„Buenos Aires“ – Glücklich im „Paris von Südamerika“
In Buenos Aires verbringen wir unsere ersten drei Tage nur damit, den Unimog für die Überfahrt nach Europa aus- und umzuräumen, denn laut den neuesten Bestimmungen der Reederei „Grimaldi“ dürfen keinerlei Lebensmittel oder Getränke, nicht einmal mehr Gewürze, Nudeln oder ähnliches und auch keine Medikamente oder Flüssigkeiten mehr im Fahrzeug sein. Unsere Verschiffungsfirma teilt uns dazu mit, dass die Kontrollen im Hafen von Buenos Aires wirklich sehr streng seien und beim Verstoß dagegen das Fahrzeug möglicherweise nicht auf das Schiff verladen würde. Dieses Risiko wollen nicht einmal wir
eingehen und so trauen wir uns diesmal fast gar nichts zu verstecken und räumen so ziemlich alles Verbotene heraus, bis der Unimog dann wirklich „blickleer“ ist, das heißt, alles ist so verräumt und verstaut, dass der Innenraum auf den ersten Blick wirklich leer aussieht. Dann erhält er noch eine letzte Wäsche, die er auch dringend notwendig
hat nach den schlammigen Böden der letzten Regentage. Das Appartement, das wir mitten in der Altstadt von „Buenos Aires“ gemietet haben, erweist sich dazu als
echter Glücksgriff, denn neben der kleinen aber feinen Dachterrasse, auf der wir nun täglich gemütliche Stunden verbringen, verfügt es zusätzlich über eine Waschmaschine, die während der nächsten Tage im Dauereinsatz ist, bis dann endlich der Unimog verschiffungsfertig ist. Während der ganzen Zeit steht dieser dabei in der Straße vor dem alten Haus aus dem 18. Jahrhundert in dem sich unsere Wohnung befindet, obwohl uns unsere Vermieterin mehrmals eingehend davor gewarnt hat, ihn hier über Nacht abzustellen, da es in letzter Zeit hier in „San Telmo“ vermehrt zu Autoeinbrüchen und zerstochenen Reifen gekommen sei. Die endlose Wirtschaftskrise, sagt sie uns, hätte viele Menschen in der Stadt in die Armut gezwungen und gleichzeitig sei natürlich auch die Kriminalität entsprechend angewachsen. Wir wollen unseren Unimog aber trotzdem lieber in der Nähe haben als ihn irgendwo außerhalb der Altstadt alleine abzustellen und so schaut Karl, der sowieso eine Nachteule ist und immer erst spät ins Bett geht, ab und zu nachts bei ihm nach dem Rechten und wieder einmal haben wir Glück und er bleibt während der drei Nächte völlig unversehrt.
Dann brechen wir am 21. März um 08.00 Uhr früh auf zur absolut letzten Fahrt im Unimog auf dem amerikanischen Kontinent. Der Frachthafen von „Buenos Aires“ liegt in der Stadt „Zárate“, ca. 100 km nördlich der Hauptstadt. Das Wetter ist schön und wir sind an diesem Tag das erste
Mal richtig traurig, weil es eben so endgültig ist, dass mit dieser Fahrt das große Abenteuer tatsächlich endet. Alles ist von unserem Agenten sehr gut organisiert, wir treffen Rosana, ein junges Mädchen das uns durch die Formalitäten begleiten wird, vor dem
Haupteingang, sie besorgt uns die notwendigen Besucherausweise und wir bekommen sehr stylische Sicherheitsüberschuhe, die, zusammen mit den Warnwesten, in allen Häfen obligatorisch zur vorgeschriebenen Ausrüstung zählen. Dann geht es weiter hinein in den Hafen bis zum Zoll, wo man uns gleich einmal
richtig warten lässt, wovor wir von unserem Agenten Pablo bereits im Vorfeld gewarnt wurden. Rund um uns finden immer wieder Fahrzeugkontrollen statt und Rosana versucht auch laufend, unsere Kontrolle einzuleiten, trotzdem dauert es gute eineinhalb Stunden bis sie damit Glück hat. Uns ist das egal, wir sind früh aufgestanden und machen derweil im Führerhaus ein Schläfchen. Solche Verzögerungen regen uns schon lange nicht mehr auf. Dann aber rücken sie vollzählig an: Drei Leute von der Reederei Grimaldi, zwei vom argentinischen Zoll, zwei Hundeführer samt Drogenspürhunden und eine junge Dame als Schriftführerin. Was folgt, ist die akribischste Durchsuchung unseres Unimogs, die wir während der ganzen Reise erlebt haben! Mehrmals werden die
Drogenspürhunde außen und innen am Fahrzeug eingesetzt, es werden wirklich alle Schubladen und Fächer in der Kabine geöffnet
der Inhalt wird fotografiert, aber hier wird nichts beanstandet. Dann aber geht es an eine ebenso gründliche Durchsuchung der Außenstaufächer und tatsächlich graben sich die Beamten bis ganz nach hinten zu den Butan-Gaskartuschen durch, die wir für unseren Reserve-Campingkocher so hart gesucht und teuer bezahlt hatten, dass wir sie einfach nicht hierlassen wollten. Ok, sie müsssen raus und jetzt haben die Herren natürlich Blut geleckt und Karl muss auch noch die anderen Staufächer komplett ausräumen und man nimmt
uns auch noch das Spezialöl ab, das wir ja seit einiger Zeit ständig zum Nachfüllen für unser Getriebe brauchen. Als Schlusspunkt müssen wir dann auch noch den Inhalt der vier Reservekanister in die beiden Tanks umleeren, bzw. weil in diese der Inhalt nicht ganz reinpasst, freut sich der argentinische Zoll über z
wei Kanister Diesel als Geschenk. Auch das ist natürlich keine Überraschung, wir wussten vorher, dass die Reservekanister leer sein müssen, aber so waren die Vorschriften auch schon als wir vor zwei Jahren von Antwerpen nach Halifax verschifft hatten und damals waren unsere Reservekanister ebenfalls voll mit Diesel, da wir schon von den hohen Preisen in Kanada gehört hatten und niemanden hat’s dann gestört. Diesmal hat’s eben nicht geklappt, mal gewinnt man, mal verliert man, so ist das eben… . Wir bekommen dann im Anschluss ein Dokument, das bestätigt, dass beim Einladen in „Zárate“ keinerlei verbotene Gegenstände und vor allem auch keine Drogen in unserem Unimog waren, was
nicht unwichtig ist, denn alle Schlüssel, inkl. die für die Kabine und die Staufächer, müssen ja abgegeben werden. Diese
bleiben während der Überfahrt oft im Fahrzeug und niemand, weder die Reederei noch die Verschiffungsagentur, kann bzw. will hier Missbrauch ausschließen. Besonders während den Zwischenstopps in diversen Häfen, aber, wie neuerdings bekannt wurde, wohl anscheinend auch von Seiten der Mannschaft auf den Frachtschiffen die aus Mittel- und Südamerika kommen, werden „RoRo = Roll on Roll off“-Fahrzeuge immer wieder als Selbstbedienungsläden bzw. Drogentransportobjekte missbraucht. Man kann hier leider immer wieder nur darauf hoffen, dass dem eigenen Fahrzeug nichts passiert und das obwohl die Verschiffungspreise immer höher steigen. Dann kommt ein Hafenmitarbeiter, der sich sichtlich darüber freut, in unserem Unimog Platz nehmen zu dürfen, er bekommt von Karl noch kurz eine Fahreinweisung und schon ist er weg – Unser treuer Begleiter der letzten zwei Jahre von Nord- bis Südamerika! Und wir zwei – wir steigen in ein Uber und lassen uns mit gemischten Gefühlen zurück nach „Buenos Aires“ chauffieren.
Gute zwei Wochen bleiben uns nun noch, um die argentinische Hauptstadt zu erkunden und sie fasziniert uns total! Die endlosen Gassen rund um unser Appartement sind voll mit wunderbaren Kunsthandwerk- und Antiquitäten-Geschäften, an der nahen „Plaza Dorego“ kann man an
den Vormittagen das ruhige Treiben der Altstadt beobachten, ab dem Nachmittag wird die Plaza dann zur Bühne für die Tangotänzer und an den Sonntagen
mutiert das ganze Viertel zu einem riesigen Flohmarkt
mit Straßenmusikanten, Zauberern und Souvenirverkäufern. Nicht von ungefähr kommt es, dass man „Buenos Aires“ als das „Paris von Südamerika bezeichnet“, tatsächlich erinnern viele der Häuserfassaden, die Caféhäuser und auch so manche Geschäftsschilder von Bäckern, Greisslern und Gemüsehändlern in ihrem Stil an die französische oder zumindestens an eine europäische Hauptstadt. Jeden Tag ziehen wir unsere Kreise weiter um die Altstadt, wir essen die besten
„Choripans“, das sind Bratwurstsemmeln, die ein Kulturgut in Argen
tinien sind, im „Mercado San Telmo“, wir erkunden das alte Hafenviertel „La Boca“ mit seinen originellen Häusern, die angeblich im 19. Jhdt. aus Blech von abgewrackten Schiffen errichtet und im Anschluss
dann farbenfroh mit buntem Schiffslack gestrichen wurden und wir essen natürlich so oft es geht die wunderbaren, argentinischen
Steaks in einzigartiger Qualität und zu Preisen von denen man, wie wir von zu Hause hören, in Europa nur mehr träumen kann. Zwischendurch kaufen wir in den umliegenden, ebenfalls günstigen argentinischen Greissler-Läden ein und genießen
feinste, einheimische Spezialitäten, zusammen mit den Resten aus unserer „Unimog-Bar“ auf unserer Dachterrasse. Bereits nach wenige Tagen sind wir hier dann überraschend zu dritt, denn die Katze eines Nachbarn beschließt, sozusagen vorübergehend bei uns einzuziehen und dabei liegt sie mit Vorliebe neben oder auf meinen Laptop und schnurrt dort stundenlang zufrieden vor sich hin.
Zurück nach Hause oder „Kreuzfahrt für die Seele“
Irgendwann ist es dann aber wirklich „die letzte Flasche Rotwein aus „Mendoza“, „der letzten Schluck „Pisco“ aus Chile“ und die letzte „Choripan“, denn sie geht unwiderruflich zu Ende, unsere wunderbare Zeit in der argentinischen Hauptstadt. Am 30. März erhalten wir die Nachricht, dass der Unimog, natürlich wieder einmal mit etwas Verspätung, auf dem Frachter „Grande Amburgo“ in Richtung Hamburg gestartet ist und so können wir am 4. April unbesorgt im nahen Kreuzfahrtschiffterminal an Bord der „Costa Fascinosa“ gehen, auf der wir, so wie wir uns das gewünscht haben, gemütlich in Richtung Europa schippern werden, damit auch die Seele genug Zeit hat um wieder drüben anzukommen.
Wir verlassen also hier nicht nur schweren Herzens den amerikanischen Kontinent, sondern gleichzeitig auch das wunderbare, gastfreundliche Argentinien, wo wir eine so herrliche Zeit erleben durften. Zwar war das Bereisen dieses Landes natürlich auch weniger aufregend als z.B. Kolumbien oder Peru,
dennoch reiht es sich doch ein in die Kette der absoluten Lieblingsländer unserer Reise. Einerseits liegt das natürlich daran, dass sich hier ganz im Süden das „große Reiseziel“
Feuerland befunden hat, andererseits aber vor allem an den wunderbaren, gastfreundlichen Menschen, die trotz ihrer riesigen, wirtschaftlichen Probleme unglaublich lustig, neugierig, freundlich und hilfsbereit sind und uns vor allem durch ihre unerschütterliche Zuversicht in eine bessere Zukunft ständig aufs Neue überrascht haben. Immer neue Bekanntschaften, verbunden mit der extrem abwechslungsreichen Landschaft und dem herrlichen argentinischen Essen, vor allem dabei natürlich die nicht zu toppenden Steaks und der überall präsente, wunderbare Rotwein, haben uns, zusammen mit den wirklich günstigen Preisen, eine fantastische Zeit hier erleben lassen. Nicht mehr geschafft haben wir leider den Norden von Argentinien und vor allem den Besuch der Wasserfälle von „Iguazú“. Dies ist aber ganz sicher nicht aufgehoben, sondern allerhöchstens aufgeschoben!
Dann checken wir also ein auf unserem Schiff, Südamerika verabschiedet sich von uns mit einem letzten, wunderschönen Sonnenuntergang hinter dem Hafen von „Buenos Aires“ und wir zwei erleben im Anschluss siebzehn Tage lang Luxus pur zum absoluten Sonderpreis,
denn was uns diese spezielle Überstellungs-Kreuzfahrt inkl. Vollpension und den wunderbaren Annehmlichkeiten der „Costa Fascinosa“ kostet, dafür hätten wir
wahrscheinlich nicht einmal einen Flug von „Buenos Aires“ nach Europa bekommen. Wir genießen es in vollen
Zügen Tag für Tag einfach nur „nichts“ tun zu müssen, das Wetterglück verlässt uns auch jetzt nicht, wir liegen faul in den Liegestühlen an den drei Pools, genießen die Aussicht auf das Meer,
den wunderbaren Service, erkunden die Restaurants und die 13 Bars und lassen uns mit den, aus unzähligen Gängen bestehenden, Gourmet-Menüs und dem schier unerschöpflichen Show- und Unterhaltungsprogramm verwöhnen.
„Zuckerhut und Barcelona“ – Ein Urlaub noch zum Schluss
Im ersten Hafen „Rio de Janeiro“ buchen wir ganz dekadent eine Ausflugsfahrt direkt vom Schiff aus, wir sind einfach zu bequem, um uns für die paar Stunden selbst etwas zu organisieren. Als wir dann am Vormittag wirklich pünktlich bei den Bussen
sind, ist der deutschsprachige Bus aber bereits ohne uns abgefahren. Wir machen uns nichts daraus, werden wie selbstverständlich vom Bus der südamerikanischen
Gäste mitgenommen und haben dabei das große Glück, eine sehr nette Reiseleiterin zu haben, die sich unglaublich lieb um uns kümmert und deren Spanisch super zu verstehen ist.
Zwei Seilbahnen bringen uns dann hinauf auf den Zuckerhut, die Aussicht über „Rio“ bis hin zum „Corcovado“ mit der Christus Statue ist wirklich einzigartig und später am Nachmittag setzt man uns dann am weltbekannten Strand, der „Copacabana“, ab, wo wir in sehr relaxter Atmosphäre noch ein paar sehr entspannte Stunden
im Liegestuhl und bei dem einen oder anderen Caipirinha verb
ringen. Dort treffen wir zur Heimfahrt dann auch wieder auf den deutschen Bus und sind letztendlich sehr froh, dass wir diesem mit seinem gelangweilten Reiseleiter untertags „entkommen“ sind. In „Recife“, dem z
weiten und letzten Hafen in Brasilien, steigen wir dann gar nicht mehr aus, wir genießen die Annehmlichkeiten des Schiffs und machen einfach nur so richtig „Urlaub“. Dann geht es sechs Tage lang über den Atlantik, an fünf Tagen wird die Uhr jeweils eine Stunde vorgestellt, was uns in eine Art dämmrigen „Dauer-Jetlag“ verfallen lässt, wir überqueren wieder den Äquator und erinnern uns in diesem Moment natürlich intensiv zurück an unsere Zeit in „Ecuador“ und an unsere Abenteuer dort im Amazonasdschungel. Ich habe mir ein teures Internetpaket geleistet und bin endlich seit langem wieder einmal ziemlich aktuell mit meinen Reiseberichten. Um an diesen in Ruhe zu schreiben, sitze ich oft in einer kleinen Bar im 14. Stock des Schiffs, wo es ruhiger ist als an den großen Poolbars. Hier treffe ich auf Barfrau Clarissa, die, wie der Großteil der ca.
1.200 Personen starken Crew der „Costa Fascinosa“, von den Philippinen kommt und die mir in den nächsten Tagen ein bisschen aus ihrem Leben hier am Schiff erzählt. Seit zehn Jahren arbeitet sie bereits für „Costa“, immer acht Monate lang am Stück und während dieser Zeit täglich, sieben Tage die Woche und jeden Tag 12 Stunden lang. Dafür bekommt sie – aber nur weil sie eben schon so lange dabei ist – 1.000 US$ pro Monat wovon sie aber auch noch einmal im Jahr Steuern zahlen muss. Andere Mitarbeiter,
wie z.B. in der Küche, Speisenträger und Zimmerpersonal machen das Ganze für 600-800 US$ pro Monat. Clarissa bekommt für diese Zeit nicht einen einzigen Tag frei oder auch nur einen Tag Urlaub bezahlt, nur der Flug nach Hause nach den acht Monaten und dann den Flug dorthin wo sie wieder einsteigt, wird ihr bezahlt. Es ist einfach unglaublich das zu hören und es bestätigt einem wieder einmal das, was man insgeheim ja eh schon weiß aber nie wirklich wahrhaben will: Wenn es keine armen Länder wie die Philippinen, Indonesien etc. gäbe, würde auch keine einzige Kreuzfahrtschiffgesellschaft existieren können, denn, müssten diese Gesellschaften angemessene Löhne bezahlen, wäre eine Kreuzfahrt für uns Normalsterbliche ganz einfach unleistbar. Es bleibt schon ein beklemmendes Gefühl zurück, wenn man diese Geschichten hört, auch wenn Clarissa betont, dass dieses Leben für sie immer noch besser wäre, als wenn sie auf den Philippinen ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familie verdien
en müsste – Wie heißt es doch dazu so treffend: „Auch der Einäugige ist der König unter den Blinden“. Jedenfalls empfinden wir diese 17 Tage als puren
Luxus, wir machen noch eine sehr interessante, vier Stunden lang dauernde, geführte Tour durch das Schiff, wobei wir von den Quartieren der Crew samt deren eigener Bar und dem „Crew-Beach“, einem Bereich wo sie sich in der Freizeit samt Whirlpools und Liegestühlen entspannen können, über eine der vier Küchen, bis hin zum Maschinenkontrollraum und der Brücke wo der erste Offizier unsere Fragen beantwortet,
wirklich alles besichtigen können was uns hinter den Kulissen int
eressiert. Dann steigen wir in „Las Palmas“ auf Gran Canaria noch kurz aus, setzen hier, nach ziemlich genau zwei Jahren, zum ersten Mal wieder unsere Füße auf europäischen Boden, machen einen Bummel durch die Altstadt und erreichen dann, nach weiteren zwei Seetagen, Barcelona. Hier gehen wir von Bord und checken in einem überraschend
sehr guten 2-Sterne-Hotel in der Altstadt ein, das uns für drei Nächte aber fast so viel Geld kostet wie wir pro Person für die ganze
Atlantik-Überfahrt bezahlt haben, was uns erstmals wirklich schwer schlucken lässt. Aber die wunderschöne Stadt, die wir zum ersten Mal besuchen, nimmt uns dann gleich vom ersten Moment an in Beschlag. Die drei Tage sind schnell vorbei, wir genießen die Spaziergänge durch die wirklich sehenswerte Altstadt und über die „Rambla“ hinunter zum Hafen, verbringen die Abende bei Shopping, Tapas und Cava und selbst dass wir Gaudi’s noch unvollendetes Meisterwerk, die „Sagrada Familia“, dann nur von außen bewundern können, da es die nächsten Karten für einen Besichtigung von innen erst eine Woche später gegeben hätte, verdirbt uns keinesfalls die Laune.
„Die letzten 1.000 Kilometer und endlich wieder Fastfood à la Austria“
Es folgt ein sehr angenehmer Flug von Barcelona nach Hamburg und wir checken nach zwei Jahren wieder ein in einem der liebenswerten, kleinen Hotels direkt auf der Reeperbahn. Weniger liebenswert ist allerdings das Wetter, denn hier in Hamburg holt uns zum ersten Mal das europäische Aprilwetter ein, wir landen bei 2 Grad und eiskaltem Wind, irgendwie haben wir dann auch nicht wirklich die richti
ge Kleidung dafür mitgebracht und die ersten Tage in Hamburg sind daher nicht gerade die Begrüßung auf die wir wettermäßig gehofft hatten. Zudem strandet das Frachtschiff das den Unimog bisher ohne Verzögerung von Südamerika bis nach Europa gebracht
hat, nach letzten Meldungen plötzlich und warum auch immer in Antwerpen, wo es sich dann tagelang nicht mehr von der Stelle rührt, ohne dass wir Informationen dazu bekommen. Derweil bessert sich aber in Hamburg das Wetter und damit schlagartig auch unsere Laune und wir genießen jeden Tag
bei Fischbrötchen, nordisch herbem Bier, Spaziergängen durch die Stadt und entlang der Elbe und die Nächte beim Besuch unserer langjährigen Lieblingslokale. Weniger erfreulich präsentiert sich uns die Lage bezüglich des Erwerbs von Kennzeichen für die Fahrt von Deutschland nach Österreich. Da der Unimog ja zwei Jahre lang abgemeldet war und natürlich auch das „Pickerl“ längst abgelaufen ist, sind österreichische Kennzeichen kein Thema. Im Internet liest es sich zwar ganz einfach, wie man an Überstellungskennzeichen oder Kurzzeitkennzeichen oder Ausfuhrkennzeichen kommt. Die Praxis sieht dann aber leider doch ganz anders aus. Nach dreitägigem Herumtelefonieren mit deutschen Zulasssungsstellen, dem deutschen TÜV und diversen sinnlosen Callcentern, von denen man nie den versprochenen Rückruf erhält, wird uns klar, dass es für uns als Nicht-Deutsche, Nicht-Inhaber einer deutschen Firma, ohne Wohnsitz in Hamburg und ohne Bekannte die hier vorort die Kennzeichen für uns beantragen könnten, keine Chance darauf gibt, diese innerhalb der nächsten paar Tage zu bekommen. Letztendlich ruft Karl seinen guten Freund Franz an, der, bzw. jetzt bereits sein Sohn, in Bayern die Firma „Aigner Trucks“ besitzt und der ständig mit Import und Export von Fahrzeugen zu tun hat. Franz ist einer der wenigen Menschen der hier nicht lange herumredet und uns umgehend aus der Klemme hilft, indem er uns Werkstattkennzeichen seiner Firma schickt, mit denen wir dann schon mal problemlos bis nach Bayern fahren können und das letzte Stück nach Österreich werden wir damit dann einfach auch noch riskieren. Wäre ja wohl gelacht, wir sind problemlos durch siebzehn Länder des amerikanischen Kontinents gefahren, da werden wir es jetzt ja wohl noch von Deutschland nach Österreich schaffen…! Gleich am nächsten Tag folgt dann die
nächste gute Nachricht, unsere Verschiffungsfirma informiert uns, dass die die „Grande Amburgo“ endlich im Hamburger Hafen eingelaufen ist und wir den Unimog abholen können. Als wir im Hafenbüro unsere Papiere vorlegen, folgt aber noch eine Schrecksekunde. Der freundliche Mitarbeiter
dort bittet uns, den Zustand des Unimogs sorgfältig zu kontrollieren, denn er hätte einen Vermerk gefunden, dass das Fahrzeug beschädigt sei. „Oh bitte nicht….“ ist das einzige was ich denke, „nicht jetzt, nachdem er zwei Jahre lang unversehrt geblieben ist“. Ich darf nicht mit zum Abholen aufs Hafengelände und während der Wartezeit kommen mir alle möglichen Gedanken zum Zustand des Unimogs. Dann kommt Karl zurück in den Warteraum und erlöst mich mit der guten Nachricht, dass nur die beiden Zusatzscheinwerfer gestohlen wurden, ansonsten aber alles perfekt sei – Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen! Weniger Glück hatten allerdings andere Overlander, deren Fahrzeuge auf dem gleichen Schiff waren und die bereits vor uns abgeholt wurden. Wie die Hafenmitarbeiter erzählen, wurden diese durchsucht, ausgeräumt und dabei die Einrichtung sogar teilweise zerstört. Glücklich und dankbar montieren wir die inzwischen eingetroffenen Kennzeichen, holen unser Gepäck auf der Reeperbahn ab und machen uns – endlich wieder auf Achse – auf das letzte Stück Heimweg.
Natürlich müssen wir dabei wieder einen Stopp bei unserem lieben Freund Pauli in Wiesbaden einlegen, wo die Wiedersehensfreude nach zwei Jahren klarerweise dann riesig ist, aber dann geht’s endgültig Richtung Heimat und wir überqueren am 7. Mai zu Mittag nach unvorstellbaren 754 Reisetagen wieder die Grenze nach Österreich. Natürlich schleichen wir uns mit unseren deutschen Werkstattkennzeichen, die ja in Österreich nicht erlaubt sind, über die grüne
Grenze, durchqueren die Stadt Salzburg und halten dann als Erstes gleich einmal bei einem richtigen Würstelstand, wo wir uns die lang vermissten Käsekrainer und das erste „Zipfer-Bier“ genehmigen. Ja, das fühlt sich jetzt schon ein bisschen nach zu
Hause an! Dann erreichen wir Bad Ischl und „checken ein“ bei unserem ehemaligen und auch jetzigem Vermieter Matthias, bei dem auch noch einige unserer Sachen von vor zwei Jahren lagern. Auch hier empfängt uns ein herzliches Willkommen und wir freuen uns, bei so guten Freunden wie Matthias und seiner Familie nun
erst einmal in Ruhe ankommen und uns an die Rückkehr ins „normale Leben“ gewöhnen zu können. Die kleine Wohnung kommt uns nach den vielen Monaten in denen wir auf 6m2 gelebt haben riesig vor und fragend stehe ich vor der Küche und überlege, welche
Sachen ich in die vielen Schränke und Laden räumen soll – bzw. wer und wozu man denn überhaupt so viele Sachen braucht ?!? Wir sind ja zwei Jahre lang mit einer Pfanne und drei Töpfen ausgekommen… . Ja, es wird wohl eine Zeit lang dauern, bis wir uns wieder an die ehemalige Lebensweise herantasten. Zwei Jahre haben wir keinen Fernseher und keine Zeitung vermisst und auch jetzt brauchen oder wollen wir vorerst nichts davon. Ein großes Wiedersehen gibt es aber dann natürlich mit unseren Familien, ich umarme meinen Sohn, Karl ist ganz begeistert von seinem ersten Enkel, der ja zur Welt gekomen ist als wir gerade in El Salvador waren und den er daher bisher nur von Fotos und Videos kennt. Fast täglich folgen dann auch Treffen mit unseren Freunden, die vor allem ich doch zwischendurch oft so schmerzlich vermisst habe und wobei ich mich wirklich über das Wiedersehen mit jedem einzelnen freue.
Wirklich zu Hause? – Oder vielleicht doch nur ein Zwischenstopp?
Immer wieder kommt nun natürlich von allen Seiten die Frage: Wie ist das denn jetzt nach zwei Jahren „auf Achse“ wieder zu Hause zu sein? Es ist schwer zu beantworten, es geht uns dabei wahrscheinlich nicht anders wie anderen Overlandern, aus deren Erzählungen und Büchern wir eigentlich immer dasselbe herausgehört bzw -gelesen haben: Man freut sich unendlich, dass man eine so einzigartige Reise mit den unzähligen Abenteuern erleben durfte, dass man nach so langer Zeit und mehr als 75.000 unvergesslichen Kilometern im Unimog nun wieder gesund nach Hause gekommen ist und auch das Fahrzeug heil geblieben ist. Aber der Wiedereinstig in das „normale Alltagsleben“ fällt einem wirklich viel schwerer als eigentlich gedacht. Wir fühlen uns ein bisschen wie zwei „Aliens“ die gerade auf dem Planeten Erde gelandet sind und ungläubig das geschäftige Treiben rundherum beobachten. Alle Abläufe sind komplett durchgetaktet, jeder hat ständig tausend Termine, das Karussell des täglichen Lebens dreht sich so schnell, dass wir gerade nicht wissen, wo und wie wir wieder darauf aufspringen sollen – und vor allem – ob wir das überhaupt wieder genauso wie früher wollen… . Ich sitze noch mitten im Chaos einer noch fast möbellosen Wohnung, da rufen mich bereits die ersten Freunde an und fragen, ob ich nicht Lust hätte in ihrem Betrieb zu arbeiten. Ich finde das natürlich super nett, bin aber auch nach zwei Wochen noch überhaupt nicht einmal in der Lage einen klaren Gedanken bezüglich meiner Zukunft zu fassen, daher höre ich mir zwar gerne einmal alle Angebote an, sage aber immer gleich dazu, dass ich noch eine Weile brauchen werde bis ich mich dazu entscheide, wie es beruflich nun wirklich für mich weitergehen soll. Beide schauen wir in den ersten Tagen wehmütig von der Wohnung aus hinunter auf unseren Unimog und beide würden wir am liebsten wieder unsere sieben Sachen packen, einsteigen und uns gleich wieder auf den Weg machen. Aber so schnell wird’s dann halt wohl doch nicht gehen. Für Karl steht ja nun einmal sein Herzensprojekt „Segelboot“ an und er macht sich dann auch gleich nach zwei Wochen auf den Weg nach Holland wo dieses liegt. Ich werde mich derweil um die weitere Einrichtung der Wohnung kümmern und ich freue mich darauf, noch viele weitere meiner Freunde hier im Salzkammergut aber auch in Salzburg und Kärnten zu besuchen. Irgendwann wird sich dann wohl hoffentlich auch bei mir das Gefühl einstellen, wirklich wieder ganz zu Hause angekommen zu sein… – obwohl, so ganz sicher bin ich da gerade nicht… .
Mitgenommen haben wir aus diesen zwei Jahren Reise, neben dem Kennenlernen von fantastischen Landschaften, auf jeden Fall noch unglaublich viele andere Erkenntnisse: Ein paar davon, die uns am meisten am Herzen liegen, seien hier beschrieben: Willst Du reisen und fremde Länder wirklich nicht nur von der Touristenseite aus kennenlernen, stütze Deine Reisepläne niemals nur auf diverse Reiseforen und schon gar nicht auf die Webseiten Deines Außenministeriums, denn wenn Du diese liest, wirst Du ohnedies gleich zu Hause bleiben. Wenn Du so wunderbare Länder wie El Salvador, Honduras, Nicaragua oder Bolivien nur im Konvoi schnellstmöglich durchquerst oder sie, nur aufgrund von irgendwelchen Warnungen, sogar ganz meidest, versäumst Du unendlich schöne Erlebnisse und nimmst damit den Menschen dort die Gelegenheit, Dir zu zeigen, wie schön und sicher ihr Land mit ein bisschen Hausverstand sein kann. Glaube keinesfalls alles was Du von anderen, vielleicht enttäuschten Reisenden hörst, gehe immer unvoreingenommen in jedes Land hinein, sprich viel mit den Einheimischen, sie kennen ihr Land am Besten. Verlasse Dich auf ihre Empfehlungen und ganz besonders auf Dein Bauchgefühl, denn Du wirst merken, es hat viel öfter recht als Google! Lerne, möglichst bevor Du aufbrichst, wenigstens die Grundlagen der jeweiligen Sprache, ansonsten werden Dir die wirklich eindrucksvollsten Gespräche entgehen und das wird Dich mindestens so sehr schmerzen wie die Einheimischen, die ja auch so unglaublich neugierig auf Deine Geschichten sind. Nicht jeden Tag herrscht in einer Beziehung Sonnenschein, nicht zu Hause und schon gar nicht auf einer Reise wenn man 24/7 auf engstem Raum zusammenlebt.
Bevor Du aber den Hut draufhaust und in ein Flugzeug nach Hause steigst – und glaube mir, dieser Gedanke wird Dir schneller kommen als Du glaubst – nimm lieber ein Bier aus dem Kühlschrank, setz Dich vors Auto und halt mal für eine halbe Stunde die Klappe. Am nächsten Traumstrand, in der nächsten Kolonialstadt oder beim nächsten Sonnenuntergang wirst Du wissen warum – Weil nichts schöner ist, als jemanden an seiner Seite zu haben, mit dem man die wunderbarsten Augenblicke teilen kann und weil alleine alles nur die Hälfte wert ist! Nimm Dir immer genug Zeit und hetze nicht irgendeinem sinnlosen Reiseplan hinterher. Wenn es irgendwo schön ist, bleib dort und genieße den Augenblick, auch wenn der länger als gedacht dauert. Nimm ruhig Hilfe von Einheimischen an und lass Dich auch von ihnen zu sich nach Hause einladen, sie bieten Dir das aus tiefstem Herzen an und haben zu 99% keine bösen Hintergedanken. Wenn Du das richtige Fahrzeug hast, nimm immer die kleinste Straße zu Deinem Ziel und nur wenn es unbedingt sein muss mal die Autobahn. Die Schotterstraßen, die Bergstraßen und die Dschungelstrecken werden Dich zu jenen Orten führen, an denen Du die Menschen mit den ganz großen Herzen findest. Lass Dich auf sie ein und nimm so viel wie möglich von ihrer Willkommenskultur, ihrer Freundlichkeit, Fröhlichkeit und ihrer Zufriedenheit mit zu Dir nach Hause – Dann hat sich Deine Reise auf jeden Fall schon gelohnt!
Apropos Reisen: Beim Ausräumen unserer Sachen aus dem Unimog ist mir heute gerade der Brasilien-Reiseführer in die Hände gefallen, der natürlich sofort einen Platz auf meinem Nachttisch bekommen hat. Denn – auch wenn Karl im Moment noch mit kopfschüttelndem Brummen reagiert – im Inneren ist er bereits fertig, mein Plan: Sechs bis sieben Monate lang soll es gehen von Argentinien über Paraguay nach Brasilien um dort das Abenteuer der 4.342 km langen „Trans-Amazónica“, der längsten Lehmpiste der Welt, die unter anderem durch den brasilianischen Regenwald führt, in Angriff zu nehmen. Danach soll der Weg dann über Französisch Guyana, Suriname, Guyana und Venezuela nocheinmal auf der uns noch unbekannten Seite des amerikanischen Kontinents hinauf bis nach Kolumbien führen, um damit auch den Rest von Amerika noch „zu erobern“. Ja, und das Ganze natürlich NUR zusammen mit meinem Karl UND unserem unverwüstlichen Unimog – Was wohl auch sonst?
Also, liebe Leser, herzlichen Dank dafür, dass ihr die oft wirklich langen Wartezeiten zwischen meinen Reiseberichten über unsere „Zwei Jahre im Unimog von Alaska bis Feuerland“ so tapfer durchgehalten habt und falls Ihr Gefallen an unseren Abenteuern gefunden habt, gibt es vielleicht schon ab Herbst 2025 eine Fortsetzung im Sinne von „Ubi bene ibi patria“ – Denn überall wo es schön ist – Dort ist Heimat!
Eure Rebecca