Von der Atacama ins Herz der süßen Trauben
Noch immer befinden wir uns auf der „Lagunenroute“, dem letzten Stück zwischen Bolivien und Chile. Der Grenzposten der Bolivianer liegt hinter uns, wir fahren ca. fünf Kilometer durch das Niemandsland des „Altiplanos“, bis wir in der Ferne auf ca. 4.600 m das einsame Gebäude der chilenischen Grenzpolizei auftauchen sehen. Dieser besteht aus einer hohen Halle, in der die Kontrollen vorgenommen werden. Es stellt sich heraus, dass dieses zwar ziemlich neu ist, aber wohl von Anfang an eine Fehlplanung, jedenfalls ist sie für unseren Unimog auf jeden Fall zu niedrig. Wir passen nur mit dem Führerhaus
hinein, keine Chance für die restliche Kabine. Die Immigration ist rasch erledigt, dann kommt der Zoll, von dem wir bereits wissen, dass dieser in Chile sehr gründlich agiert. Vor allem Obst, Gemüse, Eier und Frischfleisch dürfen nicht eingeführt werden und die Chilenen sind für ihre gewissenhaften Kontrollen berüchtigt. Wir haben nur mehr eine alte Zwiebel, zwei Kartoffeln und einen schon ziemlich braunen Apfel und diese zum „Leicht-Finden“ ganz oben in den Kühlschrank gelegt, was dem Kontrolleur ein nettes Erfolgserlebnis vermittelt und ihn dann gar nicht mehr weitersuchen lässt. Er hätte auch nichts mehr gefunden, denn ansonsten ist der Kühlschrank voll mit Bierdosen, was ihm ein verständnisvolles Lächeln entlockt und den Rest haben wir wirklich gut versteckt. Die ganze Prozedur wird in einer sehr freundlichen Atmosphäre durchgeführt und schon nach kurzer Zeit haben wir alle Papiere und dürfen in Chile einreisen, indem man die Tore neben der Kontrollhalle als „Umfahrung“ extra für uns öffnet. Da Argentinien und Chile ja geografisch nebeneinander liegen und damit den südlichsten Teil des amerikanischen Kontinents bilden, wird diese Einreise nicht unsere letzte bleiben, denn wir werden, bis wir Feuerland erreichen, noch mehrmals zwischen den beiden Ländern hin und her wechseln und daher werde ich beide auch großteils in gemeinsamen Berichten zusammenfassen. Erst einmal freuen wir uns aber wirklich, dass wir nach den letzten Tagen und den vielen Kilometern Waschbrettpiste gleich nach dem chilenischen Grenzposten wieder eine Asphaltstraße vorfinden und machen
uns auf die teilweise sehr steile Abfahrt von über 2.000 Höhenmetern hinunter nach „San Pedro de Atacama“, das „nur mehr“ auf 2.400 m liegt. Nach den vielen Wochen in der dünnen Luft zwischen 3.000 und 5.000 m ist es eine Wohltat, wieder etwas mehr Sauerstoff zum Atmen zu haben und alles ist gleich etwas weniger anstrengend. Ein letztes Mal auf unserer Reise über den
amerikanischen Kontinent stellen wir die Uhr um eine Stunde vor und sind mit nur mehr vier Stunden Unterschied jetzt der mitteleuropäischen Zeit schon wieder
ziemlich nahe. Von der perfekt ausgebauten Pass-Straße aus bieten sich uns immer wieder unglaublich schöne Ausblicke auf das „Valle de Atacama“ und die trockenste Wüste der Welt. Die ersten bunten Blumen und grünen Sträucher tauchen am Straßenrand auf und man glaubt gar nicht, welche Freude das fürs Auge ist, wenn man wochenlang nur durch die braune Landschaft Boliviens gefahren ist. Das Städtchen „San Pedro de Atacama“ selbst ist dann der nächste Lichtblick. Obwohl vom Tourismus total eingenommen, hat es seinen dörflichen Charakter behalten und strahlt eine sehr gemütliche Atmosphäre aus, mit seinen geschotterten Dorfstraßen niedrigen Gebäuden, kleinen Geschäften, Bars und Restaurants – Es gibt endlich wieder richtige Lokale die etwas anderes anbieten als gebackenes Hendl und Pommes – Und ich trinke
zum ersten Mal seit Peru wieder genüsslich mindestens einen „Aperol Sprizz“ – Und er schmeckt
göttlich! Nach zwei Nächten und den üblichen Erledigungen wie Internet und Bargeld machen wir uns dann wieder auf den Weg und treffen dabei mitten in San Pedro ganz zufällig nocheinmal auf Willi und
Ria mit ihrem großen Mercedes-Truck, die gerade mit einem Kupplungsproblem kämpfen. Helfen können wir den beiden
leider nicht wirklich und sie beschließen dann, das Wochenende hier in „San Pedro“ zu verbringen und am Montag in eine Mercedes-Werkstätte zu fahren. Die beiden wollen dann danach gleich nach Argentinien abbiegen, wir zwei aber bleiben vorerst noch in Chile und fahren weiter Richtung Pazifikküste. Wir hoffen, dass wir das symphatische Paar irgendwann, irgendwo noch einmal wiedersehen, man trifft sich schließlich im Leben immer dreimal… .
Die Schnellstraße, der wir vorerst westwärts folgen, verläuft fast schnurgerade durch die Einsamkeit der Atacama-Wüste und schon einen Tag später erreichen wir die Hafenstadt „Antofagasta“, die uns aber nur wenig interessiert und wo wir daher gar nicht stoppen und ab jetzt geht es weiter südwärts die Küste hinunter. Die Straßen bleiben schön, ab und zu sind sie durch den Wind und den Sand der umliegenden Dünen etwas versandet, aber alles wirkt plötzlich sehr geregelt nach dem Chaosverkehr in Peru und Bolivien. Man kommt sich schon fast wie ein Straftäter vor, wenn man bei kilometerweiter Sicht trotz Sperrlinie überholt, was keinem Chilenen anscheinend auch nur im Entferntesten einfallen würde, die fahren in diesem Fall, auch mitten in der einsamen Wüste, alle brav bis zum Ende der Linie hinter uns her. Der Müll neben der Straße wird etwas weniger und überall sind auch Mülltonnen aufgestellt nach denen wir in Bolivien oft ewig suchen mussten. Wir tanken zum ersten Mal und obwohl der Liter Diesel hier umgerechnet rund einen Euro kostet, ist es ein gutes Gefühl, endlich wieder sorglos zur Tankstelle fahren zu können, ohne befürchten zu müssen, dass man dort keinen Diesel bekommt. Das sind Dinge über die man zu Hause nicht eine Sekunde nachdenkt, aber erst hier in Südamerika haben wir das
richtig zu schätzen gelernt. Die Zähne zusammenbeißen müssen wir dann aber bei unserem ersten Supermarktbesuch, denn die Preise hier in Chile ähneln sehr stark denen bei uns in Österreich. Dafür sind die Supermärkte aber prall gefüllt und es gibt alles was das Herz begehrt, sogar sehr gutes Brot, natürlich wieder nur weißes, aber es sind die besten Baguettes seit langem. Wir verlassen die Autobahn und wechseln über das nocheinmal 2.000 m hohe Küstengebirge zur „Ruta 1“, einer Küstenstraße die ca. 600 km lang direkt am Pazifik nach Süden führt und entlang derer wir gemütlich die nächsten Tage verbringen. Wie schon in Peru ist
der Norden von Chile leer und wüstenartig, jedoch ist hier die Küste felsig und zerklüftet und bietet uns täglich grandiose Ausblicke von den Steilküsten aus übers Meer. Wir übernachten ganz einsam, natürlich immer direkt am Strand, nur ab und zu bewacht von ein paar Vögeln, menschliche Siedlungen fehlen zur Gänze, nur ein
paar einzelne Fischerhütten, zusammengebaut aus den unglaublichsten und vielfach wahrscheinlich angeschwemmten Materialien, sehen
wir hier entlang der Strecke. Davor stehen meistens ein oder zwei mehr oder weniger verrostete, uralte Autos aber jedes Hüttendach ziert zumindestens eine Satellitenschüssel. Wo diese Menschen einkaufen bzw. andere Alltagsdinge erledigen und ob und wie ihre Kinder in diesem einsamen Teil des Landes zur Schule gehen bleibt für uns ein Rätsel. Die Straße
wird nun wieder breiter und führt uns weg vom Meer, wir durchqueren riesige Industriesiedlungen mit bekannten Firmenschildern wie „Liebherr“ und „Catarpillar“ und immer wieder auch Dörfer in denen sichtlich
der chilenische Bergbau dominiert, denn immer wieder weisen Schilder von der Hauptstraße aus den Weg zu den Minen. Der Bergbau spielt in Chile eine sehr große Rolle, insbesonders das schier unendlich scheinende Kupfervorkommen macht das Land zum größten Kupferproduzenten der Welt, noch vor China und Peru. Hier in der Gegend rund um „Copiapo“ liegt auch jene
Kupfer- und Goldmine, wo 2010 die 33 Bergleute bei einem Grubenunglück eingeschlossen und nach 69 Tagen im Beisein von 1.700 Journalisten medienwirksam, mit Hilfe einer, von einer deutschen Firma konstruierten Rettungskapsel, lebend geborgen werden konnten. Das Versprechen des damaligen Präsidenten, umgehend für mehr Sicherheit in den Minen des Landes zu sorgen wurde ebenso wenig eingehalten wie eine Beteiligung der betroffenen Bergleute an den Einnahmen aus den Medienrechten, wie z.B. an dem über das Unglück gedrehten Film. Nocheinmal sind es 300 km entlang der „Ruta del Desierto“, also der „Straße durch die Wüste“ die weiterhin ihrem Namen alle Ehre macht. Wieder einmal sind wir froh über unsere zwei großen Tanks, denn das Tankstellennetz hier im Norden von Chile ist das dünnste unserer gesamten bisherigen Reise. Ein letztes Mal übernachten wir in der absoluten Einsamkeit auf einem halb verfallenen Picknick-Platz, natürlich wieder direkt am Meer.
So schön und beeindruckend die tagelange Fahrt durch die Wüste auch war, jetzt freuen wir uns wieder auf ein bisschen mehr grün und ich mich auf Internetempfang und sei er auch noch so schwach. Es zieht uns ab hier nicht noch weiter in den Süden wo die chilenische Hauptstadt „Santiago de Chile“ liegt, sondern wir biegen ab Richtung Osten, weg vom Meer und hinein ins Hinterland. Vorbei
an riesigen Olivenplantagen erreichen wir schließlich das „Valle de Elqui“, das als eine grüne Oase und subttropisches Paradies mitten im kahlen Norden des Landes beschrieben wird. Durch seine spezielle Lage, zwischen hohen Bergen, geschützt vor den kalten, pazifischen Winden und gespeist vom
Wasser des schmalen „Rio Elqui“, gedeihen hier Trauben, Feigen, Papayas und andere Früchte. Außerdem wird das Tal vom Mythos beherrscht, ein besonderer Kraftplatz zu sein und als Draufgabe sind von hier aus angeblich so viele
Sterne wie selten irgendwo auf der Welt zu sehen, wofür es gleich zwei Observatorien gibt. Seit sich das alles in der Welt herumgesprochen hat, ist es aus mit der Ruhe im Tal, denn Esoteriker, Sterngucker, Buddhisten und Hippies geben sich nun die Klinke in die Hand. Wir fahren vorbei am Stausee des „Rio Elqui“, plötzlich wird rundherum alles grün und an der Straße wird überall Obst und Gemüse verkauft. Wir erreichen unser Ziel am Ende des Tals, das 1000-
Seelen-Dorf „Pisco Elqui“, das seinen Namen 1939 bekam, um den Versuch der Peruaner abzuwehren, sich „Pisco“ als Markennamen schützen zu lassen, was
nur so weit gelang, dass der Name heute in beiden Ländern als Ursprungsbezeichnung geschützt ist. Trotz steigendem Tourismus ist „Pisco Elqui“ ein beschauliches Dorf geblieben, das uns gleich sehr symphatisch ist. Gleich neben dem kleinen
Hauptplatz befindet sich außerdem die Pisco-Destillerie der Familie „Mistral“, die wir noch am gleichen Tag besichtigen können. Wir haben wieder einmal Glück, außer uns sind gerade keine anderen Touristen da und so bekommen wir von José eine private und sehr interessante Führung durch die Destillerie. Er erzählt uns, dass hier in dem engen Tal durch die geschützte Lage und
durch die Wärme die von den umliegenden Felswänden abgestrahlt wird, die süßesten Trauben von ganz Chile wachsen und daraus Pisco von höchster Qualität erzeugt werden kann und zwar ca. 150.000 l pro Jahr. Dieser wird dann in Eichenfässern unterschiedlich lange gelagert und anschließend in verschiedenen Varianten verkauft. Die Destillerie ist damit eine der kleineren in Chile, ganzjährig sind nur zwei Mitarbeiter angestellt, während der Erntezeit im Februar und März sind es dann zehn bis zwölf. José erzählt uns, dass in Chile die stetig steigende Inflation ein großes Problem sei, vor allem Treibstoff sei im Moment so teuer
geworden, dass sich der Großteil der Chilenen derzeit jede Fahrt zweimal überlegen müsse und ein Besuch per Auto von Freunden oder Verwandten, die in einem anderen Teil des Landes wohnen, für die meisten schon lange nicht mehr möglich sei. Ein Großteil der Menschen in Chile verdiene nur den Mindestlohn von umgerechnet ca. 400 Euro pro Monat, damit das tägliche Leben zu bewältigen und die hohen
Supermarktpreise zu bezahlen, scheint wirklich fast unmöglich. José zeigt uns dann die großen Tanks und die Brennkessel der Destillerie und erzählt uns, dass die Kessel mit Holz geheizt würden, das man per
LKWs extra anliefern lassen müsse, was aber immer noch billiger sei als Gas oder Strom zu benützen, wobei, wie er sagt, es Elektrizität im Tal auch noch gar nicht so lange gäbe. Am Ende der Führung dürfen wir die Produkte dann natürlich auch noch verkosten und sie schmecken uns so gut, dass wir gleich noch ein paar Flaschen für die Unimog-Bar mitnehmen. Anschließend essen wir noch im Restaurant der Brennerei, das ausgezeichnete Küche, nur leider auch hier wieder zu nicht gerade günstigen Preisen anbietet. Dafür dürfen wir dann aber auf dem Parkplatz der Destillerie kostenlos übernachten und genießen noch den Abend im beschaulichen Pisco und eine extrem warme Nacht, in der wir seit langem wieder einmal alle drei Fenster und die Dachluke weit offen haben. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass hier in diesem warmen Tal im Winter bis zu einem Meter Schnee liegt, was wir auch bei unserer Führung erfahren haben.
Jetzt aber endlich ins Land der Gauchos und „So viel Papier, so wenig Geld…“
Am nächsten Tag geht es dann weiter Richtung Grenze zu unserer ersten Einreise nach Argentinien. Wir haben uns dazu den höchsten Pass ausgesucht den es zwischen den beiden Ländern gibt, nämlich den „Paso agua negra“, dessen Übergang auf 4.775 m Höhe liegt und der nur vier bis fünf Monate im Jahr geöffnet ist, weil während der übrigen Zeit einfach zu viel Schnee liegt. Den Chilenen ist es wahrscheinlich auch im Sommer zu kalt oder vielleicht auch zu einsam dort oben, denn sie haben ihre Grenzstation viel tiefer, nämlich 92 km von der eigentlichen Grenze entfernt, positioniert. So streng sie bei der Einreise sind, so schnell geht die
Ausreise, klar, was wir nach Argentinien mitnehmen ist ihnen natürlich völlig egal. Nicht egal ist ihnen aber, ob jemand im Niemandsland zwischen den beiden Grenzen verloren geht, denn man bekommt hier einen Zettel mit einer Nummer und wenn man den nicht noch am gleichen Tag bei der Einreise in Argentinien vorzeigt, wird eine Suchaktion gestartet, wovon
Overlander, die davon ganz einfach nichts wussten und sich irgendwo dazwischen einen schönen Platz zum Übernachten in den Bergen gesucht hatten, zu berichten wissen. Gleich nach der Grenzstation endet auch der Asphalt und wir machen uns wieder
einmal auf einer staubigen Schotterstraße an den Aufstieg. Vorbei gehts am jadegrünen Stausee „Embalse la Laguna“, dann tauchen die ersten Schneereste am Straßenrand auf, die durch den ständigen, eisigen Wind hier oben, wie kleine Eisskulpturen aussehen. Leider ist Karl gerade
für die Schönheiten der Umgebung aber gar nicht empfänglich, denn zum allerersten Mal auf unserer Reise wird hier nämlich bei der Auffahrt das Motoröl vom Unimog warm, was uns zu zwei Abkühlpausen zwingt. Karl kann es sich nicht erklären, ist das
Thermostat hängen geblieben, liegt es am Öl…? Trotzdem erreichen wir den Grenzpass und bei der für uns üblichen, langsamen Abfahrt auf der argentinischen Seite ist das Ganze natürlich vorläufig einmal kein Problem mehr, demnächst müssen wir uns aber dann darum kümmern. Wir erreichen die argentinische Grenze, die sich ebenfalls weit unterhalb des eigentlichen Übergangs befindet, dann noch
rechtzeitig, bevor diese abends schließt. Wir sind im Moment die einzigen „Kunden“ hier und unsere erste Einreise nach Argentinien gestaltet sich völlig problemlos.
Als wir im Schnelldurchgang alle Papiere haben, begleitet man uns noch mit einem sehr übergewichtigen Labrador, den man, seinem unmotiviertem Blick nach, wohl gerade bei seinem Verdauungsschlaf gestört hat, zum Unimog. Gelangweilt beschnüffelt der angebliche Drogenhund, nachdem man ihn mit seinen sicher gut 30 kg in die Kabine gewuchtet hat, unsere Inneneinrichtung und wird dann ebenso schnell wieder daraus entfernt. Klar, auf Bier, Wein und Pisco ist er halt Gott sei Dank nicht abgerichtet… !
Da ein Wochenende vor uns liegt und wir daher ohnedies erst am Montag eine Werkstatt zum Öl wechseln in „San Juan“, der ersten, größeren Stadt in Argentinien, finden werden, bleiben wir noch zwei Nächte in den Bergen und finden durch Zufall am „Playa Lamaral“,
einem wunderschönen aber auch unglaublich windigen See, einen super Übernachtungsplatz bei einer Kite-Surf-Schule, die aber
mehr an einen Beach-Club erinnert. Dort gibt es heiße Duschen, einen
gemütlichen Aufenthaltsraum mit wlan, einen Außenbereich mit bunten Hängematten und das alles mit unglaublichen Ausblicken auf den See und die Berge. Die Besitzer Alice und Marcel sind wunderbare Gastgeber, Marcel mixt zudem fantastische Drinks und sie akzeptieren als Bezahlung gerne unsere US Dollar, nachdem wir ja noch keine Gelegenheit hatten, an argentinische Pesos zu kommen. Wir verbringen hier unsere ersten zwei Nächte in Argentinien wirklich sehr gemütlich und der Abschied am Montag fällt uns echt schwer. Die 100.000 Einwohner Stadt „San Juan“ erreichen wir dann am Montag und hier müssen wir uns jetzt als erstes einmal um unsere Finanzen kümmern.
Grenzwechsler gab es am Übergang hoch oben in den Bergen nachvollziehbarer Weise ja leider keine und einfach zum erstbesten Bankomaten gehen und sich so mit der Landeswährung versorgen, wie wir es bisher immer gemacht haben, wäre zwar auch in Argentinien möglich, macht aber hier derzeit keinen Sinn. Die argentinische Währung befindet sich ja leider seit Jahren im laufenden Verfall, gerade jetzt im Dezember, als wir das erste Mal in das Land einreisen, beträgt die Inflationsrate 211 Prozent gegenüber dem Dezember des Vorjahres. Noch vor wenigen Wochen, im November, waren es „nur“ 160 Prozent, also eine unvorstellbare Erhöhung der Inflation in nur einem Monat. Die Bevölkerung ist zurecht verzweifelt, denn die Löhne steigen natürlich nicht einmal annähernd auf diese Weise und man sieht die Leute ratlos vor den ohnedies nur spärlich gefüllten Supermarktregalen stehen, wo die Packung Reis, die gerade noch umgerechnet einen Euro gekostet hat, jetzt über Nacht plötzlich drei Euros kostet und die Menschen hier wissen schlichtweg einfach nicht mehr wie sie ihr tägliches Leben bezahlen sollen. In den Restaurants stehen keine Preise mehr in den Speisekarten, denn man kommt, wie man uns sagt, mit dem Ändern gar nicht mehr nach. Auch das Zahlen mit Kreditkarte ist in Argentinien derzeit nicht zu empfehlen, weil diese Transaktionen sich natürlich ebenfalls am normalen Bankkurs orientieren. Als 2002 unter der umstrittenen Regierung von Cristina Fernández de Kirchner in Argentinien Beschränkungen für den Kauf von Fremdwährungen eingeführt wurden, half sich die findige Bevölkerung mit der illegalen Einführung des „Blue Dollars“ um diese Einschränkungen zu umgehen. Heute ist er ein nicht mehr wegzudenkender Teil der argentinischen Wirtschaft und wird vom einfachen Menschen bis hin zur Geschäftsleuten gleichermaßen genützt. Legal ist er deswegen aber natürlich immer noch nicht und so muss man sich dafür in den Straßen der Städte erst einmal Schwarzwechsler suchen. Man bekommt hier für den „Blue Dollar“ (es sind ganz normale US-Dollar-Scheine) einen viel höheren Wechselkurs als auf jeder argentinischen Bank oder wenn man die Pesos beim Bankomaten abheben würde. Die Geldwechsler wollen hier allerdings nur große Scheine, den besten Kurs erhält man, wenn man 100 Dollar Noten zur Verfügung hat, je kleiner die Stückelung der Scheine desto schlechter wird dann auch der Kurs. Wir haben natürlich immer eine Bargeldreserve in US-Dollar dabei, da man unterwegs aber meistens kleinere Scheine braucht, haben wir nur ganz wenige 100 Dollar Noten vorrätig. Wir versuchen daher zuerst die zweite Variante des gewinnbringenden Geldwechsels und diese heißt „Western Union“. Dieser Service, mit welchem man so ziemlich in die ganze Welt Geld verschicken kann, welches der Empfänger dann in bar, unter Vorlage einer Transaktionsnummer und seines Reisepasses, in der jeweiligen Landeswährung abholen kann, soll, so haben uns bereits einige Overlander erzählt, ebenfalls einen derzeit viel besseren Wechselkurs bieten, als alle anderen Arten der Geldbehebung. Ich habe mir bereits die Western Union App auf meinem Handy heruntergeladen, stehe jetzt vor dem Schalter und versuche zum ersten Mal, Bargeld von unserem Reisekonto an mich selbst zu senden. Der Vorgang scheint nicht schwierig zu sein, doch wie meistens, bei allem was man zum ersten Mal macht, hat es eben seine Tücken. Ich bekomme einfach nicht die notwendige Bestätigung, am Schluss erscheint immer nur eine weiße Bildschirmseite und ich verzweifle schon. Karl hat dann den zündenden Einfall, dass es eventuell am öffentlichen „Western-Union“-Wlan liegen könnte, welches vielleicht die Verbindung zu meiner Bank-App aus Sicherheitsgründen nicht zulässt. Also zuerst einmal eine Filiale von „Claro“ suchen und eine eigene SIM-Karte kaufen. Aber womit dort zahlen ohne Pesos? Nicht immer nehmen die dort auch Karten oder Dollars. Also geht Karl erst einmal einen Geldwechsler suchen, um ein paar Dollars zu wechseln – Ja, für die nicht ganz so legalen Missionen ist es halt dann doch immer wieder komfortabel, einen starken Mann an seiner Seite zu haben, oder? Immer wieder wird er von den Einheimischen eine Straße
weiter geschickt, bis dann endlich einer der Herren zu finden ist und wir unsere ersten Pesos bekommen. Mit der im Anschluss gekauften, eigenen SIM-Karte funktioniert dann auch die Western-Union App plötzlich ganz einfach, ich überweise mir selbst 300 Euros in argentinischer Währung und stelle mich hinter der langen
Warteschlange vor dem Schalter zum Abholen an. Als ich dann nach ca. einer Stunde ganz vorgerückt bin und der Dame hinter der Glasscheibe die Transaktionsnummer und den Reisepass präsentiere, winkt diese lächelnd ab und meint, sie hätte heute leider nicht mehr so viel Bargeld vorrätig. Das gibt’s doch gar nicht, denke ich mir, sind wir denn hier etwa in Bolivien oder was…?!? Sie sieht dann wohl meine Verzweiflung, bittet mich um mein Handy und tippt in Google-Maps eine weitere Western-Union Filiale für mich ein, die sich nur ein paar Straßen weiter in einem großen Supermarkt befindet. Nach neuerlichem Anstellen hinter einer langen Schlange von Wartenden, nehme ich glücklich einen Riesen-Batzen Geld in Empfang, denn die ca. 350.000 Pesos gibt es ausschließlich in 1.000er und 500er Scheinen. Ich beschreibe das Ganze hier nur deshalb so detailliert, damit ihr auch einmal seht, dass man ohne weiteres für ein paar so einfache Dinge wie Bargld beheben und Internet kaufen, gut und gerne einen ganzen Nachmittag verplempern kann, was Karl wie immer gelassen hinnimmt, mich aber unsagbar nervt….! Am besten beruhigt mich in diesem Fall essen und trinken und wir sind positiv überrascht, dass wir für zwei wunderbare Hauptspeisen, 1 Liter Bier und ein großes Glas Rotwein insgesamt nur umgerechnet 12 Euro zahlen, was ein riesiger Vorteil gegenüber dem teuren Chile ist und meine Laune schlagartig bessert.
Weihnachten und Silvester oder „Zwischen Wein und Bernhardinern“
Am nächsten Tag folgen wir zum ersten Mal der „Ruta 40“, die mit einer Länge von 5.144 km, das ist um 1.000 km als die legendäre „Route 66“ in den USA, nicht nur die längste Nationalstraße Agentiniens ist, sondern, neben der Panamericana, die bekannteste Fernstraße auf dem südamerikanischen Kontinent und eine der längsten der Welt. Sie beginnt im Norden an der Grenze zu Bolivien und endet fast ganz im Süden, in der kleinen Hafenstadt „Punta Loyola“ am Südatlantik. Das Befahren einzelner Teile der Straße wird nach wie vor als etwas schwierig beschrieben, da viele Abschnitte noch immer unbefestigt sind
und selbst für Allradfahrzeuge eine Herausforderung sein sollen. Aber der Teil den wir heute befahren, stellt sich als sehr gut in Schuss heraus, allerdings ist die Gegend durch die sie hier führt, eher langweilig und wir fahren stundenlang durch
endlose Ebenen mit nichts außer Buschland. Je mehr wir uns aber dann unserem nächsten Ziel „Mendoza“ nähern, desto öfter tauchen links und rechts riesige Weingärten auf, die so endlos sind, dass man bis zum Horizont nichts anderes sieht. Die international berühmte „Hauptstadt des argentinischen Weins“ liegt in der Region „Cuyo“, was übersetzt sandig bedeutet und genau dieser Boden soll es anscheinend sein, der die großartige Qualität des Weines aus dieser Region ausmacht. Die Gegend ist außerdem mit jährlich 300 Sonnentagen gesegnet, ein großes Problem ist hier allerdings das Wasser und ohne künstliche Bewässerung wäre Weinbau hier gar nicht
möglich. Es werden hauptsächlich die Sorten Cabernet, Pinot Noir und Malbec angebaut. 70 % des argentinichen Weins wird übrigens von den Argentiniern selbst getrunken,
der Rest dann exportiert. Wit tanken hier das erste Mal in Argentinien und sind sehr zufrieden mit den umgerechnet 0,75 Cent pro Liter Diesel, ein weiterer, großer Vorteil gegenüber dem Nachbarn Chile. Am nächsten Tag erledigen wir in „Mendoza“ auch den dringend notwendigen Motorölwechsel, wobei das alte Öl gar nicht mehr gut ausschaut und wir hoffen, dass es wirklich nur daran gelegen hat, dass es beim Anstieg auf den Grenzpass warm geworden ist. In einem der wunderbar grünen Vororte der Stadt finden wir dann die erste, richtige, argentinische Bodega, es ist so unglaublich warm hier, dass wir draußen im wunderschönen Garten sitzen können und hier stoßen wir dann auch wieder einmal auf eine runde Zahl an, nämlich auf inzwischen auf unserer Reise gefahrene 60.000 Kilometer, diesmal natürlich mit hervorragendem, argentinischen Rotwein.
Wir haben beschlossen, Weihnachten hier in der schönen Gegend um Mendoza zu verbringen und da das Fest schon in drei Tagen naht, begeben wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Standplatz. So etwas ähnliches wie letztes Jahr in Mexico schwebt uns vor, als wir im Dschungel von „Palenque“ auf einem kleinen Bauernhof mit Restaurant so wundervolle Tage verbracht hatten. Aber leider sind die Campingplätze in Argentinien allesamt so dermaßen heruntergewirtschaftet und zusätzlich werden die meisten hauptsächlich von den Einheimischen gegen ein kleines Entgelt als Partyzonen genützt, so dass einem echt die Lust vergeht dafür auch noch Geld auszugeben. Durch Zufall finden wir dann am Ende aber doch noch genau das richtige für uns. Die „Posada Cavieras“ ist ein Weingut mit kleinem Hotel, das einem Belgier namens Hans gehört, der schon
seit 17 Jahren hier in Argentinien lebt und er vermietet ab und zu auch zwei bis drei
Stellplätze auf seinem Grundstück an Overlander. Wir hoffen, dass er Platz für uns hat und fahren dorthin, wobei uns schon nach der Einfahrt auf sein Gelände der Mund offen bleibt – So schön ist es hier! Hans begrüßt uns gleich sehr freundlich und zeigt uns das Hotel, das über sieben Zimmer und einen großen Garten mit Pool verfügt. Es ist wunderschön gelegen, alte Bäume umrahmen das Haus und gleich daneben beginnt der erste Weingarten, neben dem wir
dann, als derzeit einzige Campinggäste, unser Lager aufschlagen dürfen. Das ganze Hotel ist unglaublich liebevoll mit hochwertigen Möbeln ausgestattet und die Dusche und das WC sind die schönsten die wir auf der ganzen Reise benützen durften. Hans erzählt uns, dass er auf seinem Weingut ca. 14.000 Flaschen seines „Malbecs“ für sich selbst bzw. für seine Gäste behält, den Rest der Trauben verkauft er aber weiter. Wir dürfen während unseres Aufenthalts auch den Pool und die wunderschöne Hotelhalle und den Garten benützen, unser Standplatz liegt zwischen Weinstöcken und Olivenbäumen, am Abend probieren wir gleich einmal Hans‘ wunderbaren Wein auf seiner Dachterrasse, schauen zu wie die Sonne hinter den Weinstöcken untergeht – Und wir sind glücklich!
Der nächste Morgen beginnt gleich wieder mit Hitze, es hat um 09.30 Uhr schon fast 30 Grad und wir beschließen, einen vorweihnachtlichen Abstecher zu den nahen „Thermen von Cacheuta“ zu machen. Die Straße führt uns ca. 40 km hinauf in die Berge, wir bezahlen umgerechnet
€ 3,50 Eintritt pro Person für den ganzen Tag und genießen die auf mehrere Etagen verteilten, unterschiedlich warmen Naturbecken.
Alles ist sehr einfach gehalten, es gibt schattige Picknick-Tische, man kann sich an kleinen Standln wunderbar würzige
Hartwurst, Rohschinken, Käse, Brot und Getränke kaufen, die meisten Familien haben Kühltaschen dabei, die Sonne strahlt vom Himmel, es ist einfach traumhaft schön. Auf der Heimfahrt am Abend zieht es uns dann nocheinmal in die gemütliche Bodega in der wir am Ankunftstag waren und wo uns der Rotwein besonders gut geschmeckt hat und von dem wir uns dann auch einige Flaschen mitnehmen. Die Rotweine hier in Argentinien sind allesamt großartig und das Beste daran ist: Sie sind unglaublich günstig. Für schon umgerechnet 2-4 Euros kann man in jedem Supermarkt wunderbare Weine kaufen – Was für ein symphatisches Land!
Die restlichen Tage in Hans‘ Luxusbleibe verbringen wir faul und gemütlich unter unserer Markise mit Blick auf die Weinstöcke
oder am Pool. Am 24.12. schmücke ich wieder unseren kleinen Christbaum, wir plagen uns nicht mit großem Kochen, sondern es gibt feinsten Räucherlachs,
gepflegte Getränke und wir sitzen am Heiligen Abend ewig draußen und schauen in den argentinischen Sternenhimmel. Und weil’s
so schön ist, verlängern wir dann noch einmal um eine Nacht und genießen die Gastfreundschaft von Hans, der eigentlich ebenfalls mit seinen Söhnen gleich nach Weihnachten in ihrem Camper ein paar Tage wegfahren will, aber jeden Tag kommt im Betrieb etwas neues dazwischen – Oooh ja, wir erinnern uns nur zu gut daran, wie aufwändig es
für uns oft war, unser Hotel auch nur für ein paar Tage alleine zu lassen. So schwer uns auch der Verkauf vor mittlerweile fast drei Jahren gefallen ist – Welch großes Glück haben wir heute, dass es so ist wie es ist!
Von „Mendoza“ aus folgen wir dann zuerst einer kleinen Straße durch das wunderschöne „Valle de Uco“, dem Herz des argentinischen Weinbaus, vorbei an schneebedeckten Kordillerengipfeln des „Cordon del Plata“, eine fantastische Fahrt. Wir übernachten ganz einsam am hochgelegenen Aussichtspunkt
neben der Statue „Cristo Rey del Valle“ mit einem 360° Rundumblick auf die Landschaft. Ein unglaublicher Sonnenuntergang gefolgt
von einer sternenklaren Vollmondnacht runden wieder einmal diesen besonders schönen Übernachtungsplatz ab. In den anschließenden drei Tagen folgen wir dann wieder der alten „Ruta 40“ nach Süden.
Die langen Reihen der Weinstöcke neben der Straße enden irgendwann und dafür beginnen die endlosen Zäune, die uns daran erinnern, dass wir uns im Land der riesigen „Estancias“ befinden, wie die großen Viehzuchtbetriebe hier genannt werden. Diese entstanden um 1850 als damit begonnen wurde das eigene Weideland einzuzäunen. Eine Mammutaufgabe und ein Riesengeschäft für die internationale Drahtindustrie. Die Argentinier gaben in den letzten 30 Jahren des 19. Jhdts. mehr als 64 Mio Goldpesos für den Import von Draht aus, aber nur 7,5 Mio für die Einfuhr von Zuchtvieh. Die Bewirtschaftung dieser „Estancias“ ist fast immer extensiv. In den fruchtbaren Pampa-Regionen benötigt man pro Rind etwa eine Weidefläche von 1,5 Hektar, in den unfruchtbareren Gebieten schaut das natürlich ganz anders aus, hier benötigt man für ein Schaf bereits 6-8 Hektar. Daher sind diese „Estancias“ auch wirklich riesig, die größte in Argentinien ist so groß wie das deutsche Bundesland Saarland, nämlich 2.570 km2. Fast alle bestehen aus dem eigentlichen Gutshof mit einem großen Herrenhaus, einigen Nebengebäuden für die Arbeiter und Wirtschaftsgebäuden, manchmal zusätzlich auch noch aus kleinen, weitab gelegenen Häusern, in denen Verwalter und Arbeiter
leben, die sich dann um die weit abgelegenen Herden kümmern. Das Haupthaus ist meistens umgeben von hohen Bäumen, welche die Bewohner vor dem oft
extrem starken Wind schützen. In den 1920er Jahren, als Argentinien noch eine echte Wirtschaftsmacht war
und mit Rindfleisch und Wolle noch gute Geschäfte gemacht werden konnten, bedeutete eine „Estancia“ von 1.000 bis 2.000 Hektar oft märchenhaften Reichtum. Die Besitzer brauchten selbst nicht zu arbeiten, im Winter fuhren Sie auf Luxusschiffen ins sommerliche Europa, zu Hause hatten sie Dienstboten, Arbeiter und
Gauchos. Aber auch heute reicht so ein Besitz meistens noch zu inzwischen allerdings meistens etwas bescheidenerem Wohlstand. Leider sieht man von der Straße aus so gut wie keine der schönen Herrenhäuser, sondern nur Weideflächen bis zum Horizont und ab und zu ein paar Rinder, Schafe oder Pferde aber ich nehme mir fest v
or, während unserer Zeit in Argentinien auf jeden Fall einmal eine Estancia zu besuchen, wenn es irgendwie geht. Apropos Gauchos, auf die ich schon so gespannt war – Echte Gauchos, mit Silbergürtel und Silbersporen, die früher frei und ungebunden
umherstreiften, sich nach Lust und Laune Arbeit auf den Estancias suchten, zwischendurch aber auch nur herumzogen und sich das Vieh, das sie zum Leben brauchten, einfach nahmen, die
gibt es in Argentinien schon längst nicht mehr. Sie wurden nach und nach ersetzt durch fest angestellte, oft leider schlecht bezahlte „Peones“ (Knechte). Sieht man diese dann aber über das weite Land galoppieren, fest im Sattel, den Zigarettenstummel im Mundwinkel, vor sich eine Herde Schafe oder Rinder, neben sich ein paar Hunde, dann kommt der romantische Gaucho-Traum trotzdem wieder in einem hoch, weil er eben zu unserer Vorstellung von Argentinien gehört.
Dann wechselt wieder einmal die Landschaft in diesem so vielfältigen Land. Wo wir bisher durch weite Ebenen fuhren, in denen jetzt im Hochsommer ein Meer von gelben Blumen blüht, könnte die Gegenden die wir jetzt durchfahren einem Karl May Film entsprungen sein. Es geht vorbei an Stauseen und schwarzen Lavafelsen, über alte Brücken, immer wieder schlängeln sich kleine Flüsse links und rechts die Straße entlang. Wir übernachten an den wunderbarsten
Stellen, mitten in der freien Natur, meistens direkt an Flüssen, alles ist frei zugänglich, niemand regt sich auf wenn wir irgendwo stehen, im Gegenteil, überall werden
wir freundlich gegrüßt. Es ist wirklich ein sehr einfach
zu bereisendes Land dieses Argentinien. Oft kann man es gar nicht glauben, wie schön es ist, wenn man in der Früh den ersten Blick aus dem Fenster wirft und einem
eine Aussicht präsentiert wird, für die andere Menschen in teuren Hotels richtig Geld auf den Tisch
legen müssen. Besonders die letzten Kilometer die bis zu unserem Ziel „San Carlos de Bariloche“ dann noch vor uns liegen, sind einfach
außergewöhnlich schön. Die Berge werden höher, die Täler enger, die Landschaft ist grün und erinnert uns extrem
an Österreich. Kein Wunder dass es so viele Europäer dauerhaft hierher in diese Gegend verschlagen hat, die als „Schweiz von Argentinien“ gilt. Neben den Siedlern, die hier natürlich vor langer Zeit wirklich Großes geleistet haben, landeten im Laufe der Jahrzehnte aber auch einige unrühmliche Exilanten hier in diesem wunderschönen Teil von Argentinien, nämlich als sie nach dem zweiten Weltkrieg zu Hause ihre Überlebenschancen plötzlich schwinden sahen. Der damalige, argentinische Präsident „Perón“
(bekannt durch seine wohltätige Frau Eva bzw. „Evita“) war der Hitler-Symphatie nicht unverdächtig und Argentinien akzeptierte unter seiner Führung als eines der wenigen Länder der Welt nach dem Krieg die Flüchtlingspässe des Vatikans, mit denen viele der ranghohen Nazis auf der Flucht ausgestattet wurden, was Perón kolportierte 60 Mio US$ für seine Privatschatulle, im Gegenzug zur Erschaffung von 7.500 neuen Identitäten einbrachte. So kam z.B. Adolf Eichmann, einer der Hauptverantwortlichen für die Ermordung von Millionen Juden nach Buenos Aires, wo er bis 1960 bei Mercedes Benz arbeitete, der Fliegeroberst Hans-Ulrich Rudel und Goebbel’s Pressechef Wilfried von Oven sind nur zwei weitere Namen von vielen die von der (wahrscheinlich ebenfalls nicht kostenlosen) Güte des Vatikans und der Korruption in der argentinischen Regierung profitierten.
Wir erreichen San Carlos de Bariloche, finden einen wunderbaren Gratis-Standplatz nahe dem Zentrum und direkt am wunderschönen „Lago Nahuel Huapi“, wo sich am Tag die Einheimischen tummeln, es am Abend aber schnell ruhig wird. Hier, vor einer Kulisse, die einem Seeort in Österreich oder der Schweiz nicht ähnlicher sein könnte, bleiben wir ein paar Tage, wir treffen hier auch mal wieder ein
paar nette Overlander und hier, direkt am See, feiern wir dann auch ein sehr ruhiges Silvester. Wir essen im Lokal „Alto del Fuego“ die ersten argentinischen Steaks, die gleichzeitig eine der
besten unserer bisherigen Reise sind, köpfen anschließend „ganz alleine zu zweit“eine Flasche Sekt und schauen
auf den dunklen See. Feuerwerk gibt es hier keines, auch kein privates von uns, denn unsere letzten, vom Vorjahr verbliebenen Raketen, haben wir ja in Panama verschenkt. Wir können darauf aber gut verzichten, nicht aber natürlich auf den „Wiener Walzer“ den wir um Mitternacht lautstark aus unserer Box und über den Strand erklingen lassen. Wir bleiben dann
noch zwei Tage in „Bariloche“ und kaufen uns hier die für Argentinien vorgeschriebene Autoversicherug. Eigentlich
ist uns die Stadt aber viel zu touristisch und zu europäisch geprägt. Die Häuser der Innenstadt sind in einem
„Pseudo-Schweizer-Chalet“-Stil gebaut, es gibt die Hotels „Edelweiß“ und „Tirol“, auf den Speisekarten steht Käsefondue, in jedem zweiten Geschäft wird Schokolade verkauft und was mir am Ende
wirklich den Rest gibt, ist der Bernhardiner mit dem Rumfass, mit dem man sich auf dem Hauptplatz
fotografieren lassen könnte… – Nein, nicht einmal für Euch – Das habe ich aus tiefstem Herzen verweigert!
Dann machen wir uns wieder auf den Weg, wir befinden uns ja nun bereits an der nördlichen Grenze zu „Patagonien“, das sich über Chile und Argentinien bis hinunter nach Feuerland erstreckt und wir wollen nun wieder nach Chile wechseln, um dort mehr als 1.000 km die als landschaftliches Juwel bekannte „Carretera Austral“ weiter nach Süden zu fahren. Durch dichten Wald und vorbei am markant in den Himmel ragenden „Cerro Pantojo“ fahren wir hinauf in Richtung Grenze. Wir verlassen Argentinien über den 1.314 m hohen „Paso international Cardenal Antonio Samore“, ja,nun werden auch die Andenpässe langsam niedriger, ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir uns dem südlichsten Teil des amerikanischen Kontinents nähern. Bis „Ushuaia“ liegen aber noch viele, viele Kilometer vor uns und es bleibt sicher weiterhin spannend!