Ruinen
wurden 1975 zufällig entdeckt, sie werden seither vom Militär bewacht und dadurch vor allgegenwärtigen Grab- und Schatzräubern geschützt. Sechs Tage zu Fuß mit Rucksack durch den Dschungel bei diesen Temperaturen,
das kommt für uns, bzw. vor allem für mich, nicht einmal im weitesten
Sinne in Frage, wir leihen uns hier in „Minca“ lieber zwei Geländemotorräder und brettern damit über enge Schotterstraßen zum nahen Wasserfall „Pozo Azul“, an dessen Fuß wir uns anschließend zur Abkühlung in das erfrischend eisige Wasser stürzen. Anschließend genießen wir noch das gemütliche „Minca“ und am nächsten Morgen kommt leider auch schon der Abschied von Walter und Claudia, die sich schon wieder auf den Weg nach Cartagena machen müssen, um am nächsten Tag zurück nach Hause in die Schweiz zu fliegen. Wir haben die Gesellschaft der beiden wirklich genossen und außerdem… – Wer hat schon einen Bruder der samt Freundin zum runden Geburtstag mal einfach so bis nach Kolumbien fliegt? – Das ist doch einfach mega cool!
Wir zwei pendeln uns unterdessen langsam wieder in unseren gewohnten Reisealltag ein und nehmen nun die letzte Etappe ganz hinauf ans Kap, zum nördlichsten Punkt Südamerikas, in Angriff. Die Landschaft wird immer karger und wüstenähnlicher, nur endlosen Bananenplantagen bringen etwas Abwechslung. Anstatt Kühen sehen wir in dieser unwirtlichen Gegend nur mehr Ziegen,
dagegen sind die einsamen Sandstrände an denen wir übernachten, wie z.B. am „Playa Palomino“ oder hinter „Riohacha“, wo wir auch im allerletzten Supermarkt der Zivilisation noch unsere Vorräte auffüllen, einfach unglaublich schön. Der heiße Wind bläst wie ein Fön über die Wüste als wir schließlich „Cabo de la Vela“, die nördlichste Ansiedlung der Halbinsel „Guajira“ errreichen. Es ist ein trockener, windumtoster Flecken Erde, der den Anschein hat, weder zu Kolumbien noch zu Venezuela zu gehören. In der Tat wird diese Gegend als „Tierra libre“ als „freies Land“ bezeichnet und der größte Teil wird autonom von den verschiedenen Klans des Volks der „Wayuu“ verwaltet. Bevor wir uns aber weiter in deren Gebiet hineinbegeben, steht uns der Sinn eher nach etwas Diesel. Da die Einwohnerzahl von „Cabo de la Vela“ mit 4.000 angegeben war, hatten wir doch angenommen, dass es hier eine Tankstelle gibt. Die Zahl hat sich aber anscheinend auf jeden einzelnen „Wayuu“
bezogen, der im Umkreis von hundert km2 im Busch wohnt und eine einsame Tanksäule gibt es hier wohl, nur fließt aus dieser nur Benzin aber
kein Diesel. Wir rollen langsam und suchend über die einzige, staubige Straße durch den Ort, der nur aus wenigen Gebäuden besteht und werden schließlich
doch noch fündig, denn natürlich gibt es in einem Grenzgebiet immer alles. Viele Einwohner haben hier die doppelte Staatsbürgerschaft von Kolumbien und Venezuela und nützen dadurch die Möglichkeit zum blühenden Schmuggel. Alles, von subventioniertem, venezolanischem Essen bis hin zu
Treibstoff wird auf verschlungenen Pfaden über die Grenze gebracht und in Kolumbien gewinnbringend verkauft. Leider hat der völlige Zusammenbruch der venezolanischen Wirtschaft vor ein paar Jahren auch diesen Geschäftszweig inzwischen ins Wanken gebracht, aber Diesel gibt es nach wie vor in Flaschen und Kanistern, man muss sich nur durchfragen, bis man zur richtigen Stelle weitergereicht wird. Mit einem Schlauch wird unser Tank befüllt, über den Preis brauchen wir nicht zu streiten und beide Seiten sind mit dem Geschäft mehr als zufrieden. Dann finden wir noch einen großartigen Gratis-Standplatz direkt am Strand, daneben ein paar kleine Lokale und die Kite-Surf-Schule von zwei kolumbianischen Brüdern, die schon internationale Preise gewonnen haben. Wir machen es uns gemütlich und beobachten die Kite-Surfer, die hier Sprünge ausführen die wir noch nie
irgendwo gesehen haben. Am Abend gehen wir auf ein Bier in die Bar der Kite-Surfer und erfahren, dass am Wochenende hier ein großer Wettbewerb stattfinden wird, daher sind auch die „Besten der Besten“ vorort. Wir wollen
indessen aber auch noch das letzte und schwierigste Stück Wüste bezwingen, bis ganz hinauf nach „Punta Gallinas“. Google veranschlagt dafür fünf Stunden, es gibt hier weder Straßen noch Markierungen
oder auch nur ein einzelnes Hinweisschild. Wir quälen uns im Schritttempo mitten durch das Gebiet der „Wayuu“, immer wieder werden wir von Absperrungen aufgehalten, an denen sich entweder Kinder über Wasser, Kekse und Zuckerl freuen, womit wir uns im letzten Supermarkt bereits in Hülle und Fülle eingedeckt haben, oder an
denen Vertreter der einzelnen Clans Geld für die Durchfahrt durch ihr Gebiet fordern. Das kann ganz gesittet und in Ruhe durch ältere Herren erfolgen, aber auch, wie im Film, durch schwarz
vermummte Jugendliche „Marke Ghettogangster“mit Sturmhauben und verspiegelten Sonnenbrillen, die ihre Gesichter dadurch auf eventuellen Fotos unkenntlich machen wollen und die es sich gleich einmal mit Karl richtig verderben, weil sie unverschämt hohe Geldforderungen stellen und davon nicht abweichen wollen. Als die Debatte einfach nichts bringt und sie unsere Angebote immer wieder ablehnen, platzt Karl schließlich der Kragen, er springt aus dem Unimog und räumt die zur Absperrung aufgetürmten Äste, Baumstämme und Steine eigenhändig aus dem Weg. Mir rutscht bei der Aktion kurz das Herz in die Hose, doch die Gruppe der Jugendlichen ist von seiner zornigen Reaktion so überrascht, dass sie sich nicht von der Stelle rühren und nur fassungslos zuschauen, wie ihre Barriere Stück für Stück verschwindet. Am Schluss, als Karl wieder im Unimog sitzt und schon lautstark Gas gibt, macht
einer noch schnell den Strick los, der die zwischen den Bäumen liegende Piste noch sperrt, anscheinend haben sie nur den einen und nun doch Angst davor, dass wir einfach hindurchfahren, was Karl sicher auch gemacht hätte. Geld haben sie jetzt eben gar keines bekommen – selber schuld! Meistens läuft das Ganze aber friedlich ab und wir versuchen mehr als fünf
Stunden lang, den richtigen Weg zu finden. Immer wieder aber enden die Pisten im Niemandsland oder vor undurchdringlichem Dornengestrüpp, Google hat ohne Netz schon lange aufgegeben, die Einheimischen schicken uns immer wieder in eine andere Richtung und irgendwann reicht es auch uns, wir ändern den Plan und erreichen schließlich den traumhaften Strand „Pilon de Azucar“. Dieser liegt am Fuß einer hoch aufragenden Steilküste und wir können direkt
oberhalb des Strandes mit einem einzigartigen Blick aufs Meer übernachten. Am nächsten Tag genießen wir zuerst den feinsandigen Strand und das türkisfarbene Meer in der Bucht unter
uns und steigen am späten Nachmittag auf den hoch vor uns aufragenden „Pilon“, einem den „Wayuu“ sehr heiligen Felsen auf dem seit den 1930er Jahren eine von Perlenfischern gestiftete Jungfrauenstatue über die Gegend wacht. Wir genießen von dort einen unglaublichen Sonnenuntergang und
einen endlosen Blick übers Land und übers Meer am (fast) nördlichsten Punkt von Südamerika. Nach diesem wunderbaren Erlebnis kehren wir zurück an den Strand von „Cabo de la Vela“,
denn in Karl ist in den letzten Tagen der Wunsch gereift, genau hier einen Kite-Surf-Kurs zu machen. Lange hat er schon davon gesprochen, jetzt ist es also soweit – Mein Respekt alleine für diesen Plan ist grenzenlos. Er widmet also in den
nächsten Tagen seine volle Aufmerksamkeit diesem Kurs, ich bin Zuschauerin und Fotografin, halte mich aber
ansonsten von der extremen Hitze untertags fern und genieße das Strandpanorama im Schatten des Unimogs. Es ist unglaublich zu sehen, mit welcher Hingabe er sich da reinhängt, denn natürlich ist das Ganze wieder einmal weitaus nicht so einfach wie es b
ei den Profis aussieht, aber immerhin schafft er es, in drei Tagen die Grundbegriffe zu lernen und wird seine Kenntnisse sicher in Zukunft vertiefen, sobald wir wieder an einem geeigneten Strand
mit Kitesurfern landen. Täglich besuchen uns außerdem sämtliche Kinder, die hier rund um den Strand daheim sind und unter denen es sich schnell herumspricht, dass wir einen großen Vorrat an kleinen Wasserflaschen, Keksen und Zuckerl im Unimog haben, die wir natürlich gerne verteilen. Zum Abschluss unserer wirklich coolen Zeit hier im Norden treffen wir am letzten Tag noch drei symphatische Burschen aus Bogotá, die mit ihren Jeeps hier in der Gegend ein paar Tage lang richtig Spaß gehabt haben, wie man an den schlammbedeckten Autos deutlich erkennen kann. Sie bestaunen unseren Unimog und wir machen ein paar gemeinsame Fotos. Zusätzlich laden sie uns ein, uns bei ihnen zu melden, sobald wir in Bogotá sind, was wir gerne zusagen.
„Plata o Plomo“ Auf den Spuren von Pablo Escobar und „Kran gegen Unimog“
Jetzt wird es aber wirklich Zeit für uns die Nordküste zu verlassen und uns endlich südwärts ins Innere von Kolumbien hineinzuwenden. Die Entfernungen sind ungewohnt riesig und wir benützen, ganz gegen unsere Gewohnheit, zum Teil auch Autobahnen, einfach nur um jetzt erst einmal Kilometer zu machen. Die meisten davon kosten an den Mautstellen umgerechnet 1-2 Euros, sind also durchaus leistbar und an manchen ist die Begeisterung für den Unimog so groß, dass man uns sogar kostenlos die Schranke öffnet. Es führen aber nur zwei solche Hauptverkehrsrouten durch Kolumbien und schon bald verabschieden wir uns wieder davon und machen Station im
Städtchen „Valledupar“, wo wir mal wieder richtig einkaufen und Wasser tanken, denn nach den Tagen in der Wüste sind vor allem sämtliche Wasservorräte aufgebraucht. Nachdem oben am Kap jeder Tropfen Wasser über viele Stunden in Kanistern und Tank-LKWs angeliefert werden muss, haben wir es dort ausnahmsweise unterlassen, nach Wasser für uns zu fragen. Wir suchen hier in „Valledupar“ auch eine Werkstatt, wo wir unseren rechten Außenspiegel
ersetzen lassen können, den wir bei unserem letzten Off-road-Ausflug in der Wüste zerstört haben. Der freundliche Junge von dem winzigen Wassergeschäft „Aqua pura“ schwingt sich sofort auf sein Fahrrad und fährt uns durch die Stadt voraus bis zu einer entsprechenden Werkstatt, dort meint man: „Alles kein Problem“, wir sollen doch einfach Mittagessen gehen und wenn wir wiederkämen, sei der neue Spiegel fertig. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen, wir finden das winzige Einheimischen-Lokal von „Dona Nelly“, die uns ein köstliches Mittagessen bestehend aus Suppe, Hauptspeise und drei Getränken um umgerechnet gesamt acht Euros serviert und uns dabei zusätzlich noch alles über ihre Familie erzählt. Auch in Zentralamerika waren die Menschen, wie schon so oft hier beschrieben, wirklich freundlich und an uns interessiert, aber Kolumbien schlägt bis jetzt in dieser Beziehung einfach alles! Als wir zur Werkstatt zurückkommen, wird der Spiegel gerade montiert, leider kommen wir aber schnell drauf, dass ein glatter statt eines gewölbten Spiegels eingesetzt wurde, was Karl ab sofort zu ständigem Fluchen bringt, weil er nur mehr einen Bruchteil gegenüber früher darin sieht. Also wird es wohl nichts nützen, wir werden das Ganze wiederholen müssen, wenigstens hat es aber auch fast nichts gekostet.
Wir erreichen unser nächstes Ziel, so ziemlich in der Mitte von Kolumbien gelegen, nämlich „Mompox“, ein früher von Paramilitärs beeinflusstes, jetzt aber für Reisende als sicher geltendes Städtchen. Es liegt allgemein zu weit vom Schuss für den großen Tourismus und hat dadurch noch viel von seinem Ruf eines „Juwels kolonialer Baukunst“ bewahrt, ohne von
hunderten Souvenirläden und Tourenanbietern verschandelt worden zu
sein. Seine Bewohner verdienen ihr Geld nach wie vor mit Fischfang in den unzähligen, die Stadt umgebenden, Lagunen, mit Wasserbüffelzucht und der Herstellung von speziellen, besonders fein gearbeiteten Holzmöbeln. Mompox wäre also das ideale Ziel für ein paar Tage wenn – ja wenn es hier nicht so unvorstellbar heiß wäre. War es in Cartagena furchtbar heiß, ist es in Mompox einfach nicht auszuhalten, das Thermometer klettert schon am Vormittag bis auf 50 Grad! Es kühlt auch in der
Nacht nicht unter 30 Grad ab und wir flüchten – zum allerersten Mal auf unserer Reise – aus dem Unimog ins kleine, mit umgerechnet 20,00 Euro pro Nacht wirklich günstige Hotel „Santa Cruz“am Ortsrand, wo auch der Unimog gratis und sicher im Innenhof parken darf. Jedesmal wenn wir das klimatisierte Zimmer zur Stadterkundung verlassen, schlägt uns die Hitze wie eine Wand entgegen. Dabei ist der Ort, in dem bereits Alexander von Humboldt 1801 zu Studienzwecken Krokodile sezierte, wirklich wunderschön. Wenn die Sonne tiefer sinkt, spazieren wir durch die ruhigen Gassen und sitzen in gemütlichen, kleinen Lokalen direkt am träge dahinfließenden Fluss.
Zwei Tage vertrödeln wir so im beschaulichen, heißen Mompox, dann machen wir uns auf den Weg in jene Stadt, an die jeder sofort denkt, wenn der Name Kolumbien ins Spiel kommt. Wir fahren nach „Medellin“ und begeben uns dort natürlich auch auf die Spuren des Drogenbarons „Pablo Escobar“. Wir erreichen die nach der Hauptstadt „Bogotá“ zweitgrößte Stadt Kolumbiens, die auf einer Höhe von 1.540 m liegt, nach einer schier endlos erscheinenden Fahrt durch Ebenen, Hügelland und Palmöl-Monokulturen. Stetig steigt die Straße an und dann geht es plötzlich hinein ins Hochtal „Valle de Aburrá“, das praktisch völlig ausgefüllt ist durch die ca. 4 Mill. Einwohner Stadt Medellin. Rundherum ist das Tal komplett zugebaut, im Zentrum ragen Hochhäuser auf, die Berghänge bestehen einzig aus einem Gewirr aus übereinander geschachtelten Häusern aus roten Ziegelsteinen. Der tosende Verkehr verschlingt uns mit einer unglaublichen Wucht. Vielspurige Stadtautobahnen, voll mit allem was zwei oder vier Räder hat, durchziehen die Stadt. Mopeds und Motorräder überholen von rechts genauso wie von links, was in Mittel- und Südamerika zwar sowieso üblich ist und was wir inzwischen gerne auch selbst praktizieren, doch der Verkehr folgt hier eigenen Regeln die meistens nur aus dem Recht des Stärkeren bestehen bzw. der, der sich noch schnell vordrängt, der fährt halt auch als
erster. Karl ist wie immer die Ruhe selbst, doch durch den unsachgemäß reparierten Spiegel müssen wir umso mehr auf Mopeds und Radfahrer bzw. in den Ampelbereichen auch noch auf die durch die Kolonnen wuselnden Straßenverkäufer aufpassen, alle drängen sich ständig und unvorhergesehen links und rechts an uns vorbei. Endlich erreichen wir „El Centro“, den ältesten Teil von Medellin und stellen den Unimog auf einem 24-Stunden-Parkplatz ab. Viele Touristen verzichten bewusst darauf, in diesem nach wie vor als nicht ungefährlich geltenden Teil der Stadt zu übernachten
und kommen hierher, wenn überhaupt, nur höchstens für ein paar Stunden und natürlich nur untertags. Wir wollen es aber unbedingt kennenlernen, das authentische Medellin und starten zum ersten Rundgang. Leider muss ich aber relativ schnell feststellen, dass ich diesem Stadtteil absolut nichts Schönes abgewinnen
kann. Einzig die zwischen Hochhäusern und vollen Straßen fast verschwindende „Plaza Botero“ mit den Skulpturen des kolumbianischen Künstlers ist eine Ausnahme, ansonsten erstickt dieser Stadtteil in hupendem Verkehr, riesigen Menschenmassen, aufdringlichen Marktschreiern, plärrenden Lautsprechern, dreckigen Straßen, vernachlässigten Parks mit klebstoffschnüffelnden Individuen und es ist hier der erste Ort in Kolumbien, wo ich nach Einbruch der Dunkelheit echt froh bin, dass ich nicht alleine unterwegs bin, sondern Karl an meiner Seite weiß. Trotzdem durchstreifen wir noch eine Zeit lang das Innenstadtviertel und ziehen uns dann zum Schlafen auf den Parkplatz zurück. Dort ereilt uns noch
ein gehöriger Schreck, denn als wir unsere Einstiegsleiter hereinholen wollen, die aus Platzgründen immer bis zum Schlafengehen draußen lehnt, ist diese verschwunden. Wir ärgern uns maßlos über uns selbst und unsere Sorglosigkeit, denn so eine Aluleiter kann logischerweise gleich mal einer brauchen bzw. bringt sie einem Dieb sicher beim Verkauf gutes Geld ein. Karl springt dann von der Kabine nach unten und – Gott sei Dank – er findet die Leiter vorne an den Unimog gelehnt. Er glaubt, der Parkplatznachtwächter hat sie dorthin gelehnt, ich bin aber eher der Meinung, dass sie sehr wohl jemand klauen wollte, der dann aber gestört wurde und es sich anders überlegt hat. Egal, hauptsache sie ist da und seither sind wir viel vorsichtiger und holen sie jedesmal gleich herein, sobald wir die Kabinentür schließen. Am zweiten Tag wechseln wir dann in Medellin’s Ausgehviertel, nach „El Poblado“. Hier halten sich die meisten Touristen auf, hier wimmelt es nur so von schicken Hotels, Cafés, Restaurants und Bars. Aber grundsätzlich könnte dieses Viertel in jeder beliebigen anderen Stadt liegen, es sagt nicht wirklich etwas über Medellin aus. Wir sind auch nur aus einem Grund gekommen: Hier startet heute Nachmittag die „Pablo Escobar Tour“, zu der wir uns angemeldet haben. Wir parken den Unimog mitten im Vergnügungsviertel, direkt vor der symphatischen Bar „Bandido“, was niemanden hier zu stören scheint und begeben uns zum Treffpunkt, wo unser englischsprachiger Guide auf uns wartet.
Während der nächsten vier Stunden sind wir mit Guide und Kleinbus zu mehreren Stationen in Escobar’s Leben unterwegs und dort, bzw. auch auf der Fahrt, erfahren wir alles Wissenswerte über den Drogenbaron und die für Kolumbien so schrecklichen Zeiten der Herrschaft seines „Medellin Kartells“. Ich habe im Vorfeld dazu bereits ein Buch gelesen und, obwohl die kolumbianische Regierung nahezu alle Bauten und was sonst noch an Pablo Escobar erinnern könnte, fast vollständig zerstört hat, ist es spannend, einige Schauplätze zur Geschichte zu besuchen. Escobar, der nicht wohlhabend aber in geordneten Verhältnissen aufgewachsen war, begann bereits als achtjähriger seine Karriere mit Schmuggel von Zigaretten und Marihuana, später als Jugendlicher auch mit Autos. Als in den 1970er Jahren die Nachfrage nach Kokain in den USA explodierte, sprang er umgehend auf diesen Zug auf und organisierte Rohkokain aus Bolivien und Peru, das er in, im kolumbianischen Dschungel versteckten, Laboren weiterverarbeiten ließ und anschließend, erst mittels menschlicher Kuriere, dann mit Schiffen, Flugzeugen und am Schluss sogar mittels eigens dafür angeschafften U-Booten in die USA brachte. Bald schon kontrollierte das Kartell 80% des Kokaingeschäftes. Der 1,68 m kleine „Patrón“ machte damit so viel Geld, dass 1989 sein Privatvermögen auf 2,7 Milliarden Dollar geschätzt wurde, was ihn zu diesem Zeitpunkt zum siebtreichsten Mann der Welt machte. Er und seine Kumpane wußten teilweise nicht mehr wohin mit dem vielen Bargeld, Escobar kaufte unzählige Häuser, Grundstücke, Autos, Hubschrauber, Privatjets und unter anderem die 28 km2 große, legendäre „Hacienda Napoles“ auf der wöchentlich
rauschende Parties gefeiert wurden und die den größten Privatzoo Südamerikas beherbergte (den es heute dort noch gibt), wofür sogar Flusspferde und Giraffen aus Afrika eingeflogen wurden. Trotzdem konnten er und seine Kumpane das Geld nie zur Gänze ausgeben, vieles wurde in Säcken vergraben, vergessen und verschimmelte dort nach Jahren oder wurde in Häusern eingemauert, z.B. fand Escobar’s Neffe, lange nach dessen Tod eine riesige Summe Bargeld in der Wand seiner Wohnung. Das alles hätte Kolumbien mehr oder minder geduldet, aber Pablo Escobar wurde größenwahnsinnig, wollte bewundert werden, ging in die Politik und ebnete sich diesen Weg indem er eine immer blutrünstigere Spur hinter sich herzog. Er räumte gnadenlos Richter und Staatsanwälte aus dem Weg, legte Bomben an öffentlichen Orten, ohne Rücksicht auf Zivilisten, setzte ein Kopfgeld von 1.000 US$ auf jeden toten Polizisten aus und führte ein Schreckensregiment selbst in den eigenen Reihen. Er prägte den Begriff „Plata o Plomo“ was übersetzt so viel heißt wie „Geld oder Kugel“ – Wer sich nicht bestechen ließ, war damit automatisch gegen ihn und wurde früher oder später beseitigt. Am Platz eines seiner ehemaligen Wohnsitze befindet sich heute ein Mahnmal das aus langen Marmorplatten besteht, die auf der einen Seite von tausenden Löchern, die aussehen wie Einschüsse, übersät ist und wo jedes Loch für einen vom Kartell getöteten Menschen steht und auf der anderen Seite sind viele seiner Schreckenstaten einzeln aufgeführt. Unser Guide sagt dazu an dieser Stelle den beeindruckenden Satz: „Mit Sicherheit war Pablo Escobar ein weit schlimmerer Mörder als Osama Bin Laden…“ – Es war also der kolumbianischen Regierung jahrelang nicht möglich, gegen Escobar und sein Kartell vorzugehen, jedoch als er 1989 ein Flugzeug, in dem er einen unerwünschten Präsidentschaftskandidaten von Kolumbien vermutete, mit Hilfe eines darin platzierten Selbstmordattentäters, zum Absturz brachte, wobei alle 107 Insassen ums Leben kamen, begann sich die USA in den Drogenkrieg einzumischen. 1993 entging er einer Auslieferung an die USA, die er am allermeisten fürchtete, nur mehr dadurch, dass er sich und seine engsten Getreuen freiwillig in ein selbst entworfenes und nach seinen Plänen gebautes Luxus-Gefängnis genannt „La Catedral“ einsperren ließ, dessen Überreste wir bei unserer Tour ebenfalls besuchen. Ausgestattet mit allen Annehmlichkeiten die Pablo benötigte, mit einem Hubschrauberlandeplatz für seine Gäste und für eigene, gelegentliche Ausflüge, sowie einem Traumblick auf „Medellin“, verbrachte er hier ein ruhiges Jahr, ließ sich von Spitzenköchen, die er aus den besten Hotel abwarb, verwöhnen und leitete weiterhin problemlos sein Unternehmen. Als der Druck der Amerikaner ihn in ein richtiges Gefängnis zu verlegen aber immer größer wurde, floh er von dort und blieb ab diesem Zeitpunkt bis zu seinem Tod auf der Flucht. Mehrere Male entkam er seinen Verfolgern, auch mal nur in Unterwäsche, über die Dächer, immer
wieder warnte ihn auch rechtzeitig vor allem die einfache Bevölkerung von „Medellin“, für die er ganze Viertel modernisiert hatte, mit denen er auf von ihm neu gebauten Plätzen leidenschaftlich gerne Fußball spielte und die ihn nach wie vor wie einen großen Staatsmann verehrte. Am Ende nützte alles nichts, die Amerikaner begannen in einer über ein Jahr dauernden Geheimaktion seine Telefonate abzuhören und lokalisierten ihn schließlich am 2. Dezember 1993, einen Tag nach seinem 44. Geburtstag, in einem Haus in „Medellin“, wo er anschließend, gemeinsam mit seinem Leibwächter, bei der Flucht über die Dächer erschossen wurde. Da die Amerikaner sich natürlich in Kolumbien nicht offen an der Verfolgung von Escobar beteiligen durften, heißt es bis heute, die extra für seine Jagd gegründete, kolumbianische Sondereinheit „El Bloque“ hätte die tödlichen Schüsse abgegeben, da jedoch Escobar wie auch sein Leibwächter jeweils durch Präzisionsschüsse zwischen die Augen bzw. durch die Ohren getötet wurden, ist es ein offenes Geheimnis, dass es die Scharfschützen der CIA waren, die das Leben des Drogenbosses beendeten und das Land aufatmen ließen. Seine Frau und die beiden Kinder durften später nach Argentinien ausreisen, wo sie noch heute leben. Der Abschluss der Tour führt uns dann noch auf den Friedhof zu Escobar’s Grab, auf das bis heute nach wie vor laufend von den Einheimischen frische Blumen gelegt werden. Pablo Escobar ist bis heute die bekannteste Person Kolumbiens, wie uns unser Guide bestätigt. Schmunzelnd fügt er noch hinzu: „Zum Leidwesen von Shakira… “
Uns hat die Tour gefallen, obwohl es nicht sooo viel zu sehen aber dafür viel zu erfahren gab und wir schlendern nach dem Abschluss zurück zu unserem Unimog. Dabei beschleicht uns bereits auf dem Weg dorthin ein eigenartiges Gefühl, denn dort wo am Nachmittag noch überall Autos fuhren, stehen jetzt Tische, Stühle und Schirme auf den Straßen. Das ganze Ausgehviertel scheint zur Fußgängerzone geworden zu sein. Ja, genau so ist es, bekommen wir in der Bar vor der wir parken, mitgeteilt. Jeden Tag ab 17.00 ist dieses Viertel autofrei. Autofrei?!? Nicht wirklich…, da steht doch noch ein großer, weißer Unimog mitten zwischen den Tischen und Stühlen… ! Nicht gut, gar nicht gut, das ist uns ziemlich schnell klar. Wir trinken erst mal ein Bier zum Nachdenken und dabei erfahren wir von den Mitarbeitern des „Bandidos“, die über unsere Gelassenheit staunen und Gott sei Dank gar nicht sauer sind, dass sie heute mal ihre Tische nicht auf die Straße stellen konnten, dass Polizisten in den letzten Stunden bereits mehrmals beim Unimog waren. Sie hätten dann erst einmal einen Strafzettel geschrieben (ja, den haben wir schon gefunden und vorsorglich gleich mal weggeschmissen), aber das Beste kommt noch: Sie hätten einen Abschleppwagen mit Kran gerufen, um das Fahrzeug abzuschleppen, dieser konnte unseren Unimog aber um keinen Zentimeter bewegen. Daraufhin musste ein zweiter, größerer Kran her, leider (für die Polizei) aber mit dem gleichen
Ergebnis. So mussten sie also ihren Plan aufgeben den Unimog zu entfernen, entkommen können wir ihnen aber natürlich nicht, denn sie erwarten uns nun, nachdem wir uns mit Hilfe liebenswürdiger Kolumbianer, die Tische und Stühle von der Straße für uns zur Seite räumen, durch das Viertel gekämpft haben, bei einer Absperrung, wo man uns schließlich stoppt. Fast alle Beamten sind freundlich und finden das Ganze eher lustig, alle bis auf einen, wahrscheinlich der „Kran-Verantwortliche“, der stellt uns tatsächlich einen neuen Strafzettel aus, weil wir behaupten, den alten nicht gefunden zu haben und er lässt sich dazu extra viel Zeit und ist überhaupt nicht gut gelaunt. All unsere Einwände, dass es nirgends ein Hinweis auf dieses abendliche Parkverbot gegeben hätte, nützen am Ende nichts. Er nimmt alles auf, unsere Reisepassdaten und die Daten der Einfuhrgenehmigung für den Unimog und gibt uns eine Adresse an der wir am nächsten Tag die Strafe (er spricht von umgerechnet 200 Euros….) bezahlen müssten, ansonsten hätten wir bei der Ausreise an der Grenze wohl große Probleme. Wir überlegen ernsthaft, auch diesen Zettel einfach wegzuschmeißen, denn eigentlich glauben wir ihm seine Drohung nicht wirklich. Irgendwie trauen wir uns das aber dann doch nicht so ganz, weil er eben alle unsere Daten hat und fahren am nächsten Vormittag zur Zahlstelle. Dort nehmen uns gleich ein paar Helfer in Empfang, so ähnlich wie die an den Grenzen,
sie schleppen uns in ein kleines Büro, wo man uns erklärt, wenn wir die Strafe hier und nicht in der offiziellen Zahlstelle einzahlen, können sie diese für uns reduzieren (Ha ha, sehr cool, warum gibt es das eigentlich bei uns nicht…?!). Eigentlich wollten wir ja noch versuchen, uns in der Zahlstelle zu rechtfertigen um gar nichts zu zahlen, aber als wir die lange Schlange dort vor der Türe sehen, akzeptieren wir nach kurzer Überlegung das Angebot der Vermittler und zahlen am Schluss inkl. deren Spesen umgerechnet 60,00 Euro. Blöd ist es natürlich trotzdem, aber da es unsere allererste Strafe ist seit wir unterwegs sind, ist es zu verschmerzen und – Die „Unimog besiegt Kran“-Story war’s allemal wert!
Fertig sind wir mit Medellin aber noch keineswegs, wir finden einen wunderbaren, bewachten Parkplatz auf dem wir auch übernachten dürfen und der ganz in der Nähe einer Metro-Haltestelle liegt. Diese ultramoderne 1995 errichtete, blitzsaubere Metro, die viele europäische U-
Bahnen vor Neid erblassen lassen würde, führt auf hohen Stelzen ca. 40 km kreuz und quer durch Medellin und man kann damit total bequem die Stadt erkunden.
Direkt angeschlossen sind außerdem zwei Seilbahnlinien, gebaut von der deutschen Firma Leitner, die seit ihrer Errichtung 2004 dafür sorgen, dass die sozial schwächeren Viertel, die „Barrios“ ganz oben an den Berghängen besser erschlossen und an das Zentrum der Stadt angegliedert werden, wodurch Armut und Kriminalität in den betreffenden Stadtteilen stark reduziert wurden. Natürlich müssen wir eine Seilbahnfahrt absolvieren und es bietet sich dabei nicht nur ein unglaublicher Blick über die gesamte Stadt, sondern die Gondeln schweben dicht über Hausdächer und Balkone, man schaut hinunter auf trocknende Wäsche, spielende Kinder und Hinterhofzusammenkünfte. Am Abend streunen wir – diesmal lieber zu Fuß – noch ein bisschen durch’s Partyviertel und am Ende des Tages sind wir uns einig: Medellin ist keine Stadt wie jede andere, sie hat schon eine ganz eigene, wenn auch manchmal gewöhnungsbedürftige, Ausstrahlung und – Sie war einen Besuch auf jeden Fall wert!
Trotzdem tut es gut dem Verkehr der Großstadt wieder zu entfliehen und wir freuen uns, dass sich unser nächster Stopp, den uns Einheimische ans Herz gelegt haben, mitten in einem künstliches Seengebiet mit unzähligen Inseln und Halbinseln befindet, das in den 1970er Jahren durch ein Staudammprojekt entstanden ist. Schon auf der Fahrt dorthin fühlt
man sich wie im steirischen Hügelland, eine Gärtnerei reiht sich zudem an die nächste, nicht umsonst ist Kolumbien nach Holland der zweitgrößte Blumenexporteur der Welt. Einladende Restaurants mit rauchenden Grills laden zum Mittagessen ein, überall gibt es echte kolumbianische Hausmannskost aus riesigen Töpfen und die typischen „Salchichas“ die langen, mit richtig viel Fett durchzogenen Würste, die direkt vom Grill auf unseren Tellern landen und nach deren Genuss man mindestens einen goßen Schnaps braucht. Mitten in dieser atemberaubenden Landschaft
erhebt sich plötzlich vor uns wie eine Nadel der 200 m hohe Granitfelsen „
Piedra del Penon“, der vom See aus an den Zuckerhut von Rio de Janeiro erinnert. Hinauf führen 659 schwindelerregende Stufen, Karl schafft sie natürlich mal wieder eine Viertelstunde schneller als ich, die ich auf der
schmalen Treppe zusätzlich noch mit meiner Höhenangst kämpfe. Aber oben hat man dann tatsächlich einen gigantischen Rundumblick über die umliegende Landschaft bis hin zum kleinen, gemütlichen Ort „Guatapé“ mit seinen buntgestrichenen Häusern und kleinen Lokalen, wo wir dann auch unsere nächste Nacht verbringen. Es hat hier am Abend nur mehr 17 Grad und zum ersten Mal seit vielen Monaten decken wir uns, anstatt mit einem Leintuch, wieder mit einer normalen Bettdecke zu.
Ein Traum wird wahr oder „Der lange Weg zum Grünen Gold“
Eigentlich würde man als normaler Tourist wohl jetzt als nächstes wieder die Autobahn ansteuern um die Hauptstadt „Bogotá“ zu erreichen, wieder einmal haben Karl und ich aber ganz was anderes im Sinn. Wir wollen mitten durch die Berge Richtung Bogotá fahren, denn dort, weit ab von der Zivilisation, mitten im Regenwald, gibt es etwas was wir unbedingt sehen wollen: Die Minen in denen das „Grüne Gold von Kolumbien“ die Smaragde geschürft werden. Die Spezies „Touristen“ kommt dort so gut wie gar nicht vor, man kann sich einen Besuch dieser Gegend nur auf eigene Faust organisieren und, da es dort wohl nach wie vor ab und an zu Überfällen etc. zu kommen scheint, ist man angehalten, sich vorher über die Sicherheitslage in diesem Gebiet in der „Gobernacion der Stadt Tunja“ zu erkundigen. Dieser Hinweis ist zwar sicher sehr gut gemeint, aber Tunja liegt von uns aus gesehen genau auf der anderen Seite der Smaragdberge, also, wie immer, so wild wird’s schon nicht werden, wir fahren einfach mal los.
Tatsächlich war „Westboyaca“, das Gebiet der bedeutendsten Smaragdminen Kolumbiens, schon von jeher ein gefährlicher Unruheherd. Immer schon wurden um die „Kinder der Sonne und der Berge“ wie die Smaragde von den Ureinwohnern genannt wurden, verheerende Kämpfe ausgetragen. Waren es ganz früher die einzelnen Völker der Indios untereinander, später dann die unersättlichen Spanier, ging der „blutige Krieg der Berge“ auch im 20. Jhdt. weiter. Mitte der Siebzigerjahre zog sich das kolumbianische Militär, das die bis dahin staatlichen Minen schützte, nach schweren Übergriffen, aus der Region zurück und ab diesem Zeitpunkt kontrollierten rivalisierende Mafiaclans mit paramilitärischen Schwadronen die Gegend und ritterten um die Vorherrschaft im Smaragdabbau und -handel. Erst 1991 endete der Smaragdkrieg, nach 30 Jahren und über 7.000 Toten und es kam zu einem Friedenspakt zwischen den Smaragddörfern und den beiden größten „Smaragdzaren“, der aber seit dem Jahr 2013, nach wiederholten Attentaten und Angriffen zwischen den einzelnen Gruppen, wieder in Gefahr sein soll. 60 % der Weltsmaragdproduktion erfolgt in Kolumbien, das Land exportierte allein im Jahr 2013 Smaragde im Wert von 127 Millionen US$, davon stammten vier Fünftel aus der umkämpften Region „Boyaca“. Private Minengesellschaften, bei denen aber angeblich im Hintergrund immer noch Kartelle und Mafiaclans die Zügel in der Hand halten sollen, haben inzwischen den Abbau übernommen, ihre Gebiete sind streng abgeriegelt und Besucher nicht erwünscht. Doch gleich in der Nähe gibt es auch noch einen anderen Teil des Smaragdgebietes, dort wo jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und wo jeder nach Smaragden suchen kann, der nur genug Fleiß und Mut dazu mitbringt.
Genau dort wollen wir nun also hin. Schon der erste Teil der Strecke führt uns mitten durch das kolumbianische Hochland. Die enge Schotterstraße führt zwischen Viehweiden und kleinen Gehöften hindurch, mit dem Pferd unterwegs zu sein ist
hier noch durchaus üblich, in den winzigen, oft nur aus wenigen Häusern bestehenden Ortschaften gibt es überall Unterstände, in denen die „Campessinos“ ihre Pferde
und Mulis anbinden und füttern können, während sie entweder einkaufen oder sich an den Sonntagen die Zeit in den Bars oder beim Besuch einer Hahnenkampfarena vertreiben. Prächtige Hähne, die extra für diese Kämpfe gezüchtet werden, sowie die kleinen, hölzernen Arenen, sieht man überall in den Dörfern. Auf den Besuch eines solchen, blutigen Spektakels verzichten wir aber gerne.
Jedes noch so kleine Dorf, bzw. jede Bar die etwas auf sich hält, verfügt außerdem über eine „Tejo“-Bahn“. „Tejo“ ist sozusagen Nationalsport in Kolumbien. Jede Bahn ist ca. 20 m lang und ca. 2 m breit. Vorne und hinten lehnt ein mit Ton oder Lehm gefüllter Holzrahmen in denen kleine, mit Schießpulver gefüllte Zielscheiben, genannt „Mechas“ gepresst werden. Die beiden Teams werfen abwechselnd ein ca. 2 kg schweres Eisenstück von einer Seite auf die andere, trifft man ein „Mecha“, sodass dieses knallend explodiert, bekommt die Mannschaft einen Punkt. Wie überall auf der Welt bei solchen Spielen, fließt natürlich zwischendurch auch hier das Bier in Strömen. Wir hatten uns fest vorgenommen, einmal bei so einem Spiel mitzumachen, leider hat sich dann aber die Gelegenheit dazu nicht ergeben.
So gibt es auch bei dieser Fahrt links und rechts immer etwas zu schauen für uns, nur mit dem Vorwärtskommen ist das auf den holprigen Schotterwegen so eine Sache. Ans Übernachten ist hier nicht zu denken, die Wege sind zu eng, links und rechts schließt sich unmittelbar der dichte Regenwald an, die einzigen, etwas breiteren Stellen werden zum
Ausweichen benötigt oder es steht dort eine Hütte. Gott sei Dank finden wir, bereits im Dunkeln, eine Tankstelle an der wir die nächste Nacht verbringen dürfen. Am nächsten Tag müssen wir als
erstes den größten Fluss Kolumbiens, den „Rio Magdalena“ überqueren. Nachdem wir uns jedoch hier auf einer absoluten Nebenstrecke befinden, gibt es dazu keine Brücke, sondern wieder einmal eine kleine Fähre auf der nur 2-3 Fahrzeuge Platz haben. Einen Unimog hat man hier wohl noch nie gesehen und staunend schaut uns der ganze Ort dabei zu, wie Karl gekonnt rückwärts auf die wackelige Plattform fährt. Auf der anderen Seite erwartet uns dann sogar wieder ein kurzes Stück Autobahn, neben der immer wieder kleine Straßenküchen angesiedelt sind, deren Beliebtheit man ganz einfach an der Anzahl der davor auf dem Pannenstreifen abgestellten LKWs erkennt. Zu Mittag reihen wir uns dahinter ein und genehmigen uns zwei deftige Menüs inkl. Suppe, Hauptspeise und Getränken, für die wir
umgerechnet mal wieder nur gesamt 6,00 Euros zahlen. Noch die üblichen Fotos mit LKW-Fahrern und Mitarbeitern des Lokals absolviert, die wie immer einen Riesenspaß mit uns und dem Unimog haben und weiter geht es Richtung Berge.
Die Straße wird schnell wieder zum Schotterweg, eine gesperrte Brücke muss umfahren werden, wobei uns Einheimische
vorausfahren, denn diese Umleitung hätten wir alleine nie gefunden, dann zieht auch noch ein riesiges Gewitter auf, der lehmige Weg wird zur Schlammschlacht und noch immer zeigt Google über 70 km bis zum Ziel an, das wir bei inzwischen durchschnittlichen 10 km/h wohl heute wieder nicht erreichen werden. Wir kommen in einen größeren Ort, ich will hier übernachten aber Karl will weiterfahren und so kommt es, dass wir bald wieder im Dunkeln unterwegs sind und uns letztendlich hoffnungslos verirren. Natürlich gibt es hier kein Telefonnetz, also keine Chance für Google, der in solchen Gebieten aber sowieso völlig für die Katz‘ ist, weil er auch Wege als Straße anzeigt, die höchstens mit Pferd oder Motorrad bewältigbar sind. Es bleibt uns also nichts anders übrig als zu hoffen, dass der Schotterweg nicht noch schmäler wird und dass er uns irgendwann in ein Dorf führen wird, wo wir übernachten und nach dem Weg fragen können. Genau auf so ein Dorf stoßen wir dann auch, es heißt, wie wir später erfahren, „Ibama“, hat 50-60 Einwohner, so genau weiß das hier glaube ich keiner und von diesen sind 90% innerhalb von 10 Minuten auf der Straße, als wir
mit dem Unimog so überraschend aus der Dunkelheit auftauchen. Alle umringen uns, alle reden auf uns ein, niemand kann sich so richtig erklären, was die zwei in dem Truck
denn eigentlich hier wollen, denn in diesem Dorf waren sicher noch niemals irgendwelche Touristen. Als wir klargemacht haben, dass wir erstens keine „Gringos“ sind (sehr wichtig in allen Teilen von Mittel- und Südamerika, denn die als überheblich geltenden Nordamerikaner sind hier nirgends sonderlich beliebt…), sondern Europäer, die nichts anderes brauchen als einen Platz zum Übernachten, werden wir sofort zum kleinen Dorfplatz geführt und dürfen hier für die Nacht einparken. Ich bin nach diesem anstrengenden Tag echt geschafft und auf mich einredende Menschenmengen rund um den Unimog sind mir von jeher ein Graus, ich verziehe mich also schnellstmöglich ins Innere der Kabine und überlasse damit Karl seinem Schicksal, der umgehend von den begeisterten Dorfbewohnern in die Kneipe geschleppt wird. Es findet sich ein junger Mann der ein bisschen englisch spricht und schon bald kennt das ganze Dorf die Geschichte unserer Reise, die für die meisten einfach unvorstellbar ist. Zudem schlagen
sie die Hände über dem Kopf zusammen als sie hören wohin wir eigentlich wollen, nämlich ins Gebiet der Smaragdminen, wir sind nämlich bereits weit vom richtigen Weg abgekommen. Es ist ein besonders freundlicher Menschenschlag hier in „Ibama“, alles wird uns angeboten, übernachten, essen und trinken sowieso und Karl zusätzlich eine dauerhafte Wohnmöglichkeit im Haus einer sehr netten Dame, bei der er
am nächsten Morgen gleich mal zum Kaffee eingeladen wird. Da muss ich aber dann doch einschreiten, zudem uns „Jason“, der junge Übersetzer von gestern Abend, dann überraschend anbietet, uns mit seinem Motorrad den fünf Stunden langen Weg bis zum
Gebiet der Minen vorauszufahren. Ganz ohne etwas dafür zu verlangen, er hätte sowieso eine Schwester dort in der Gegend, die er schon lange einmal wieder besuchen wollte – Bitte wo gibt es denn so etwas noch bei uns?! Wir nehmen sein Angebot dankend an und wissen dieses in den kommenden Stunden nicht nur einmal hoch zu schätzen, denn im Gewirr dieser winzigen,
sich immer wieder teilenden Schotterwege hätten wir uns alleine niemals
zurechtgefunden. So folgen wir also Jason, in der vorherigen Nacht hat es wieder einmal fast durchgehend geregnet und wir kämpfen uns langsam durch den Schlamm. Irgendwann laufen wir auch noch auf zwei mit Schotter beladene LKWs auf, die uns noch zusätzlich bremsen, weil sie ständig in den tief ausgespülten Rinnen der Wege aufsitzen und jedesmal erst mühsam wieder befreit werden müssen. Aber schon bald sind wir froh über die mit Schaufeln, Spitzhacken und Bergegurten ausgerüsteten LKW-Fahrer vor uns, denn plötzlich versperrt ein großer Felsbrocken den engen Weg und mit vereinten Kräften wird dieser relativ schnell an die Seite befördert und wir können die Fahrt fortsetzen. Trotzdem erreichen wir „Quípama“ nicht in fünf Stunden sondern brauchen fast acht für die Fahrt und freuen uns wirklich, als wir dann am Abend vor der kleinen Finca von Jason’s Schwester übernachten dürfen.
Am nächsten Tag geht’s dann endlich zum hart erkämpften Ziel: Jason fährt wieder voraus und nach ca. einer halben Stunde eröffnet sich uns der erste Blick auf die riesigen. schwarzgefärbten Schutt- und Schlackenhalden, auf denen jeder, ohne eine Genehmigung zu benötigen, nach Smaragden graben kann. Weiter oben im Tal, streng abgeschirmt von der Öfentlichkeit,
befinden sich die Minen der großen „Mining-
Companies, aber hier unten ist der Platz der uns interessiert. Genau hier im Tal der Glücksritter, wo Freud‘ und Leid so nahe beisammen liegen. Wir parken den Unimog, ziehen unsere Gummistiefel an (jaaa ok, mein stylisches Modell mit Katzenmotiv und 5 cm Absatz ist hier vielleicht nur semi-optimal, aber was soll’s, es wartet schon lange auf seinen ersten Einsatz…) und steigen hinunter über die endlos erscheinende Halde, durch die ein kleiner Bach fließt. Jason, der selbst schon als „Miner“ gearbeitet hat, seine ganze Familie war bzw. ist im Smaragdgeschäft tätig, erzählt uns, wie hart der Alltag der Menschen hier ist. Man findet sie alle hier, sagt
er uns: „Die Glücklichen, die Traurigen, die Verzweifelten und die Hungrigen“. Aber es ist wohl wie beim Lotto: Die Tatsache dass immer wieder Steine
gefunden werden, lässt sie alle weitermachen, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir sehen Frauen, genauso wie Männer und Jugendliche von höchstens zwölf, dreizehn Jahren, dazwischen
ausgemergelte Gestalten, denen man ansieht, dass sie ihr gesamtes Leben der Smaragdsuche auf dieser Halde
gewidmet haben. Alle sind von oben bis unten mit schwarzem Staub bedeckt, die Sonne brennt erbarmungslos herab und sie versuchen sich mit Netzen notdürftig davor zu schützen. Hunderte Wasserschläuche durchziehen das Gelände, jeder muss seinen „Claim“ selbst mit Wasser versorgen, das dann, oft unter Zusatz von giftigen Chemikalien, zum
Ausspülen des Materials verwendet wird. Zuerst muss das Gestein jedoch mühevoll mit Spitzhacken abgetragen werden. Das überschüssige, bereits durchsuchte Geröll wird anschließend in Loren per Hand über hohe Kanten geleert, was wiederum einen täglich wechselnden Weg durch die Halde ergibt. Wir dürfen überall ganz nahe heran, gerne zeigt man uns, wie die Arbeiten vor sich gehen und so manche Hand öffnet sich uns und man
präsentiert uns die gefundenen Steine, die man natürlich auch gleich zum Kauf anbietet. Aber immer winkt Jason ab und deutet weiter nach unten. Er selbst hat natürlich auch einen Spitzhammer mitgebracht und immer wieder schlägt er bestimmte Steine damit auf, um darin
vielleicht doch ein paar grüne Steine blitzen zu sehen. Ich versuche auch einmal kurz mein
Glück, gebe aber in der unglaublichen Hitze relativ schnell wieder auf. Nach immer wieder neuen Windungen der nicht endenwollenden Halde, erreichen wir schließlich die Talsohle. Dort liegt, an der Seite an die Felsen geschmiegt, eine Ansammlung von kleinen Hütten, in denen die Arbeiter mit Essen und Getränken versorgt werden. Auf dem winzigen Platz dazwischen, genannt „La Playa“ bemerken wir zwischen den leicht zu erkennenden, weil von Kopf bis Fuß schwarzen, Arbeitern, auch
gut gekleidete Männer mit Hüten und weißen Schals. Das, sagt uns Jason, seien die Händler aus Bogotá, die den langen, beschwerlichen Weg in ihren Geländewägen gerne auf sich nehmen, um sich hier, direkt an der Quelle, die besten Steine zu sichern. Wir lassen uns gleich daneben an den einfachen Tischen nieder, beobachten das Feilschen der Männer und genießen diese wirklich sehr spezielle
Atmosphäre bei kolumbianischem Essen und ein paar Bier. Immer wieder kommen die
Edelsteinsucher auch an unseren Tisch und breiten ihre Steine zum Verkauf auf ihren“Ruanas“, den für diese Berggegend typischen Schals, vor uns aus. Wir wollen ja nichts teures kaufen, aber ein paar Steine als Andenken an dieses einzigartige Erlebnis müssen auf jeden Fall sein und hier ist
dann auch Jason zufrieden mit dem Angebot und schlussendlich wechseln ca. zwanzig Steinchen den Besitzer, zu einem Preis, für den wir zwei Unwissenden, weiter oben höchstens zwei oder drei bekommen hätten. Ja, es macht halt schon Sinn, hier einen Einheimischen bei sich zu haben. Nach dieser Pause steigen wir langsam wieder den ganzen Weg hinauf, was mir, ob des losen Gerölluntergrundes und der nach wie vor sengenden Sonne, meine letzten Reserven abverlangt (Nein Karli, die Stiefel sind ganz sicher nicht schuld,…!). Ich muss viele Pausen einlegen, habe dadurch aber auch viel Zeit, nocheinmal diese extremen Eindrücke auf mich wirken zu lassen und meine Hochachtung vor diesen Menschen, die hier tagtäglich ihrem Traum vom „Grünen Gold“ alles unterordnen, steigt ins Unermessliche.
Wir verbringen dann noch eine weitere Nacht auf dem Land von Jason’s Familie, die wir am zweiten Abend auch persönlich kennenlernen und dann naht der schwere Abschied von ihm, dem wir es mit zu verdanken haben, dass aus unserem Traum vom Besuch der Smaragdminen im kolumbianischen Regenwald tatsächlich Wirklichkeit geworden ist, denn ohne ihn wäre das alles ganz sicher nicht so einfach und auch nicht so schön gewesen. Wir revanchieren uns natürlich mit einem Geldbetrag der ein riesiges
Grinsen in seinem Gesicht hervorruft, er besteht darauf, uns noch bis zum Beginn des richtigen Schotterwegs vorauszufahren, der uns wieder aus den Bergen hinausführen soll und den er und seine Familie uns am Vorabend mehrmals genau erklärt haben. Nocheinmal warnt er uns – fast wie ein Vater seine Kinder, die zum ersten Mal alleine unterwegs sein dürfen – davor, uns auf der Fahrt vielleicht von „Fremden“ weitere Smaragde andrehen zu lassen und weist uns nocheinmal darauf hin, dass wir uns hier in einer „Zona roja“ also einer „Roten Zone“ von Kolumbien befinden, wo es durchaus üblich ist, dass Konflikte mit Waffen geregelt werden. Genau aus diesem Grund hat uns die Familie auch davon abgeraten, dass wir, wie wir es eigentlich vorhatten, eine weitere Nacht in „Muzo“, dem zweiten Ort in der Smaragdgegend verbringen, da dieser als Zentrum der Gesetzlosigkeit gilt. Das schreckt uns aber, wie immer, nicht besonders ab, im Gegenteil, wir sind dann sogar froh, dass wir uns, als
uns mit lautem Zischen wieder einmal ein Luftschlauch platzt, mitten in Muzo und komfortablerweise direkt neben einer winzigen Tankstelle befinden, wo Karl den Schaden einfacher reparieren kann als im Matsch eines engen Schotterwegs, auf dem wir uns zehn Minuten vorher noch befunden haben. Muzo
präsentiert sich uns dann auch, zumindestens am Tag, ganz harmlos, die Menschen sind freundlich wie
überall in Kolumbien und eigentlich nur aus Zeitgründen und weil wir irgendwie doch aus den Bergen hinaus wollen, belassen wir es dann bei einem Kneipenbesuch, bei dem wir gleich die Bekanntschaft ortsansässiger Smaragdhändler machen,
die sich am Nebentisch gut unterhalten und uns natürlich am liebsten gleich noch ein paar Steine
unterjubeln würden. Von waffentragenden Bandidos haben wir nichts bemerkt, wir machen uns dann aber wieder auf den Weg, rumpeln weiter durch den endlos scheinenden Regenwald durch die Ausläufer der Ostkordillere, über Pässe von bis zu 2.800 m und durch wunderschöne Täler, die uns wieder einmal an österreichische Almgebiete erinnern. Nach vielen Stunden erreichen wir dann das erste Mal seit vier Tagen wieder eine Asphaltstraße und nach einem kurzen Stopp an der gewaltigen „Basilika von Chiquinquirá“, welche die Schutzheilige von Kolumbien beherbergt, lassen wir schließlich das „Abenteuer Smaragdberge“ hinter uns und erreichen das weit über die Grenzen Kolumbiens hinaus als „koloniales Märchen“ bekannte Städtchen „Villa de Leyva“.
Hier wollen wir uns zwei Tage lang von den Strapazen erholen und haben uns daher ausnahmsweise einen kleinen Campingplatz direkt am Rande der historischen Altstadt ausgesucht. Diese ist aber für den Autoverkehr natürlich gesperrt und so dauert es eine Weile bis
wir uns durch enge Gassen dahin durchgekämpft haben.
Ein großes Tor wird für uns geöffnet, vor uns liegt ein wunderschöner, grüner Innenhof, den Stellplatz können wir uns aussuchen, denn außer uns ist wieder einmal kein
anderes Fahrzeug da. Wir bekommen einen eigenen Schlüssel zum Tor, man zeigt uns noch die sauberen Sanitäranlagen mit warmen Duschen und die museumsreife aber voll eingerichtete Küche und am Ende gefällt uns dieser Platz und auch das traumhafte Villa de Leyva dann so gut,
dass wir noch eine Nacht länger als geplant bleiben. Jeden Tag bekommen wir hier Besuch von der rüstigen Mutter des Besitzers, „Dona Margarita“. Diese ist mindestens 90 Jahre alt und sie werkelt täglich auf dem Platz herum und liebt es, sich mit den Gästen aus aller Welt zu unterhalten. Zu gerne hätte ich Euch hier ein Foto von ihr präsentiert, aber sie hat sich leider wehement geweigert, sich fotografieren zu lassen. Wir spazieren immer wieder durch die kopfsteingepflasterten
Gassen, die gesäumt sind von gekalkten Häusern im andalusischen Stil und gefüllt mit ansprechenden Boutiquen, winzigen Cafés und wunderschönen Lokalen mit blumengeschmückten Innenhöfen. Noch nirgends haben wir eine so große „Plaza Mayor“, also einen Hauptplatz gesehen wie hier. Mit Seitenlängen von je über 120 m zählt dieser zu den größten
Plätzen in ganz Kolumbien, in der Mitte ein kleiner in maurischem Stil gefasster Brunnen, aus dem über Jahrhunderte das Trinkwasser geschöpft wurde. Am Abend erwacht der Platz zum Leben, er füllt sich mit Einheimischen und Touristen, Musikgruppen spielen auf und Kinder lassen hier mitten im Zentrum ihre bunten Drachen steigen. Es herrscht eine ansteckende, unglaublich angenehme Langsamkeit in diesem kleinen Ort. Wir lassen uns treiben, kaufen uns unser Bier in kleinen Geschäften rund um den Hauptplatz, setzen uns damit auf die Stufen der großen Kirche, so wie das auch die Einheimischen tun und genießen jede Minute bevor es wieder weiter geht.
Der nächste Höhepunkt auf unserer Reise durch Kolumbien lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Nach einer Fahrt durch leuchtend gelb blühende Wiesen, überall werden an der Straße Pfirsiche und Blaubeeren verkauft, erreichen wir „Zipaquirá“, wo schon seit dem 19. Jahrhundert ein Salzbergwerk besteht, in dem es bereits seit jeher eine unterirdische
Kapelle für die Bergleute gab. In den Jahren 1992 bis 1995 wurde dort unter Einsatz von 80 Tonnen Sprengstoff und langwierigen Arbeiten, die alle von den Bergleuten selbst ausgeführt wurden, die heutige „Catedral de Sal“, die Salzkathedrale, eine monumentale Halle auf einer Fläche von 8.500 m2 errichtet, für deren Bau eine Viertelmillion Tonnen Gestein und Salz ausgeschält wurden. Die dreischiffige, geheimnisvoll illuminierte Höhlenkirche ist die größte ihrer Art weltweit und einfach alles in ihr ist aus Salz erbaut, inklusive dem 16 m hohen Kreuz und dem Taufbecken. Sogar
ein Audiosystem in deutscher Sprache erhalten wir zu unserer Freude bei Bezahlung des Eintrittspreises, was den Besuch, durch die dadurch detaillierten Informationen über Geschichte und
Gegenwart
des Bauwerks, natürlich nocheinmal viel interessanter macht. Bevor man in die eigentliche Kathedrale hinabsteigt, wandert man einen unterirdischen Kreuzweg mit 16
Stationen entlang, dann öffnet sich plötzlich der wunderschöne Blick auf das Hauptschiff, ein Engel grüßt mit der
Inschrift „Ihr seid das Salz dieser Erde“ und man hält kurz den Atem an und steht einfach nur da um die riesigen Dimensionen der Kathedrale auf sich wirken zu lassen. Ein Gottesdienst findet zufällig gerade in einer blumengeschmückten Kapelle in einem der Seitenschiffe statt und der Klang des Echos der Musik, die flackernden Kerzen zusammen mit den wechselnden Farben, welche die Kathedrale in ein geheimnisvolles Licht hüllen, sorgen für eine ganz besondere Stimmung. Sogar für mich als „Salzkammergütlerin“, für die zu Schulzeiten nahezu jeder „Schlechtwetter-Wandertag“ in ein Salzbergwerk führte, ein einzigartiges Erlebnis, das ich echt genieße!
Nach einer kalten Nacht bei 5 Grad, die wir noch auf dem Parkplatz der Salzkathedrale verbringen, wird es jetzt aber Zeit für die Hauptstadt. Wir haben den „Jeep-Jungs“, die wir oben im Norden kennengelernt haben, versprochen, uns bei ihnen zu melden und mit einem von ihnen stehen wir bereits näher in Kontakt. Carlos hat uns nämlich seine Adresse zur Verfügung gestellt, wohin wir ein Paket schicken dürfen, das eine neue Kassette für unseren Abwassertank enthält. Alles in unserem Unimog was nicht „heavy duty“ ist, sondern „Camping-Glumpert“ wie Karl es gerne bezeichnet, macht inzwischen Probleme, irgendwie auch kein Wunder, bei der Belastung, der unser Equipment, insbesonders durch die Wahl unserer Strecken, vielfach ausgesetzt ist. Unter anderem eben dieser Plastiktank, der seit Wochen undicht ist und das an einer so saublöden, unzugänglichen Stelle, dass wir diese nicht kleben oder anderweitig reparieren können. Camping ist in Kolumbien absolut unüblich, daher gibt es auch keine entsprechenden Fahrzeuge bzw. Ausrüster die uns hier weiterhelfen könnten. Wir haben daher eine neue Kassette in Deutschland bestellt, was gar nicht so einfach war, weil sich nur eine einzige Firma bereiterklärt hat, uns diese nach Kolumbien zu schicken (Bravo Servicewüste Europa!). DHL hat die Laufzeit des „Priority“-Pakets mit wahnsinnig hilfreichen 8-22 Tagen beziffert, das ist jetzt ca. 10 Tage her, das „Tracking“, also die Verfolgung des Pakets mittels einer Nummer im Internet, funktionierte genau zwei Tage lang, bis zur Nachricht „Ihr Paket wurde auf ein Flugzeug ins Zielland gebucht“, dann ändert sich hier nichts mehr. Wir können also nur das Beste hoffen, nämlich dass es, während wir in den nächsten Tagen Bogotá besichtigen, ankommen wird. Bis dahin leeren wir jeweils vor der Abfahrt den Tank, damit uns die Brühe nicht bis unter den Boden der Kabine rinnt… – Ganz toll, aber was bleibt uns anderes übrig…?!
Die Hauptstadt ruft und „Das Kreuz mit DHL“
Die 9 Millionen Stadt „Bogotá“, auf 2.650 m gelegen, eine „urbane Bombe“, in der mittlerweile jeder fünfte Kolumbianer lebt, empfinde ich, etwa im Vergleich zum quirrligen, chaotischen „Medellin“, als sehr gesittet und fast schon etwas langweilig. Sogar die Altstadt „La Candelaria“ mit ihren schönen Kolonialgebäuden, der riesigen „Plaza Bolivar“ auf der sich täglich tausende Tauben, Touristen, Einheimische, Lebenskünstler und Demonstranten treffen, ist zwar schön, hat aber nichts wirklich Außergewöhnliches zu bieten, was wir nicht schon in vielen anderen Städten gesehen hätten. Selbst der endlos fließende Verkehr scheint hier in beruhigteren Bahnen zu laufen, wofür eigens abgesperrte Spuren, auf denen nur die roten „Trans-Millenio-Busse“ fahren dürfen, die hier eine Metro ersetzen und deren Fahrpläne angeblich nicht einmal die Einheimischen verstehen, sorgen, zusammen mit einem System bei dem Fahrzeuge mit bestimmten Endziffern auf dem Kennzeichen nur an gewissen Tagen in der Stadt fahren dürfen. Trotzdem ist es eine langwierige Sache in dieser resigen Stadt von A nach B zu kommen und wir steigen hier wieder einmal auf „Uber“ um, womit wir uns kostengünstig und stressfrei in der Stadt bewegen. Als Dauerparkplatz haben wir einen ruhigen Platz in einer bewachten
Wohnsiedlung gefunden, wo man uns wohlwollend begrüßt und ohne Probleme duldet. Während der nächsten Tage erkunden wir die Stadt, durchstreifen die verschiedenen Viertel, lernen neue Einheimischen-Gerichte kennen, wie z.B. „Ajiaco“, eine Kartoffelsuppe mit Huhn, Mais, Sahne und Kapern oder „Changua“ eine Milch-Brotsuppe mit Ei. Eher
verwundert sehen wir, dass viele Einheimische „Chocolate Santafereno con queso“ genießen, heiße Schokolade in die ein großes Stück Käse hineingebröselt wird. Ein hiesiger Spruch besagt: „Amor sin besos es como chocolate sin queso“ das soviel heißt wie „Schokolade ohne Käse ist wie Liebe ohne Küsse“ – Na dann Mahlzeit…! Wir besuchen
nicht das von Touristen überlaufene Goldmuseum, sondern das sogar bei den Einheimischen nahezu unbekannte „Museo Histórico de la Policia Nacional“, welches in einem wunderschönen, kolonialen Palast einquartiert ist und das eine kuriose Sammlung von beschlagnahmten Trophäen, wie z.B. eine Harley Davidson vom Medellin-Kartell aber auch Bizarres, wie den Steckbrief samt milliardenschwerem Kopfgeld (zwar in Pesos aber trotzdem heute noch ca. 650.000 Euros) und ungeschminkte Fotos des erschossenen Pablo Escobar ausstellt. Die Fußgängerzonen rund um die „Plaza Bolivar“ sind voll von Geschäften aus deren Schaufenstern Smaragde in allen möglichen Verarbeitungsvarianten strahlen, noch nie
habe ich in einer Stadt so viele Schmuckgeschäfte nebeneinander gesehen. Wir machen einen Ausflug mit der Seilbahn auf den Hausberg
von Bogotá, den „Montserrate“, von wo man einen fantastischen Blick über die Stadt hat, den aber genau an diesem Tag leider tiefhängende Wolken trüben und erst am Abend können wir die Aussicht auf die unter uns liegenden Lichter von Bogotá so richtig genießen. Zwischendurch werden wir von unseren kolumbianischen Freunden eingeladen. Besonders Carlos widmet uns seine volle Aufmerksamkeit, er fährt mit uns zu seiner Werkstatt und die Jungs vom „Jeep-House“ kümmern sich endlich um unser elektrisches Problem, es funktioniert nämlich seit einiger Zeit unser Rückfahrscheinwerfer und dadurch auch der Warnton beim Rückwärtsfahren nicht mehr und bisher hat sich keine Werkstätte über die Reparatur getraut. In kürzester Zeit wird das erledigt, zusätzlich werden hier auch einmal unsere Bremsbeläge überprüft, weil unsere Warnlampe dafür ein paar Mal aufgeleuchtet hat, wir bekommen aber die
Auskunft, dass diese erst zu ca. 50 % abgefahren sind, was Karl vorerst beruhigt. Er lässt auch noch ein paar andere Dinge checken
und es wird zudem ein Ölwechsel gemacht. Für diese ganzen Arbeiten inkl. 15 l Öl bezahlen wir am Ende umgerechnet gerade einmal € 160,00! Zudem produziert ein Freund von Carlos Fahrzeug-Markisen und repariert unsere kaputten Stangen, die einmal
durch Regen und einmal durch Wind so schwer in Mitleidenschaft gezogen worden waren, dass wir sie gar nicht mehr benützen konnten, ohne auch nur einen einzigen Cent dafür zu verlangen. Auch in den Lokalen seiner Freunde dürfen wir nichts bezahlen, immer hören wir nur: „Freunde von Carlos sind auch unsere Freunde und von Freunden nehmen wir kein Geld“. Unsere in Kanada gekaufte Gasflasche wird befüllt, was sich als richtig schwierig und langwierig herausstellt, weil die hiesigen Anschlüsse nicht passen und am Ende dürfen wir nicht einmal dafür bezahlen. Es sei ihnen eine Freude uns helfen zu können, hören wir auch hier wieder und sie hätten endlich den ersten, echten Unimog außerhalb von „YouTube“ gesehen. Diese unglaubliche Großzügigkeit der Kolumbianer macht uns immer wieder fassungslos. Alles in allem genießen wir unsere Tage in der Hauptstadt, auch wenn es ein bisschen so scheint, als hätte das Leben hier nur sehr wenig mit dem „echten“ Kolumbien zu tun. Man fühlt sich ein bisschen wie in einer Blase, als würden die Einwohner hier in Bogotá gar nicht so viel mitkriegen vom „richtigen“ Leben in ihrem Land. Sie sind teilweise völlig überrascht, wenn wir ihnen erzählen, in welchen entlegenen Teilen Kolumbiens wir schon waren und was wir noch vorhaben. In fast jedem dieser Gespräche werden wir vor den angeblich vielfältigen Gefahren auf unserer Reise durch das Land gewarnt, wobei wir aber immer wieder das Gefühl haben, dass diese Menschen die Gegenden vor denen sie uns warnen, ohnehin nur theoretisch kennen. Mein Eindruck vom abgehobenen Status von Bogotá täuscht mich nicht, wie ich später in einem Bericht über die Stadt lese. Schon in früheren Zeiten galten die Menschen auf dem kühlen Hochplateau als distinguierte Elite und noch
heute genießt die kolumbianische Hauptstadt mit ihren unzähligen Universitäten einen Ruf europäisch-kreolischer Hochku
ltur mit dem in Südamerika höchstens noch Buenos Aires vergleichbar ist und mit dem viele „normale“ Kolumbianer außerhalb der
Hauptstadt überhaupt nichts anfangen können. An einem Tag begeben wir uns dann zur österreichischen Botschaft an die der Ersatz für Karl’s in Cartagna abhanden gekommene Kreditkarte geschickt wurde. Wir werden hier sehr freundlich empfangen, übernehmen die neue Karte und plaudern noch ein bisschen mit der netten Botschaftsangestellten, die uns erzählt, dass sie hier neben Kolumbien auch für Ecuador zuständig sind und uns warnt, dass wir dort, aufgrund der durch die Wahlen in denen das Land gerade steckt, hervorgerufenen Unruhen, besonders vorsichtig sein sollen. Viel Spaß haben wir zwischendurch auch in einer Einheimischen-Bar, die direkt neben dem Waschsalon liegt und in der wir auf unsere Wäsche warten, wobei wir von den anwesenden Gästen mal wieder zu Hochprozentigem eingeladen werden, was uns die Wartezeit köstlich verkürzt und unseren kolumbianischen Getränkehorizont erweitert. Nach einer Woche, in der es leider noch immer keine Spur von unserem Paket gibt (DHL
meint dazu, so lange die Regellaufzeit von bis zu 22 Tagen nicht überschritten wäre, sei das nichts worum man sich Sorgen machen müsste – Na, danke schön…) haben wir aber keine Lust mehr, weiterhin hier in „Bogotá“ darauf zu warten. Wir vereinbaren mit Carlos, dass er uns per whatsApp verständigen soll, wenn das Paket eintrifft und dass wir dann entscheiden, wohin
er uns dieses nachsenden soll. Wir hoffen sehr, dass es nicht ein ähnliches Schicksal ereilen wird, wie dasjenige, das wir im letzten Dezember von Mexico aus nach Österreich geschickt hatten. Es enthielt 20 kg unserer zu viel mitgenommenen Kleidung und wurde, nachdem es schon bei der Zollstelle in Wiener Neustadt lag, durch einen internen Fehler von DHL, von dort einfach nach Mexico zurückgeschickt ohne uns darüber zu informieren (!). Dann blieb es lange verschwunden, da sich von DHL keiner mehr um eine ordnungsgemäße Einführung in Mexico kümmerte, erreichte es auch das dortige Hotel, das wir als Absender angegeben hatten, nicht mehr und irgendwann wurde uns von DHL nur lapidar mitgeteilt, dass das Paket „durch den mexikanischen Zoll vernichtet wurde“ (!). Wir konnten es nicht glauben. Das war zu Weihnachten letzten Jahres, bis jetzt hat es gedauert, eine entsprechende Entschädigung von DHL zu bekommen, was aber auch nur ein kleiner Trost für uns ist, da es uns den Verlust vieler unserer Lieblingssachen, die in dem Paket waren, natürlich nicht ersetzt. Somit ist unser Vertrauen in DHL verständlicherweise nicht gerade groß, aber schauma mal wie’s diesmal weitergeht. Ich halte Euch auf dem Laufenden…. .
Ein letztes, kolumbianisches Abenteuer oder „Schmeißt der Teufel uns vom Trampolin?“
Wir verabschieden uns also von unseren kolumbianischen Freunden und starten wieder, jetzt zu unserer letzten Tour durch Kolumbien, es geht die nächsten Tage hindurch immer südwärts Richtung Grenze, erst auf Autobahnen, aber sehr bald wieder auf kleineren Straßen, abwechselnd
durchs Tiefland mit Reis- und Maisfeldern, dann
wieder über Pässe, wir übernachten an Aussichtspunkten mit überwältigendem Blick auf die umliegenden Täler und den „Rio Magdalena“. So erreichen wir schließlich die Stadt „Mocoa“ im Tiefland der Provinz „Putumayo“. Dies gehört bereits zu Amazonien und eigentlich wollten wir von hier
aus noch tiefer hineinfahren in „El Bajo“, das Tiefland mit dampfenden Urwäldern und von dort aus über eine kleinere Grenze nach Ecuador wechseln. Nicht aber die vielen Warnungen vor der Gesetzlosigkeit dieser abgelegenen Gegend haben uns davon abgehalten, sondern der einfache Grund, dass wir dann viele der im
Norden von Ecuador gelegenen Plätze versäumt hätten. Also muss der Amazonas-Dschungel noch etwas auf uns warten und wir begeben uns von „Mocoa“ aus auf die über die Berge führende Schotterstrecke „Trampolin del Diavolo“, die teilweise so schmal ist, dass, aufgrund der vielen Lastwagen für die das ebenfalls die einzige Verbindung zwischen den Städten „Mocoa“ und „Pasto“ ist, noch bis vor kurzem das Befahren nur tageweise in jeweils
einer Richtung möglich war. Inzwischen wurden ein paar Ausweichstellen mehr geschaffen und man schickt den Verkehr wieder täglich in beide Richtungen über die Berge. Wenn sich dann aber ein paar hintereinander fahrende LKWs von beiden Seiten mitten in einer Engstelle mit weggebrochenen Leitschienen treffen und diese zum Teil auf der engen Straße retourschieben müssen, wird mir schon vom Zuschauen ganz schlecht, ganz geschweige davon, wenn es uns dann zwischendurch selbst trifft mit dem Zurückfahren, aber
Karl meistert die Engstellen auch diesmal wieder souverän. Wir schaffen die Überquerung der Berge dann auch nicht an
einem Tag, sondern übernachten ganz idyllisch auf der Strecke, einmal halb versteckt im Wald, ein
zweites Mal neben einem kleinen Lokal mit Fischteichen durch die ein glasklarer Wildbach rauscht und dessen Chefin für uns zwei am Abend
extra noch einmal ihre Küche öffnet und uns frisch geräucherte Forellen serviert, die sie zusätzlich kurz in der Pfanne knusprig brät. Auch wenn das für uns ungewohnt klingt und ich am Anfang total skeptisch bin, ist das der beste Fisch den ich seit langem auf dem Teller hatte.
Am Ende dieser letzten Abenteuerstrecke wartet fast schon direkt an der Grenze dann noch ein echtes Highlight auf uns, nämlich das „Santuario de Las Lajas“, eine der bekanntesten und schönsten Wallfahrtskirchen von Kolumbien. Der Sage nach wurden hier in dieser Schlucht 1754 die indianische Dienstmagd Juana und ihre taubstumme Tochter Rosa von einem schweren Gewitter überrascht und zwischen Blitz und Donner erschien ihnen auf dem Felsen die Jungfrau Maria und ab diesem Moment konnte Rosa wieder hören und sprechen. Im Anschluss an das Wunder wurde in der Schlucht eine Kapelle gebaut und
zwischen 1916 und 1949 die heutige
Basilika im neugotischen Stil errichtet. Ihre Lage ist spektakulär, direkt aus der Flanke des beinahe vertikalen Felsens heraus schiebt sie sich seitlich über den engen Canyon, gestützt nur auf Pfeiler einer Steinbrücke die in 45 m Höhe den unten rauschenden „Rio Guáitara“ überspannt. Scharen von Pilgern aus Kolumbien und Ecuador strömen jedes Jahr in diese Basilika, viele davon den letzten Teil barfuß oder auf Knien, entweder zum Dank für eine Genesung oder um Heilung zu erbitten. Unzählige in Stein gemauerte Dankestafeln, es
müssen wirklich tausende sein, sind rund um die Kirche zu finden. Oberhalb der Basilika liegt der kleine Ort „Las Lajas“, ein typischer Wallfahrtsort, völlig überfüllt mit
Souvenirläden, der mich sofort unangenehm an unser Maria Zell erinnert. Der Höhepunkt einer Besichtigung dieser wirklich außergewöhnlichen Kirche f
olgt aber dann mit Einbruch der Dunkelheit. Aus den Lautsprechern klingt plötzlich stimmungsvolle Musik und die Basilika wird von allen
Seiten in wunderschönen, wechselnden Farben angestrahlt. Zusammen mit der Lage in dem immer dunkler werdenden Canyon ergibt das ein wirklich einzigartiges, faszinierenes Bild. Wir genießen dieses dann am Schluss noch zusätzlich aus den Gondeln der direkt neben der Basilika über die Schlucht führenden Seilbahn, die hinauf zum oberhalb liegenden Parkplatz führt, auf dem wir dann kostenlos die Nacht verbringen dürfen, bevor wir am nächsten Tag die Grenze überqueren. Ein wahrhaft perfekter Abschluss unserer Zeit in Kolumbien.
Lange habe ich überlegt, wie meine Abschlusszeilen für Kolumbien aussehen sollen und zum ersten Mal ist es mir echt schwer gefallen die richtigen Worte zu finden. Ich weiß nicht wie es Euch geht, aber man hat doch so eine Vorstellung von Kolumbien: Dschungel, Sicherheitslage ungewiss, Drogen, Überfälle, Paramilitärs, Entführungen,… . Nun, alles davon, außer dem Dschungel, könnt ihr getrost vergessen, solange ihr Euch mit Hausverstand durchs Land bewegt. Bei allem was wir hier erlebt haben, bei all den unterschiedlichen Landschaften die wir durchquert haben und bei all den ausschließlich freundlichen, neugierigen und großzügigen Menschen die wir hier getroffen haben, gehen mir bei der Beschreibung dieses Landes zum ersten Mal die Superlative aus. Natürlich, jedes der bisherigen zehn Länder die wir auf unserer Reise schon besucht haben, war auf seine Weise einzigartig und alle haben bleibende Eindrücke hinterlassen, aber dieses wunderbare, faszinierende Kolumbien in seiner unglaublichen Vielfalt, steht für mich im Moment ganz oben an der Spitze. Ich bin echt gespannt, ob eines der noch ausstehenden Länder auf unserer Reise das noch toppen kann – Die erste Chance dazu bekommt ab morgen ein kleines Land am Äquator, von dem ich noch so überhaupt gar keine Vorstellung habe, das Land zwischen Vulkanen, Pazifik und dem Amazonasdschungel – Wir sind schon mega gespannt auf Ecuador!