Raues, stürmisches Feuerland – „Von Pferden und Estancias“
Eine ganze Woche bleiben wir dann „am Ende der Welt“, wir genießen das geschäftige „Ushuaia“ und durchstreifen die Stadt mit ihrem hübschen Zentrum. Wir erfahren, dass die Gründung 1884 erfolgte, die Besiedelung aber nur langsam voranschritt, denn niemand wolllte sich freiwillig in dieser rauen Gegend niederlassen. Die Regierung gab aber nicht auf, wollte sie doch mit einer
Ansiedlung ihren Hoheitsanspruch in einem Gebiet sichern, das erst vor kurzem zwischen Chile und Argentinien aufgeteilt worden war. Darum kam man auf die Idee, hier ein Gefängnis zu bauen, um wenigstens die dort beschäftigten Mitarbeiter samt Familien auf Dauer in „Ushuaia“ anzusiedeln, welches heute noch als Museum zugänglich ist. Trotzdem erreichte man erst in den Siebzigerjahren die 10.000 Einwohner Marke und erst mit Einsetzen des Tourismusbooms wuchs die Stadt auf ihre heutige Größe an. Gerne wären wir auch auf die vorgelagerte „Isla Navarino“ mit ihrem Hauptort „Puerto Williams“ hinausgefahren, aber die Dame im Ticketcenter erzählt uns dann, dass dies leider seit „Corona“ nicht mehr möglich sei, weil die Chilenen, denen die Insel gehört, eine Überfahrt seither nicht mehr erlauben würden und niemand wisse, ob und wann dies wieder möglich sein werde. Ja, so wirklich lieb haben sich die beiden Nachbarn halt dann doch nicht, wenn man sich gegenseitig ärgern kann, dann macht man das auch, das merkt man immer wieder und gerade an solchen Kleinigkeiten. Was die Argentinier anscheinend
außerdem bis heute noch überhaupt nicht verwunden haben, ist der schon ewig zurückliegende
Verlust der 800 km vor der Küste liegenden Falklandinseln, wobei sie „Ushuaia“ nach wie vor als deren Hauptstadt betrachten. Immer wieder sieht man im ganzen Land auf riesigen Plakaten und Aufschriften an Häuserfronten, etc. den Text „Las Islas Malvinas son Argentinas“, also „die Falklandinseln sind argentinisch“, obwohl diese nicht nur bereits seit 1833 britisch sind und der von einem übereifrigen, populistischen Präsidenten angeleierte Krieg 1982 von den Argentiniern klar verloren wurde, sondern sich auch 99,8 % der Bewohner der Inseln 2013 in einem Referendum klar zu einem Verbleib bei Großbritannien ausgesprochen haben.
Karl klappert nebenbei noch die Segelschiffe in den Marinas ab. Er sucht nämlich eine Möglichkeit, mit einem Schiff oder Boot hinaus zum „Kap Horn“ zu fahren, was er sich schon immer gewünscht hat. Leider ist aber im Moment bei den Seegelbooten die Saison für die Antarktis und nicht für Kap Horn und er bekommt überall nur Absagen. Mit einem Expeditionsschiff gäbe es dazu die einzige Möglichkeit, diese ist aber so teuer, dass er sich letztendlich dann doch dagegen entscheidet. Für mich hingegen wird ein ebenfalls lang gehegter Wunsch hier endlich Wirklichkeit, denn ganz in der Nähe von „Ushuaia“ gibt es einen Reiterhof, auf dem man praktischerweise auch gleich campen kann. Wir schlagen daher unser Lager für die nächsten drei Tage gleich
neben der Pferdekoppel auf und kommen hier nebenbei zusätzlich in den Genuss feinster Pferdeausbildung, denn der Sohn der Familie ist ein international bekannter Pferdetrainer und ich könnte stundenlang dabei zusehen, mit welchem Feingefühl hier die jungen Pferde für
ihre Aufgaben trainiert werden. Zwei Tage geht es dann für mich hoch zu Ross durch die herrliche, wilde Landschaft Südpatagoniens und besonders der Ausritt bei dem ich alleine bzw. nur in Begleitung der unglaublich netten Alex aus Frankreich, die hier auf dem Reiterhof als Praktikantin arbeitet,
stundenlang unterwegs bin, begeistert mich total. Wir haben Riesenglück mit dem Wetter, keinen Regen und sogar der patagonische Wind macht an diesem Tag Pause und zwischendurch scheint sogar ab und zu die Sonne. Wir reiten durch die Hügel,
durch dichte Wälder und natürlich geht’s dann auch im Galopp entlang der einsamen Strände bis vor den Eingang des Nationalparks „Parque Nacional Tierra del Fuego“, wo wir, bei herrlicher Aussicht auf den „Beagle-Kanal“, eine Pause einlegen und wo Alex dann auch unsere Sandwichs auspackt, die so groß sind, dass wir sie gerne mit den Hunden des Reiterhofs teilen, die uns freiwillig begleitet haben. Um uns herum grasen zufrieden die beiden Pferde, es ist so unglaublich ruhig und schön hier, dass ich mir fest vornehme, in Zukunft unbedingt wieder öfter in den Sattel zu steigen. Dass das letzte Mal eindeutig viel zu lange her ist, spüre ich dann aber besonders ab dem nächsten Morgen, denn ich kann mich vor lauter Muskelkater zwei Tage lang fast nicht mehr bewegen, was wohl den immer trainierten Karl am meisten freut… .
Dann nehmen wir aber endgültig Abschied von „Ushuaia“ und ab sofort heißt unsere Richtung zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder dauerhaft „Norden“. So schön die Landschaft hier auch ist, ich bin echt froh, dass wir dem wilden, patagonischen Wetter nun den Rücken kehren,
mir ist es einfach zu kalt hier im Süden, zu lange war ich auf unserer Reise „schönwetterverwöhnt“ und monatelang täglich problemlos im Strandkleid
und mit Schlapfen unterwegs. Der nicht endende, eiskalte Wind hier unten zwingt mich in lange Hosen und dicke Jacken,
derweil ich im Internet lese, dass es in „Buenos Aires“ über 30 Grad hat. Wir halten noch kurz am Ortsausgang von „Ushuaia“ an einer Gedenkstätte für „Gauchito Gil“, die man, insbesonders durch ihre zahllosen roten Bänder und Fahnen mit der sie geschmückt sind, überall in Argentinien am Straßenrand sieht. „Gil“ dessen Markenzeichen ein rotes Stirnband, ein roter Umhang und ein mächtiger, schwarzer Schnurrbart war, gilt als der argentinische „Robin Hood“. Er wuchs als „Gaucho“ auf und wurde gezwungen in etlichen „Bruderkriegen“ innerhalb Argentiniens zu kämpfen. Schließlich, nachdem er vom Militär desertierte, wurde er hingerichtet und es werden ihm seither jede Menge wohltätige Wunder nachgesagt. Obwohl die katholische Kirche den Volksheiligen bisher eisern ignoriert, pilgern jedes Jahr am
8. Jänner, seinem Geburtstag, über 200.000 Menschen in seine Geburtsstadt „Mercedes“ um ihrem ganz persönlichen Heiligen zu danken oder ihn um Fürbitte anzurufen. Danach füllen wir noch unsere Wasservorräte an einem klaren Gebirgsbach auf und – zwar ungeplant aber mindestens genau so wichtig – ein paar Kilometer weiter unsere Barvorräte in einem kleinen Motorradmuseum mit angeschlossener Gindestillerie inkl. einem, zu den alten Motorrädern passenden, Verkaufstalent hinter der Theke… .
Danach folgen wir kurz der „Ruta 3“, die uns in nächster Zeit viele Tage lang und schnurgerade nach Norden führen wird, biegen aber schon nach kurzer Fahrt auf eine Schotterstraße ab, die uns, mitten durch schier endlos scheinendes Farmland, bis zur Atlantikküste führt. Dort am „Cabo San Pablo“ haben wir am nächsten Tag die Möglichkeit eine echte, argentinische „Estancia“ zu
besuchen. Die Nacht davor verbringen wir aber direkt am Kap, wo seit dem 9. September 1985 das Wrack der „Desdemona“ liegt. Sie war ein ursprünglich deutsches Frachtschiff, welches in den 1960er Jahren
nach Argentinien verkauft wurde und dort Zement zwischen „Buenos Aires“ und „Ushuaia“ transportierte. Das
Unternehmen geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und man ließ daher nahe dem Kap auf der „Desdemona“ absichtlich ein Feuer ausbrechen und sie anschließend hier stranden, um die
Versicherungssumme zu kassieren, was aber letztendlich nicht gelang. Seither liegt sie hier und bricht langsam auseinander. Sie liegt so nahe am Ufer, dass man bei Ebbe um sie herumspazieren kann, was wir dann natürlich auch tun. Es ist wirklich sehr beeindruckend, das riesige Schiffswrack ganz aus der Nähe zu betrachten, aber auch irgendwie traurig, so ein Wunder an Ingenieurskunst hier vor sich hin rosten zu sehen. Wir übernachten direkt neben dem Wrack, wieder einmal ganz alleine und genießen den Blick aus unserem Fenster hinaus zur „Desdemona“, hinauf aufs Kap und über den Atlantik.
Am nächsten Tag öffnet sich uns dann das Tor zur Welt der argentinischen Estancias und dahinter bzw. vor dem Haupthaus erwartet uns dann gleich einmal ein besonders herzlicher Empfang durch Eigentümerin „Lucila“ auf der „Estancia Cabo San Pablo“. Beim ersten Kaffee, den
sie auf dem holzbefeuerten „Tischherd“ in ihrer gemütlichen Küche für uns zubereitet, erzählt sie uns dann, dass sie zwar auf
einer Estancia aufgewachsen sei, dann aber einen Job und ein Leben in der Stadt gehabt hätte und erst vor kurzem,
ganz unverhofft, die Estancia geerbt hätte. Die Entscheidung, ihr gewohntes Leben hinter sich zu lassen und dauerhaft hierher aufs Land zu ziehen, sei ihr gar nicht so leicht gefallen aber jetzt sei sie hier glücklich und bewirtschafte die Estancia zusammen mit ihrem Mann Carlos, ihrem Sohn Francesco und dessen Freundin Maite. Dass das Leben hier draußen aber alles andere als einfach ist, erfahren wir ebenfalls in den vielen Gesprächen, die wir dann in den nächsten zwei Tagen mit ihr und ihrer Familie führen. Die nächste Stadt ist über 100 km entfernt, einmal pro Woche fährt Lucila dorthin zum
Einkaufen, vergessen sollte sie dabei eher nichts, oder, wie sie sagt, „Wenn ich den Zucker vergesse, müssen wir halt die ganze Woche ohne auskommen, so ist das eben…“. Einen Anschluss an das öffentliche Stromnetz haben die Estancias hier
in diesem Teil Feuerlands ebenfalls nicht, auf der Farm gibt es einen Dieselgenerator, der aber, aus Kostengründen, nur am Abend für wenige Stunden eingeschaltet wird, dann wird schnell Wäsche gewaschen, der Fernseher und der Computer läuft ein bisschen und die Akkus für die Handys werden geladen. Geheizt und gekocht wird hauptsächlich mit eigenem Holz, im kalten Winter zusätzlich auch mit Gas und besonders sauer ist Lucila daher jetzt im Moment gerade
darüber, dass ihr die neue Regierung, die sie aber, wie sie betont, „aus nicht hundertprozentiger Überzeugung aber mit riesiger Hoffnung auf Veränderung“, selbst gewählt hat, den Gaszuschuss gestrichen hat und zwar mit der Begründung, dass
diese den „reichen Estancieros“ nicht zustünde. Sie ist nebenbei auch die Sprecherin für die Anliegen der Farmer auf ganz Feuerland und hat für diese einen Protest darüber organisiert, wobei sie versucht hat, dem zuständigen Beamten in „Ushuaia“ in einem persönlichen Gespräch klarzumachen, dass das Leben hier draußen ein hartes ist und sie ihn gerne einlade, einmal ein paar Tage hier zu verbringen, um ihm zu zeigen, dass man hier nicht am Pool liege, sondern jeden Tag hart arbeiten müsse, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Lucila zeigt uns dann das Haupthaus
mit dem schönen Wohnraum und auch die liebevoll eingerichteten Gästezimmer, die sie seit Kurzem anbietet und macht dann anschließend noch mit uns einen Rundgang über den bebauten Teil des Geländes der Estancia. Es gibt unzählige alte Gebäude, darunter die früheren
Wohngebäude der Mitarbeiter, eine alte Backstube, die ehemalige Zentralküche samt Speiseräumen, Werkstätten, etc., die allerdings seit vielen Jahren zum Großteil unbenützt sind. Einige davon hat sie bereits von jeder Menge Schutt befreit, interessante alte Dinge, die dabei hervorgekommen sind, hat sie schon teilweise restauriert und dabei entsteht nun nach und nach eine Art Museum, wo sie versucht, ihren Gästen die Geschichte der Estancia nahezubringen. 1904 von „José Montes Pello“ gegründet, umfasste diese in ihrer Blütezeit unglaubliche 109.000
Hektar Land und beschäftigte 69 Mitarbeiter. Sie ging im Laufe der Jahrzehnte durch
verschiedene Hände, wurde, nachdem es in Argentinien wirtschaftlich bergab ging, eine Zeit lang sogar von der argentinischen Zentralbank verwaltet, bis sie 1994 in einzelne Teile aufgeteilt wurde, von denen der Vater von Lucila den zentralen Bereich mit den gesamten Gebäuden erwarb, der Rest wurde von den umliegenden Nachbarn angekauft. Ca. 100 km Zaun mit sieben Reihen Draht, also unglaubliche 700 km Draht umzäunen derzeit die Estancia und müssen natürlich laufend kontrolliert und
instandgehalten werden. Aufgrund des in den letzten Jahren immer größer werdenden Problems mit den verwilderten Hundebanden in der Region, die eine riesige Gefahr für die Schafherden darstellen, musste der
Schafbestand, zum großen Leidwesen von Lucila, die auf einer Schaffarm aufgewachsen ist, zugunsten von Rindern, verkleinert werden, an die sich die Wildhunde nicht so leicht heranwagen. Alleine 25 % ihrer Schafe hat die Familie in letzter Zeit an diese Wildhunde verloren, im Moment beträgt der Bestand daher nur mehr ca.
200 Stück, dieser soll sich aber, geht es nach Lucila, schon bald wieder vergrößern. Dazu wurde nun ein spezieller, aber leider auch sehr teurer Schutzhund angeschafft, der zwar erst ein Jahr alt ist, aber die Herde bereits mit unglaublicher Vehemenz bewacht und im Ernstfall mit seinem Leben verteidigt. Man sollte lieber nicht versuchen, den Schafen zu nahe zu kommen, wie wir selbst miterleben können, als uns Lucila und ihr Mann Carlos später mit hinaus zur Herde nehmen. Ein großes Problem zusätzlich sind für die Farmer aber auch die hier auf Feuerland so zahlreich lebenden „Guanakos“.
Sie stehen unverständlicherweise unter Schutz, vermehren sich daher unkontrolliert und unglaublich schnell, machen sich auf den Schaf- und Rinderweiden breit und fressen den Herden das Futter weg. Ich sehe ein Gewehr an der Garderobe des Hauses hängen und frage Lucila, ob sie denn wirklich gar keine dieser Plagegeister jemals abschießen dürften.
Sie meint dazu, das Gewehr sei zwar eigentlich nur zum eigenen Schutz gegen die Wildhunde gedacht, die auch für Menschen durchaus gefährlich werden könnten, aber ab und zu laufe dann schon mal ein „Guanako“ vor die Flinte, deren Fleisch man
dann an die Hude verfüttern würde, aber man warte trotzdem dringend auf eine offizielle Regelung der Regierung, wie es sie bereits in Chile gibt, die einen kontrollierten Abschuss der Guanakos erlauben würde. Zusätzlich zur Schafherde leben auf der Estancia derzeit ca. 500 Rinder, ca. 90 Pferde von denen aber nicht alle gezähmt sind und ca. 40 Arbeitshunde, die sich, weithin hörbar, in ihrem riesigen Zwinger tummeln, sofern sie nicht ohnedies gerade zur Arbeit gebraucht werden. Alles in allem ein riesiges Arbeitspensum, das diese bewundernswerte Familie jeden Tag hier bewältigt und zusätzlich bauen sie sich jetzt gerade den Tourismus als zweites Standbein auf, was insbesonders Lucila im Sommer, wenn fast täglich Gäste zu Besuch kommen, dementsprechend fordert. Sie freut sich daher natürlich besonders, dass auch ihr Sohn und dessen Freundin so viel Spaß am Leben auf der Estancia haben, denn für was macht man denn so etwas sonst, als für die nächste Generation… . Am Abend werden
wir dann von Carlos mit wunderbarem „Lamm-Asado“ bekocht und das im Ofen langsam geschmorte Fleisch schmeckt wirklich köstlich. Wir sitzen mit der gesamten Familie am Tisch und bei argentinischem Rotwein genießen wir den Abend dann auch noch
im Anschluss. Außer uns sind im Moment keine anderen Touristen da und so habe ich die Gelegenheit, die Familie bzw. insbesonders Lucila, die super englisch spricht, ein Loch in den Bauch zu fragen, so interessant finde ich das Leben, das sie mit ihrer Familie hier führt. Wir dürfen mit unserem Unimog dann mitten zwischen den alten Gebäuden der Estancia übernachten und am nächsten Vormittag serviert uns Lucila noch ein wunderbares Frühstück, bevor wir schweren Herzens kurz vor Mittag wieder aufbrechen. Sehr gerne wäre ich noch ein paar Tage länger geblieben und Lucila bietet mir an, dass ich mich gerne jederzeit bei ihr melden darf, wenn ich einmal Lust darauf habe, längere Zeit bei ihnen zu verbringen und dabei tiefer in den echten Estancia-Alltag einzutauchen, was ich mir fest vornehme.
Der lange Weg nach Norden und „Ewig das Kreuz mit den Nationalparks…“
Um die Insel „Feuerland“ wieder zu verlassen, folgen wir nun weiter der „Ruta 3“ und müssen dann noch einmal – und auch zum letzten Mal – ein Stück durch Chile fahren. Selbst für diesen kurzen Transit von nur ein paar Stunden muss die übliche Grenzprozedur für uns und für den Unimog absolviert werden. Wie immer verstecken wir unser Obst und Gemüse erfolgreich vor den auch heute wieder nur sehr salopp erfolgenden Kontrollen der Chilenen und, da wir dann nur ca. 100 m hinter dem Grenzübergang auf einem großen Parkplatz übernachten, hoffen wir, dass der Zwiebel- und Knoblauchduft aus unserer Außenküche nicht bis zum chilenischen Zoll
hinüberzieht. Schon ein bisschen frech das Ganze, aber schließlich müssen wir ja was essen… . Am nächsten Tag steht dann auch noch einmal eine Fähre an, die uns in einer halben Stunde endgültig von „Punta Delgada“ über die „Magellanstraße“ zurück aufs südamerikanische Festland bringt, das wir bei „Punta Espera“ erreichen. Danach überqueren wir wieder die Grenze zu Argentinien und sind froh, dass wir in diesem Land jetzt einmal bis zur Einreise nach Uruguay bleiben, denn von den ständigen Grenzübertritten, und waren sie auch noch so einfach, haben wir inzwischen echt die Nase voll. Die nächsten Tage sind dann ausgefüllt mit endlosen, stunden- und tagelangen Geradeaus-Fahrten auf der langweiligen „Ruta 3“, die hier im Osten
von Argentinien schnurgerade von Süden nach Norden führt. 3.000 km sind es ca. von „Ushuaia“ nach „Buenos Aires“ und bei unserer durchschnittlichen Geschwindigkeit
von ca. 80 km/h kann sich das schon mal ein bisschen ziehen. Das Gute daran ist eigentlich nur, dass wir dabei sehr oft in der Nähe des Atlantiks sind und wir schon nach ca. 1.000 km den patagonischen Wind
hinter uns lassen und es merklich wärmer wird. Also am Abend abgebogen ans Meer,
lange Hose und Pullover aus, kurzes Kleid und Schlapfen an, Sessel rausgestellt, Bier aufgemacht und schon bin ich glücklich! Bei genau so einem Stopp kurz vor „Caleta Olivia“ finden wir dann sogar ganz überraschend einen Platz an dem sich eine große Kolonie Seelöwen angesiedelt hat. Ganz frei und ungestört liegen
sie dort am Strand herum und genießen das Leben. Nichts ist hier abgesperrt, man kann ganz nahe an die Tiere herangehen, sie sind das anscheinend gewöhnt, denn sie lassen sich von den Menschen überhaupt nicht stören. Direkt daneben bzw. oberhalb vom Strand parken wir dann auch den Unimog und haben hier sozusagen „Dinner mit Seelöwen“ und – obwohl sich Karl ob des etwas strengen Geruchs, der von unten zu uns heraufzieht, zum Schlafen lieber ein bisschen weiter auf Abstand begeben hätte – gibt er am Schluss mal wieder nach und ich freue mich, von unserem Logenplatz aus die Seelöwen auch am nächsten Tag gleich in der Früh, sozusagen vom Bett aus, wieder beobachten zu können.
Es folgen weitere, wirklich langweilige „Fahrtage“, bis wir zu einem Zwischenstopp auf die, in allen Reiseführern, im Internet und bei anderen Overlandern so hochgelobte Halbinsel „Valdez“ abbiegen. Diese zu besuchen, war sicher früher einmal ein echtes highlight, leider haben wir hierfür aber einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt, denn seit ziemlich genau zwei Monaten wurde so ziemlich alles in diesem Naturschutzgebiet total
reglementiert und neu geregelt. Wir bezahlen den gar nicht günstigen Eintritt und werden gleich mal von dort aus ins Besucherzentrum geschickt, wo uns eine junge Rangerin genau darüber aufklärt, was man hier alles NICHT darf. Besonders lästig für uns ist, dass man auf der 3.625 km2 großen Halbinsel nun nicht mehr, wie früher, frei mit dem Wohnmobil stehen darf, wobei
man dabei bisher natürlich die wunderbarsten Gelegenheiten hatte, um Orcas, Delfine, Seelöwen etc. aus der Nähe beobachten zu können. Nun darf man nur mehr untertags einzelne Aussichtspunkte anfahren
und muss am Abend den Park wieder verlassen, oder sich im einzigen bewohnten Ort der Halbinsel, in „Puerto Piramides“, ein Zimmer nehmen, oder sich auf den dortigen Campingplatz stellen. Nur bei einer solchen Übernachtung bekommt man dann eine Bestätigung die man unbedingt braucht, damit die Eintrittskarte des Parks auch für den darauffolgenden Tag gilt. Wir nicken brav zu den Ausführungen der jungen Dame, wissen aber jetzt schon, dass wir ihren
Erwartungen auf keinen Fall entsprechen werden. Wir fahren gemütlich in das winzige „Puerto Piramides“, stellen den Unimog erst einmal in der Nähe des Hauptplatzes ab und schauen mal was die Lokalszene hier so hergibt. Nach einem gemütlichen Abendessen suchen wir uns dann, gleich ein
paar Meter vom Hauptplatz entfernt, einen Parkplatz und übernachten dort ohne dass wir, wie von der Rangerin angedroht, Besuch von der Polizei erhalten. Am nächsten Tag folgen wir dann den endlosen, staubigen Schotterstraßen über die Halbinsel, wobei es alleine bis zum ersten
Aussichtspunkt schlappe 75 km sind, die mitten durch die baumlose, argentinische Pampa führen und auf denen es nichts, aber auch gar nichts, interessantes zu sehen gibt. Am Aussichtspunkt angekommen, ist auch die Aussicht von der dortigen Steilküste hinunter auf den Strand nichts was wir wo
anders nicht schon mindestens genauso schön erlebt hätten. Weit unten, ohne Fernglas fast nicht zu sehen, lungern ein paar einzelne See-Elefanten am Strand herum, die Orcas sind, wie auf einer Tafel vermerkt, heute schon vormittags mal vorbeigeschwommen und das noch am ehesten interessanteste hier sind zwei, zum Gaudium der Besucher, neugierig über den Parkplatz flitzende Gürteltiere. An einem zweiten Aussichtspunkt sehen wir dann wenigstens noch ein paar Magellanpinguine ganz aus der Nähe, aber sonst ist auch dort nicht wirklich viel los und in stillschweigender Übereinkunft sparen wir uns dann die Fahrt zum, noch einmal 50 km weiter weg liegenden, dritten Punkt. Wir ergreifen die Flucht vor dem reglementierten Park, den wir dann ungehindert verlassen, ohne dass uns jemand nach dem Übernachtungsticket fragt, das wir sowieso nicht hätten vorweisen können und auch dass unsere Eintrittskarte dadurch heute gar nicht mehr gültig gewesen wäre, hat sich damit erledigt. Wieder einmal schwören wir uns jedoch, um solche Nationlparks in Zukunft einen großen Bogen zu machen, nein, das ist einfach nix für uns!
Es folgen weitere Fahrtage durch die endlose Steppe entlang der „Ruta 3“ bis wir dann endlich die Provinz „Buenos Aires“ erreichen, wo auf einmal die Rinderweiden wieder zahlreicher, belebter und auch grüner werden. Die ersten Bäume seit Tagen tauchen auf, wir passieren
Maisfelder die bis zum Horizont reichen, plötzlich befinden wir uns mitten im Herzen des argentinischen
Getreideanbaus, wo sich riesige Sonnenblumenfelder mit Olivenhainen und Windparks abwechseln. Endlich hat man wieder was zu schauen und endlich keine Nächte mehr zwischen
den LKWs an den Tankstellen, die, bedingt durch die nicht endenwollenden Zäune entlang der „Ruta 3“, in den letzten Tagen die einzigen sich bietenden Alternativen zum Übernachten waren.
Wenn man es nicht selbst gesehen hat, kann man es eigentlich gar nicht glauben, man fährt tagelang eine schnurgerade Straße nach Norden und man kann, außer wenn mal eine Stadt durchquert wird, wirklich nirgends am Straßenrand übernachten, weil links und rechts die Zäune der Estancias alles abgrenzen. Nun endlich gibt es auch wieder die Möglichkeit mal rauszufahren und wir finden wieder wunderschöne Plätze wie z.B. an einem Fluss
, der sich idyllisch durch die Landschaft schlängelt. Erst als wir uns das Wasser dann näher anschauen, entdecken wir, dass es eine giftig schäumende, braune Brühe ist, die wahrscheinlich von den Abwässern der angrenzenden Estancias, die wohl ungefiltert
eingeleitet werden, so aussieht. Aber die Landschaft rundherum ist trotzdem wunderschön, es ist warm und wir kochen Spaghetti und sitzen, trotz der in Argentinien allgegenwärtigen Riesenmoskitos, dann am Abend noch lange draußen. Am nächsten Vormittag werden wir dann vom Lachen einiger junger Mädchen geweckt. Als ich aus dem Fenster schaue, kann ich es gar nicht glauben, die Mädels stehen tatsächlich unter dem kleinen Wasserfall im Fluss, lassen sich das braune Wasser über die Köpfe laufen und scheinen auch noch einen Riesenspaß dabei zu haben. Unglaublich – Selbst ich, die ich gleich mal in so ziemlich jedes Gewässer springe, ohne vorher groß zu schauen ob es sauber ist, würde hier niemals auch nur eine Zehe ins Wasser stecken!
„Käse, Wein und Karneval“ oder „Wer braucht denn da noch Rio…?“
Wir brauchen aber jetzt dringend auch mal wieder einen etwas belebteren Zwischenstopp. Ich habe gelesen, dass die argentinische Stadt „Tandil“ als Zentrum für Käse-, Wurst- und Schinkenspezialitäten gilt und wo andere Traveller für eine Ausgrabungsstätte oder für bestimmte
Museen Umwege machen, nehmen wir zwei schon mal einen 150-km-Umweg in Kauf, um gutes Essen und gepflegte Getränke in
gemütlicher Atmosphäre zu genießen. Wir erreichen also „Tandil“ und landen dort im ältesten Gebäude der Stadt, das
heute das wunderbare Lokal „Epoca de Queso“ beherbergt. Vorne ist das Geschäft in dem man alle Arten von Schinken, Käse und Würsten kaufen kann und hinten befinden sich die Räume zum Essen, jeder einzelne davon ist ausgestattet wie ein Museum und als
Draufgabe gibt es noch einen ebenso schön dekorierten Innenhof, in dem wir sehr gerne Platz genommen hätten, aber wieder einal zwingen uns die riesigen Moskitos schon nach wenigen Minuten in die Gaststube zurück Der Abend verläuft dann dort aber mindestens so gemütlich wie wir es uns vorgestellt haben, die hier servierten „Jausenbrettl“ für zwei sind so riesig, dass sie locker für drei reichen würden und selbst wir sie, trotz großem Hunger, unmöglich bezwingen können. Der süffige, rote Hauswein wird in Kannen serviert, welche die Form von Pinguinen haben und man bestellt dann einfach „Un Pingüino mas“ – also „Noch einen Pinguin“ – und die überaus freundichen Kellner wissen Bescheid. Wieder einmal ist es danach gut, dass der Unimog samt Bett gleich auf der anderen Straßenseite wartet – Genau das ist er eben – Der Luxus der großen Freiheit!
Obwohl Tandil eine sehr symphatische, kleine Stadt ist, müssen wir am nächsten Tag wieder weiter, wir haben nämlich ausnahmsweise einen Termin. Da ich, schon vor einigen Wochen, mal kurz durchgerechnet habe, wieviel Zeit uns noch zur Verfügung steht und das Ergebnis dann mit der Entfernung nach „Rio de Janeiro“ verglichen hatte, wurde mir ziemlich schnell klar, dass ich den Besuch des Karnevals in diesem Jahr vergessen musste bzw. dass wir Brasilien überhaupt von der Reiseroute streichen konnten. Da ich mich echt auf den Karneval gefreut hatte, lassse ich das aber ganz sicher nicht so einfach auf sich beruhen, nein, ein Ersatz muss her! Ich vertiefe mich in die Karnevalsbräuche von Argentinien und finde dabei heraus, dass man es hier zum Karneval so richtig krachen lässt und eine der größten Veranstaltungen, der „Karneval de País“ in „Gualeguaychú“ stattfindet, einer Grenzstadt, die zufällig genau auf unserem Weg nach Uruguay liegt. Die letzte Veranstaltung dazu findet dort allerdings am 24. Februar statt und daher haben wir in den letzten Tagen auch ein bisschen mehr Gas gegeben als sonst, um dort noch rechtzeitig anzukommen. Wir lassen also die Hauptstadt „Buenos Aires“ vorerst rechts liegen und fahren weiter Richtung Grenze. Einen kurzen aber für mich verhängnisvollen Zwischenstopp machen wir dann aber noch in „Lujan“, wo wir die wirklich wunderschöne Wallfahrts-Basilika besichtigen wollen. Verhängnisvoll aber deswegen, weil ich, als ich noch schnell vorher etwas aus der Unimogkabine holen will, wieder einmal nicht aufpasse und die Leiter unbemerkt auf rutschigen Untergrund stelle. Es kommt wie es kommen muss, als ich beim Aussteigen wieder auf die oberste Sprosse der Leiter steige, rutscht diese weg, ich verwickle mich beim Fallen noch zusätzlich irgendwie in die Leiter, Karl versucht noch das Schlimmste zu verhindern, aber es nützt alles nichts. Ich knalle auf den Gehsteig, die Leiter auf mich drauf, die Menschen rundherum kommen alle herbeigelaufen um zu helfen, während ich noch versuche, mich irgendwie zu sortieren. Der Schock sitzt natürlich tief, ich weiß zwar ziemlich schnell, dass nichts gebrochen ist, aber beide Schienbeine schwellen an und ich sitze zitternd in der Kabine und wickle mir alles kalte was ich im Kühlschrank finde um die betroffenen Stellen. Zum hundertsten Mal verfluche ich dabei meine Blödheit und dass ich mir nie genug Zeit lasse, um zu überprüfen ob die Leiter auch richtig fest steht. Ein paar Mal hatte ich dabei schon Riesenglück, heute ist es halt mal echt schief gegangen, obwohl ich, bis auf jede Menge Prellungen und blaue Flecke, die sich tagelang immer weiter über meinen ganzen Körper ausbreiten, ja trotz allem noch einmal riesiges Glück gehabt habe.
Am späten Nachmittag erreichen wir dann „Gualeguaychú“, wir fahren als erstes gleich beim extra für den Karneval gebauten Stadion vorbei und kaufen uns im dortigen Ticketbüro zwei Eintrittskarten für nächsten Tag. Ich wollte dies zwar bereits viel früher im Internet tun, leider
wurden dort aber keine internationalen Kreditkarten akzeptiert und daher bin ich echt froh, dass wir, so knapp vor der Veranstaltung, noch zwei wirklich sehr gute Karten bekommen. Dann suchen wir uns einen Standplatz
an der Promenade, mit wunderbarem Ausblick auf den „Rio Gualeguaychu“ und sind froh, dass wir die mehr als 3.000 km von „Ushuaia“ bis hierher tatsächlich noch rechtzeitig geschafft haben, um morgen hier den „Karneval de País“ live mitzuerleben. Am nächsten
Abend machen wir uns dann zu Fuß auf zum Stadion, verlaufen kann man sich dabei nicht, denn gut gelaunte Menschenmassen strömen alle in die gleiche Richtung.
Vor dem Stadion gibt es dann natürlich noch jede Menge Souvenirstände und Schminkstationen, wo auch ich mich gerne mit ein paar Glitzersteinchen der allgemeinen Partystimmung anpasse. Wir
finden mit Hilfe von wirklich netten Mitarbeitern dann auch ziemlich schnell unsere Plätze in dem riesigen Stadion, die sich in der zweiten Reihe mit großartiger Sicht auf das Zentrum des Geschehens
befinden und von wo aus wir dann beobachten, wie sich das Stadion nach und nach bis fast zur Gänze füllt. Nur die uns direkt gegenüber liegenden VIP-Logen haben am Schluss noch ein
paar Lücken, was wohl der derzeit nicht rosigen Wirtschaftslage von Argentinien zuzuschreiben ist. Aber auch diese scheint den Großteil der Menschen hier auf keinen Fall davon abzuhalten, „ihren Karneval“ entsprechend zu feiern und besonders auf den dicht gefüllten Stehplatz-Tribünen kocht schon bald die Stimmung. Um 22.00 Uhr beginnt dann das
Spektakel, welches zu beschreiben mir hier zum ersten Mal wirklich schwer fällt, so unglaublich ist die Stimmung in diesem Stad
ion vom ersten Moment an als die erste Karnevalstruppe, natürlich die Lokalmatadore, unter riesigem Jubel der Zuschauer einmarschiert. Eine nach der anderen Gastgruppen folgt dann und jede davon versucht natürlich, die anderen in Farben, Tanzkunst, Performance, Kostümen, Ideenreichtum und riesigen
Figuren die mit Hilfe von Muskelkraft aber auch mittels angehängter, riesiger Aggregate bewegt werden, zu übertreffen. Wir haben, nachdem wir das riesige Stadion gesehen hatten
, schon einiges erwartet, aber was uns hier in den nächsten vier Stunden geboten wird, das schlägt alle unsere Erwartungen um Längen. Es ist ein Ausbruch an Lebensfreude, an Musik und künstlerischem Ausdruck, das die Argentinier hier in die Arena zaubern, das wir so noch nirgends bisher gesehen haben.
Vier Stunden lang im Dauerfeuer, bis nach zwei Uhr früh, sprühen hier
die Funken, dröhnen die mitreißenden Rhythmen aus den Lautsprechern und jubelt das Publikum seinen Favoriten zu. Es wird mit unendlich viel Einsatz getanzt zu Sambaklängen, man kann sich kaum sattsehen an den unglaublich trainierten Körpern der Tänzerinnen und Tänzer, die ihre bis zur Perfektion einstudierten Acts strahlend dem Publikum präsentieren. Was für ein Land – was für eine Bevölkerung, die trotz der täglichen Sorgen ob ihrer
wirtschaftlichen Situation zu solchen Festen fähig ist – Viva Argentina – Du glückliches Land! Nach dem Ende des Festes spazieren wir langsam zurück zu unserem Unimog, die Stimmung zieht sich noch weiter durch die Stadt, die Lokale und Bars haben alle geöffnet, die Menschen treffen sich jetzt noch um zu essen, zu trinken und weiterzufeiern und natürlich kommen wir zwei auch vor vier Uhr früh dann nicht ins Bett. Viele Events haben wir auf unserer Reise erlebt aber dieser „Carneval de País“ steht ab sofort auf jeden Fall ganz oben an der Spitze!
Uruguay, unser 17. Land oder „Wo leuchtet nochmal die Sonne so rot…?“
Nach einem Ruhetag, den wir nach dieser Riesenparty auch unbedingt brauchen, geht es dann für uns wieder weiter, nur ein paar Kilometer hinter „Gualeguaychu“ überqueren wir den „Rio Uruguay“ und damit auch die Grenze. Dieser Grenzübertritt ist in jeder Hinsicht eine neue Erfahrung, denn so einfach wie hier wurde es uns noch nirgends gemacht, in ein neues Land einzureisen. Argentinien und Uruguay scheinen durchaus gute nachbarschaftliche Beziehungen zu pflegen, denn sie haben eine gemeinsame Immigration, bei der man sogar im Auto sitzen bleiben kann und wo die gleiche Person dann für beide Länder für die Bearbeitung der Pässe zuständig ist. Aus einem anderne Häuschen kommt noch schnell ein Herr gelaufen und kassiert unser argentinisches TIP (Temporary immigration permit = zeitlich beschränkte Einfuhrgenehmigung) für den Unimog ein, der uruguayanische Zoll stellt uns dann in nur fünf Minuten die neue aus und schon kann sie losgehen, unsere Erkundung von Urugay. Ich bin von der Einfachheit des Verfahrens so perplex, dass ich extra noch einmal zu Fuß zur Immigration zurückgehe und frage, ob wir wirklich keinen Ausreisestempel aus Argentinien brauchen, aber die Dame dort erklärt mit glaubhaft, an dieser Grenze reiche stattdessen der Einreisestempel für Urugay, na dann…. . Dass in diesem Land wirklich alles digital ist, erfahren wir dann einige Kilometer weiter, nämlich an
der ersten Mautstelle. Barzahlung ist hier zum ersten Mal auf unserer Reise nicht möglich, man muss sich mit Reisepass und Autokennzeichen online registrieren und, weil wir aber hier noch kein Internet haben und ich es mit dem zur Verfügung gestellten wlan mal wieder nicht hinkriege, hilft mir gleich eine sehr nette Dame im Büro dabei. Sie fragt uns, wie lange wir ungefähr in Urugay bleiben und wohin wir ca. fahren wollen und füttert unsere Mautkarte dann mal im Voraus mit einem Geldbetrag, mit dem wir die meisten Kontrollstationen absolvieren können. Sollte sich einmal die Schranke dann nicht mehr öffnen, müssen wir das Konto dann per Kreditkarte wieder aufladen. Wir bekommen am Schluss noch einen Aufkleber mit einem Strichcode für unsere Windschutzscheibe und siehe da, alles funktioniert wirklich wie angegeben. Von Anfang an überrascht uns also Uruguay als sehr modernes, technisiertes Land, auch die Straßen sind einwandfrei in Schuss, benützt werden dürfen die großen, autobahnähnlichen Straßen aber wohl von allen, denn man sieht Mopeds genauso wie ab und zu einen Pferdewagen. Überall ist es sehr sauber, die Landschaft ist irrsinnig grün, noch nirgends haben wir so viele Kühe und Pferde gesehen wie hier, nicht einmal in Argentinien. Aber irgendwie und zu unserem Leidwesen, wirkt alles hier sehr steril und ziemlich europäisch. Wir passieren die ersten Tankstellen und sind dabei sehr froh, dass wir in Argentinien noch alle Tanks gefüllt haben, denn Diesel kostet hier umgerechnet ca. 1,30 Euro pro Liter, also fast doppelt so viel wie in Argentinien.
Unser erstes Ziel in Uruguay ist dann gleich die älteste Stadt des Landes mit dem klingenden Namen „Colonia del Sacramento“, angeblich durch ihre schöne Altstadt in der es noch echte Oldtimer geben soll, eine der meistbesuchten Touristenziele des Landes. Wir sind gespannt, denn an schönen Altstädten mangelt es unserer Reise nun schon seit längerer Zeit, ich glaube die letzte wirklich schöne war „Sucre“ in Bolivien, denn Argentinien und Chile hatten in dieser Hinsicht nicht wirklich etwas zu bieten. Umso mehr freuen wir uns, dass „Colonia“ bereits bei der Ankunft sehr symphatisch wirkt, eine Tafel teilt uns dann nur mit, dass man an
Wochenenden nicht in die Altstadt einfahren darf, aber da heute kein Wochenende ist, fahren wir problemlos bis zum wunderschönen Hauptplatz, wo wir uns wundern, dass es auch dort kein Parkverbot gibt und wir daher den Unimog genau hier abstellen. Anschließend erkunden wir die kleine aber wirklich feine Altstadt mit
ihren sehr gut erhaltenen kolonialen Gebäuden, spazieren vorbei an den Villen der hier wohl wirklich Superreichen, wie uns die Preise in den Auslagen der Immobiliengeschäfte zeigen. Wir genießen den Sonnenuntergang an der Promenade und essen in einem der unzähligen Lokale eine wunderbare „Paella“, leider aber zu einem
gar nicht wunderbaren Preis. Die echt teuren Preise hier in der Stadt hauen uns, nach dem günstigen Argentinien, echt aus den Socken. Wir hoffen aber, dass das nur an diesem, wohl besonders touristischen Standort liegt und es vielleicht außerhalb wieder besser werden wird. Wir genießen also noch den warmen Abend in der Stadt, bevor wir dann eine ungestörte Nacht als einziges Fahrzeug auf der sonst leeren Plaza verbringen. Dass das Ganze wohl nur Glück war, zeigt sich am nächsten Vormittag, denn so ab 10.00 Uhr beginnt
sich die Stadt mit unzähligen Touristengruppen zu füllen, die alle vom nahen Busbahnhof herein in die bisher so ruhige Altstadt strömen und uns verwunderte Blicke zuwerfen. Ich sitze gerade, in meinem Reiseführer schmökernd, neben dem Unimog, Karl ist noch zu einem Rundgang in der Altstadt unterwegs, als der erste Polizist auftaucht, der mir freundlich aber bestimmt mitteilt, dass Anwohner ihn gerufen hätten, weil es ihnen nicht passen würde, dass wir hier mit dem Unimog auf dem Hauptplatz stehen.
Ich sage ihm, dass es hier keine Tafel gibt, die das Parken verbietet und er erklärt mir, dass das Übernachten mit Wohnmobilen in der Altstadt grundsätzlich verboten sei. Na gut, wir wollten zwar eigentlich noch eine zweite Nacht hier stehenbleiben, aber wir müssen
sowieso eine Wäscherei finden, also verlassen wir die Altstadt, geben unsere Sachen zum Waschen ab und suchen uns dann einen Platz für die zweite Nacht in einer Straße unweit der Altstadt, zwischen hohen Alleebäumen, wo viele andere Autos parken. Ins Zentrum sind es von hier aus nur ein paar Minuten zu Fuß, also auch kein Problem. Ein wirkliches Problem tut sich aber indessen im Inneren der Kabine auf, es kühlt nämlich ganz plötzlich unser Kühlschrank nicht mehr. Der Kompressor schaltet sich immer nur kurz ein und dann sofort wieder aus. DAS ist eine echte Katastrophe, man stelle sich nur das Leid der ganzen hier gelagerten Bierdosen vor… ! Karl meint, wenn wir Glück haben, liege es nur an dem vielen Staub und Sand, der sich wohl in den letzten Monaten rund um die Kühlbox angesammelt hätte. Er will sie dann ausbauen, damit aber warten, bis wir aus der Stadt heraus sind und bis dahin besorgen wir uns im Supermarkt zwei große Packungen Eiswürfel, mit denen wir den Inhalt inzwischen kühlen. Der Abschied am nächsten Tag von „Colonia del Sacramento“ fällt uns dann ohnedies nicht sehr schwer, denn auch nach der zweiten Nacht werden wir, bereits am frühen Vormittag, wieder von einem Parkwächter herausgeklopft, der uns mitteilt, dass Wohnmobile auch in dieser Straße nicht erlaubt wären. Langsam reicht es uns, so oft wie hier in zwei Tagen wurde uns noch nirgends auf der ganzen Reise so nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass wir hier nicht erwünscht sind und wir machen uns daher diesmal gerne wieder auf den Weg.
Wir folgen dem Lauf des „Rio de la Plata“ flussabwärts und erreichen dann das winzige „Kiyu“, einen Badeort direkt an der Steilküste. Dort, oberhalb des wunderschönen Strandes, bleiben wir ein paar Nächte, ohne dass sich die Nachbarn um uns kümmern. Wir bauen hier auch die Kühlbox aus, machen alles drumherum sauber, die Box selbst ist allerdings so verlötet, dass Karl daran nicht viel machen kann. Er knipst alle daran befindlichen Sicherungen ein paar mal aus und ein, am Schluss schalten wir sie dann mit wenig Hoffnung wieder ein, aber siehe da – sie funktioniert perfekt als wäre nie etwas gewesen. Wir sind darüber echt froh,
denn die Zwischenlösung mit dem Eis hat natürlich am Ende die halbe Box unter Wasser gesetzt und das wäre auf Dauer dann wohl nicht wirklich eine Lösung gewesen. Das war dann die gute Nachricht des Tages, die schlechte folgt allerdings gleich darauf. Unsere Verschiffungsfirma teilt uns mit, dass das Schiff, das den Unimog zurück nach Europa bringen soll, schwere Verspätung hat und anstatt, wie geplant, am 28. März nun erst am 7. April abfahren wird. Das ist aber für uns nicht akzeptabel, denn
wir haben uns schon vor einiger Zeit entschlossen, nicht mit dem Flugzeug nach Europa zurückzukehren, sondern mit einem speziellen Kreuzfahrtschiff, da die Mitfahrt auf dem Frachtschiff von Südamerika nach Europa leider sowieso nicht mehr möglich ist. Es gibt hierzu ein besonderes Angebot ab „Buenos Aires“, da die Kreuzfahrtschiffe, die während des europäischen Winters in Südamerika eingesetzt werden, jedes Jahr Anfang April wieder ins Mittelmeer zurückkehren und für diese 17-tägige Überstellungsfahrt über den „großen Teich“ die Reedereien besonders günstige Preise anbieten. Natürlich inkludiert das Ganz nur drei Landausflüge, der Rest sind Seetage, aber wir haben in den letzten zwei Jahren ohnehin so viel erlebt, dass wie uns sowieso einfach nur entspannen wollen. Und – was das Wichtigste ist – auf diese Art können wir unsere große Reise langsam ausklingen lassen und müssen nicht in einem Flugzeug innerhalb von ein paar Stunden nach Hause hetzen. Für diese Überfahrt gibt es aber nur einen einzigen Termin, den 4. April, an den wir somit gebunden sind und wir wollen auf keinen Fall, dass wir bereits unterwegs sind, so lange der Unimog noch im Hafen von „Buenos Aires“ steht. Man weiß doch nie, was den Typen vom Zoll oder von der Reederei kurzfristig vielleicht dann noch alles einfällt und dann nehmen sie ihn vielleicht aus irgendeinem Grund nicht mit und wir sind selbst nicht mehr vorort – Das möchten wir lieber nicht riskieren. Wir teilen das dann unserer Agentur mit und diese bietet uns an, auf das frühere Schiff umzubuchen. Das würde aber heißen, dass wir unsere Fahrt durch Uruguay stark verkürzen müssten, da wir dazu bereits in ein paar Tagen das Auto zum Verschiffen abgeben müssten. Wir beratschlagen noch über die beste Lösung und setzen uns dazu auch mit dem zuständigen Agenten in „Buenos Aires“ in Verbindung, den man uns als Verbindungsglied zwischen Verschiffungsagentur, Reederei und Hafen genannt hat. Diesmal kommt uns dann die ständige Verspätung der Frachtschiffe ausnahmsweise zu Hilfe, denn Pablo, unser Agent, teilt uns mit, dass auch das frühere Schiff bereits wieder so viel Verspätung hat, dass wir unsere Reise durch Uruguay noch ohne Probleme fortsetzen können.
Wir buchen also entsprechend um und erreichen dann ein paar Tage später die Hauptstadt von Uruguay „Montevideo“. Das Wetter ist schwül und heiß und wir entscheiden uns für einen Übernachtungsplatz direkt an der wunderschönen Promenade, von wo aus wir nur einen kurzen Fußweg in die Altstadt haben, obwohl viele Overlander in diversen Foren vor Fahrzeugeinbrüchen in dieser Gegend berichten. Wir haben inzwischen so viel Vertrauen in die Sicherheit unseres Unimogs, dessen Äußeres
viele Leute, wie sie uns sagen, als erstes an einen Panzer denken lässt, dass wir kein Problem damit haben, ihn untertags auch hier alleine zu lassen, um die Stadt zu erkunden. In der Nacht sind wir dann ja eh
zu Hause, da traut sich (bisher) sowieso keiner der bösen Buben an uns ran. „Montevideo“ erinnert mich dann wieder einmal ein bisschen an „Havanna“, viele der ehemals wohl in großem Glanz erstrahlenden Kolonialgebäude, die in den weniger besuchten Vierteln liegen,
machen einen etwas morbiden Eindruck, im moderneren Teil der Stadt hingegen sind sie wirklich vielfach noch sehr gut erhalten und präsentieren sich glanzvoll den Besuchern. Nach dem ersten Rundgang kommen wir gegen Abend zurück zur Promenade, wo wir live
miterleben können, dass die Textstelle in dem alten Lied „In Montevideo ist der Himmel so rot….“ nicht von irgendwoher kommt, sondern dass wir selten einen so farbenprächtigen Sonnenuntergang wie hier erlebt haben. Um
diese Tageszeit füllt sich dann die gesamte Promenade mit Einheimischen, sie sitzen auf den Kai-Mauern oder bringen Campingstühle mit und sie trinken hier gemeinschaftlich ihren „Mate“, der in Urugay mindestens so populär zu sein scheint wie in
Argentinien. Auch hier haben unzählige Einheimische ständig ihren Becher, gefüllt mit der in unendlichen Geschmacksrichtungen erhältlichen Kräutermischung, inklusive Metallstrohhalm, dabei und zusätzlich eine Thermoskanne mit heißem Wasser unter den Arm geklemmt, aus der dann ständig nachgegossen wird. Freigiebig wird das Getränk dann mit Freunden und Bekannten, gerne aber auch mal mit Fremden, geteilt und die Becher machen die Runde. Erst nachdem die Sonne im Meer versunken ist, lichten sich die Reihen der Besucher und Ruhe kehrt ein auf der Promenade. Wir bleiben dann noch einige Zeit im symphatischen „Montevideo“, durchstreifen die Stadt, besuchen auch den hochgepriesenen „Mercado del Puerto“, eine Ansammlung von völlig überteuerten Marktständen,
Souvenirläden und Lokalen, der aber so von den täglich gleich daneben anlegenden Kreuzfahrttouristen überlaufen ist, dass wir ihm schnell wieder den Rücken kehren. Nur ein paar Straßen weiter ist das Bier dann wieder leistbar, wir mischen uns, wie immer, unter die Einheimischen und genießen die Ruhe abseits des Touristentrubels. Ich versuche am
Schluss dann sogar noch, in einem „Starbucks“, die eigentlich bekannt für gutes Internet sind, meine Fotos hochzuladen, leider aber wieder ohne Erfolg, hier unterscheidet sich Urugay leider nicht von seinen Nachbarn, denn die Qualität ist so schlecht, dass ich schon nach kurzer Zeit entnervt aufgebe. Am nächsten Vormittag wolllen wir dann eigentlich die Hauptstadt verlassen, leider haben wir aber nicht gewusst, dass unser Parkplatz an Werktagen anscheinend von Menschen die in der Altstadt arbeiten komplett zugeparkt wird. Vor und hinter unserem Unimog stehen mit Zentimeterabstand Fahrzeuge, so dass wir unmöglich ausparken können. Wir halten es dazu wie unsere brasilianischen Nachbarn, denen es mit ihrem Wohnmobil genauso geht und die dazu nur lachend sagen: „Ist doch egal, ist eh schön hier, bleiben wir eben nochmal einen Tag länger, was soll’s“. Genau so muss man das sehen und gegen 18.00 Uhr, am Ende des Arbeitstages, entspannt sich die Parkplatzlage dann wieder und wir verlassen „Montevideo“, das uns wirklich sehr viel Spaß gemacht hat.
„Fiesta Patria Gaucha“ oder „Wo mein Gauchoherz höher schlägt…“
Wir fahren nun Richtung Norden, ins Landesinnere und damit immer tiefer hinein ins landwirtschaftliche Herz von Urugay. Jeden Tag mehr den wir hier verbringen, kommt es mir so vor, als ob das kleine, übersichtliche Urugay mir in Hinsicht auf die riesige Anzahl von Pferden, Rindern und immer öfter auftauchenden „Gauchos“ das bietet, was ich mir von Argentinien eigentlich erhofft, dort aber großteils nicht wirklich gefunden hatte. Estancias, von denen man hier auch die Gebäude sieht und nicht nur Einfahrtstore und kilometerlange Zäune und gut gefüllte Viehweiden wech
seln sich ab, das Land ist überall grün, zuerst flach und baumlos, dann wird es etwas hügeliger, es tauchen immer mehr kleine Wälder auf, die ganze Landschaft
wirkt unglaublich idyllisch, wie aus einem Südamerika-Bilderbuch. Hier im Zentrum des Landes haben wir noch einmal einen Termin. Zu meiner großen Freude findet nämlich in der Stadt „Tacuarembo“ jedes Jahr um diese Zeit die „Fiesta Patria Gaucha“ statt, das ist angeblich das größte Gaucho-Fest Südamerikas und das darf ich auf keinen Fall verpassen. Ich weiß natürlich, dass Karl weder mit Pferden noch mit meiner Vorliebe für jegliche Art von „Gaucho- und Cowboyleben“ so wirklich etwas „am Hut“ hat und ich rechne es ihm daher hoch an, dass er jetzt schon wieder, nach dem erst vor kurzem absolvierten Fahr-Marathon um pünktlich beim Karneval zu sein, viele, viele Kilometer durch Urugay fährt, damit wir vier Tage lang dieses Gauchofestival hautnah erleben können. Wir erreichen „Tacuarembo“ und das riesige Festgelände an der „Laguna de las Lavanderas“, finden dort auch gleich einen wunderbaren Platz für den Unimog, mitten zwischen den Gauchos,
von denen viele ebenfalls hier campen. Dass die Welt klein ist, zeigt sich auch hier wieder einmal, denn, als wir uns gerade einrichten, hören wir pötzlich jemanden rufen: „Aha, die Gmundner sind auch da,…“ und neben uns steht Christian aus Österreich, der von der Straße aus unser Kennzeichen entdeckt hat und jetzt gleich mal näher
gekommen ist, um zu schauen, wer denn da mit dem Unimog und dem GM-Kennzeichen unterwegs ist. Wir erfahren, dass er, so wie wir, aus Oberösterreich stammt und schon seit langem immer eine Hälfte des Jahres, natürlich die des europäischen Winters,
in Uruguay lebt und die andere Hälfte – man glaubt es kaum – in Bad Ischl. Er erinnert sich sogar daran, dass wir uns schon mal dort getroffen und uns dabei über unseren Traum unterhalten haben, mit unserem Unimog die „Panamericana“ zu fahren. Was für ein Zufall, dass wir uns jetzt genau hier mitten in Uruguay wieder treffen! Christian hat ein eigenes Pferd und er wird mit ein paar Freunden an der großen „Gaucho-Parade“ teilnehmen, die einen der Höhepunkte dieses Fests darstellt. Wir treffen uns dann ein paar Mal mit ihm, erfahren dabei viel über Land und Leute und er lädt uns dann ein, ihn nach dem Fest noch bei sich in seinem uruguayanischen Zuhause zu besuchen, was wir gerne zusagen, weil es ohnedies in unserer Richtung liegt.
Vier Tage lang tauchen wir dann ein in das riesige Gaucho-Festprogramm. Ich sitze schon am Vormittag stundenlang auf der Tribüne der großen Arena und ziehe mir alles rein was sich dort abspielt. Am Anfang steht eine wirklich beeindruckende Eröffnung, bei welcher der Platz in einem Fahnenmeer versinkt und die Gauchos, auf ihren Pferden sitzend, eine Hand samt Hut auf dem Herzen
platziert, inbrünstig und mit Stolz die Nationalhymne mitsingen. Es folgen jede Menge Ansprachen, unter anderem auch von Luis Alberto Lacalle Pou, dem aktuellen Präsidenten von Urugay. Wie dieser da so steht, bekleidet mit Jeans, aufgekempeltem Hemd und Schirmkappe, würde kein Mensch auf den Gedanken kommen, dass es sich bei ihm um den Präsidenten des Landes handelt. Später mischt er sich unters Volk, ganz ohne sichtbaren Begleitschutz und am Abend steht
er dann plötzlich hinter einem Stand an dem Wurst verkauft wird und wo er sich selbst gerade ein paar Scheiben davon abschneidet. Dabei unterhält er sich, völlig ohne Standesdünkel, mit jedem der in seine Nähe kommt, so a
uch mit Karl, der dort zufällig vorbeikommt, den Präsidenten natürlich gar nicht als solchen erkennt und sich daher ebenfalls, nachdem er von ihm angesprochen wird, ganz normal in englisch mit ihm unterhält. Erst als dieser dann von sich aus anbietet, ein Foto zusammen zu machen und als auch immer mehr Leute mit Fotowünschen daherkommen, wird Karl klar, dass der Herr da hinter der Wursttheke wohl einen besonderen Status hat. An der Parade nimmt der Präsident dann ebenfalls teil, hoch zu Ross, nicht anders gekleidet wie einer der tausenden anderen Gauchos, ein echter Mann
des Volkes also. Daran könnnten sich unsere europäischen Politiker mal echt ein Beispiel nehmen! Dass Politiker hier in Urugay so ganz ohne Standesdünkel agieren bzw. dass die Hierarchien in diesem Land besonders flach sind, hat seit langem Tradition. Das wohl bekannteste Beispiel dafür war wohl José Mujica, von allen aber nur „El Pepe“
genannt, der von 2010 bis 2015 hier Präsident war. Er, der früher einer Guerillabewegung angehört hatte und dafür sogar 14 Jahre lang im Gefängnis saß, weigerte sich nach seiner Angelobung, aus seinem kleinen Haus in die herrschaftliche Präsidentenr
esidenz umzuziehen, er behielt nur 10 % von seinem Gehalt für sich, spendete den Rest für wohltätige Zwecke und fuhr weiterhin seinen geliebten VW Käfer. Gerüchten zufolge musste er sich zwischendurch sogar Geld von seiner Frau leihen, was ihm wohl den internationalen Ruf als „ärmster Präsident der Welt“ eintrug aber vor allem die Symphatie seiner Bevölkerung. Er war auch der erste Präsident der in Uruguay die Freigabe von Marihuana einführte und seither darf jeder Erwachsene nicht nur Marihuana legal konsumieren, sondern dieses auch für den Eigenbedarf anbauen. Leider gilt diese Maßnahme aber nicht für Touristen, da man einen „Drogentourismus“ wie z.B. in Holland hier verhindern möchte, aber es ist natürlich wie immer: Wo kein Kläger, da kein Richter… .
Untertags messen sich dann in der Arena die Gauchos in unterschiedlichsten Bewerben, junge Pferde werden mit dem Lasso gefangen, einzelne markierte Jungrinder müssen in möglichst kurzer Zeit von einer großen Herde getrennt werden, es gibt Bullenreiten und die Geschicklichkeit und Schnelligkeit der Teilnehmer wird hart auf die Probe gestellt. Bewerbe für Erwachsene, Jugendliche und Kinder
wechseln sich ab. Überhaupt ist der „Gaucho-Nachwuchs“ hier bereits mega präsent. Überall sieht man
die Kleinen, alle natürlich immer in der traditionellen Kleidung, sie wachsen hier sozusagen bereits im Sattel auf und bereits Vierjährige
sind alleine hoch zu Ross, nur in Begleitung ihrer Familie, unterwegs. Der oder die jüngste die wir dazu sehen, ist höchstens ein paar wenige Monate alt und wird bereits vom stolzen Vater auf dem Pferd mitgenommen. Aber neben den Wettkämpfen der Gauchos gibt es hier auch noch ganz andere Bewerbe, wie das Kochen auf alten Holzöfen oder das Bauen der schönsten „Ranchos“, den Gaucho-Quartieren, die aus Holz und Lehm gefertigt werden. Natürlich kommen auch die Damen nicht zu kurz, es stellen sich über 30 junge Schönheiten der Miss-Wahl zur „Flor de Pago“, wozu sie ihre Fähigkeiten in diversen Bewerben, unter anderem auch auf dem Pferderücken beweisen müssen. Den ganzen Tag lang ist immer
irgendwo etwas los und natürlich gibt es auch eine riesige Anzahl von Essens-, Geträ
nke- und Verkaufsständen, wo man alles erwerben kann was ein Gaucho oder auch die Senoritas so brauchen. Am Abend verwandelt sich das Festgelände dann in eine riesige Partymeile. In vielen Innenhöfen der „Ranchos“ spielt Live-Musik und
überall brennen Lagerfeuer neben denen das traditionelle „Asado“ auf
dem Grill liegt. Auch in den Straßen zwischen den Quartieren wird immer wieder spontan getanzt, überall ist man herzlich willkommen, nichts ist abgesperrt und man kommt sich vor wie zu Besuch bei einer
riesigen Familie die sich freut, dass man sich endlich wieder einmal sieht. Jeden Abend gibt es dann noch einen riesigen Live-Auftritt von bekannten Bands auf der großen Bühne, zu dem auch jedesmal eine schier endlose Anzahl von Menschen aus „Tacuarembo“ aufs Festgelände strömt und von wo aus die Musik dann bis zum frühen
Morgen
zu uns herüber klingt, was uns aber überhaupt nicht stört. Das ganze Fest läuft völlig friedlich ab, es gibt weder sichtbar Betrunkene noch Streitereien oder dergleichen, was bei dieser riesigen Anzahl von Menschen wirklich verwundert. So vergehen die vier Tage wie im Flug und am letzten Tag verfolgen wir dann noch de
n längsten Festzug den wir jemals irgendwo erlebt haben, nämlich die „Gaucho-Parade“durch die Stadt mit mehr als 5.000 Pferden. Was für ein Erlebnis! Nicht nur ich, auch Karl ist am Schluss wirklich begeistert von diesem besonderen Fest, das uns die Gelegenheit gab, ein bisschen in diese ganz spezielle Welt von Uruguays Gaucho-Traditionen einzutauchen.
Wir verlassen dann „Tacuarembó“ und fahren weiter Richtung Osten, um uns auch noch die angeblich so schönen Strände von Urugay anzuschauen. Nach zwei Tagen Fahrt werden dann wieder die ersten Palmen sichtbar, wir erreichen die Atlantikküste und stoppen dort im kleinen Fischerort „Punta del Diablo“. Gefischt wird dort zwar immer noch, aber während der Hauptsaison verwandelt sich das Dorf in einen Hotspot für Touristen. Gott sei Dank ist diese aber
heuer bereits vorbei und im Moment sind die Restaurants, Souvenirstände und Geschäfte nur mehr an den Wochenenden geöffnet. Wir kommen am Sonntag Nachmittag an, kämpfen uns mit dem Unimog durch die engen Gassen, quetschen uns gerade mal so zwischen den Souvenirständen durch und haben schon Angst, dass wir am Ende irgendwo in einer Sackgasse landen und dann alles retour fahren müssen, aber dann endet die Straße an der wunderschönen, kleinen Felsküste am „Playa de las Pescadores“. Der Parkplatz ist komplett voll, aber die Bodenfreiheit des Unimogs hilft uns auch hier wieder einmal weiter und wir können über einen Felsen fahren, den die PKWs nicht passieren können und so doch noch einen Platz ergattern. Hier ist das Übernachten mit Wohnmobilen eigentlich strikt verboten, was wir ausnahmsweise auch verstehen, zu klein ist dieser Parkplatz an diesem wirklich schönen Strand. Aber da nun einmal Nachsaison und auch das Wochenende bereits vorüber ist, riskieren wir es trotzdem und am Schluss stört sich dann tatsächlich kein Mensch daran, dass wir als einziges Fahrzeug hier übernachten. So charaktervoll der Ort auch ist, die komplett touristischen Lokale zerstören viel von der Atmosphäre des kleinen Fischerdorfs und die Preise hier in Uruguay sind einfach viel zu hoch für das meistens unattraktive Angebot an Speisen und Getränken der Lokale. Da freuen wir uns echt schon wieder auf die bunte Vielfalt von Argentinien!
Urugay’s Strände – „Das hier überlassen wir gerne den Reichen und Schönen“
Gemütlich gondeln wir dann in den nächsten Tagen die Küste entlang, die uns zwischendurch sogar ein bisschen an den Norden von Deutschland erinnert. Selten sieht man die Strände von der Straße aus, die meisten sind hinter hohen Dämmen versteckt, es geht vorbei an endlosen, jetzt um diese Zeit vielfach verlassenen Ferien- und Wochenendhäusern, die gesamte Küstenlandschaft, von der alle Uruguayaner so schwärmen, ist zwar nicht unattraktiv, aber auch nicht wirklich außergewöhnlich schön. Alles wirkt, so wie überhaupt das ganze Land, etwas steif und sehr europäisch. Selbst die Menschen hier sind zwar freundlich aber ebenfalls sehr zurückhaltend und zum ersten Mal seit langer Zeit verstehe ich außerdem
fast kein Wort mehr von dem Spanisch das hier gesprochen wird. Es herrscht ein Dialekt, bei dem ich wirklich nur mehr „Bahnhof“ verstehe und das, wo ich doch schon so stolz war auf meine während der Reise inzwischen erworbenen Spanischkenntnisse… . Ein weiterer Stopp muss dann natürlich im winzigen Ort „San José Ignacio“ sein, das als Sylt von Uruguay gilt und wo sich während der Saison angeblich die Reichen und Schönen die Klinke bei ihren Partys in die Hand geben. Jetzt ist hier aber kein Mensch, nicht einmal ein einziges Café hat im ganzen Ort geöffnet, der bereits im völligen Tiefschlaf zu liegen scheint. Wir wagen es daher, direkt neben dem Wahrzeichen, dem 45 m hohen Leuchtturm, zu übernachten, was uns zwar viele verwunderte Blicke der Einheimischen einbringt, aber man lässt uns in Ruhe. Der Strand ist unglaublich schön, man kann ihn endlos entlangwandern, was wir auch ausgiebig tun, denn wahrscheinlich
ist dies der letzte Strand, den wir bis zu unserer Heimreise noch genießen können. Am nächsten Tag halten wir dann kurz im symphatischen Städtchen „Piriápolis“, mit seinen Häusern, deren Fachwerkfassaden wieder einmal ein bisschen an
deutsche Architektur erinnern und wo in der Marina die Seelöwen mitten zwischen den Booten auf den Holzstegen in der Sonne faulenzen. Dann geht es weiter ins nur ein paar Kilometer
entfernte Zentrum eines der berühmtesten Orte des Landes, nämlich nach „Punta del Este“, mit seinem bekannten Wahrzeichen „La Mano“, also „die Hand“, von der die riesigen Finger aus dem Sand des dortigen Strandabschnitts ragen. Hierher pilgert
jedes Jahr während der kurzen Hochsaison von Dezember bis Ende Januar nicht nur die High Society von Uruguay, sondern auch internationale Yachten ankern dann in einer der riesigen Marinas und die Preise der Hotels, Restaurants und Bars verdreifachen
sich angeblich noch einmal während dieser Zeit. Wir finden hier keinen Parkplatz der uns auch über Nacht haben will, so stellen wir uns einfach in der Nähe des Yachthafens entlang der Straße auf einen Parkstreifen, wie wir das schon so oft auf unserer Reise getan haben und machen uns auf einen Rundgang durch die Stadt. Am Abend haben wir dann Lust auf ein schönes Dinner und wir planen dazu ins Restaurant des Yachtclubs zu gehen, der nur ein paar Gehminuten entfernt liegt. Genau als wir dorthin aufbrechen wollen, setzt aber ein riesiges Gewitter mit starkem Wind ein und wir sind trotz Regenschirm bereits nach wenigen Metern völlig nass. Trotzdem kämpfen wir uns zum Yachtclub vor, müssen aber, als wir dort eintreffen, feststellen, dass außer uns kein Mensch in dem riesigen Restaurant zu sehen ist. Die Atmosphäre erscheint uns dadurch nicht wirklich einladend und wir disponieren kurzfristig um und landen gleich nebenan in einem ‚Fisch-Schnellimbiss, der sich dann als qualitativ wirklich schlecht aber dafür preislich umso teurer herausstellt, was uns den Abend sehr bald abbrechen lässt und uns noch einmal darin bestärkt, dass wir uns einfach nicht wirklich wohlfühlen in diesem Land. Als Draufgabe klopft dann am nächsten Tag in der Früh wieder einmal ein Polizist an unserer Tür, der
wirklich lästig ist, alle unsere Daten aufnimmt und uns sagt, dass er uns hiermit verwarnt, da auch hier in „Punta del Este“ das Übernachten im Wohnmobil nirgends in der Stadt erlaubt sei. Jetzt reicht es uns endgültig, so oft wie hier in Urugay in zwei Wochen, wurden wir auf der ganzen Reise nicht von Plätzen verjagt, wir haben keine Lust mehr und machen uns auf den Weg Richtung Grenze. Einen letzten Stopp legen wir dann noch, wie versprochen, bei Christian ein, dessen Haus in einem riesigen Komplex namens „Paraiso Suizo“ liegt, der
vor vielen Jahren von einem Schweizer gegründet wurde. Es wird ein gemütliches Wiedersehen, wir fahren aber schon am nächsten Tag wieder weiter, wobei wir dann noch in einer wunderbaren „Parillada“, also einem typischen und sehr urigen Grill-Lokal einkehren, das uns
von Christian empfohlen wurde und wo dann wirklich alles passt, das Essen und auch der Preis. Ja klar, als „Fast-Einheimischer“ hat er natürlich dazu die besten Tipps. Der seit „Punta del Este“ nicht endenwollende Regen begleitet uns dann bis zur Grenze, ein Gewitter folgt dem nächsten, nicht ein einziges Mal haben wir in den letzten zwei Jahren irgendwo so viel Regen erlebt. Wir passieren die Grenze nach Argentinien, wobei
uns wieder einmal keine einzige Schranke aufhält, was so weit geht, dass wir schon fast auf die Mautbrücke nach Argentinien auffahren, ohne das Zolldokument für den Unimog erhalten zu haben. Ich frage das junge Mädchen in dem Kontrollhäuschen vor der Brücke wo denn
der argentinische Zoll wohl
wäre, sie meint daraufhin nur, dass wir keine weiteren Dokumente brauchen würden und einfach weiterfahren sollen
. Nein, so geht das auf keinen Fall, ich gehe zu Fuß zurück zur Immigration und frage mich dort zum Zoll durch, bis ich endlich das TIP bekomme, ohne das der Unimog ja nie mehr aus Argentinien ausreisen dürfte. Kopfschüttelnd stelle ich mir vor, wie das für die vielen Overlander sein muss, deren Fahrzeug hier in Uruguay im Hafen von „Montevideo“ ankommt und die noch keine Ahnung von den Abläufen an den Grenzen haben. Manche davon wären in diesem Augenblick ziemlich sicher einfach weitergefahren und hätten dann bei der Ausreise riesige Probleme gehabt. Gott sei Dank sind wir in dieser Beziehung inzwischen „alte Hasen“ und glauben nicht mehr alles, was junge Mädchen hinter Glasscheiben mit schicken Sonnenbrillen so von sich geben…. !
Auch jenseits der Grenze regnet es weiter, überall sind die Flüsse inzwischen über die Ufer getreten, auch in „Gualeguaychú“ wo wir den wunderbaren Karneval erebt ha
ben und wo wir nun noch einmal übernachten, gilt „Land unter“. Wir stehen, wie schon das letzte Mal, etwas erhöht in einem kleinen Park mit Blick auf den Fluss und im Laufe des Abends werden
dann immer mehr Campingfahrzeuge von der Polizei hierher auf diesen Platz gelotst, die
von anderen Stellen evakuiert wurden, sodass es am Schluss rund um uns aussieht wie auf einem Campingplatz. Die Uferstraße zwischen uns und dem Fluss wird komplett gesperrt, die Boote, die noch vor zwei Wochen drei
Meter unterhalb der Kaimauer gelegen waren, befinden sich nun auf Straßenniveau. Das „Letter sign“, die großen Buchstaben „Gualeguaychú“ steht bald zur Hälfte unter Wasser, in der ganzen Stadt werden Sandsäcke verteilt, da das Wasser überall bis in die Häuser rinnt und noch immer ist angeblich kein Ende des Regens in Sicht. Unser Weg führt uns dann einen Tag später weiter Richtung Buenos Aires, wo wir für die nächsten drei Wochen ein unglaublich günstiges Appartement mitten in der Altstadt gemietet haben und wo wir dann unseren Unimog für die Rückverschiffung nach Europa vorbereiten müssen.
Herzlichkeit, Musik und Lebensfreunde oder „Willkommen zurück in Argentinien“
Ein allerletzter Zwischenstopp steht dann vor der Hauptstadt aber doch noch an. Ich hatte das Städtchen „San Antonio de Areco“ zwar die ganze Zeit auf meiner Argentinien-Liste, aber durch den Abstecher nach Urugay hätte ich dann fast darauf vergessen. Es ist Christian, der uns per whatsApp daran erinnert, dass wir dort unbedingt noch hin müssen, es sei ein unglaublich netter Ort, an dem auch die „Gaucho-Kultur“ noch hochgehalten würde. Da es dorthin nur ein kleiner Umweg auf unserer Fahrt nach „Buenos Aires“ ist, und das Wetter sich langsam doch zu bessern scheint, biegen wir noch einmal von der Hauptstraße ab und erreichen „San Antonio“ nach kurzer Fahrt. Gerade versuchen wir, der Strecke von ‚“Google Maps“ in
Richtung des Stadtzentrums zu folgen, da stoppt uns ein Herr in einem Pickup, der sogleich aussteigt und uns darüber aufklärt, dass das Zentrum über den von uns anvisierten Weg derzeit nicht erreichbar sei, da viele Brücken und Straßen durch die Regenfälle der letzten Tage gesperrt wären. Er bittet uns, ihm zu folgen und lotst uns dann auf einem anderen Weg in die Stadt und gleichzeitig zu einem kleinen Park, wo wir problemlos übernachten können und der gleich neben dem Zentrum liegt, wie er uns sagt. Wir bedanken uns bei ihm für die Hilfe und er wünscht uns noch einen schönen Aufenthalt in der Stadt. Was für ein netter Empfang! Wir parken ein und ganz schnell merken wir auch, dass wir wirklich wieder in Argentinien sind. Die Menschen die am Unimog vorbeigehen, lächeln und winken uns zu, eine Familie die gegenüber wohnt, kommt extra aus dem Haus gelaufen, um uns zu sagen, dass sie über Silvester einen wunderbaren Urlaub in Österreich verbracht hätten und kein Mensch regt sich darüber auf, dass wir hier am Park stehen. Es ist nach dem anstrengenden Urugay einfach ein riesiger Genuss, wieder zurück bei den entspannten, freundlichen Argentiniern zu sein. Ebenso entspannt präsentiert sich uns dann das Zentrum von „San Antonio“. Kein sichtbarer Tourismus stört hier das Bild, wir besuchen natürlich die kleine Kirche die dem heiligen Antonius geweiht ist und somit Namensgeberin des Ortes ist, kleine Läden verkaufen stilvolle Kleidung und überall gibt es Gauchozubehör, silberbeschlagene Sättel, handgefertigten Schmuck und vieles mehr. Wir landen dann zum Abendessen in
einem der einmaligsten Lokale seit langem. Es ist eigentlich mehr ein Geschäft in dem man regionalen Käse, Würste, Schin
ken und vieles mehr kaufen kann, aber es hat auch ein paar Tische draußen an der Straße und es ist voll mit Einheimischen. Wir ergattern einen Platz, die Speisen stehen auf handgeschriebenen Tafeln an der Wand und das Essen und der Hauswein sind hier so gut, dass wir ziemlich lange sitzenbleiben und den warmen Abnd genießen. Überraschend taucht dann der nette Herr von heute Nachmittag neben uns auf, er hat wohl ebenfalls hier gegessen und er fragt uns, ob wir ihn noch in ein anderes Einheimischenlokal begleiten möchten. Ob wir wollen? – Keine Frage, so haben wir immer die nettesten
Bekanntschaften auf unserer Reise gemacht! Und wir werden auch dieses Mal nicht enttäuscht. Wir betreten mit „Edu“ so hat er sich uns inzwischen vorgestellt und seinem Freund Pablo eine typische Gaucho-Kneipe in der es bereits hoch herzugehen scheint. Es ist Samstag Abend,
das Lokal ist voll und überrascht sehen wir, dass unser Begleiter von allen Anwesenden herzlich und oft persönlich mit Handschlag begrüßt wird. Sofort bekommen wir einen Tisch in der Mitte des
Geschehens, rund um uns wird gesungen, getanzt und die Musikinstrumente wechseln von einem zum anderen. Gefühlt jeder zweite beherrscht hier ein Instrument und der Rest singt, klatscht und tanzt. Der Wirt
selbst ist ein ausgezeichneter Sänger, mit dem Fortschreiten des Abends leidet die Qualität seiner Darbietungen zwar etwas, aber dafür steigt gleichzeitig die Leidenschaft. Sofort sind wir hier aufgenommen inmitten der feiernden Argentinier und wir finden dann auch den Grund heraus, warum „Edu“ so hofiert wird – Er ist nämlich Viehhändler wie er uns erzählt und da die Gäste hier wohl hauptsächlich von den umliegenden Estancias stammen, haben
sie natürlich laufend mit ihm zu tun und es ist wohl wie überall auf der Welt zwischen Bauern und Viehhändlern: Man kennt sich,
man mag sich je nach dem Erfolg der letzten Geschäfte mal mehr oder weniger, aber es sich verscherzen mit dem Viehhändler der Region – Das will man auf keinen Fall! So erleben wir hier wieder einmal einen sehr sehr langen Abend und ziemlich sicher hätte ich ohne Karl nicht mehr nach Hause bzw. zum Unimog gefunden. Der nächste Morgen beginnt für mich entsprechend grausam, aber trotzdem quäle ich mich am späten Vormittag aus dem Bett, verfluche die letzten Gin Tonics des Vorabends und frage mich zum wiederholten Mal, warum ich mich nicht auch einmal, so wie Karl, etwas in Zurückhaltung üben kann… . Aber es war halt so mega lustig gestern und man ist halt eben so wie man ist… . Noch einmal spazieren wir durch das
symphatische Zentrum von „San Antonio“, ich kriege ein „Reparaturseiterl“ und dann machen wir uns endgültig auf ins nicht weit entfernte „Buenos Aires“.
Die Hauptstadt empfängt uns mit sechsspurigen Autobahnen und riesigem Verkehrsaufkommen, erweist sich dann aber als sehr gut organisiert und wir finden im ersten Anlauf den Weg in die Altstadt „San Telmo“. Hier erwartet uns bereits unsere freundliche Vermieterin Maria, die uns die Wohnung zeigt, die in einem uralten Haus von 1870 liegt und in der wir uns sofort unglaublich wohl fühlen und wo wir dann die letzten drei Wochen unseres Argentinien-Aufenthalts verbringen werden.
Schuldig bin ich hier am Schluss aber noch mein Fazit für Chile und Uruguay. Beide Länder landen in der auf unserer Reise nicht sehr oft benützten Kategorie „Muss ich nicht unbedingt noch einmal hin“. Chile besticht mit seinem kahlen, einsamen Norden, aber vor allem natürlich ganz besonders mit der unglaublich beeindruckenden Landschaft im Süden entlang der fantastischen „Carretera Austral“, die einem täglich neue Überraschungen beschert. Ebenso begeistert hat uns hier die großartige Gletscherwelt, die sich in diesen Breiten auf einer Seehöhe von oft nur 50 m prachtvoll vor
einem erhebt – Da kriegt man wirklich oft den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zu! Aber ansonsten hinterlässt Chile keine wirklich bleibenden Eindrücke bei uns. Nach den vielen wirklich aufregenden Monaten in Zentralamerika und den nördlichen Ländern von Südamerika wie Kolumbien, Peru, Ecuador und Bolivien, war uns das tägliche Leben in Chile aber auch in Uruguay einfach viel zu langweilig, zu reglementiert, zu europäisch geprägt. Es fehlte uns das Fremdländische, das Bunte, die tägliche Herausforderung, das Kennenlernen von Neuem, eben das Besondere, das ein Land von der Masse abhebt. Der Alltag war uns hier für südamerikanische Verhältnisse auch einfach viel zu teuer, die Preise in Supermärkten wie auch in Restaurants waren für das Gebotene viel zu hoch. Die einzige große Ausnahme war das Gaucho-Fest in Urugay, das uns beide wirklich begeistert hat, aber der Rest des Landes fällt in die gleiche Kategorie wie Chile: Einfach zu bereisen, grüne Wiesen, viele Kühe und Pferde, mittelmäßige Strände und sehr zurückhaltende Menschen, bei denen wir uns zum allerersten Mal auf unserer Reise als Overlander auch nicht wirklich willkommen gefühlt haben.
Ganz anders das dazwischen liegende, wunderbare Argentinien, aber damit sind wir ja noch nicht ganz fertig. Der letzte Teil unserer unglaublichen Reise rückt ja nun leider unerbittlich näher und darüber berichte ich Euch dann natürlich auch hier noch demnächst.