Die „Carretera Austral“ – Fjorde, Bier und Marmorhöhlen
Zurück in Chile genießen wir die Fahrt durch das in diesem Teil des Landes sattgrüne Land, im Gegensatz zum kargen Argentinien tummeln sich hier die Rinderherden auf saftigen Weiden. Einer unserer ersten Übernachtungsplätze befindet sich auf einem kleinen Campingplatz direkt an einem wunderschön gelegenen See, dem „Lago Llanquihue“, von wo aus wir einen traumhaften Blick auf den nahen
Vulkan „Osorno“ mit seinem schneebedeckten Gipfel haben und wo uns der Eigentümer, ein älterer Herr namens Albert, zu unserer Überraschung gleich auf deutsch begrüßt. Es stellt sich heraus, dass seine Eltern
Deutsche waren, die in ihrer Jugend nach Chile ausgewandert sind. Er freut sich, dass er sich mal wieder mit jemandem auf deutsch uterhalten kann und erzählt uns ein bisschen aus seinem Leben und auch über Chile. Ein paar Mal sei er in Deutschland gewesen, er hätte sogar einmal eine Zeit lang dort gelebt, so richtig gefallen
hätte es ihm dort aber nie, zu viel Stress und Hektik, daher genieße er jetzt sein ruhiges Leben hier in Chile wieder besonders. Auf dem Campingplatz hätte er nur Hochsaison von Mitte Jänner bis Mitte Februar, und er sei immer froh, wenn der Trubel wieder vorbei wäre. Tourismus gäbe es in Chile erst seit 1980, an der Regierung lässt er kein gutes Haar, wieder einmal hören wir dasselbe wie in den bisherigen Ländern Südamerikas, nämlich dass die Linken, mit ihrem, wie Albert es nennt „Verteilungswahn“, das Land langsam aber sicher kaputt machten und sich alleine auf dessen Kupferreichtum ausruhen würden. Sei der einmal vorbei, prophezeit er, würde das Land sehr schnell viel schlechter dastehen als der derzeit so schwache Nachbar Argentinien schon heute. Er erzählt uns sogar, dass seine Familie während der Militärregierung von Pinochet ein wirklich angenehmes Leben hier in Chile hatte, natürlich, wie er zugibt, weil sie in einem sehr weit von der Hauptstadt abgelegenen Teil des Landes zu Hause waren und von den Gräueltaten nichts mitbekamen. Alles in allem führen wir mit Albert wieder einmal eine sehr interessante Unterhaltung und erhalten dabei spannende Einblicke in die Sicht der Einheimischen auf ihr Land.
Vorbei an „Nueva Braunau“, dessen Name wohl auf ehemals österreichische Siedler schließen lässt, erreichen wir schließlich das Städtchen „Puerto Montt“ und damit den Beginn der „Carretera Austral“, deren Name nichts anderes als „Südstraße“ bedeutet. Diese wurde erst in den 1970er Jahren im Auftrag von Diktator Pinochet, der aus militärischen Erwägungen eine Straße parallell zur argentinischen Grenze schaffen wollte, von Rekruten durch die Wildnis Patagoniens gefräst und führt 1.200 km nach Süden bis zum kleinen Ort „Villa O’Higgins“. Laut Beschreibung ist sie immer noch großteils nicht asphaltiert, sie durchkreuzt Weidelandschaften, Sumpfgebiete und riesige Urwälder und vier Meerengen müssen per Fähre gequert werden. Wir sind gespannt! „Puerto Montt“ selbst hat dann nicht viel zu bieten, die Lage an der „Bucht von Reloncavi“ ist zwar wunderschön, aber sie wird ihrem Ruf gerecht, dass es dort meistens regnet. Wir besuchen den bekannten Fischmarkt, wo man wunderbar essen
kann, aber die Sicht auf die schöne Landschaft bleibt leider getrübt und wir erleben hier den ersten vollen Regentag seit Monaten. Die vielfach deutschen Vorfahren der Einwohner lassen sich in dieser Gegend nicht leugnen, Schilder vor Geschäften bieten „Berlines“ (Krapfen) an und überall liest man auch das deutsche
Wort „Kuchen“. Am nächsten Tag scheint dann auch schon wieder die Sonne, diese oft stündlich erfolgenden
Wetterwechsel werden uns ab jetzt durch ganz Patagonien begleiten, umsonst heißt es nicht: „Das Wetter in Patagonien ist sehr gut, aber nur leider halt nicht sehr oft!“ Eine
Woche lang folgen wir dann der „Carretera Austral“, deren Landschaft unsere Erwartungen bereits von Anfang an bei weitem übertrifft. Wir fahren entlang der Fjorde, duch kleine Fischerdörfer mit winzigen Holzhäusern,
die Gegend erinnert uns fast ein bisschen an „Nova Scotia“ in Kanada vor zwei Jahren. Von „La Arena“ aus setzen wir mit der Fähre in 45 Minuten über den „Reloncavi-Fjord“
nach „Caleta Puelche“ über, dann geht es weiter, immer am Wasser entlang, wo wir ab und zu sogar Delphine in den Buchten beobachten können. Kleine Holzkirchen, am Strand l
iegende Fischerboote und überall dazwischen mal wieder ein paar Schafe und Pferde runden das wunderschöne Bild der patagonischen Landschaft ab.
Wir finden fantastische Übernachtungsplätze mitten in der Wildnis, es ist wirklich ein Traum
. Ein paar Tage später folgt dann die zweite Fähre von „Hornopirén“ nach „Caleta Gonzales“. Sie teilt sich in zwei Abschnitte,
der erste dauert ca. vier Stunden und bringt uns über den grandiosen „Comau-Fjord“. Wir haben dabei sogar riesiges Glück mit dem Wetter und können die Überfahrt großteils bei Sonnenschein genießen. Vorbei geht es an riesigen Lachszucht-Farmen, dann legt die Fähre an
einer winzigen Anlegestelle mitten
im Niemandsland an, der ganze Tross an Fahrzeugen daraus fährt im Convoi über eine Strecke
von zehn Kilometern mitten durch den Urwald, um am Ende der Schotterstraße wieder in gleicher Formation auf die zweite bereits wartende Fähre zu fahren, die uns dann auch noch über den „Renihue-Fjord“ bringt. Ein wirklich einzigartiges Erlebnis!
Nach dem Verlassen der Fähre wartet aber schon der nächste Höhepunkt, nämlich die Durchfahrt durch den Nationalpark „Pumalin“ (Ort wo der Puma wohnt). Dieses Naturschutzgebiet wurde gegründet vom Amerikaner „Douglas Tomkins“, der ehemaliger Mitbesitzer der Modefirma „Esprit“ war, seine Anteile daran aber 1990 für 125 Mio. Dollar
verkaufte und daraufhin eine Stiftung gründete, die begann, Urwaldgebiete in Nordpatagonien aufzukaufen, aus dem einzigen Grund um diese anschließend zu schützen und in ihrer Ursprünglichkeit zu belassen. So entstanden letztendlich zwei 550.000 Hekta
r große Naturschutzgebiete, die Tomkins Frau (er selbst kam im Dezember 2015 bei einem Kajakunfall ums Leben), wie von ihm noch geplant, Anfang 2018 in die Obhut des chilenischen Staats übergab. Die „Carretera Austral“ führt mitten durch diesen Park hindurch und man kann diese fantastische Landschaft nur sehr schwer beschreiben. Sie besteht großteils aus unberührtem
Dschungel mit Riesenfarnen, Riesenrhabarbern, die oft weit über einem Meter Durchmesser haben und anderen Pflanzen
wie wir sie in einer solchen Vielfalt noch nirgendwo vorher gesehen haben. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Fast am Ende des Parks treffen wir dann noch auf eine Bucht und den „Playa Santa Barbara“, einen Strand mit schwarzem Vulkansand. Natürlich fahren wir bis ganz hinaus, schlagen genau dort unser Übernachtungslager auf und verbringen einen wunderschönen Abend, wieder einmal inklusive eines romantischen Sonnenuntergangs, inmitten dieser unglaublich schönen Landschaft. Als am nächsten Vormittag ein Parkranger vorbeikommt und uns nachdrücklich erklärt, dass man nicht auf den Strand hinausfahren dürfe, sind wir praktisch eh schon wieder unterwegs… .
Als nächstes erreichen wir das Dorf „Puerto Puyuhuapi“, ein Pionierdorf wie aus dem Blderbuch, das 1935 von vier Sudetendeutschen gegründet wurde. Sie waren die Vorhut einer größeren Gruppe, die dann aber, bedingt durch den Ausbruch des zweiten Weltkriegs, nie mehr nachkam. Die vier blieben aber und noch heute erinnert das hier ausgeschenkte
„Hopperdietzel“-Bier an Walter Hopperdietzel, der hier lange eine erfolgreiche Teppichmanufaktur
betrieb. Das Dorf liegt idyllisch am „Ventisquero-Fjord“ und ist ein ausgesprochen erfreulicher Zwischenstopp, wobei wir auch hier wieder einen fantastischen Übernachtungsplatz am Fluss, diesmal inkl. Regenbogen, finden.
Nach weiteren unzähligen Kilometern auf der geschotterten „Ruta 7“ wie die „Carretera Austral“ auch kurz
genannt wird, erreichen wir dann Coyhaique, mit ca. 60.000 Einwohnern die einzige Großstadt der Region. Auch hier wird europäische Biertradition hochgehalten und wir landen unweigerlich im gemütlich eingerichteten Lokal der belgischen Brauerei „D’Olbek“, wo wir einen unvergesslichen Abend bei ausgezeichnetem Essen und belgischem Bier verbringen und an dessen Schluss die Chefin persönlich an unseren Tisch kommt, um uns anzubieten, auf dem Parkplatz der Brauerei zu übernachten. Offenbar traut man uns einen Ortswechsel hier nicht mehr so ganz zu – Na ja, die kennen uns ja nicht…!
Nach weiteren Tagen Fahrt zwischen Flüssen und schneebedeckten Bergen durch die unglaublich schöne, in allen Farben sommerlich blühende Landschaft Patagoniens, erreichen wir schließlich den wundervollen „Lago General Carrera“. Dieser ist mit 2.240 km2 der größte See Chiles
und nach dem „Titicacasee“ der zweitgrößte von ganz Südamerika. Wie eine blaugrüne Riesenkrake zieht er sich hier zwischen den Ausläufern der südamerikanischen
Anden hindurch bis hinüber nach Argentinien, wo der kleinere Teil vom See „Lago Buenos Aires“ heißt. Wir machen
Halt im winzigen Ort „Puerto Tranquilo“, den kein Mensch kennen würde, gäbe es hier im See nicht die „Capillas de Marmol“, die Marmorkapellen, zu denen wir für den nächsten Tag eine Bootstour buchen. Mit der einzigen weiblichen „Kapitänin“ vom ganzen See starten wir am nächsten Vormittag bei Traumwetter unsere Tour und fahren in das Schutzgebiet zu den Felsen aus purem Marmor, in denen das Wasser und der Wind in Jahrhunderten tiefe Höhlen und bizarre
Felsgebilde entstehen ließen. Das ganze ist ein Schutzgebiet und es ist unglaublich anzusehen, wie dieser gesamte Teil der Küste mit seinen riesigen Felsen, die durch und durch aus Marmor bestehen, vor uns aufragen. Mit dem kleinen
Boot können wir bis in die Höhlen hineifahren und das einfallende Sonnenlicht lässt die Marmorwände in
den schillerndsten Farben erstrahlen. Wir besuchen mehrere Höhlen und
dann noch die Marmorkathedrale und die Marmorkapelle, das sind jeweils aus dem Meer ragende Felsen mit unglaublich bizarren Formen.Zweieinhalb Stunden dauert die Tour, die sich wirklich ausgezahlt hat. Als wir danach gerade Richtung Unimog zurückgehen, spricht uns ein junges Mädchen an, das sich als Maria José vorstellt und uns erzählt, dass sie unseren Unimog so wahnsinnig toll findet. Sie und ihr Mann sind gerade dabei, hier ganz in der Nähe einen Campingplatz zu bauen und sie lädt uns ein, gratis bei ihnen eine
Nacht zu verbringen, wenn sie dafür doch nur bitte bitte ein paar Fotos von unserem Unimog auf ihrem Gelände machen dürfe, um diese als Werbung zu benützen. Da ihr Platz sowieso in unserer Richtung liegt, tun wir ihr natürlich
gerne den Gefallen und machen uns auf den Weg. Da uns Maria José erzählt hat, dass sie demnächst eröffnen wollen, finden wir es dann sehr lustig, dass, als wir bei ihr ankommen, der „Platz“ derzeit nur aus einer mehr oder weniger planierten Fläche im Wald besteht, an deren Rand sie uns stolz den Elektroanschluss für zwei Wohnmobile präsentiet. Duschen oder Toiletten? – Nein, meint sie, das haben sie alles noch nicht, aber das werde dann schon alles demnächst einmal werden. Für uns ist das alles sowieso kein Problem, wir brauchen eh nichts davon, sondern wir freuen uns darüber, dass ihr „Starlink-wlan “ schon mehr oder weniger funktioniert und außerdem ist die Familie total nett und sie fragen uns ein Loch in den Bauch über alles was mit Campingplätzen zu tun hat. Wie ausgemacht, machen sie dann noch die gewünschten Fotos, wir verabschieden uns am nächsten Tag wieder und wünschen der jungen Familie von Herzen ganz viel Glück mit ihren großen Plänen.
Wir verlassen dann schweren Herzens die „Carretera Austral“ bereits kurz vor ihrem Ende, da von dort keine für Fahrzeuge unserer Größenordnung geeignete Straße mehr hinüber nach Argentinien führt, wohin es für uns aber nun wieder einmal weitergeht. Wir folgen daher der Uferstraße
um den „Lago General Carrera“, die landschaftlich als eine der schönsten in ganz Patagonien gilt, was sich als ganz sicher nicht übertrieben herausstellt.
Die einspurige Schotterstraße führt in endlosen Kurven rund um den See und dabei eröffnen sich uns immer wieder
atemberaubende Ausblicke auf die in allen Blau- und Grüntönen leuchtenden Buchten und die dahinter liegenden Gipfel des patagonischen Eisfeldes. Man möchte am liebsten alle fünf Minuten stehen bleiben um zu fotografieren, obwohl man diese Schönheit der Landschaft, wie so oft auf unserer Reise, nicht einmal auch nur ansatzweise auf Fotos bzw. Video festhalten kann. Daher halten wir auch einfach immer wieder an besonders schönen Stellen für eine Kaffeepause an und genießen dort einfach nur, nebeneinander sitzend und ohne viele Worte, das unwirklich schöne Panorama rund um uns. Wie großartig ist es, so unabhängig und ohne Zeitdruck unterwegs zu sein! Nach dieser wunderbaren Fahrt überqueren wir auch wieder einmal problemlos die Grenze und setzen unsere Reise durch Patagonien nun wieder auf der argentinischen Seite fort.
Argentiniens Gletscher und seine Menschen oder „…wir sind doch Fußballweltmeister!“
Gleich nach der Grenze kommen wir durch einen kleinen Ort in dem übers Wochenende gerade ein großes Musikfestival stattfindet und wir überlegen kurz, ob wir hier einen Stopp einlegen sollen, entscheiden uns dann aber doch dagegen. Die Entscheidung war gut, denn am Ortsende wird Karl die erste Alkoholkontrolle der ganzen Reise zuteil und diese ist dann natürlich negativ, zeigt uns aber, dass wir uns hier w
ieder auf „kontrolliertem“ Gebiet befinden und man nicht einfach mal so zwischendurch ein paar Bier trinken sollte, wenn man noch plant weiterzufahren. Ein paar Kilometer weiter erreichen wir dann unser Ziel für heute, nämlich „Teros Ranch“.
Ich habe gelesen, dass man hier auf einem echt argentinischen Bauernhof als Overlander übernachten kann und das möchten wir uns nicht entgehen lassen. Ich habe Gustavo, den Besitzer, bereits vorab per whatsApp kontaktiert, er hat uns das Tor aufgesperrt und gemeint, es wären im Moment sowieso keine anderen Camper außer uns da, wir sollen uns daher einfach hinstellen wo wir gerne möchten, er komme dann später irgendwann mal vorbei, um uns zu begrüßen. Diesen Platz zu beschreiben ist nicht ganz leicht, man landet hier nämlich mitten in einem unbewirtschafteten, völlig naturbelassenen Bauernhof-Paradies. Überall ist es grün, rundherum schützen riesige Bäume vor dem inzwischen schon richtig stürmischen, patagonischen Wind und auf dem ganze Grundstück laufen frei lebende Tiere herum. Mindestens sechs Hunde aller Arten und Größen zählen wir, mitten
unter ihnen ist auch ein Schaf, das anscheinend denkt es wäre ebenfalls ein Hund, jedenfalls weicht es der Hundebande nicht von der Seite. Dazu Hühner, Katzen, Pferde und vor dem kleinen Holzhaus mit der wunderschönen Terrasse, von der aus
man bis über den „Lago Buenos Aires “ schauen kann und das das Gustavo vollständig seinen Gästen zur Verfügung stellt, liegt zu unserer großen Überraschung ein riesiges Schwein. Dann kommt auch Gustavo nach
Hause und sofort sind wir von seiner unglaublich freundlichen und symphatischen Art total eingenommen. Er zeigt uns alles in dem kleinen Haus, wo bereits ein Feuer in der offenen Feuerstelle brennt und daneben ein Lamm zum argentinischen „Asado“ (bei uns würde man sagen zu einer „Grillerei“) aufgespannt ist, zu dem er am Abend ein paar seiner Freunde eingeladen hat. Er
zeigt uns, wo wir das Holz für die Öfen finden, von denen einer im Wohnbereich, ein zweiter im „Badezimmer“ steht, das aus zwei aus Holz erbauten Duschkabinen besteht, die auf einem Lattenrost stehen, aus dem das Duschwasser dann einfach nach draußen abläuft. Ein Kanal? – Fehlanzeige, hier geht das ganz gut auch ohne. Um heißes Wasser zum Duschen zu haben, sollen wir den Ofen einfach ca. eine Stunde vorher einheizen meint Gustavo lachend, ansonsten sollen wir uns einfach wie zu Hause fühlen, er wäre per whatsApp
jederzeit erreichbar wenn wir etwas bräuchten, da er nämlich an diesem Wochenende ziemlich viel auf dem
nahen Festival unterwegs sein werde. Bleiben könnten wir so lange es uns Spass mache, wenn wir abreisen, sollen wir ihm das pro Nacht ausgemachte Geld einfach in ein Buch klegen, das er uns noch zeigt und – Ach ja, von den Rotweinflaschen die auf der Theke stehen, sollen wir uns gerne bedienen, und pro Flasche einfach ein paar Pesos ins Buch dazu legen. So was unkompliziertes und gastfreundliches haben wir auf unserer Reise auch nur selten erlebt! Ungeplante drei Nächte bleiben wir dann in diesem kleinen, argentinischen Paradies, das wir die ganze
Zeit für uns alleine haben und genießen die Einfachheit der kleinen Ranch. Wir nutzen den Unimog nur zum Schlafen, sitzen ansonsten auf der Terrasse, gehen am See spazieren, trinken Gustavo’s Rotwein, heizen uns die Dusche ein und jausnen gemütlich in seiner Stube neben dem warmen Ofen während draußen der patagonische Wind ums Haus tobt. Gustavo kommt ab und zu vorbei, füttert seine Tiere, von denen er uns erzählt, dass sie alle entweder gerettet oder ihm einfach
zugelaufen seien. Er spricht ein bisschen englisch und zusammen mit meinem bisschen spanisch unterhalten wir uns ganz gut und alles zusammen fühlt sich irgendwie an als wären wir schon alte Freunde. Er erzählt uns, dass die Argentinier ein sehr lustiges und positiv denkendes Volk seien und auch während der nun schon so viele Jahre
andauernden
Wirtschaftskrise nie die Lebenslust verloren hätten, ganz im Gegenteil zu den Chilenen, die, wie er sagt, über jedes einzelne Prozent Inflation gleich in riesiges Jammergeschrei ausbrechen würden, als stünde gleich der Weltuntergang bevor. „So lange wir Argentinier noch unsere Freunde haben, mit denen wir ab und zu ein deftiges „Asado“ genießen können und so lange uns der Rotwein aus Mendoza nicht ausgeht, lassen wir den Kopf nicht hängen“, meint er lachend,…“ und außerdem das Wichtigste …“, fügt er dann noch schnell hinzu, „wir sind schließlich auch noch Fußballweltmeister!!“ Genau das bestätigt unseren Eindruck den wir inzwischen schon vom Unterschied zwischen den Menschen in Chile und Argentinien gewonnen haben.
Der Abschied von Gustavo und seiner Ranch fällt uns dann nach den drei Tagen wirklich schwer, aber natürlich muss es für uns wieder weitergehen. Wieder führt die Straße endlos durch die die argentinische Pampa, aber immer wieder finden wir auch
wund
erschöne, einsame Übernachtungsplätze. An einem davon haben wir eine wirklich überraschende Begegnung. Wir treffen hier nämlich auf den einzigen – und das ist unglaublich aber wahr – den wirklich einzigen Unimog,
der uns auf der gesamten zweijährigen Reise begegnet (Militär- und Feuerwehrfahrzeuge in diversen Ländern ausgenommen). Aber hier ist wirklich ein peruanischer Overlander
in seinem selbst entworfenen und zusammen mit seinem Freund gebauten Prachtstück Richtung Norden unterwegs und er und Karl fachsimpeln natürlich eine Zeit lang, bis wir vor dem eiskalten Wind flüchten und uns lieber von drinnen anschauen wie die Sonne stimmungsvoll hinter dem Fluss neben uns untergeht.
Als nächstes Ziel erreichen wir dann den Ort „El Calafate, den wahrscheinlich kein Mensch kennen oder besuchen würde, wäre er nicht das Tor zu einem „der“ Touristenmagneten Argentiniens, dem Nationalpark „Los Glaciares“. Die darin befindlichen Gletscher sind Ausläufer des patagonischen Inlandeises und hier erstreckt sich, abgesehen von den Polregionen, mit ca. 22.000 km2 die größte, zusammenhängende Eismasse der Erde.
Wir lassen „El Calafate“ für den Moment aber einmal links liegen und fahren gleich weiter bis kurz vor den Parkeingang, wo wir einen windgeschützten Übernachtungsplatz zwischen ein paar hohen Bäumen finden. „Windgeschützt“ ist inzwischen eine der wichtigsten Voraussetzungen bei der Wahl des Übernachtungsplatzes geworden, denn der patagonische Wind ist wirklich unvorstellbar stark. Man muss schon beim Öffnen der
Autotüren jedesmal wirklich gut aufpassen, dass es einem nicht die Tür mit aller Gewalt aus der Hand reißt, wenn der Wind von hinten kommt. Das Kochen in unserer Außenküche ist
dadurch inzwischen zu einer echten Wind-Challenge geworden und Karl damit zu einem echten Spezialisten, was das Einparken im richtigen „Windeinfallswinkel“ angeht. Am nächsten Tag stehen wir extra früh auf, um gleich bei Öffnung des Nationalparks am Eingang zu sein und um dadurch noch vor den Bustouristen den
bekanntesten Gletscher der Region, den „Perito-Moreno“ besuchen zu können. Er ist zwar nicht der größte Gletscher Patagoniens, gilt jedoch als der spektakulärste. Wir zahlen den Eintrittspreis und fahren anschließend am Ufer des Sees entlang, wo wir schon nach kurzer Zeit die ersten schwimmenden Eisschollen entdecken. Dann biegen wir um eine Kurve und halten wirklich kurz die Luft an, so unglaublich schön ist das Bild das sich uns hier bietet, als sich vor uns die 60 Meter hohe und vier Kilometer breite Gletscherzunge des „P
erito Morenos“ aus dem „Lago Argentino“ erhebt. Wir stellen den Unimog auf dem Parkplatz ab und wandern entlang von Holzstegen ganz nahe an die Gletscherzunge heran. Das frühe Aufstehen hat sich tatsächlich gelohnt, es sind erst sehr wenige Besucher da und die nächsten Stunden verbringen wir damit, diese riesige in weiß, türkis und blau glitzernde Eismasse von allen Seiten zu bestaunen. Besonders spektakulär sind die immer wieder erfolgenden Abbrüche, wenn mit lautem Donner einer der riesigen Eisquader in den See stürzt, wo sich diese Stücke dann als blau schimmernde Eisberge in der Strömung sammeln. Ein wirklich unvergessliches Erlebnis!
Die verflixte Sache mit dem Öl und „Zoll oder metrisch ? Die Schraubengeschichte…“
Am Nachmittag fahren wir zurück aus dem Nationalpark und diesmal machen wir Halt in „El Calafate“, dessen Namen von einem hier überall wachsenden Strauch mit hartschaligen Blaubeeren stammt. Bei seinen stetigen Kontrollen hat Karl leider herausgefunden, dass wir Getriebeöl verlieren bzw. nicht verlieren aber wie von Zauberhand verschwindet es aus dem Vorratsbehälter, keine Spur aber, dass es irgendwohin ausläuft. Von Gustavo hatten wir bereits die Adresse eines Mechanikers in der nächsten Stadt bekommen, der uns bei diesem Problem aber, wie von Karl schon befürchtet, nicht helfen konnte. So kontrolliert er seither eben ständig den Ölstand und füllt bei Bedarf Öl nach. Das Städtchen „El Calafate“ hat sich komplett dem Tourismus verschrieben, trotzdem strahlt es eine sehr symphatische Atmosphäre aus und wir finden hier zusätzlich etwas außerhalb eine Werkstatt, in der man sich am nächsten Tag unser Ölproblem anschauen will. Später spazieren wir durch das Zentrum und landen irgendwie durch
Zufall in der“Yeti-Ice-Bar“, eigentlich einfach nur deshalb, weil wir das Konzept so witzig finden. Wir bezahlen 12 Euros pro Person, bekommen warme Kleidung
samt Handschuhen und Pelzhaube und dürfen dann hinein in die auf -12 Grad tiegekühle Bar, wo wir für
25 Minuten „open Bar“ haben, also so viele Drinks konsumieren dürfen wie wir wollen… . Natürlich sind die Veranstalter auch nicht blöd und sie versuchen uns mit dem Schießen von witzigen Fotos eine Zeit lang zu beschäftigen, aber wir schaffen es trotzdem ganz nebenbei, die freundliche Bardame schwer beschäftigt zu halten, die sich redlich bemüht, unseren Getränkewünschen hinterher zu kommen. Mögen es viele auch für kindisch halten, wir hatten hier so viel Spaß wie schon lange nicht mehr!
Am nächsten Tag geht es dann zur Werkstatt und der außerordentlich freundliche Chef Nico, der super englisch spricht, versucht, zusammen mit Karl, herauszufinden, wohin das Getriebeöl sich verflüchtigt. Leider bleibt es aber auch hier nur bei einem Versuch, es ist auch ihm ein absolutes Rätsel. Er bietet uns dann zwar an, wenn wir ein paar Tage Zeit zum Warten hätten, danach alles notwendige am Unimog zu zerlegen, um das Problem doch noch zu finden, vor allem weil ihn die Ursache selbst brennend interessieren würde. In diesem Fall müssten wir auch nur die Kosten für eventuell benötigte Ersatzteile bezahlen, die Arbeit würde er aus reinem Interesse gratis machen. So nett wir das auch finden, wir wollen keine Woche hier verbringen und so repariert Nico dann nur noch schnell unsere extra laute Signalhorn-Hupe, die ebenfalls vor kurzem und ganz plötzlich den Geist aufgegeben hat. Gott sei Dank erst nach Bolivien, denn dort wären wir ohne sie komplett aufgeschmissen gewesen! Nico verabschiedet sich dann ins Wochenende, wir bleiben noch vermeintlich kurz auf dem Vorplatz seiner Werkstatt stehen, weil Karl alles rund um den Getriebeölbehälter wieder festschrauben muss (ja, in Argentinien ist es kein Problem, in der Werkstatt selbst mit unterm Auto zu liegen…) und er bittet uns nur darum, wenn wir fahren, das Hoftor zu schließen. Ich mache gerade die Kabine abfahrbereit, da höre ich von unten Karl laut schimpfen. Als ich Nachschau halte, was los ist, krabbelt er gerade fluchend unter dem Unimog hervor und hat einen Teil einer abgerissenen Schraube in der Hand. Die letzte Drehung war wohl eine zu viel und jetzt ist es passiert. Er bekommt das abgerissene Stück dann zwar Gott sei Dank aus dem Gewinde heraus, aber obwohl er sein komplettes und wirklich umfangreiches Ersatzteillager mehrmals durchsucht, lässt sich keine passende Schraube finden. In Bolivien hat er erst vor kurzem ein großes Sortiment an Schrauben gekauft, das Problem dabei ist aber – und an das haben wir erst später gedacht – , dass in diesem Teil der Welt alles in Zoll angefertigt wird und nichts metrisch ist. Der Unterschied ist oft nur winzig, aber er reicht, dass keine der Schrauben passt. Na gut, da kann man eben nichts machen, wir packen alles wieder ein, es ist inzwischen Samstag nachmittag, wir fahren vorsichtig zurück ins Zentrum von „El Calafate“ und verbringen dort das restliche Wochenende. Es gibt wirklich schlimmere Plätze um länger zu
bleiben, wir finden ein wunderbares Lokal wo man uns bestes argentinisches „Asado“ bei traumhaftem Ausblick und zusätzlich mit Untermalung durch Tango-Tänzer
serviert – Was will man mehr? Was ich aber leider auch hier nicht finde und inzwischen eigentlich fast aufgegeben habe, ist ein Lokal mit wirklich gutem wlan, um Fotos für meine Reiseberichte hochzuladen. Je tiefer wir in den patagonischen Süden fahren, desto schlechter wird das Internet und es bleibt mir wohl nichts anderes übrig als das
Ganze hier für die nächste Zeit völlig auf Eis zu legen. Am Montag geht’s dann wieder zurück zu Nico’s Werkstatt, der natürlich verwundert dreinschaut, als er uns sieht und sich aber, obwohl er gerade bis über den Kopf in Arbeit steckt, trotzdem sofort wieder um uns kümmert. Er versucht zuerst, in einer der ihm bekannten „Ferreterias“ eine entsprechende Schraube für uns zu bekommen, als das alles nichts bringt, klappert er seine Freunde ab, bis er dabei schließlich einen findet, der eine entsprechende Schraube extra für uns anfertigt. Karl strahlt, der Rest ist schnell erledigt, wir bedanken uns noch einmal ganz herzlich bei Nico und können uns wieder auf den Weg machen.
Wieder einmal folgen wir einem alten, geschotterten Teil der „Ruta 40“, auf über 100 km begegnen uns hier insgesamt zwei Autos und natürlich mal wieder zwei Radfahrer. Ansonsten herrscht hier die totale Einsamkeit, einzige Abwechslung sind ab und zu ein paar Schafe oder Pferde. Der immer noch stärker werdende Wind, der hier Spitzen bis zu 180 km/h erreicht drosselt unsere, ohnehin bewusst bescheidene Reisegeschwindigkeit, wenn er ungünstig von vorne kommt,
oft auf 60 km/h. Am Horizont tauchen die Spitzen der „Torres del Paine“ auf, jene markanten Felsen, die einem der bekanntesten Nationalparks Patagoniens ihren Namen gegeben haben. Karl kontrolliert alle 500 km den Ölstand, der mal mehr, mal weniger aufgefüllt werden
muss und wir haben uns sozusagen damit abgefunden, dass das jetzt wohl bis zum Ende der Reise so bleiben wird. Er hat inzwischen zwar auch im Internet zu dem Problem recherchiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Öl irgendwie in die Achsen verschwinden muss, aber so lange es
nicht schlimmer wird, können bzw. müssen wir halt jetzt damit leben. Wir erreichen den „Paso Dorotea“ und überqueren hier wieder einmal die Grenze zu Chile. Zum ersten Mal dauert die Prozedur der Ausreise aus Argentinien etwas länger, nicht etwa weil es Probleme gibt, sondern weil Sommerferien in Chile und Argentinien sind und natürlich dementsprechend viel los ist an den Grenzen. Bei der Einreise in Chile will man uns dann anstatt des gewohnten Formulars unbedingt dazu bewegen, die Zollerklärung digital am Handy auszufüllen, wahrscheinlich als Arbeitserleichterung für die Beamten. Aber ich habe überhaupt keine Lust auf endloses Registrieren und das Ausfüllen in spanischer Sprache auf dem Handy und stelle mich so lange so blöd an, bis der Grenzbeamte genervt wieder die gewohnten Formulare für uns herausrückt – Geht doch! In zwei Minuten haben wir alles ausgefüllt, statt einer Kühlschrankdurchsuchung wirft man heute nur von außen einen kurzen Blick in die Kabine und weiter geht unsere Reise jetzt wieder einmal eine Zeit lang in Chile. Schnell noch die argentinischen Pesos aus der Geldbörse ins Plastiksackerl geräumt und die chilenischen Pesos von dort wieder herausgeholt, auch das ist inzwischen schon ganz normal für uns.
Wir erreichen dann „Puerto Natales“, eine Hafenstadt, gelegen am Ufer des Fjordes mit dem klingenden Namen „Ultima Esperanza“ also „Letzte Hoffnung“, was auf einen spanischen Kapitän zurückgeht, der hier angeblich im 16. Jahrhundert im Gewirr der Inseln und Kanäle schon ziemlich verzweifelt die Magellanstraße suchte. Wir finden einen super Platz direkt
am Fjord, wirkliche Sehenswürdigkeiten hat diese kleine Stadt dann aber, zumindestens aus unserer Sicht, keine. Es findet sich aber dort zumindestens ein mal wieder dringend notwendiger Waschsalon und nachdem das erledigt ist, verziehe ich
mich hocherfreut in
ein „Work-Café“ einer großen Bank, wo es endlich einmal gutes wlan gibt und wo ich spät aber doch meinen Bolivien-Bericht fertigstellen kann. Derweil landet Karl bei seinen Spaziergängen zufällig bei den „Bomberos“, den Feuerwehrleuten von „Puerto Natales“, mit denen er ins Gespräch kommt, weil sie unter anderem auch einen Unimog in ihrem Fuhrpark haben. Aha, denkt er sich, dann werden die ja wohl auch einen Mechaniker dafür haben. Den haben sie dann tatsächlich und er ist sogar so nett, sich unser Problem anzuschauen, aber auch er kann der Ursache warum und wohin unser Getriebeöl verschwindet nicht auf den Grund kommen. Er stimmt aber Karl zu, dass das natürlich schon ein gewichtiges Problem sei und empfiehlt uns, in „Punta Arenas“, das sowieso eines unserer nächsten Ziele ist, jene Mercedes-Werkstatt anzusteuern, wo auch die „Bomberos“ das Service für ihren Unimog machen lassen.
Bevor es für uns aber weiter Richtung Süden geht, darf ein weiterer Abstecher in die Gletscherwelt des 242.000 Hektar großen Nationalparks „Torres del Paine“ auf keinen Fall fehlen. Es ist bereits später Nachmittag als wir einer Schotterstraße Richtung „Lago Grey“ folgen und bis wir aber dann den Eingang des Nationalparks erreichen, ist keiner mehr da bei dem wir den Eintritt bezahlen können. Eine junge Dame vom Informationskiosk meint, wir könnten das dann auch an unserem Ziel, dem Hotel am „Lago Grey“, erledigen, wo man auch das Ticket für das Schiff kauft, mit dem es diesmal für uns zum Gletscher gehen soll. Wir erreichen das Hotel dann am frühen Abend, parken ungestört auf dessen Parkplatz, obwohl es heißt, dass das für Overlander nicht erlaubt wäre und kaufen uns zwei sauteure Tickets
für das Schiff für den nächsten Tag. Kein Mensch fragt uns nach Eintrittskarten für den Nationalpark und auch wir binden natürlich keinem auf die Nase, dass wir keine haben. Das Hotel ist das einzige Gebäude das hier am „Lago Grey“ existiert, es hat ein sehr schönes Restaurant mit
Bar wo wir anschließend ausgezeichnete Spare Ribs essen und dabei den überwältigenden
Blick über den „Lago Grey“ genießen. Dass wir uns zum Schlafen dann in unseren Unimog zurückziehen können freut uns wirklich sehr, denn Zimmer kosten hier je nach
Saison zwischen 250 und 500 US-Dollars pro Nacht! War der Himmel bei unserer Anfahrt noch wolkenverhangen, strahlt am nächsten Vormittag die
Sonne und wir starten zu Mittag zu einem halbstündigen Fußweg bis zum Liegeplatz des Katamarans „Grey III“. Es ist extrem windig heute und kurz müssen wir schon befürchten, dass die Fahrt abgesagt wird, aber dann dürfen wir
doch an Bord gehen und los geht die Reise über den windgepeitschten „Lago Grey“. Man glaubt vielleicht Gletscher sei Gletscher, aber es
ist hier wieder eine ganz andere Erfahrung mit einem Schiff, vorbei an den weißblau glänzenden Eisbergen, über den See zu fahren, als vor ein paar Wochen den „Perito Morteno“ von den Holzstegen aus anzuschauen. Der extrem starke Wind peitscht
hohe Wellen bis hoch über unser Schiff und erst als wir so nahe wie es dem Kapitän bei diesem Wetter möglich ist an den Gletscher herangefahren sind, dürfen
wir hinaus an Deck, um die vor uns aufragende Gletscherwand, die sich in drei Zungen in den
See hereinschiebt, zu bestaunen. Alle drei Gletscherzungen fährt die „Grey III“ dann an und jede ist einzigartig und wir kommen aus dem Staunen, fotografieren und filmen nicht heraus. Rings
um den See ragen die hohen Gipfel der „Torres del Paine“ auf, rund um uns schwimmen die Eisberge und man serviert uns Drinks mit echtem Gletschereis das in großen Blöcken auf dem Schiffsdeck liegt. Dazu gibt es wirklich interessante Informationen wie z.B. dass dieses Gletschergebiet das zweitgrößte Süßwasserreservoir der Welt ist, zwar hinter der Antarktis aber noch vor der Arktis. Dass wir bei dieser einmal mehr unglaublich schönen Tour wieder einmal riesiges Glück mit dem Wetter hatten, wird uns erst nach deren Ende bewusst, denn das Wetter verschlechtert sich so plötzlich, dass die nächsten Passagiere umsonst auf einen Start warten, denn es werden an diesem Tag dann keine weiteren Fahrten mehr durchgeführt.
Noch einmal Chile und „Am Sehnsuchtsziel Feuerland“ – Wenn einfach die Worte fehlen…
Wir fahren die Schotterstraße wieder zurück nach „Puerto Natales“, freuen uns, dass auch beim Parkausgang niemand mehr die Eintrittskarten kontrolliert und dass wir somit mal wieder was gespart haben und machen uns am nächsten Tag dann wieder auf den Weg. Unser letztes Ziel am südamerikanischen Festland, bevor es mit der Fähre auf die Insel Feuerland geht, heißt „Punta Arenas“ , die Hauptstadt der „Region Magellanes“. Sie wurde Mitte des 19. Jhdts. als Militärstützpunkt und Strafkolonie gegründet, hat heute etwa 130.000 Einwohner, ist die südlichste Kontinentalstadt der Welt und gilt zudem als die schönste Stadt Patagoniens.
Wir finden einen super Stellplatz direkt am Ufer der Magellanstraße mit Blick auf die riesigen Kreuzfahrtschiffe die hier im Sommer täglich anlegen und deren Passagiere
dann kurzfristig die Stadt überschwemmen. Das Zentrum liegt gleich in Gehweite und natürlich erkunden wir in den nächsten Tagen
die Stadt, die bis zum Bau des Panamakanals 1914, eine der wichtigsten Hafenstädte in diesem Teil der Welt war, da alle Schiffe bis dahin die von Fernando Magellan 1520 entdeckte Ost-West-Passage nehmen mussten. Nicht nur viele Handelsschiffe, auch solche mit europäischen Auswanderern legten hier an, denn 1876 hatten Einwanderer die Erlaubnis zur Schafzucht erhalten. Land war reichlich vorhanden und billig zu haben, der Weltmarktpreis für Schafwolle war hoch und so kamen Auswanderer und Geschäftsleute aus ganz Europa, was heute noch an vielen europäischen Namen an Tür- und Firmenschildern ersichtlich ist. Auf dem Hauptplatz bewundern wir natürlich das riesige, bronzene Denkmal von
Magellan, der dort stolz von oben auf die zu seinen Füßen angeordneten und rasch ausgerotteten Ureinwohner herabschaut.
Die Meerjungfrau mit den zwei Schwänzen steht für die beiden Ozeane Atlantik und Pazifik die durch die Magellanstraße verbunden wurden. Angeblich kommt man wieder nach Patagonien zurück wenn man die schon ganz blitzblanke Zehe eines der Ureinwohner küsst – Schauma mal…! Ich habe beschlossen, dass ich dringend einen Beauty-Tag brauche und suche mir daher einen Salon der Rundumservice anbietet. Dabei habe ich echtes Glück, denn die hübsche Mila aus Venezuela kümmert sich genauso professionell um meine Nägel wie ihr lustiger, argentinischer Kollege Nico sich um meine Haare. Beide sind aufgrund der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse in ihren Heimatländern derzeit hier in Chile um zu arbeiten und, wie sie sagen, ganz zufrieden damit, obwohl sie natürlich beide lieber zu Hause im eigenen Land wären, ganz klar. Karl besucht unterdessen die
Firma „Mercedes Kaufmann“ und wird dort sehr freundlich empfangen. Man hört sich unser Problem an und schlägt einen Versuch
als Lösung vor für den man keine Ersatzteile benötigt, die erst bestellt werden müßten, womit Karl einverstanden
ist. Es wird die Vorgelegeentlüftung abmotiert, am nächsten Tag fahren wir noch einmal zur Kontrolle in die Werkstatt, der Ölstand hat sich nicht geändert und im Moment sind alle mit dieser Lösung zufrieden. Das Unglaublichste kommt
aber am Schluss: Wir müssen dafür nicht einen Cent bezahlen. „Mercedes Kaufmann“ gibt an, es wäre ihnen eine Ehre, uns so weit helfen zu können, dass wir mit dem Unimog unsere große Reise fortsetzen können… – Wir unglaublich ist das! Am Nachmittag fahren wir dann zum Fähranleger von „Punta Arenas“ und kaufen uns ein Ticket für die Überfahrt nach Feuerland. Nächsten Tag geht es dann los, wir fahren bei strömendem Regen auf die Fähre und vorbei am Militärhafen, verlassen wir das südliche Festland von Chile und überqueren die Magellanstraße, bis nach ca. zwei Stunden Fahrzeit Feuerland in Sicht kommt und wir bei strahlendem Sonnenschein im 5.000 Seelen Ort „Porvenir“ anlegen, wo wir auch gleich im Zentrum übernachten.
Es ist schon ein sehr spezielles Gefühl jetzt endlich dort zu sein wohin man sich jahrelang immer wieder geträumt hat – „Feuerland“ wie oft ist dieser Name in unseren Köpfen herumgeschwirrt, wie oft haben wir davon gesprochen und jetzt stehen wir tatsächlich hier auf der „Isla Grande de Tierra del Fuego“, der 47.000 km2 großen
Hauptinsel des insgesamt 73.500 km2 großen Archipels zu dem noch viele weitere kleine Inseln gehören. Den Namen bekam die Region vom Entdecker „Magellan“, der bei der Erkundung der Meerenge hier zwar keine Siedlungen
aber in der Nacht viele Feuer sah. Der Hauptteil gehört zu Chile, der kleinere aber dichter besiedelte Teil zu Argentinien. Traditionell lebt die Insel von der Viehwirtschaft, den Schafen und der Wolle, im Norden gibt es kleinere Erdgasförderanlagen aber in zunehmendem Maß bedeutender wird hier in den letzten Jahren auch der Tourismus. Das Klima ist fast immer
kühl und ozeanisch, im Sommer wird es auch schon mal
bis zu 20 Grad warm, aber die werden meistens umgehend gedämpft vom eiskalten Wind der über die Ebenen pfeift. Unser erstes Ziel in Patagonien liegt direkt am Weg, was mit sehr entgegenkommt, denn so wie die Bären zu Alaska, gehören
doch auch die Pinguine zu Patagonien und ich will dabei unbedingt Königspinguine sehen. Die kleineren Magellanpinguine gibt es angeblich ja später auch an den Küsten noch zu sehen, aber die einzige Kolonie der bis zu ca. einem Meter großen Königspinguine existiert eben nur hier im „Parque Pingüino Rey“. Die noch größeren Kaiserpinguine gibt es nur in der Antarktis, wie wir dann bei der Führung im Park erfahren, aber ich bin auch mit diesen hier sehr zufrieden. Sogar ein paar Babys sind darunter, die sich aber meistens unter der langen Bauchschürze der Mama verstecken, sodass man nur die Füße davon sieht.
Um nach „Ushuaia“ zu gelangen, müssen wir anschließend wieder, zum inzwischen dritten Mal, am „Paso San Sebastian“ die Grenze zu Argentinien überqueren und wieder einmal werden wir auch hier nicht vom Zoll kontrolliert
. Inzwischen sind die Formalitäten zur kompletten Routine geworden, unsere Daten und die vom Unimog sind in den Computersystemen beider Länder längst vorhanden und selten brauchen wir für die ganze Prozedur länger als 20 Minuten. Kurz nach der Grenze sehen wir dann auch, nach wirklich langer Zeit, nämlich genau seit Kolumbien, erstmals den Atlantik wieder und im Städtchen „San Sebastian“ haben wir unseren bisher größten Erfolg beim Geldwechseln. Wir bekommen nämlich an diesem Tag
dort bei „Western Union“ für 300 Euros 425.000 argentinische Pesos. Hätten wir zum offiziellen Bankkurs gewechselt, wären es nur 269.600 Pesos gewesen. Wir haben also durch diese Transaktion ca. 155 Euro gespart. Darauf kann man dann ruhig mal mit einer richtig guten Flasche anstoßen, was
wir natürlich auch umgehend tun. Natürlich haben wir auch das Tanken von Chile auf das viel günstigere Argentinien verschoben. Auch hier bezahlen wir natürlich bar in agentinischen Pesos und die Tankwarte finden es immer sehr lustig, wenn ich, während Karl draußen das Tanken überwacht, in der Kabine sitze und die endlosen 500er und 1000er Scheine abzähle und in einzelne Stapel ordne, bevor wir damit dann den Diesel bezahlen. Da die Tankwarte das ganze Geld dann ebenfalls noch einmal zählen müssen, dauert so ein Tankvorgang nie unter einer halben Stunde, was aber hier niemanden auch nur im Geringsten aufregt. Die Sache mit unserem Getriebeöl setzt sich im Übrigen leider wieder fort. Da das Problem nach Abmontieren der Vorgelege-Entlüftung bei Mercedes in „Punta Arenas“ leider dann doch auf Dauer schlimmer statt besser geworden ist, hat Karl diese wieder draufmontiert und jetzt kontrolliert er halt, wie vorher auch schon, so ca. alle 500 km den Ölstand und füllt bei Bedarf nach. Ab und zu, wenn sich die Gelegenheit zur Entsorgung bietet, lässt er dann das überschüssige Öl, das sich in den Achsen sammelt, ab und mit dieser Lösung haben wir uns entschlossen, bis zum Besuch in einer Unimog-Spezialwerkstatt nach unserer Rückkehr in Deutschland, zu leben. Warum bei gleichen Entfernungen manchmal gar kein Öl fehlt und manchmal viel, bleibt Karl ein Rätsel, aber es ist halt nun einmal so wie es ist.
Dann wird es noch einmal spannend. Die letzten 300 km bis „Ushuaia“ liegen vor uns. Die Landschaft Feuerlands präsentiert sich uns zuerst völlig flach, endlose Zäune von Estancia-Land schließen aneinander an, wir sehen Schafe, Schafe, Schafe so weit das Auge reicht und dazwischen
unglaubliche Mengen von „Guanakos“. Diese Stammform aller Lamas sind echte Riesen. Sie erreichen eine Schulterhöhe von bis zu 1,20 m und
werden 100-200 kg schwer. Sie leben wild, wurden nie domestiziert und wir kennen sie schon von anderen Gegenden in Patagonien, wo sie meistens einzeln
oder in kleinen Gruppen unterwegs sind, aber in so großen Herden wie hier auf Feuerland haben wir sie noch nie gesehen. Elegant überwinden sie sämtliche Zäune, das heißt meistens, denn immer wieder sieht man auch halb- bis komplett verweste Tiere die in den Zäunen hängen geblieben und danach wohl jämmerlich zugrunde gegangen sind. Sie machen sich breit auf den Weiden der Estancias, wo sie den dortigen Tieren das Futter wegfressen. Dann, je näher wir „Ushuaia“ kommen, ändert sich noch einmal die Landschaft. Vor uns erheben sich
plötzlich schneebedeckte Berge, wir fahren vorbei am, vom patagonischen Wind gepeitschten „Lago Fagnano“, dann über den 420 m hohen „Paso Garibaldi“, wir queren am Schluss auch noch das letzte Küstengebirge, Sessellifte und Tafeln zeugen vom südlichsten Schigebiet der Welt, dann noch eine allerletzte Kurve und das Sehnsuchtsziel liegt vor uns: „Ushuaia“,
die südlichste Stadt der Welt, auch als „Fin del mundo“ als „Ende der Welt“ bekannt. Der erste Blick zeigt dann so gar nicht das was man hier eigentlich
erwartet. Kein Dorf oder eine kleine, verschlafene Ortschaft erwartet uns hier, nein, „Ushuaia“ ist laut Aussagen von Einheimischen in den letzten zehn Jahren auf das Doppelte seiner ursprünglichen Größe gewachsen, hat im Sommer ca. 64.000 Einwohner, im Winter allerdings um viele weniger und sie wird in den kurzen Sommermonaten komplett
vom Tourismus beherrscht. Mehrere Kreuzfahrtschiffe legen jeden Tag hier an, Expeditionsschiffe und Segelschiffe bringen Touristen von hier zum nahen „Kap Horn“ und in die Antarktis, in der es in den Sommermonaten schon richtig eng wird, so viele Schiffe sind dann
dort unterwegs. „Ushuaia“ ist dafür der Dreh- und Angelpunkt und dementsprechend hat sich die touristische Infrastruktur auch vergrößert. Uns ist das alles eigentlich im Moment herzlich egal, wir sind nur überglücklich darüber endlich hier zu sein. Wir finden den für uns perfekten Übernachtungsplatz direkt am „Beagle-Kanal“, wo wir Blick auf die ein- und ausfahrenden Kreuzfahrtriesen haben und von wo aus es auch nur wenige Schritte ins Stadtzentrum sind. Wir stellen den Unimog dort ab und
dann wollen wir nur noch eines: Feiern! Wir suchen uns ein nahes Lokal von dem wir dann zufällig auch noch freien Blick auf unseren weiter unten parkenden Unimog haben, bestellen uns eine
Flasche Sekt und genießen es einfach nur endlich angekommen zu sein. Angekommen an unserem Ziel, das uns, als wir im Sommer 2022 in Alaska waren und dort auf die Landkarte auf die vor uns liegende Aufgabe geschaut haben, vom nördlichsten Punkt des
Kontinentas zum südlichsten Punkt zu fahren, als so unendlich weit
weg erschienen war. Jetzt tatsächlich hier zu sitzen, den Unimog unversehrt unten am Pier stehen zu sehen und uns gegenseitig in die Augen zu schauen… – Was in diesem Moment in einem vorgeht, das kann man hier nur schwer bis gar nicht beschreiben! Am nächsten Tag folgen dann die ersten Spaziergänge durch „Ushuaia“, wir machen Fotos am „Fin del mundo“-Schild und am „Letter sign“, wo wir, zur großen Verwunderung sämtlicher anwesender Touristen und ganz unerlaubt den Unimog quer über sämtliche Gehsteige und Fahrverbote bis direkt neben die großen Buchstaben steuern und dort für ein paar Fotos platzieren. Sollen sie uns doch strafen, völlig egal, wir sind da, endlich angekommen, was soll uns noch passieren….?
Ganz „da“ sind wir aber natürlich noch nicht, zwar ist „Ushuaia“ das offizielle Ziel, so wie wir aber auch in Alaska bis zur Absperrkette am Beginn der Ölfelder in „Prudhoe Bay“ gefahren sind, so wollen wir auch hier im Süden so weit fahren, bis auch die letzte Straße endet. Und
genau das tun wir dann auch einen Tag später. Wir folgen einer Schotterstraße entlang des „Beagle-Kanals“ noch weiter in den Süden, vorbei geht’s an der
„Estancia Haverton“, der ältesten des Landes, die heute als nationales Monument gilt, wir durchfahren dichte Wälder, bewundern die
vom patagonischen Wind bizarr geformten Bäume, erleben immer wieder unglaubliche Ausblicke über den Kanal und werden schließlich nach ca. 140 km vor dem Tor der argentinischen Marinestation „Moat“ gestoppt. Hier ist
endgültig Schluss, hier endet auch der letzte Schotterweg. Wir fahren bis dicht an das Tor heran,
bevor wir hier die extra für diesen Moment seit langem aufgehobene Flasche Champagner öffnen und natürlich unzählige Erinnerungsfotos schießen.
Die Mitarbeiter der Marinestation grüßen nur freundlich lächelnd zu uns herüber, vielleicht erleben sie hier auch öfter so
völlig verrückte Overlander, die vor ihrem Tor Champagner trinken und Fotos und Videos machen – Wer weiß… ? Sie regen sich weder darüber auf dass wir lange Zeit ihre Einfahrt blockieren, noch dass wir den Rest unserer Flasche dann auf ihrer Terrasse direkt bei der Station austrinken, weil dort der Blick auf den Kanal einfach so wunderschön ist. Später
dann suchen wir uns ganz in der Nähe einen einsamen Übernachtungsplatz ganz nahe am „Beagle-Kanal“
und ganz langsam, nach zwei Tagen am Ende der Welt, macht sich jetzt auch das echte Begreifen in uns breit: Wir
haben es wirklich geschafft: Wir sind zwei Jahre lang und bis jetzt ca. 70.000 km weit mit unserem Unimog von Alaska bis Feuerland gefahren – So unendlich stolz und dankbar sind wir dafür! – Und alles was jetzt noch kommt ist einfach nur mehr eine Draufgabe!