Wo deutscher Wind weht und „Die Hälfte der Welt“

Wieder einmal sind die Formalitäten am Grenzübergang „Ipiales“, der auf 2.900 m Höhe liegt und Kolumbien von Ecuador trennt, überhaupt kein Problem und hätte der junge Mann hinter der Glasscheibe auch nur die kleinste Spur von Engagement gezeigt, wäre es vielleicht sogar der schnellste Grenzübertritt der bisherigen Reise gewesen. So aber dauert es halt mal wieder etwas länger, wir sind es ja inzwischen gewöhnt. Karl wechselt derweil unsere letzten kolumbianischen Pesos bei einem der, wie überall illegalen aber massig vorhandenen, Grenz-Geldwechsler in US Dollar um, der in Ecuador seit 2000 als alleinige Währung gilt. Die damalige Abschaffung des „Sucre“ löste, insbesonders durch die dadurch ausgelöste Vervierfachung der Inflation, riesige  Proteste in der Bevölkerung aus, die aber nichts nützten. Eine Fahrzeugversicherung ist hier nicht vorgeschrieben und angeblich gibt es auch gar keine Versicherung die einem für ein ausländisches Fahrzeug eine Deckung verkaufen würde. Wir haben das nicht nachgeprüft, fahren hier halt wieder einmal „ohne“ und hoffen einfach, dass nix passiert. Dann beginnen wir bei strömendem Regen unsere Reise durch das Land am Äquator, das mit knapp über 256.000 km2 der Größe nach im Mittelfeld der südamerikanischen Länder liegt. Dieses ist erst vor kurzem durch die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio, der kurz vor den Wahlen auf offener Straße erschossen wurde, was landesweite, gewalttätige Proteste und Demonstrationen hervorrief, in die Schlagzeilen geraten. Villavicencio hatte angekündigt, im Fall eines Wahlsieges vehement gegen die wachsende Korruption und vor allem gegen die Macht der Drogenkartelle vorzugehen, was laut Einheimischen letztendlich zu seiner Ermordung geführt hatte. In Ecuador, lange Zeit ein „gelobtes Land“ zwischen den ewigen, südamerikanischen Brennpunkten Kolumbien, Peru und Bolivien, ist seit einigen Jahren ein rapider Anstieg an organisierter Kriminalität zu verzeichnen. Vor allem mexikanische Drogenkartelle und die albanische Mafia nützen die politische Instabilität der letzten Jahre und die ideale Lage der Pazifikhäfen zum Drogentransport nach Europa und in die USA. Sie haben dafür gesorgt, dass zwischen 2020 und 2022 die Mordrate im Land um 245 % gestiegen ist und diese heute unglaublicherweise sogar höher ist als in Mexico. All das ist uns bei der Einreise bereits bekannt, der nach den Protesten über das Land verhängte Ausnahmezustand wurde inzwischen wieder aufgehoben  und, wie immer, machen wir uns sowieso keine besonderen Sorgen über das was so in der Presse kursiert, sondern verlassen uns vor allem auf unser Bauchgefühl und die inzwischen in den bereits durchquerten Ländern gesammelte Erfahrung.

Unsere erste Anlaufstelle nach der Grenze ist dann einmal mehr eine Tankstelle und wir freuen uns natürlich sehr, dass Diesel hier pro Liter nur umgerechnet 0,42 Euro kostet, was ist im ganzen Land und bei allen Tankstellen gleich ist und noch einmal billiger als in Kolumbien. Das zum Tanken günstigste Land Südamerikas, nämlich Venezuela, wo der Liter Diesel umgerechnet nur um die 0,03 Euro kostet, mussten wir ja schweren Herzens auslassen, da die dortige politische und wirtschaftliche Lage momentan eine Durchquerung sogar für uns zu unsicher machte. Wir haben mit wirklich vielen Venezolanern, die wir unterwegs getroffen haben, über unseren Wunsch gesprochen, das Land zu besuchen, aber nicht ein einziger hat uns in der aktuellen Situation dazu geraten.

Nicht auslassen aber möchten wir einen Besuch auf der bei Travellern bekannten und beliebten „Finca Sommerwind“ nahe der schönen „Laguna Yahuarcocha“, wo Hans aus Deutschland seit vielen Jahren mit seiner ecuadorianischen Frau und derzeit auch zusätzlich mit Hilfe der symphatischen, deutschen Praktikantin Julia für das leibliche und das Gesamtwohl seiner Gäste sorgt, was wir gleich einmal drei Tage lang so richtig auskosten. Hans, der sich hier ständig persönlich um alle Probleme und Fragen seiner Gäste kümmert, weiß natürlich alles über Ecuador und er bestätigt uns auch gleich einmal unsere Meinung, dass es hinsichtlich der politischen Turbulenzen im Vorfeld der Wahlen für uns überhaupt keine Probleme geben werde. Sehr wohl klärt er uns aber darüber auf, welche Städte, vor allem an der Pazifikküste gelegen, er an unserer Stelle meiden würde, da es dort durch die Bandenkriege doch teilweise gefährlich werden könnte. Nicht dass sich irgendein Kartellmitglied auch nur im Entferntesten für die Reisekasse eines Overlanders interessieren würde, die verdienen pro Tag mit ihren Geschäften ein Vielfaches dessen was sie hier abkassieren könnten, die Gefahr als Tourist zufällig zwischen die Fronten der rivalisierenden Kartelle zu geraten, würde jedoch ständig wachsen. Aber keiner dieser Orte liegt ohnedies auf unserer grob geplanten Route. Viele Reisende finden bei Hans auch einen sicheren Abstellplatz für ihr Fahrzeug, während sie zu einem Besuch der vor der Küste Ecuadors liegenden“Galapagos-Inseln“ fliegen. Für Karl und mich war das aber von Anfang an kein Thema. Zu organisiert, zu reglementiert, zu teuer und vor allem total fehlendes Interesse unsererseits an jeder Menge Vögel und ein paar Seelöwen und Wasserschildkröten waren der einfache Grund dafür (ohne natürlich hier die große Anzahl von Galapagos-Fans beleidigen zu wollen). Da genießen wir lieber die Gastfreundschaft von Hans und wir haben hier außerdem wieder einmal etwas zu feiern: Nämlich 50.000 bisher auf dem amerikanischen Kontinent gefahrene Kilometer! Natürlich machen wir dazu eine gute Flasche Sekt auf und stoßen an, erstens auf uns, dass wir es schon so lange miteinander auf 6 m2 aushalten, zweitens auf unseren Unimog, der hier jeden Tag echt großes leistet und uns nun schon so weit durch unser Abenteuer gebracht hat und drittens wieder enmal auf das große Glück, diese Reise zu zweit erleben zu dürfen. Zwischendurch plaudern wir natürlich mit Hans, der sich hier in vielen Jahren Arbeit ein wirklich schönes Anwesen aufgebaut hat. Der Campingplatz läuft nach Corona wieder gut, zusätzlich hat er noch ein paar Ferienhäuser, die er hauptsächlich an ecuadorianische Wochenendtouristen vermietet, ein kleines Restaurant/Café mit Biergarten, ein riesiges Grundstück mit Baugenehmigung für weitere Häuser – und er ist seit einem Jahr in Pension und möchte demnächst kürzer treten. Sollte also jemand von Euch Interesse haben, ins ganzjährig milde Frühlingsklima von Ecuador’s Norden auszuwandern, ich habe die Kontaktdaten… und mehr über die „Finca Sommerwind“ gibt’s außerdem auf „YouTube“!

Die drei Tage bei Hans vergehen wie im Flug, dann verlassen wir seine komfortable Oase, wo wir seit langem auch wieder ein paar nette Overlander getroffen und, wie immer bei solchen Gelegenheiten, interessante Reisegeschichten ausgetauscht haben und wir machen uns wieder auf den Weg. Wir versorgen uns im Städtchen „Otavalo“ mit Internet, schlendern durch die Gassen und bewundern hier wieder einmal den geschäftlichen Einfallsreichtum der Einheimischen, die z.B. öffentlich jede Menge Nähmaschinen zur Benützung anbieten, denn eine eigene Nähmaschine können sich hier nur die wenigsten leisten. Gleich daneben gibt es Stoffe und Nähzubehör und so verdienen gleich mehrere Menschen an einem Geschäftszweig – Einfach super! Der in den Reiseführern hochgelobte Markt von „Otavalo“ fasziniert uns weniger, es ist aber bei unserem Besuch auch nicht Markttag und so sind nicht alle Stände voll besetzt. Das Wetter hat sich in den letzten Tagen wieder gebessert und so können wir von der Dachterrasse eines Cafés aus sogar den einen oder anderen Blick auf die umliegenden Vulkane genießen.

Unser nächster Stopp ist einfach ein „Muss“ wenn man sich als Overlander in Ecuador befindet. Wir machen uns auf den Weg zum „Mitad del Mundo“, was direkt übersetzt „Hälfte der Welt“ bedeutet, gemeint ist damit natürlich der Äquator. Hier in Ecuador hat man die Möglichkeit, den am höchsten gelegenen Äquatorpunkt der Welt zu besuchen, der somit am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt und am nächsten zur Sonne liegt. Von den Franzosen im Jahr 1736 vermessen, womit das metrische System begründet wurde, wird dieses Areal heute in Form eines kommerziellen, kitschigen Touristenparks betrieben. Leider haben die Franzosen damals aber einen Fehler gemacht, denn der „echte“ Äquatorpunkt liegt in 240 m Luftlinie davon entfernt, was den Parkbesuchern natürlich wohlweislich verschwiegen wird. Am „Mitad del Mundo real“ in „Catequilla“ hatten bereits die indigenen Vorfahren lange vor den Franzosen ein steinernes Denkmal dafür aufgestellt und spätere Generationen fügten den riesigen, geschnitzten Holzpfahl hinzu. Dieser Punkt liegt komplett abgelegen auf einem Hügel und natürlich wollen wir genau dorthin. Eine enge, steile Schotterstraße, für den Unimog gerade mal breit genug, führt dort hinauf und als wir oben ankommen, ist außer uns kein Mensch weit und breit zu sehen. Wir nähern uns dem Pfahl und wirklich – Exakt dort springt die Kompassanzeige meines Handys auf 0°0’0″N. Es ist ein wunderbarer Platz mit einer fantastischen Rundumsicht auf die Bergwelt und hinunter auf die die Hauptstadt Quito. Wir genießen die Ruhe und die Aussicht und beschließen dann, dass dieser Augenblick auf jeden Fall gefeiert gehört und wir zudem die Nacht hier verbringen möchten. Wir parken den Unimog in der Nähe des steinernen Denkmals, ich habe zwar kurz Bedenken, da der Platz, der mit einem Steinkreis eingefasst ist, bei den Indios ja nach wie vor als heilig gilt, aber es ist ohnedies keiner in der Nähe den man fragen könnte. Wir räumen Tisch und Sessel heraus und tischen uns eine super Jause samt Hans‘ selbstgebackenem Brot und einer Flasche Rotwein auf. Bis in den Abend hinein, als unter uns bereits hell die Lichter von Quito leuchten, sitzen wir draußen und resümmieren dabei natürlich auch wieder einmal über das bisher Erlebte der vergangenen 17 Monate zwischen Alaska und dem Äquator.

Der nächste Tag beginnt mit gemischten Gefühlen. Einerseits freuen wir uns über einen wunderbaren Sonnenaufgang und sind wirklich froh, dass wir an diesem grandiosen Platz die Nacht verbracht haben, andererseits nerven uns wieder einmal die Alltagsprobleme aller Reisenden. Aus unserem bereits mit Silikon geklebten Plastikwaschbecken fällt mal wieder der Abfluss samt Abflusschlauch heraus, übrig bleibt … ein Loch. Die 12V-Wasserpumpe der Dusche, die wir gleichzeitig als Waschbeckenarmatur benützen, versagt nach etlichen Problemen jetzt endgültig ihren Dienst und als wir unseren Standplatz über die enge Schotterstrasse wieder verlassen, leuchtet an Karl’s Armaturenbrett wieder die Anzeige für die Bremsbeläge auf. Wasserpumpe und Dusche müssen warten, aber der Sache mit den Bremsbelägen will Karl auf jeden Fall jetzt endgültig und sofort auf den Grund gehen und wir suchen uns wieder einmal eine Werkstatt, diesmal eine die auf Bremsen spezialisiert ist. Die Jungs von „Ultimarcas“ erweisen sich dann auch als wirklich kompetent und finden sehr schnell heraus, dass die Bremsbeläge fast komplett verbraucht sind, eine ganz andere Aussage als die, die wir noch vor ca. drei Wochen im „Jeep-House“ in Bogotá bekommen haben. Beläge für zwei Bremsen haben wir dabei, der Mechaniker meint dann aber, ob wir nicht gleich alle tauschen wollen. Er verschwindet um die Ecke und kommt nach kurzer Zeit mit den passenden Bremsbelägen wieder zurück. Wir sind baff! Unimog-Bremsbeläge lagernd in einer kleinen Werkstatt in Ecuador – Wer hätte das gedacht! Die Reparatur ist dann nicht nur schnell sondern auch kostengünstig erledigt und so haben wir noch Zeit für das „Museo Solar Inti Nan“, durch dessen Gelände sich am Boden durchgehend eine gezeichnete Linie des Äquators zieht, was uns lustige Fotos machen lässt und wo man uns in einer Führung alles Wissenswerte über den Äquator erzählt, wobei ich besonders interessant finde, dass hier das ganz Jahr über alle Tage gleich lang sind. Immer geht die Sonne um 06.00 früh auf und um 06.00 Uhr abends unter. Dazu bekommen wir einige witzige Experimente rund um den Äquator vorgeführt, z.B. dass man hier, mit etwas Geschick, ein rohes Ei auf einen Nagelkopf stellen kann, oder dass das Wasser aus einem Plastikbecken auf einer Seite des Äquators linksdrehend abläuft und zwei Schritte weiter, auf der anderen Seite, rechtsdrehend. Ob das Ganze nur ein „Schmäh“ ist oder Wirklichkeit, ist uns eigentlich egal, jedenfalls verbringen wir zwei vergnügliche Stunden hier.

Unter Dschungeljägern oder „Wer hat schon Angst vor Spucke oder Jaguaren?“

Wir fahren dann vorbei an Ecuador’s Hauptstadt „Quito“, obwohl diese eine wirklich schöne Altstadt haben soll, aber wir waren einfach zu lange in Bogotá und haben im Moment echt keine Lust auf Großstadt. Daher machen wir uns jetzt gleich auf Richtung „Oriente“. Von den Einheimischen auch „Amazonía“ genannt, lockt uns dieser Teil Ecuadors, nachdem wir in Kolumbien auf den Dschungel verzichtet hatten, mit dem Versprechen auf tropisch heißen Regenwald, riesige Flüsse und Schwarzwasserseen, entlegene Dschungellodges, eine vielfältige Tierwelt und uralte, indigene Volksstämme. Als Ausgangspunkt für unser Dschungelabenteuer haben wir uns die Stadt „Tena“ ausgesucht, die wir nun ansteuern. Auf dem Weg dahin folgen wir zuerst noch der „Panamericana“, wobei wir uns wundern, dass hier auf der Autobahn zum ersten Mal seit langer Zeit keine Mopeds, Fahrräder, Eselkarren, etc. unterwegs sind, wie in eigentlich allen Ländern seit Mexico üblich. Ecuador scheint hier tatsächlich etwas „geregelter“ zu sein. Wir zweigen dann aber schnell wieder ab und müssen bis „Tena“ noch einen Pass mit 4.050 m überqueren, wo uns zum ersten Mal seit Kanada und Alaska wieder Tafeln vor Bären warnen. Tatsächlich soll es hier eine Population von ca. 80 Stück geben, zeigen tut sich uns aber leider keiner, na ja bei gesamt 80 Stück wäre das ja wohl auch ein riesiger Zufall. Die bisherigen Straßen in Ecuador waren alle hervorragend ausgebaut und instandgehalten, jetzt aber, wo wir uns von den Hauptverkehrswegen entfernen, werden sie rasch schlechter und wir damit um einiges langsamer. Die Vegetation wechselt immer mehr von Bergland in Dschungel, die Straße windet sich langsam von Tal zu Tal und am Schluss nocheinmal von 2.000 m hinunter bis ins Amazonasgebiet, wo wir nach zwei Tagen Fahrt „Tena“ erreichen. Wir finden einen kostenlosen Parkplatz neben riesigen Sportplätzen, von wo aus wir in ca. zehn Gehminuten im Zentrum sind, die Polizei nimmt hier fürs Übernachten zum ersten Mal in Ecuador unsere Daten auf und braucht sogar Kopien unserer Pässe, die wir aber sowieso immer griffbereit haben. Dann erkunden wir das geschäftige „Tena“, das man nicht wirklich als schön, eher als hektisch aber als wohltuend untouristisch bezeichnen kann. Es gibt einen großen Markt, einen riesigen Busbahnhof, rund um den man in winzigen Einheimischenküchen ausgezeichnet und extrem günstig essen kann, auch wenn ganze Hühnerfüße in der Suppe immer noch gewöhnungsbedürftig für mich sind. Über die Hauptstraße fließt endlos der Verkehr durch die Stadt und unzählige Geschäfte aller Art finden sich auf beiden Seiten. Das einzige was wir hier zu unserer Überraschung nicht finden, sind die sonst überall gegenwärtigen Tourenanbieter. Wir möchten eine Dschungeltour machen, vielleicht auch „Rafting“ auf einem der Dschungelflüsse, aber, es ist nicht zu glauben, nicht ein Anbieter dafür ist in der Stadt zu finden. Ich durchforste Reiseführer und Internet und stoße dabei auf ein Hostel das etwas oberhalb von Tena liegt und mit solchen Touren wirbt. Wir fahren dorthin, finden genau das was wir suchen und vereinbaren gleich für den nächsten Tag eine Tour.

In der Früh bringen wir am nächsten Morgen guten Mutes noch unsere 12V-Wasserpumpe in ein Elektrogeschäft, wo uns der Chef sagt, dass die Reparatur wahrscheinlich kein großes Problem sein werde, finden uns danach um neun Uhr wieder im „Hostel Pakay“ ein und werden dort von Chef Tony persönlich und zu unserer Überraschung auf deutsch begrüßt. Tony hat einige Zeit in Deutschland gelebt, dort unter anderem auch Sprachkurse besucht und spricht daher praktisch fließend deutsch. Zudem ist er ein unglaublich symphatischer junger Mann und wir freuen uns natürlich gleich noch mehr auf unsere heutige Tour mit ihm entlang des „Rio Napo“ an der außer uns nur noch eine junge Französin teilnimmt, für die Tony zwischendurch bei seinen Erklärungen ins englische wechselt.  Mit Tony’s Auto gehts dann als erstes zu einem „Kichwa“-Dorf. Die „Kichwa“ sind eines der mehr als einem Dutzend heute noch in Ecuador lebenden indigenen Völker. Die im Dorf anwesenden Damen zeigen uns, wie sie aus Ton den sie aus dem Dschungel holen, verschiedene Gefäße töpfern, diese dann im offenen Feuer brennen und anschließend mit Pinseln aus Tierhaaren und Farben, die sie ebenfalls aus Dschungelpflanzen herstellen, bemalen. Weiters weihen sie uns in die Herstellung von „Chicha“ ein, einem seit Jahrtausenden im Urwald gebräuchlichen Getränk. Die Basis sind gekochte Yuca, eine Süßkartoffelart, manchmal zusätzlich mit einer verfügbaren Frucht vermischt, die anschließend von den Frauen (und nur von den Frauen) zu einem Brei gekaut wird, der am Schluss noch mit Wasser vermischt wird. Die Bakterien aus dem Speichel verwandeln die enthaltenen Kohlehydrate in Zucker und je älter das „Chicha“ ist, desto stärker und alkoholhältiger wird es. Wohl bekomm’s!  Nicht jedoch der Speichel ist es, der einem Probleme bereiten könnte, klärt uns Tony auf, sondern das zum Verdünnen verwendete Flusswasser könnte einem (Touristen) eventuell auf den Magen schlagen. Die „Kichwa“-Damen nehmen uns anschließend noch mit hinunter zum Fluss, wo sie mit ganz einfachen Holzschüsseln Gold waschen. Es ist eine aufwändige und anstrengende Prozedur, aber tatsächlich glitzern am Ende einige winzige Goldflakes in der Schüssel. Wir setzen dann unsere Tour fort und Tony erzählt uns auf der Weiterfahrt noch mehr zum Thema „Gold“: Von 2007 bis 2017 läutete der linksorientierte Präsident Rafael Correa eine“bürgerliche Revolution“ in Ecuador ein. Er verdoppelte die Ausgaben für Gesundheits- und Bildungswesen, ließ Straßen, Flughäfen, Schulen, Brücken, Wasserkraftwerke etc. bauen, machte dabei jedoch so viele Schulden, dass er sich Milliarden von Dollars im Ausland leihen musste. Geldgeber Nummer eins dabei waren die Chinesen, die sich seither diese Schulden teuer bezahlen lassen, indem sie das Recht einfordern, Ecuador’s reiche Mineralvorkommen, darunter auch die größten Goldminen des Landes, auszubeuten, wobei unter anderem auch die Urwaldflüsse ohne Rücksicht mit giftigen Chemikalien verunreinigt werden, was insbesonders für die dort lebenden, indigenen Völker ein lebensbedrohendes Problem darstellt. Die Minenbetreiber wiederum machen gemeinsame Sache mit den Kartellen, die hier eine wunderbare Gelegenheit vorfinden um ihre Kokaindollars zu waschen. Der spendable Präsident wurde übrigens gegen Ende seiner Amtszeit wegen Korruption verurteilt und lebt seither im Exil in Belgien… – So viel zum linksliberalen Wohltäter und gelobt sei Europa, das solchen Typen auch noch Exil gewährt! Correas Nachfolger stehen nun natürlich vor dem schweren und vor allem bei der Bevölkerung unpopulären Erbe, die Staatsausgaben wieder zu drosseln und gegen die Drogen- und Korruptionsprobleme vorzugehen. Um die nächste Station unserer Tour zu erreichen, steigen wir in ein Boot um und fahren den „Rio Napo“ ein Stück hinauf. Wir legen an der „Laguna Caiman“ an und deren Name wird gleich einmal zum Programm. Tony führt uns zu einem kleinen Tümpel, wo rund um den  Steeg unzählige Kaimane im Wasser liegen. Krokodile gäbe es hier nicht meint Tony, aber auch der schwarze Kaiman könne bis zu 6 m lang und bis zu 300 kg schwer werden. Er wandert dann mit uns weiter durch den Dschungel, erklärt uns viele Pflanzen links und rechts des Pfades, zeigt uns „wandelnde“ Bäume die, sobald sie zu wenig Licht bekommen, an der Oberfläche Wurzeln bilden, mit deren Hilfe sie sich dann ein paar Zentimeter zur Seite bewegen,, um wieder Sonnenlicht zu erhalten, er läßt uns die Blätter der Zimtbäume kauen, wir bestaunen reich mit Früchten beladene Papayabäume, sehen riesige Ameisen deren Stiche, wie uns Tony erklärt, so starke Beschwerden auslösen, dass sie einen erwachsenen Menschen für 48 Stunden außer Gefecht setzen können und schließlich landen wir in einem anderen „Kichwa“-Dorf, wo man uns diesmal die Herstellung von Kakao demonstriert. Die Früchte werden getrocknet, geröstet, geschält und dann zu einer Masse gemahlen, die im Anschluss mit Wasser so lange gekocht wird, bis eine wunderbar intensiv duftende Schokoladenmasse entsteht. Daraus bereiten uns die Damen dann ein großartiges Schokolade-Fondue mit frischen Mangos, Papayas und Bananen zu. Halbwilde Papageien flattern derweil um uns herum, versuchen die Früchte zu klauen und die ganze Atmosphäre wirkt sehr echt und gar nicht touristisch gekünstelt wie man es anderswo oft von solchen Touren kennt. Ein großes Plus ist für uns natürlich Tony, der uns auf deutsch alles genau erklärt und dem man dabei ansieht, dass das Ganze für ihn alles andere als nur ein Job ist, sondern dass ihm vor allem das Wohl der indigenen Bevölkerung wirklich am Herzen liegt. Als nächster Stopp folgt ein Stück weiter den Fluss hinauf noch ein Besuch in einer Tier-Rettungsstation, wo, rein durch Eintrittsgelder und Spenden finanziert, Wildtiere aufgenommen werden, die entweder verletzt gefunden oder aus, in Ecuador zum Glück verbotener, privater Haltung beschlagnahmt werden. Hier gibt es alles, von Kaimanen, Papageien mit absichtlich gebrochenen Flügeln, Schildkröten, über eine Anaconda die nicht richtig wachsen konnte, weil sie viel zu lange in einer zu kleinen Box gehalten wurde bis hin zu jeder Menge Affen aller Arten. Einige wenige Tiere können irgendwann wieder ausgewildert werden, die meisten sind aber entweder so schwer verletzt oder traumatisiert, dass sie nie mehr in die freie Wildbahn zurückkehren werden können. Man versucht hier mitten im Dschungel, ihnen ein halbwegs schönes und artgerechtes Leben zu bieten. Ich beobachte die herumtobende und wirklich zufrieden wirkende Affenbande und denke kurz traurig zurück an den armen Affen der auf einer der „San Blas Inseln“ einsam sterben musste und nicht das Glück hatte, in so einer Rettungsstation zu landen. Es ist ein wirklich sinnvolles Projekt dem unsere große Hochachtung gilt. Zurück auf unserem Boot schmeissen zum Abschluss der Tour Tony und sein Kapitän noch große, aufgeblasene Reifenschläuche für uns ins Wasser und – nachdem ich mir dreimal von Tony versichern habe lassen – dass sich keiner der gesehenen Kaimane zwischendurch versehentlich aus der Lagune in den Fluss verirrt und es auf diesem Abschnitt auch keine Piranhas gibt die uns anknabbern könnten, lassen wir uns damit gemütlich durch die herrliche Urwaldkulisse den „Rio Napo“ hinuntertreiben bis wir nach einigen Kilometern wieder eingesammelt werden. Wir kehren dann zum Hostel zurück und Tony, zu dem wir inzwischen einen wirklich guten Draht haben, bietet uns von sich aus an, auf seinem Grundstück mit dem Unimog kostenlos zu übernachten, was wir natürlich sehr gerne annehmen. Ich frage ihn dann noch nach anderen Touren, vom Rafting rät er uns im Moment aber ab, weil der Wasserstand derzeit nicht sehr hoch sei und er meint, wie er uns zwei so einschätze, wäre das im Moment für uns sicher viel zu wenig Adrenalin – Ja, er kennt uns tatsächlich schon…! Aber dann rückt er mit einer ganz besonderen Idee heraus. Er meint, wenn wir wirklich etwas Besonderes erleben möchten, könnte er uns vielleicht ein „echtes“ Dschungelabenteuer vermitteln. Ganz touristenfrei, sozusagen „Urwald ohne Netz“. Wir sind natürlich sofort Feuer und Flamme, denn das ist doch wieder einmal genau das was wir suchen. Tony erzählt uns, dass er seit einiger Zeit ein Mädchen aus einer ihm bekannten „Huaorani“-Familie bei sich aufgenommen hätte, damit sie hier in „Tena“ zur Schule gehen könne. Die „Huaorani“ sind ein Amazonasstamm mit nicht mehr als 4.000 Mitgliedern und nach wie vor eine der isoliertesten, indigenen Gruppen Ecuadors. Sie haben den Ruf noch echte Krieger zu sein und ihr Territorium gegenüber Außenstehenden mit Vehemenz zu verteidigen. Sie haben ein tiefgehendes Verständnis für den Regenwald in dem sie Medizin, Gifte und Halluzinogene für ihre spirituellen Riten finden. Tony erzählt uns weiters, dass „Gaya“ der Großvater des Mädchens das bei ihm wohnt, mit seiner Familie noch sehr traditionell lebe und dieser sehr freundlich und sicher bereit sei, uns am Leben der Familie teilhaben zu lassen und uns auch mit in den Urwald zu nehmen. Er beschreibt uns den Weg dorthin, denn da im Gebiet der „Huaorani“ in den letzten Jahren vermehrt Erdöl gefunden wurde, gibt es inzwischen eine kleine Schotterstraße, auf der wir die Hütten erreichen könnten. Wir überlegen hin und her ob wir uns auf dieses Abenteuer einlassen sollen. Würden wir den Platz wirklich finden und würden wir uns mit meinen Spanischkenntnissen mit der Familie verständigen können? Gaya, so sagt uns Tony, spräche als einziger ebenfalls ein wenig spanisch, der Rest der Familie allerdings nur den „Huaorani“-Dialekt. Am nächsten Morgen sind wir noch immer nicht ganz schlüssig, sitzen gerade im Hostel auf der Terrasse beim Kaffée, da kommt Tony freudenstrahlend die Treppe herauf und verkündet: „Ihr habt aber auch ein Glück, das gibt’s ja gar nicht, sie sind da!“ „Wer bitte ist da?“, fragen wir überrascht. „Gaya und seine Frau“, antwortet Tony, sie seien per Bus nach Tena gekommen, um durch den Verkauf von selbst gemachten Taschen und anderen Handwerksstücken Geld für ein Begräbnis aufzutreiben, da ein Verwandter gestorben sei. Diese Gelegenheit wollten sie gleichzeitig nützen, um ihre Enkelin bei Tony  zu besuchen. Ja, und wirklich, da stehen die zwei, beide nicht größer als vielleicht höchstens 1,50 m und man merkt ihnen definitiv an, dass sie sich ziemlich unwohl fühlen hier in der ungewohnten Atmosphäre des Hostels. Wir kaufen ihnen gleich mal zur Auflockerung eine ihrer handgemachten Taschen ab und Tony spricht dann mit Gaya über unseren Wunsch die Familie zu besuchen. Dieser stimmt sofort zu und wir vereinbaren, dass die beiden am nächsten Tag mit uns gemeinsam im Unimog zurück nach Hause in den Dschungel fahren werden. So sparen sie sich die Kosten für den Bus und wir sind sicher, dass wir auch wirklich den Weg dorthin finden.

Am nächsten Morgen startet dann tatsächlich unser ganz privates Dschungelabenteuer. Es stellt sich heraus, dass Gaya’s Frau am Vortag doch den Bus genommen hat, aber Gaya freut sich anscheinend richtig, zu uns in den Unimog steigen zu dürfen. Die Verständigung zwischen uns klappt tadellos und so dirigiert er uns als erstes einmal zum Markt in „Tena“, wo er noch einen großen Sack Reis einkauft. Dann erklärt er uns, er müsse auch noch ein paar andere Sachen einkaufen, da er nichts für uns zu essen daheim hätte, aber leider wäre er gerade komplett pleite. Damit haben wir laut Tony’s Informationen bereits gerechnet, ich gebe ihm daher gerne zwanzig Dollar, die er gleich einmal, sichtlich glücklich, in einem Supermarkt der Einheimischen ausgibt. Alles wird hinten in den Unimog geladen und dann fahren wir auch noch zur Tankstelle und füllen einen unserer Reservekanister mit Benzin. Tony hat uns ebenfalls darauf hingewiesen, dass Gaya bestimmt kein Benzin für sein Motorkanu daheim hätte, mit dem er dann mit uns in den Dschungel fahren würde. Gar kein Problem, das machen wir natürlich ebenfalls gerne. Dann geht die Fahrt los, die Asphaltstraße endet ziemlich schnell, darauf folgt ein Schotterweg hinein in den immer dichter werdenden Dschungel. Ab und zu begegnen uns aber auch Busse und Gaya erzählt uns, dass er für eine Fahrt von sich zu Hause bis nach „Tena“, wo z.B. auch das einzige Krankenhaus der ganzen Region liegt,  ganze siebenmal umsteigen müsse, mit langen Wartezeiten dazwischen, sodass das unter einer Tagesreise gar nicht zu machen wäre. Heute sind wir etwas schneller unterwegs und je näher wir Gayas Zu Hause kommen, desto öfter lässt er uns irgendwo anhalten, einmal um noch Brot zu kaufen, ein anderes Mal um mit Leuten zu sprechen und wir haben das Gefühl, dass er ganz sicher sein will, dass möglichst viele seiner Bekannten auch wirklich mitkriegen, dass er es ist, der heute in diesem Truck sitzt. Dazwischen winkt er jedem einzelnen dem wir begegnen lässig zu, es ist einfach köstlich mitanzusehen, wie er diese Fahrt genießt. Kurz bevor wir bei ihm ankommen, werden wir vor einem Schranken der Ölgesellschaft „Petro Ecuador“ gestoppt, der Wächter schaut aber nur kurz etwas verwundert und öffnet diesen dann für uns ohne weitere Fragen. Es ist schwer zu sagen ob die Ausweitung der Ölindustrie in den letzten Jahren mehr Fluch oder Segen für Ecuador ist. Einerseits stellt der damit verbundene Straßenbau eine Chance für die indigenen Völker dar, die damit Anbindung an Schulen etc. finden, andererseits geht ihr Lebensraum und gleichzeitig natürlich auch ihre Kultur jeden Tag mehr und unwiederbringlich verloren. Wir erreichen also irgendwann die beiden Hütten die Gaya’s Familie bewohnen, in einer davon wohnt die Familie seiner Schwester, in der anderen er selbst mit seiner Frau und noch anderen Familienmitgliedern, die er uns alle vorstellt, aber so ganz bekommen wir nicht mit, wer jetzt was ist und wohin gehört. Egal, obwohl nur Gaya etwas spanisch spricht, empfangen uns alle sehr freundlich und heissen uns herzlich willkommen. Wir dürfen den Unimog auf einer ebenen Grünfläche abstellen und Gaya gibt gleich mal das Programm der nächsten Tage bekannt. Es scheint, als wolle er alles daransetzen, uns am Leben der Familie teilhaben zu lassen und es geht gleich damit los. Als wir nach einer kurzen Pause vor seiner Hütte auftauchen, erwartet er uns schon unter dem riesigen Dach, das praktisch das Wohnzimmer der Familie darstellt. Es ist von Gaya selbst gebaut, sieht aus wie ein hoher Dachstuhl, der direkt auf dem Boden aufliegt bzw. im Boden eingegraben wird, wasserdicht gedeckt mit einer Art großer Farne und an beiden Schmalseiten offen. Der Boden besteht aus gestampftem Lehm, der durch ständiges Kehren sauber gehalten wird. Im hinteren Teil befindet sich eine offene Feuerstelle und zum Sitzen gibt es Baumstämme bzw. eine Art Tisch mit einer Holzbank, den man glaube ich aber nur für uns aufgestellt hat. Eine zweite, kleine, geschlossene Hütte dient der Familie zum Schlafen. Gaya ist nun in seinem Element. Er hat sich sofort nach dem Nach-Hause-Kommen des merklich ungeliebten, „feinen“ weißen, langärmeligen Hemds entledigt, welches er zum Stadtbesuch wohl oder übel anziehen musste und erwartet uns nun mit einem Blasrohr und einem Köcher mit Pfeilen in der Hand. Er erklärt uns genau, wie und woraus diese gemacht werden und demonstriert uns die Verwendung des Blasrohrs, indem er einen Pfeil zielsicher in eine in einiger Entfernung am Boden liegende, gelbe Frucht versenkt. Dann dürfen auch Karl und ich probieren und ich finde, dass das mit einiger Übung gar nicht so schwer wäre. Jaa ok, die Frucht ist nicht gerade weit entfernt… . Gaya erzählt uns, dass er mit diesen hauchdünnen, aus Bambusfasern hergestellten Pfeilen, deren Spitzen zur Jagd mit dem Gift „Curare“ präpariert werden, ohne weiteres einen Affen von einem 100 m entfernten Baum schießen könne. Sein Großvater und auch noch sein Vater hätten damit in Kriegszeiten sogar noch Menschen getötet, die über die Grenze aus dem damals feindlichen Peru gekommen wären. Aber meint er, etwas bedauernd und mit einem Seitenblick auf seine Frau, das wäre schon lange Zeit her, sein Vater hätte ja auch noch drei Frauen haben dürfen und er heute nur mehr eine… . Ha ha, wie gut, dass sie kein spanisch versteht! Dann präsentiert er uns auch noch eine weitere Waffe, nämlich einen langen Holzspeer, mt dem dann größere Tiere wie z.B. Wildschweine gejagt würden. Auch den dürfen wir ausprobieren, Karl schafft das ganz gut, aber ich kann den langen, schweren Speer nicht einmal mit einer Hand heben und Gaya muss mir lachend assistieren. Einer seiner Enkel, vielleicht neun oder zehn Jahre alt, präsentiert uns dann auch noch stolz seine bereits tadellosen Speerkünste. Inzwischen hat Gaya’s Frau für uns gekocht, es gibt für jeden eine riesige Schüssel mit Reis und dampfenden, gekochten Yuka. Alles fast ohne Salz und daher gewöhnungsbedürftig, aber tapfer versuchen wir, so viel wie möglich davon zu essen, um die Familie nicht zu beleidigen. Gott sei Dank hilft mir dabei heimlich einer der Familienhunde, der sich über den Großteil meiner Yuka freut. Der für mich schwierigste Teil dieses ersten Tages ist, dass uns Gaya ganz stolz seinen gefangenen Affen präsentiert, den er an einem Strick angebunden als Haustier hält. Das Tier ist total zahm und Gaya nimmt ihn anschließend sogar mit hinunter zum Fluss, wo sie zusammen schwimmen gehen, was der Affe bei der Hitze sichtlich genießt und sich dabei an Gaya’s Kopf festhält. Trotzdem tut mir das gefangene Tier aber natürlich unendlich leid, aber ich muss eben akzeptieren, dass bei diesem Volk andere Gebräuche und Regeln herrschen und mein Verständnis von Tierliebe hier ganz einfach nicht gefragt ist. Wir genießen ebenfalls ein Bad im Fluss, gleich daneben wird Wäsche gewaschen und es werden Zähne geputzt, zusätzlich platzieren einige Männer soeben ein Kanu im seichten Wasser, das dann gleich einmal halbvoll mit Wasser läuft. Ich schaue Karl an und wir denken beide das Gleiche: Das wird ja wohl nicht das Kanu sein mit dem wir am nächsten Tag tiefer in den Dschungel fahren werden? Man wird sehen… . Am Abend findet sich dann die ganze Familie neben dem inzwischen angezündeten Feuer ein und es folgt dann extra für uns eine Präsentation von Liedern und Tänzen, deren Bedeutung uns Gaya immer wieder zwischendurch erklärt. Das eine Lied wird bei Familienfeiern gesungen, das nächste nach einer erfolgreichen Jagd, der dritte Tanz dient zur Erinnerung an Verstorbene usw. Es herrscht eine sehr spezielle Stimmung dabei, gar nicht wie bei einem touristischen „Heimatabend“, sondern die gesamte Familie nimmt das Ganze sehr ernst, wir werden genauso geschminkt wie sie und man bezieht uns auch in die Tänze mit ein. Man merkt, sie möchten uns wirklich teilhaben lassen an ihrer Kultur. Im Anschluss will man uns schon wieder bekochen, wir schaffen es diesmal aber dankend abzulehnen und verziehen uns in den Unimog, umso mehr nach der Ankündigung Gayas, dass er uns morgen um 07.00 Uhr früh zum Kaffee erwartet, um anschließend in den Dschungel aufzubrechen, was Karl kurz gequält zusammenzucken lässt. Natürlich schaffen wir es dann auch nicht genau um 07.00 Uhr, aber Gaya nimmt, als guter Gastgeber, unsere Verspätung gelassen zur Kenntnis. Der „Kaffee“ den er uns dann stolz präsentiert, besteht aus einer Art gefärbtem Wasser mit undefinierbarem Kräutergeschmack. Egal, wir sind ja schließlich nicht zum Kaffeetrinken hier. Wir haben schon unsere Gummistiefel angezogen, unsere Rucksäcke gepackt und folgen Gaya hinunter zum Fluss, wo einer seiner Enkel bereits wieder fleissig Wasser aus dem Kanu schöpft. Gaya meint gelassen, das Ganze wäre überhaupt kein Problem, man müsse halt zwischendurch mit der halb abgeschnittenen Plastikflasche immer wieder mal ein bisschen schöpfen… Na dann… . Er betankt den Motor mit dem von uns mitgebrachten Benzin, dann steigen außer uns auch noch seine Tochter samt Baby und deren Freund bzw. vielleicht Ehemann zu, die Lebensmittel und Kochtöpfe mitbringen und los geht die Reise immer noch tiefer hinein in den Dschungel. Der Fluss ist teilweise sehr seicht und es bedarf einiger Kunst von Gaya, das Kanu möglichst ohne viel Grundberührung über diese Stellen zu steuern, was nicht immer ganz gelingt und somit das Loch im Boden erklärt. Es bieten sich uns unglaublich schöne Bilder links und rechts entlang des Flusses, dem wir für lange Zeit stromabwärts folgen. Dann steuert Gaya das Kanu ans Ufer und ich schaue erst einmal ungläubig die mindestens drei Meter hohe Böschung hinauf, die hauptsächlich aus rutschigem, rotem Lehm besteht. Da sollen wir hinauf? Ja, wie denn? Aber schließlich befinden wir uns hier nicht auf einer Touristenreise sondern im echten Leben. Hier ist nichts organisiert, hier wird nicht nachgefragt ob man das eh schafft, sondern es wird einfach erwartet, dass man jetzt dort hinaufsteigt. Irgendwie krabble ich auf allen vieren hinauf und schäme mich anschließend ein bisschen als ich sehe, dass auch Gaya’s Tochter samt Baby im Tragetuch und einem Kochtopf in der einen Hand die Böschung wie selbstverständlich bewältigt. Oben folgen wir Gaya, der uns stolz zu seinem ebenfalls selbst gebauten „Wochenendhaus“ führt. Es wurde wohl längere Zeit nicht benützt, denn es ist von meterhohen Dschungelpflanzen umgeben und schaut ganz ähnlich aus wie das vorher schon  beschriebene, nur dass es hier im Inneren zusätzlich noch eine große, ca. einen Meter hohe, hölzerne Plattform gibt, auf der nun nebeneinander zum Schlafen drei Moskitonetze befestigt werden. Wir bekommen netterweise das mit den wenigsten Löchern, Gaya spendiert uns noch eine Wolldecke und das war’s dann. Ich denke noch „Kein Problem“, ich habe ein paar Reservesachen zum Anziehen im Rucksack, die ziehe ich in der Nacht alle übereinander an, das geht dann schon. Ich besichtige noch schnell auf Gaya’s Rat hin das etwas abgelegene Urwaldklo, zu dem ich mich über meterhohes Gras, Schlingpflanzen und Ästen durchkämpfen muss und dabei nur inständig hoffe, dass sich nichts Giftiges darunter befindet. Das Klo entpuppt sich dann als ein überdachtes und – weil eben länger nicht benützt, – leicht überwuchertes Loch im Boden, ich hoffe, dass es stabil ist, aber besser als gedacht ist es auf jeden Fall und – wenn ich eines auf dieser Reise gelernt habe ist das: „Wenn man wirklich muss, kann man überall“. Bald darauf startet Gaya mit uns zur mehrstündigen Urwaldwanderung, der Rest der Familie bleibt im Übernachtungslager. Er hat eine scharfe Machete mit und geht voraus und sehr schnell wissen wir auch warum. Der Dschungel ist so dicht, dass man hier ohne Machete keinen Meter weit kommen würde. Ziemlich gleichzeitig mit unserem Start ändert sich auch das Wetter und es beginnt zu regnen. Zuerst spüren wir nicht viel davon, da das Blätterdach über uns so dicht ist, dass es den Regen abhält, doch je höher wir hinaufsteigen, desto intensiver wird dieser. Trotzdem ist die Tour unglaublich spannend. Gaya weiß einfach alles über den Dschungel. Er zeigt uns die Bäume aus deren Rinde das Gift „Curare“ gewonnen wird, wir sehen Bäume welche besonders viel Regenwasser speichern können, sodass man aus den Ästen wie aus einer Flasche trinken kann oder er erklärt uns, wie man einen speziellen Baum anritzt und daraus „Brillantine“ für die Haarpflege entnimmt. Auch Bodennester unter großen Farnen zeigt er uns, wo große Tiere wie vielleicht sogar ein Jaguar geschlafen haben. Er spürt Vögel und Affen auf, kann nur durch ihre Laute genau deren Namen und die Entfernung feststellen in der sie sich befinden. Es ist einfach ein einzigartiges Erlebnis mit ihm unterwegs zu sein. Bis wir unser Ziel, einen hochgelegenen Aussichtspunkt, erreichen, sind wir alle bereits bis auf die Haut nass. Das letzte Drittel der Tour geht steil bergauf und immer wieder rutschen wir mit unseren Stiefeln im regennassen Matsch aus, ziehen uns nur an Lianen und dünnen Bäumen hinauf, der rote Lehm des Dschungelbodens ist glatt wie eine Eisbahn. Trotzdem kämpfen wir uns tapfer bis nach oben, wo es normalerweise eine wunderschöne, kilometerweite Aussicht über den Dschungel gibt. Nur heute leider nicht, alles was wir sehen ist dichter Nebel – Sehr schade, aber daran ist nichts zu ändern. Wir machen trotzdem es paar Fotos und steigen bzw. rutschen dann im strömenden Regen wieder den Berg hinunter. Auch der anschließende Besuch eines versteckten, kleinen Urwaldwasserfalls, der normalerweise nach dem Anstieg zum Aussichtspunkt eine wunderbare Abkühlung bieten würde fällt heute sozusagen ins Wasser. Am meisten traurig darüber ist wohl Gaya, der uns „seinen Dschungel“ sehr gerne von der schönsten Seite präsentiert hätte. Nach insgesamt vier bis fünf Stunden Urwaldtour kehren wir zurück zum Lager, natürlich endet genau als wir dort ankommen auch der Regen und wir wechseln erst einmal unsere Kleidung. Dabei komme ich drauf, dass ich leider meine Ersatzhose vergessen habe und mich schaudert bereits jetzt vor der kalten, bevorstehenden Urwaldnacht, denn auch die restliche, komplett durchnässte Kleidung fällt jetzt für die Nacht natürlich weg. Aber an Schlafen ist ohnedies noch nicht zu denken, Gaya, der so frisch aussieht als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen, gönnt uns nur eine kurze Pause, dann steigen wir mit ihm zusammen wieder in das Kanu und er fährt mit uns weiter den Fluss hinunter. Er möchte, so sagt er, uns ein paar wunderschöne Dschungelstrände zeigen wo man auch super schwimmen könne – Na danke, Wasser hatte ich für heute genug! Die großen Sandbänke zu denen er uns dann bringt, sind aber dann wirklich traumhaft, die Sonne strahlt wieder und langsam wird hier auch meine Hose wieder trocken. Gaya will dann aber bald wieder weiter zu einem seiner Lieblingsplätze, er möchte uns dort den Dschungel auch in der Dunkelheit zeigen und schwärmt vom unglaublichen Sternenhimmel, der hier im Urwald, abseits aller Lichter, wohl besonders schön sein soll. Aber soweit kommt es dann leider gar nicht, denn, als wir bereits mindestens eine halbe Stunde weiter stromabwärts gefahren sind, hören wir plötzlich ein lautes Geräusch vom Heck des Kanus und der Antrieb setzt augenblicklich aus. Gaya meint erst „No problema“, schiebt das Kanu ans Ufer und untersucht den Schaden. Ein Verbindungsbolzen bei seinem Langschaftantrieb ist gebrochen. Er montiert dann an der Front des Bootes einen „Draht für alle Fälle“ ab und versucht den Antrieb damit zu reparieren. Das Ganze wiederholt sich noch mehrmals, da jedesmal wieder, nachdem wir einige Minuten unterwegs sind, das gleiche Problem auftritt. Letztendlich müssen wir den Abendausflug leider abbrechen und Karl und ich legen den Rückweg zum Camp großteils zu Fuß am Flussufer zurück, während Gaya, im Wasser gehend, das Kanu flussaufwärts schiebt. Nebenbei pflanzen wir im Sand des Flussufers auf Gayas Anweisung hin noch jede Menge „Balsa“-Pflänzchen ein, die er unterwegs gesammelt hat. Er erklärt uns, dass diese Baumart besonders rasch wächst und hier bereits nach drei Jahren große Balsa-Bäume stehen würden. Sehr cool. Wir kehren dann also ins Lager zurück, verteilen zur Begeisterung unserer Gastgeber ein paar der von uns mitgebrachten Sandwiches zum Abendessen und bemerken erstaunt, dass diese ganz einfachen, mit Schinken, Käse, Tomaten und Mayo gefüllten, Toastscheiben, die ich aufs Geratewohl noch schnell in der Früh gemacht und eingepackt habe, für diese Menschen ein echtes Festmahl darstellen. Wurst und Käse ist wohl etwas das sie nur ganz, ganz selten zu essen bekommen. Reis, Yuca, Mais und Früchte sind ansonsten die täglichen Hauptbestandteile ihrer Ernährung. Wenn die Männer zur Jagd gehen, was meistens nur zu besonderen Anlässen passiert, und dabei erfolgreich sind, ist dies jedesmal ein Grund zum Feiern, wie Gaya uns erklärt. Er revanchiert sich bei uns mit einer Schale „Bananen-Chicha“ die er rundum gehen lässt und ich versuche nicht zu viel an den Speichel zu denken und nehme tapfer einen Schluck der wirklich gut schmeckt. Wir sitzen dann noch rund um das Feuer, Gaya erzählt noch ein paar Geschichten, z.B. wie er vor einiger Zeit mit Verwandten hier übernachtet hat und sie mitten in der Nacht ganz nahe das Knurren eines Jaguars gehört haben. Gaya kann dieses Geräuch ganz genau nachmachen und führt es uns mehrmals vor. Sie hätten daraufhin das Feuer ganz hochbrennen lassen und lange Zeit mit Macheten auf Kochtöpfe geschlagen, bis sie ziemlich sicher waren, dass das Raubtier nicht mehr um das Lager schlich. Mir geht diese Geschichte leider dann lange nicht aus dem Kopf, denn als wir uns dann ziemlich bald unter unsere Moskitonetze zum Schlafen zurückziehen, liege ich noch endlos wach und schaue hinaus in den Dschungel der sozusagen nur ein paar Meter von unserem Schlafplatz entfernt ist. Das Feuer brennt hinunter bis es schließlich ganz ausgeht, die Geräusche im nächtlichen Dschungel werden immer lauter und ich stelle mir vor, wie der Jaguar sich gerade anschleicht und mit einem Hops auf diese Ein-Meter-Holzplattform springt, um sich denjenigen zum Abendessen zu holen, der ganz außen liegt und das bin, auf eigenen Wunsch hin, halt in diesem Fall ich. Ich schwöre mir, die ganze Nacht durchzuhalten ohne aufs Klo zu müssen, denn für nichts in der Welt würde ich im Dunkeln einen Fuß in den Dschungel setzen. Irgendwann schlafe ich dann aber doch ein, klaue Karl die Wolldecke weil mir so eiskalt ist und bin dann aber echt froh als der nächste Morgen anbricht. Wir sind völlig steif vom Liegen auf dem harten Holzboden, Gaya ist frischfröhlich schon um sechs Uhr wach, es gibt Urwaldkaffee und gekochte Yuca zum Frühstück, dann verschwinden Gaya und sein Schwiegersohn in Richtung Kanu, um noch einen letzten Reparaturversuch zu starten. Falls der nicht gelingt, meint Gaya, müssten wir halt mit den beiden jungen Leuten zu Fuß nach Hause zurückmarschieren während er das Kanu wieder stromaufwärts durchs Wasser schieben würde. Alles kein Problem meint er lächelnd, ich überschlage kurz die weite Strecke die wir am Vortag mit dem Kanu gefahren sind und stelle mich schon auf eine ein- bis zweitägige Dschungelwanderung ein, aber es kommt anders. Wie auch immer die beiden das geschafft haben, der Antrieb funktioniert wieder und Gaya zeigt uns auf der Rückfahrt noch eine im Dschungel versteckte Lagune, in der man laut ihm lieber kein Bad nehmen sollte. Sie ist von einem riesigen Sumpfgebiet umgeben, wird nur durch Regen und regelmäßige Flussüberflutungen gespeist und es gibt hier alle möglichen Bewohner, meint er, von ungefährlichen Schildkröten die sich vor uns an der Oberfläche sonnen bis hin zu Kaimanen und richtig großen Anacondas die unter den Mangroven lauern. Sehen lässt sich leider keine davon, aber alleine schon der Umstand, dass Gaya uns die Größe eines Anacondakopfes demonstriert die er hier schon gesehen hat, lässt uns einen respektvollen Abstand zum sumpfigen Ufer halten. Dann kehren wir im Kanu zu den Hütten der Familie zurück und genießen deren Gastfreundschaft noch einen weiteren Tag und eine Nacht, bevor wir Abschied nehmen von den liebenswerten „Huaoranis“. Wir revanchieren uns bei der Familie natürlich mit eine Geldbetrag der freudig zur Kenntnis genommen wird, verteilen nocheinmal unsere beliebten Sandwiches, die Kinder jubeln über die riesige Packung Lutscher und noch mehr über das Beach-Tennis-Set mit Schlägern und Bällen, das bei uns schon ewig ungespielt im Unimog herumliegt und Gaya strahlt über das restliche Benzin für sein Kanu das wir ihm noch in seinen Kanister füllen. Was sollen wir denn auch mit Benzin machen? Wir stimmen gerne zu, als Gaya uns fragt, ob er und seine Frau noch ein Stück mit uns mitfahren dürfen bis zu einer etwas entfernt liegenden Busstation weil sie einen Verwandtenbesuch machen möchten. Letztendlich wollen dann auch die Tochter samt Baby und ein weiteres Mädchen mit, wir schlichten sie vorne und hinten in den Unimog und los gehts. Alle haben sichtlich Spaß, ich sitze mit den beiden Mädchen hinten in der Kabine, spendiere ihnen für die Fahrt noch jeweils ein Coca Cola aus unserem Kühlschrank, was bei den beiden ungläubiges Erstaunen auslöst. Coca Cola an sich ist für die zwei schon ein absolutes Highlight, aber dann auch noch kalt, hier im Auto, sie könne es nicht fassen und es ist so schön ihnen damit eine Freude machen zu können. An der Bushaltestelle folgt dann die echte Verabschiedung. Wir haben die Familie inzwischen wirklich liebgewonnen und wünschen jedem einzelnen von Ihnen von Herzen alles Gute. Wir versprechen ihnen, die durch uns von ihnen gemachten Fotos an Tony weiterzuleiten, damit sie diese bei ihrem nächsten Besuch dort anschauen können, denn Handys gibt es in der Familie zwar, aber nur ohne Internet. Dann ein letztes Winken und wir folgen der Schotterstraße wieder hinaus aus dem Gebiet der „Waoarani“ an die wir sicher unser Leben lang zurückdenken werden.

Wieder in „Tena“ angekommen, führt uns unser erster Weg zum inzwischen dritten, von Tony vermitteltem Elektriker der sich endlich um unsere 12V-Wasserpumpe kümmern wollte, nachdem die zwei vorherigen bereits abgewunken hatten. Leider haben wir, wie fast schon erwartet, aber auch diesmal kein Glück, niemand kann die Pumpe reparieren und anscheinend gibt es in ganz Ecuador auch keine Möglichkeit eine solche Pumpe neu zu kaufen, nicht einmal in der Hauptstadt Quito, weil 12V-Pumpen, wie man uns immer wieder sagt, wohl hier einfach nicht benützt werden. Also müssen wir umdisponieren, für das Waschbecken improvisieren wir mit einer kleinen Pumpe wie wir sie auch auf unserer 20 l Trinkwasserflasche verwenden und die mit USB aufladbar ist, der Abfluss des Waschbeckens wird einmal mehr mit – diesmal stärkerem – Silikon geklebt und Duschen im Unimog fällt halt ab sofort leider aus, da müssen wir auf öffentliche Angebote wie es sie z.B. auf den Tankstellen oft für die LKW-Fahrer gibt, ausweichen, das ist halt jetzt mal so, das kann man nicht ändern. Ich versuche dann, über Amazon eine Pumpe zu finden, die nach Ecuador geschickt werden kann, leider aber ebenfalls ergebnislos. Es gibt zwar jede Menge Angebote in den USA, aber entweder das Ding passt für uns nicht oder es wird nicht nach Südamerika geliefert. Dann fällt mir ein, dass wir uns ja bereits im Juni, als die ersten Probleme mit der Pumpe auftraten, eine neue Pumpe aus Deutschland nach Panama haben schicken lassen, die uns aber so lange wir dort waren, nicht erreichte (bekanntes DHL-Problem..). Ich kontaktiere also Alessandro vom „Overland Embassy“ in Panama City und frage ihn ob das Paket vielleicht irgendwann nach unserer Abreise doch noch bei ihm angekommen ist. Er antwortet gleich und meint „Ja, das liegt in meinem Büro, wohin kann ich es Euch schicken?“ Wir geben ihm vorsichtshalber eine Adresse in Peru, dem nächsten Land unserer Reise und zwar  von einer Werkstatt, wo unsere Freunde Klaus und Sonja ihr Wohnmobil für vier Monate eingestellt haben und wo uns Chef Carlos, zu diesem Zweck und auf meine Nachfrage hin, gerne seine Adresse zur Verfügung stellt. Alejandro schickt das Paket ab und – oh Wunder – schon nach drei Tagen und nachdem ich online noch einen kleinen Betrag an den peruanischen Zoll bezahlt habe, meldet sich Carlos aus Lima mit der Nachricht, dass es angekommen sei. Also 12V-Pumpe-Problem demnächst gelöst. Von unserem zweiten Paket mit dem so wichtigen Abwassertank, abgeschickt am 18. August in Deutschland, gibt es jedoch nach wie vor keine Spur. Inzwischen habe ich den Absender gebeten, einen Nachforschungsauftrag zu erstellen, aber wir haben noch nichts davon gehört, dass man das Paket irgendwo ausfindig gemacht hätte.

Lagunen, Lamas und „Galapagos für Arme…“

Für uns geht es nun weiter hinein ins zentrale Hochland von Ecuador und wir machen uns dazu an einem drückend heissen Vormittag auf den Weg in Richtung Westen. Die Straße steigt langsam wieder an, gleichzeitig sinkt das Thermometer auf unter 25 Grad und wir lassen das tropische Amazonas-Klima schnell hinter uns. Wir erreichen den völlig touristenverseuchten Ort „Banos“, wo wir uns aber nur ganz kurz aufhalten, einmal durch den schönen Markt streifen und uns dann etwas außerhalb zu einem idyllischen, direkt an einer tiefen Schlucht gelegenen, winzigen Campingplatz begeben, wo außer uns mal wieder keiner da ist und wo man uns sogar eine voll eingerichtete Küche anbietet, in der uns Karl dann ein ganzes Kilo noch in“Tena“ für fünf Dollar gekaufte Garnelen zubereitet. Die Duschen hier im Gebirge sind eisig, aber, wie immer, nimmt man eben das was gerade da ist. Der nächste Tag führt uns weit hinein ins Hinterland der Provinz „Cotopaxi“ mit dem gleichnamigen Vulkan. Vorbei an kleinen Gehöften der Indios mit ihren Schafpferchen folgen wir zuerst noch einer guten Asphaltstraße bis uns das Navi wieder einmal ins Abseits führt. Über eine schmale Schotterstraße geht es durch hohe Canyons hinab in tiefe Täler, wo wir oft keine Idee mehr haben wo denn von dort jemals ein Weg wieder hinausführen soll. Es begegnen uns hier nur mehr vereinzelte Einheimische die uns verwundert hinterherschauen, wir sehen die ersten Lamas auf unserer Reise und schicken mal wieder, wie schon so oft, ein Stoßgebet zum Himmel, dass der Weg, der für den Unimog eigentlich jetzt schon zu schmal ist, nicht noch enger wird, denn Umdrehen wäre die meiste Zeit über nicht möglich und oft geht es knapp neben uns hunderte Meter in steile Schluchten hinunter. So sind wir am Schluss wirklich heilfroh, als die Piste dann letztendlich nach Stunden doch wieder in eine Asphaltstraße einmündet und wir unser Ziel, die „Laguna Chilotoa“ noch ganz kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Es ist eiskalt hier oben und wir schalten seit längerem wieder einmal unsere Heizung ein, die zwar anfangs furchtbar nach Diesel stinkt, aber sich dann doch zum Glück wieder einkriegt. Am nächsten Morgen bietet sich uns ein wunderbarer, klarer Blick über die Lagune, die mit ihren 250 m so tief ist, dass viele Einheimische hier behaupten, sie hätte gar keinen Grund. Das alkalische Wasser darin ist nicht trinkbar und rundherum würde ein sechsstündiger Weg führen, angeblich mit wunderbaren Ausblicken auf den 5.897 m hohen Vulkan Cotopaxi. Durch dessen Nationalpark wären wir sehr  gerne gefahren, mussten dies aber zugunsten unseres Dschungelausflugs auslassen. So genießen wir anschließend unsere Weiterfahrt durch die Berge umso mehr und wenden uns dann langsam Richtung Pazifikküste. Von 4.000 m geht es wieder langsam hinunter, durch tiefe Täler an deren Hängen so hoch hinauf Mais und andere Nutzpflanzen angebaut werden, dass man sich nicht vorstellen kann, wie dieses Gelände überhaupt noch  bewirtschaftet werden kann und durch winzige Ortschaften mit nur ab und zu ein paar Straßenverkäufern. Dann tauchen erste Palmen auf und schnell folgen üppige Plantagen mit Kakao und Bananen. Darüber sind überall kleine Flugzeuge im Einsatz, die von oben massenweise Pestizide auf die Bananenfelder sprühen, selbst in den kleineren Dörfern sind die Bauern überall mit umgehängten Sprühflaschen zu sehen. Ja, man glaubt, Ecuador sei in vielen Dingen so fortschrittlich, aber Umweltschutz ist hier zum Großteil wirklich noch überhaupt kein Thema. Obst ist hier extrem billig, Karl will für uns bei einem der fantastisch, bunten Obststände ein paar Bananen kaufen und kommt dann etwas ratlos mit einer ganzen Bananenstaude zurück, die er für einen Dollar in die Hand gedrückt bekommen hat. Es sind die ganz kleinen, dicken Bananen, die es bei uns gar nicht gibt und die so unglaublich gut schmecken. Vier Polizeikontrollen später, bei denen wir zweimal durchgewunken werden, einmal fast bezahlen müssen weil wir wieder mal nicht angeschnallt sind, was ich dem netten Polizisten mit dem immensen Alters unseres Unimogs erkläre und einmal eine längere Diskussion mit einem Beamten haben, der glaubt wir hätten eine doppelte Sperrlinie überfahren, was ihm Karl dann aber letztendlich doch wieder gestenreich ausreden kann, erreichen wir schließlich „Montecristi“. Hier werden laut Kennern „die feinsten Strohhüte des Planeten“ hergestellt, auch wenn diese fälschlich weltweit als „Panamahüte“ bezeichnet werden. Diesen Begriff sollte man hier in „Montecristi“ natürlich besser nicht benützen, sondern man fragt hier nach einem „Sombrero de paja toquilla“. Die Straßen sind von entsprechenden Hutläden gesäumt, die Qualität reicht von billig bis teuer, ab 20 Dollar zahlt man für locker geflochtene Hüte, für die ganz feinen, extrem leichten Modelle muss man aber leicht noch eine Null hinten anhängen, wobei es nach oben hin dann sowieso keine Grenzen gibt.  Ansonsten hat Montecristi nicht viel zu bieten und nach einer Nacht in der Nähe der riesigen Basilika nehmen wir das letzte Stück Weg bis zur Küste in Angriff.

 

Unser heutiges Ziel, den kleinen Fischerort „Puerto Lopez“, erreichen wir dann am frühen Abend und noch bevor wir uns einen Standplatz am Strand suchen, buche ich für uns für den nächsten Tag eine Tour zum „Whale watching“. Jedes Jahr von Juni bis September ziehen nämlich fast 1.000 der majestätischen Wale in Ecuador’s Küstengewässer um hier ihre Jungen zur Welt zu bringen und „Puerto Lopez“ ist einer der besten Ausgangspunkte, um die großen Meeressäuger zu beobachten. Wir treffen unseren Guide Tito am nächsten Tag am Hafen und fahren mit einem kleinen Boot hinaus. Wieder einmal haben wir Glück, das Boot ist nur mit wenigen Touristen besetzt und Tito erzählt uns unter anderem auch, dass die Menschen hier in „Puerto Lopez“ zu 70 % Fischer seien und die restlichen 30 % im Tourismus beschäftigt wären. Schon bald sehen wir von weitem eine Gruppe von Walen und in den nächsten zwei Stunden schaffen es Tito und sein Kapitän immer wieder, das kleine Boot so zwischen die Wale zu manöverieren, dass diese mal links und mal rechts neben uns aus dem Wasser springen. Es ist wirklich sensationell, die riesigen Tiere mit ihren Jungen aus nächster Nähe zu erleben. Gegen Ende der Tour fahren wir noch ganz nahe an einer Seelöwenkolonie und einer Ansammlung von Blaufusstölpeln vorbei (sozusagen „Galapagos für Arme“) und halten an einem Riff, wo wir die Möglichkeit zum Schnorcheln hätten, wofür es uns heute aber eindeutig zu windig und zu kalt ist. Dann geht es zurück und wir sind uns einig, dass die 20 Dollar die uns dieser Ausflug pro Person gekostet hat, wirklich gut investiert waren. Weil dann unser Standplatz zwischen den Fischerbooten am Strand so richtig schön ist und uns das symphatische „Puerto Lopez“ jeden Tag noch besser gefällt, bleiben wir gleich drei Tage hier, essen direkt neben dem Fischmarkt am Strand Fisch und Tintenfisch, bringen wieder einmal 15 kg Wäsche in eine leider nicht besonders günstige Wäscherei und sitzen später mitten unter den Einheimischen bei einem örtlichen Fußballturnier, wo wir nach ein paar Bier die Mannschaften beim Elferschießen genauso laut anfeuern wie die Leute neben uns. Genau das ist es was unsere Reise immer wieder so aufwertet, das echte Leben mitten unter den einfachen Leuten jedes Landes, das suchen und lieben wir beide! Dass erst vor kurzem, vor den Wahlen,  hier in „Puerto Lopez“ ein Bürgermeisterkandidat auf offener Straße erschossen wurde, erfahren wir erst nach unserem Besuch, gemerkt haben wir von irgendwelchen Spannungen während unseres Aufenthalts aber rein gar nichts.

Und genauso geht es auch in den nächsten Tagen weiter, wir gondeln ganz langsam die Küste hinunter, wenn wir keine Lust mehr zum Fahren haben, folgen wir einer beliebigen Stichstrasse zum Strand und landen jedes Mal in einem anderen, bezaubernden, kleinen Fischerdorf. Am Schluss übernachten wir noch in Santa Elena, wo sich ein ehemaliger Kapitän einen Traum erfüllt hat und dort hoch auf einer Klippe das kleine Hotel „Farallon Dillon“ gebaut hat, das er mit sämtlichen in seinem Leben gesammelten und von seinem Vater, der ebenfalls schon Kapitän war, geerbten, nautischen Dingen ausgestattet hat. Es gibt sogar einen kleinen Pool von dem man, wie überhaupt von der ganzen Anlage aus, einen einmaligen Blick aufs Meer und kilometerweit über die Küste hat. Für ein paar Dollar können auch Overlander dort auf dem Parkplatz übernachten und sehr gerne hätten wir auf der wunderschönen Terrasse des Restaurants auch am Abend gegessen, aber entweder liegt es daran, dass außer uns keine anderen Gäste da sind, oder die Mitarbeiter, die sich im Inneren des Restaurants aufhalten, sind einfach nur völlig desinteressiert am Geschäft, jedenfalls ignoriert man uns trotz zweimaliger Intervention unsererseits bewusst so lange, bis wir schließlich aufstehen und gehen. Abendessen gibt’s dann eben im Unimog und wir genießen am nächsten Vormittag nocheinmal ausgiebig den Pool und das traumhafte Panorama. Aber trotzdem, zu sehen wie solche außergewöhnlichen Plätze mit so riesigem Potenzial, so miserabel geführt werden, tut uns zweien immer in der Seele weh.

Nun stellt sich uns die Frage wie es Richtung Peru weitergehen soll. Fahren wir direkt an der Küste entlang weiter oder noch einmal zurück ins Landesinnere, wo ich wahnsinnig gerne noch die Stadt „Cuenca“ besuchen würde, die als koloniale Schönheit gilt und weiter südlich das Gebiet um den Ort „Vilcabamba“, wo ein mildes Klima herrscht und wo man die Hügel und die malerische Landschaft unter anderem auch per Pferd erkunden kann – und ich möchte doch soooo gerne endlich einmal wieder in den Sattel! Aber natürlich, es wäre ein ziemlicher Umweg und wenn ich so auf die Karte und über das riesigen Peru schaue, was ich inzwischen studiert habe und wo ich bereits viele Plätze markiert habe zu den wir unbedingt hin müssen, dann wird die Antwort immer klarer. Den Ausschlag gibt aber dann, dass ich mich noch einmal näher mit dieser Gegend im Süden von Ecuador beschäftige und lese, dass sich dort besonders viele, pensionierte US-Bürger niedergelassen haben und auch die meisten Touristen diese Strecke fahren, sodass die hindurch führende Straße von den Einheimischen inzwischen sogar schon als „Gringo-Trail“ bezeichnet wird. Ok, da brauchen wir uns sicher nicht auch noch anzuschließen, ich verschiebe meine Reitpläne seufzend wieder ein weiteres Mal und wir nehmen die direkte Route entlang der Küste. Wir tanken noch einmal inkl. den Reservekanistern alles voll, denn in Peru wird der Diesel wieder teurer und vorbei an nicht endenwollenden, kilometerlange Bananenplantagen, den wirklich größten die wir bisher auf der Reise gesehen haben, nähern wir uns der peruanischen Grenze.

Rückblickend auf unsere Reise durch Ecuador kann ich nur sagen, dass es ein sehr liebenswertes, symphatisches Land ist, das sehr leicht zu bereisen ist. Es ist wirklich gesegnet mit freundlichen Menschen und jeder Art von großartigen Landschaften. Von Vulkanen und hohen Bergen geht es über hügeliges Hochland bis hinunter in den Amazonasdschungel und dazu kommen noch die wunderschönen Strände. Die klimatischen Bedingungen wechseln hier bei einer Fahrt innerhalb eines Tages manchmal so extrem, dass man kaum noch mitkommt. Noch nie haben wir unsere Kleidung so oft und so schnell hintereinander von dick auf dünn getauscht wie in Ecuador. Die Preise sind, wahrscheinlich auch bedingt durch den US-Dollar, auf jeden Fall höher wie beim Nachbarn Kolumbien. In den Tourismusregionen wird einem das Geld schon leicht aus der Tasche gezogen, allerdings kann man auch dort in den kleinen Einheimischenlokalen extrem gut und günstig essen, man muss nur ein bisschen genauer hinschauen und oft ein bisschen länger suchen. Zu meinem Leidwesen war hier sogar das Bier teurer als bisher! Witzigerweise waren dabei die großen 1 Liter-Flaschen im Restaurant oft sogar ziemlich günstig, hingegen die 0,33 l-Dosen im Supermarkt mit oft bis zu einem Dollar pro Stück einfach viel zu teuer. Das einzige was mir aber von Ecuador auf ewig in wirklich schlechter Erinnerung bleiben wird ist, dass wir hier das mieseste Brot von ganz Lateinamerika vorgefunden haben. Nicht nur sämtliche Arten davon waren ungenießbar und süß, sondern sogar der Teig der zweimalig versuchten Pizza wird hierzulande mit Zucker gesüßt bzw. vor dem Belegen damit bestreut – Einfach widerlich! Hingegen war von Korruption oder Kriminalität wieder einmal nirgends eine Spur, wir haben uns überall und jederzeit im Land komplett sicher gefühlt obwohl wir wieder nur zweimal auf einem Campingplatz übernachtet haben, ansonsten immer freistehend, meistens in der Einsamkeit, wo immer wir gerade Lust hatten oder wo es halt gerade dunkel wurde. Auf jeden Fall wünschen wir Ecuador und seinen Menschen, dass die demnächst stattfindende Stichwahl einen Präsidenten hervorbringen möge, unter dem das symphatische Land zur Ruhe kommt und sich wieder stabile Verhältnisse einstellen. Wir zwei hatten auf jeden Fall eine sehr gute Zeit hier und wenden uns jetzt dem großen Nachbarn im Süden zu. Der riesige Andenstaat Peru liegt nun vor uns uns und wir freuen uns schon sehr darauf!

 

 

 

 

 

 

 

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